Kosten der medizinischen Behandlung in einer Privatklinik
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin machte im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 ua Kosten (17.164,48 Euro) für zwei in einer Privatklinik durchgeführte Liposuctionen (operative Reduktion von Fettgewebe) als außergewöhnliche Belastung geltend. Einem von der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Vorhalteverfahrens vorgelegten ärztlichen Attest zufolge leide die Beschwerdeführerin an einem Lipödem Stadium l-II, Typ 4 und sei zum Erhalt der Berufsfähigkeit und zur Vermeidung von Folgeerkrankungen die operative Reduktion des Fettgewebes medizinisch indiziert.
Mit Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Österreich (im Folgenden: "belangte Behörde") vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2022 mit -477,00 Euro festgesetzt, wobei die beantragten Kosten für die Liposuctionen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine außergewöhnliche Belastung nur dann vorläge, wenn die Behandlung bzw Operation grundsätzlich medizinisch erforderlich ist und aus medizinischen Gründen nicht in einem öffentlichen Krankenhaus, sondern nur in einer Privatklinik durchgeführt werden kann. Dies treffe im gegenständlichen Fall jedoch nicht zu.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin gegen den vorgenannten Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei sie im Wesentlichen auf die medizinische Notwendigkeit der Liposuction und auf den Umstand, dass eine solche in einem öffentlichen Krankenhaus nicht angeboten werde, verwies.
Mit Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom wurde die Beschwerdeführerin um Auskunft ersucht, ob die gesetzliche Krankenversicherung einen Teil der beantragten Kosten übernommen habe und ob eine medizinische Notwendigkeit bestanden habe, die Eingriffe in einem Privatkrankenhaus anstatt in einem öffentlichen Krankenhaus durchführen zu lassen. Bejahendenfalls wurde die Beschwerdeführerin um Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bestätigung dieses Umstandes ersucht. Daraufhin gab die Beschwerdeführerin an, dass die gesetzliche Krankenversicherung keine Kosten übernommen habe und dass sie dazu gezwungen gewesen sei, die Operationen in einer Privatklinik durchführen zu lassen, da diese in einem öffentlichen Krankenhaus nicht gemacht würden.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde dazu ua ausgeführt, dass zwar an der medizinischen Notwendigkeit der Eingriffe keine Zweifel bestünden; jedoch habe eine Internet-Recherche ergeben, dass Lipödem-Operationen auch in öffentlichen Krankenhäusern in ***Ort1*** (***Klinik1*** ***Ort1***) und ***Ort2*** (***Klinik2***) durchgeführt werden. Die Websites der ***Klinik2*** ***Ort2*** würden sogar mit der Durchführung einer "Liposuction" werben. Die Durchführung der Operationen in einer Privatklinik beruhe daher auf einer freiwilligen Entscheidung der Beschwerdeführerin, die keine Zwangsläufigkeit der Krankheitskosten begründe.
Am wurde daraufhin von der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag eingebracht und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin vor dem Aufsuchen der Privatklinik eine Internet-Recherche durchgeführt habe, um herauszufinden, in welchen Krankenhäusern/Kliniken/Anstalten eine solche Operation vorgenommen wird. Dabei sei die ***Privatklinik1*** in ***Ort3*** und eine Stelle in München ausgewiesen worden, wobei sich die Beschwerdeführerin aufgrund der räumlichen Nähe an die ***Privatklinik1*** gewendet habe. Maßgebend sei das Suchergebnis, welches zum damaligen Zeitpunkt bei der Beschwerdeführerin ersichtlich war und nicht die ca 2 Jahre später von der belangten Behörde durchgeführte Suche.
Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde und der Akten an das Bundesfinanzgericht und wurde von der belangten Behörde im Vorlagebericht ergänzend zur Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, dass die von der belangten Behörde angeführte Website des ***Klinik1*** ***Ort1*** seit online sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Die Beschwerdeführerin leidet an einem Lipödem (Stadium I-II, Typ 4) und hat sich aus diesem Grund im Jahr 2022 in der ***Privatklinik1*** in ***Ort3*** zwei operativen Eingriffen zur Entfernung von Fettgewebe (Liposuction) unterzogen. Die Beschwerdeführerin hatte die ***Privatklinik1*** erstmalig am aufgesucht, wo die vorgenannte Diagnose gestellt und ein Behandlungsvorschlag erstellt wurde, in dem von "mind. 3 Operationen" die Rede ist.
1.2. Die operative Reduktion des Fettgewebes war zum Erhalt der Berufsfähigkeit und zur Vermeidung von dermatologischen, vaskulären, orthopädischen und psychischen Folgeerkrankungen medizinisch indiziert und bestand angesichts der durch Studien belegten Langzeiterfolge einer operativen Therapie durch Liposuction eine anerkannte medizinische Indikation für diese Eingriffe.
1.3. Für die Operationen hat die Beschwerdeführerin keine Kostenersätze von der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.
1.4. Die Beschwerdeführerin hat eine medizinische Notwendigkeit der Durchführung der Operationen in einer Privatklinik anstatt in einem öffentlichen Krankenhaus nicht nachgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die Feststellungen bei den Punkten 1.1 und 1.2 ergeben sich aus dem aktenkundigen ärztlichen Attest der ***Privatklinik1*** vom .
Die Feststellung bei Punkt 1.3 ergibt sich aus dem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben der Beschwerdeführerin vom .
Zu den Feststellungen bei Punkt 1.4 ist wie folgt auszuführen:
In einem ausschließlich auf die Erwirkung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichteten Verfahren trifft den Abgabepflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese hat zur Folge, dass der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl ; , Ro 2018/15/0025). Dabei trifft den Abgabepflichtigen insbesondere auch eine Beweismittelvorsorge- und Beweismittelbeschaffungspflicht (vgl ). Die Beweislast dafür, dass Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind, trägt nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl , Rn 24; Ra 2020/13/0057, Rn 16; , Ra 2019/15/0159, mwN). Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich (vgl , mwN).
Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin mit aktenkundigem Ergänzungsersuchen vom um Beantwortung der Frage, warum die Eingriffe nicht in einem öffentlichen Krankenhaus stattfinden haben können sowie um Beantwortung der Frage, ob eine medizinische Notwendigkeit bestanden hat, die Eingriffe in einem Privatkrankenhaus durchführen zu lassen, ersucht. Bejahendenfalls wurde die Beschwerdeführerin um Vorlage einer ärztlichen Bestätigung dieses Umstandes ersucht.
"Beweisen" heißt die Überzeugung vom Bestehen oder Nichtbestehen eines behaupteten oder angenommenen Sachverhaltes herbeiführen (). Die Beschwerdeführerin hat zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung in einer Privatklinik anstatt in einer öffentlichen Krankenanstalt allerdings in Ihrer Beantwortung des oa Ergänzungsersuchens der belangten Behörde vom nur behauptet, dass die vorgenommenen Eingriffe in einer öffentlichen Krankenanstalt nicht durchgeführt würden, wobei es die Beschwerdeführerin insbesondere unterlassen hat, diese Behauptung stützende Beweisanbote zu machen. Im Übrigen ergibt sich aus der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung des (siehe Beilage) und den in dieser Entscheidung erfolgten Feststellungen, dass die bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Eingriffe entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin auch in öffentlichen Krankenanstalten vorgenommen werden bzw auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum vorgenommen wurden.
Eine bloße Behauptung (ohne Anbot von Beweismitteln) vermag eine medizinische Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Behandlung in einer Privatklinik anstatt in einer öffentlichen Krankenanstalt nicht darzutun und hat die Beschwerdeführerin somit trotz der sie treffenden Beweislast den erforderlichen Nachweis nicht erbracht.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
"1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)."
Die im vorliegenden Fall strittige Voraussetzung der Zwangsläufigkeit ist gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung "aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann." Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl , Rn 24; , Rn 11). Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (, mwN).
Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (, Rn 16).
Zu berücksichtigen ist weiters, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Merkmal der Zwangsläufigkeit auch der Höhe nach gegeben sein muss (vgl , mwN). Zwar können im Einzelfall auch höhere Aufwendungen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen (; , 85/14/0149). Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass triftige medizinische Gründe dafür vorliegen, wobei die triftigen medizinischen Gründe in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen müssen, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (; , 85/14/0181).
Wie bereits unter Punkt 2. dargelegt wurde, trägt dabei die Beweislast der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl zB , Rn 24, mwN). Dass triftige medizinische Gründe für eine Behandlung in einer Privatklinik vorgelegen haben bzw dass eine Behandlung nicht in einem öffentlichen Krankenhaus habe erfolgen können, wurde von der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall allerdings nicht nachgewiesen und war daher spruchgemäß zu entscheiden (vgl zB auch ).
3.2. Zu Spruchpunkt II.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob triftige medizinische Gründe vorliegen, die auch höhere Aufwendungen des Steuerpflichtigen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen lassen oder nicht, ist eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht berufen ist (vgl , Rn 13). Im Übrigen folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 167 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.6100412.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
RAAAF-44925