Verfassungswidrigkeit des § 67 Abs. 1 EStG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache
*Bf*, *Bf-Adr*, Steuernummer *Bf-StNr*, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2023 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) bezog im Jahr 2023 eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt sowie eine Invalidenrente von der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung/Invalidenversicherung/Familienausgleichskasse (in der Folge: AHV/IV/FAK) und eine weitere Invalidenrente von der Personalvorsorgestiftung seiner vormaligen liechtensteinischen Arbeitgeberin. Die Pension der Pensionsversicherungsanstalt und die Invalidenrente der AHV/IV/FAK enthielten auch eine Sonderzahlung, die Invalidenrente der Personalvorsorgestiftung hingegen nicht.
Dementsprechend berücksichtigte das Finanzamt im angefochtenen Bescheid die sonstigen Bezüge von der Pensionsversicherungsanstalt und der AHV/IV/FAK bei der begünstigten Besteuerung für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988, während es die Invalidenpension von der Peronalvorsorgestiftung zur Gänze zum Tarif gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 versteuerte.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wandte der Bf. ein, die Besteuerung der Invalidenrente der Personalvorsorgestiftung zum Tarif verstoße gegen Artikel 7 B-VG. Nach 36 Jahren Tätigkeit als Angestellter in Liechtenstein beziehe er nun eine Invalidenrente, die nur 12 Mal im Jahr ausbezahlt werde, weshalb er das Jahressechstel nicht beanspruchen könne. Der Gesetzgeber habe es verabsäumt, ihn einem österreichischen Erwerbstätigen gleichzustellen. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weshalb insoweit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 7 B-VG vorliege. Er fordere das Finanzministerium bzw. den Gesetzgeber auf, im Erlasswege bzw. per Gesetz diese Ungleichbehandlung rückwirkend aufzuheben und eine Neuberechnung der Steuerschuld 2023 vorzunehmen.
Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 3 BAO direkt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. bezog im Jahr 2023 eine Invalidenrente der AHV/IV/FAK in Höhe von 25.311 CHF bzw. 25.654,80 Euro, die neben den zwölf monatlichen Rentenzahlungen auch eine Weihnachtszulage in Höhe von 1.947 CHF bzw. 1.973,45 Euro enthielt, sowie eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 1.354,50 Euro brutto, die ebenfalls eine Sonderzahlung in Höhe von 193,50 Euro beinhaltete.
Ferner bezog er im Jahr 2023 eine Invalidenrente von einer liechtensteinischen Personalvorsorgestiftung in Höhe von 101.628 CHF bzw. 103.008,41 Euro, die in zwölf Monatsrenten ohne Sonderzahlungen ausbezahlt wurde.
2. Beweiswürdigung
Für diese Sachverhaltsfeststellungen folgt das Bundesfinanzgericht den Angaben auf dem Steuerausweis 2023 der AHV/IV/FAK, auf dem Lohnzettel L16 der Pensionsversicherungsanstalt und auf dem Lohnausweis 2023 der Personalvorsorgestiftung. Sie sind im Übrigen zwischen den Parteien unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 67 Abs. 1 EStG 1988 sieht eine begünstigte Besteuerung für sonstige Bezüge vor.
Er lautet:
"Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge
1. für die ersten 620 Euro………………..…0%,
2. für die nächsten 24 380 Euro …………6%,
3. für die nächsten 25 000 Euro………..27%,
4. für die nächsten 33 333 Euro……35,75%.
Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2.570 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2.570 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 erster Teilstrich, Abs. 6 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen."
Gemäß § 67 Abs. 11 EStG 1988 ist § 67 Abs. 1 EStG auch bei der Veranlagung von Arbeitnehmern anzuwenden. § 67 EStG 1988 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften, sofern diese die Voraussetzungen des § 67 EStG 1988 erfüllen (vgl. ).
Sonstige Bezüge liegen nur vor, wenn die Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn und vom selben Arbeitgeber ausgezahlt werden.
Im Beschwerdefall wurde die Invalidenrente der Personalvorsorgestiftung in zwölf Monatszahlungen ohne sonstige Bezüge ausbezahlt. Damit sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67 Abs. 1 EStG 1988 nicht erfüllt.
Dass dem so ist, ist auch zwischen den Parteien unbestritten.
Strittig ist lediglich, ob damit gegen Artikel 7 Abs. 1 B-VG verstoßen wird.
Artikel 7 Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) lautet.
Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.
Hierzu ist zunächst zu sagen, dass gemäß dem in Artikel 18 Abs. 1 B-VG verankerten Legalitätsprinzip die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf. Diese Bindung ans Gesetz betrifft die ganze Verwaltung und Gerichtsbarkeit.
Wenn der Gesetzgeber die begünstigte Besteuerung des § 67 Abs. 1 EStG 1988 ausdrücklich auf sonstige Bezüge einschränkt, im Beschwerdefall aber keine sonstigen Bezüge vorliegen, konnte das Finanzamt gar nicht anders, als diese Begünstigung eben nicht anzuwenden.
Zwar hat ein ordentliches Gericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, einer Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages) aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit oder eines Staatsvertrages aus dem Grund der Rechtswidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim VfGH zu stellen.
Das Bundesfinanzgericht hat aber keine derartigen Bedenken. Bereits in mehreren Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof die Begünstigung nichtselbständiger Einkünfte durch § 67 EStG 1988 für gleichheitsrechtlich unbedenklich gehalten (vgl. z.B. ; ; ). Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bieten die nach Einkunftsarten unterschiedlichen Regelungen und Möglichkeiten in Hinblick auf Begünstigungen das Bild einer gewissen sozialen Symmetrie. § 67 Abs. 1 EStG 1988 kommt bei einer gebotenen Durchschnittsbetrachtung die Funktion eines Ausgleichs der für andere Einkunftsarten geltenden begünstigenden Regelungen und Dispositionsmöglichkeiten zu. Dass die verschiedenen Regelungen und Dispositionsmöglichkeiten nur im Gesamtkontext ein einigermaßen ausgewogenes Bild bieten, es hingegen aus der Sicht des Steuerpflichtigen zu Härten kommen kann, weil er von den begünstigenden Sonderregelungen oder Dispositionsmöglichleiten seiner Einkunftsart im Einzelfall nicht oder nur eingeschränkt Gebrauch machen kann, ändert nach Ansicht des Verfassungsgerichtshof nichts an der Durchschnittsbetrachtung. Es steht somit in der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er von einer Sonderregelung wie dem § 67 EStG Gebrauch machen möchte oder nicht (vgl. noch einmal ).
Demgemäß hat der Verfassungsgerichtshof in Hinblick auf § 67 EStG keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit gegenüber den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erkennen können (vgl. abermals ). Wenn aber beim § 67 EStG schon keine Gleichheitswidrigkeit gegenüber Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus einer anderen Einkunftsart als der aus unselbständiger Arbeit beziehen, besteht, dann liegt eine solche Verfassungswidrigkeit umso weniger gegenüber Beziehern von Einkünften aus dieser Einkunftsart vor, die nur deshalb nicht in den Genuss des § 67 Abs. 1 EStG 1988 kommen, weil keine sonstigen Bezüge vorliegen. Es liegt schließlich in der Dispositionsmöglichkeit der Arbeitgeber oder anderer Bezüge auszahlender Einrichtungen wie Versicherungsanstalten oder Pensionskassen, derartige sonstige Bezüge vorzusehen. Die Anwendung des § 67 EStG scheitert im Beschwerdefall auch nicht daran, dass der Bf. die Invalidenrente von einer ausländischen Einrichtung empfangen hat - § 67 EStG 1988 unterscheidet wie gesagt nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften und die Weihnachtszahlung der AHV/IV/FAK wurde dementsprechend im angefochtenen Bescheid auch als sonstiger Bezug behandelt -, sondern einzig und allein daran, dass keine sonstigen Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 leg. cit. vorliegen.
Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Pensionszahlungen der liechtensteinischen Personalvorsorgestiftung einerseits und der österreichischen Sozialversicherung und der liechtensteinischen AHV/IV/FAK andererseits ist daher nicht in der Regelung des § 67 EStG 1988 begründet, sondern in der unterschiedlichen Gestaltung der Pensionszahlungen durch die jeweiligen Sozialversicherungsgesetze und Pensionskassenreglements. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz kann daher nicht erkannt werden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis beruht auf einer eindeutigen rechtlichen Grundlage. Eine lediglich behauptete, vom Bundesfinanzgericht aber nicht erkannte Verfassungswidrigkeit einer anzuwendenden Norm betrifft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zulässig ist.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 18 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 Art. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 Art. 7 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 67 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 262 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.1100019.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
MAAAF-44918