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VwGH 14.01.2025, Ra 2023/15/0082

VwGH 14.01.2025, Ra 2023/15/0082

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der S Corp., in T (Japan), vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100038/2019, betreffend Vorsteuererstattung 2010 bis 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, ein Telekommunikationsunternehmen, das in einem Drittland (Japan) ansässig ist und in Österreich weder über einen Sitz noch über eine Betriebsstätte verfügt, reichte für die Jahre 2010 bis 2012 Anträge auf Vorsteuererstattung gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 ein.

2 Die Vorsteuern resultierten aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern (Providern) für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren. Inhalt dieser Roamingleistungen war die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Revisionswerberin zur Nutzung durch deren Kunden.

3 Das Finanzamt erließ entsprechende Bescheide und erstattete die geltend gemachten Vorsteuern.

4 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt diese Verfahren wieder auf und setzte die Erstattung mit neuen Sachbescheiden vom  mit Null fest, weil anstelle des Vorsteuererstattungsverfahrens das Veranlagungsverfahren anzuwenden sei.

5 Die Revisionswerberin erhob gegen die Wiederaufnahmebescheide und die Sachbescheide Beschwerde.

6 Das Finanzamt erließ in weiterer Folge Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 im Veranlagungsverfahren, gegen die ebenfalls Beschwerde erhoben wurde.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Sachbescheide zur Vorsteuererstattung 2010 bis 2012 als unbegründet ab. Es führte aus, dass die Umsatzsteuerpflicht der von der Revisionswerberin erbrachten Umsätze unstrittig sei. Demnach verlagere sich die Umsatzsteuerpflicht für die Umsätze der Revisionswerberin nach Österreich und sei das Veranlagungsverfahren anstelle des Vorsteuererstattungsverfahrens anzuwenden. Die neuen Sachbescheide (Erstattung mit Null) entsprächen der Rechtslage. Weiters begründete das Bundesfinanzgericht, wieso die Neufestsetzung der Vorsteuererstattung für das Jahr 2010 noch nicht verjährt sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei in seiner Entscheidung mehrfach von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es nicht das Beschwerdeverfahren betreffend die Wiederaufnahmebescheide vor dem Verfahren betreffend die Sachbescheide abgeschlossen habe und die Maßgeblichkeit des Grundsatzes „ne bis in idem“ im Beschwerdeverfahren betreffend die Sachbescheide verneint habe, obwohl es mit dem angefochtenen Erkenntnis über die Festsetzung von abziehbaren Vorsteuern im Erstattungsverfahren abgesprochen habe, welche auch in einem noch anhängigen Beschwerdeverfahren betreffend die Umsatzsteuerfestsetzung im Veranlagungsverfahren hätten berücksichtigt werden sollen.

9 Nach Ansicht der Revisionswerberin habe die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren betreffend die Sachbescheide (Erstattungsbescheide) vorzuliegen und sei diese der Partei sowie der belangten Behörde zur Kenntnis zu bringen. Andernfalls werde dem Gebot der Prozessökonomie nicht entsprochen und sei das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet.

10 Das Bundesfinanzgericht sei davon ausgegangen, dass der Erstattungsbescheid 01-12/2010 vom  als Verlängerungshandlung und als nach außen hin erkennbare Amtshandlung zu werten sei, die zur Verlängerung der Verjährungsfrist für die Wiederaufnahme des Vorsteuererstattungsbescheides des Jahres 2010 führe. Zu klären sei, ob die Erlassung eines Erstattungsbescheides überhaupt den Zweck verfolge, einen Abgabenanspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Ein ausschließlich den Abgabenpflichtigen begünstigender Bescheid über die Erstattung von Vorsteuer sei keine Amtshandlung, aus der geschlossen werden könne, dass die Abgabenbehörde damit die Festsetzung eines Abgabenanspruches bzw. Feststellung des Abgabepflichtigen verfolge.

11 Ob eine getrennte Festsetzung von Umsatzsteuer und Vorsteuer im Rahmen von parallel geführten Erstattungs- und Veranlagungsverfahren möglich sei, oder die Festsetzung der Umsatzsteuer in einem Verfahren der Festsetzung derselben Abgabe im anderen Verfahren entgegenstehe (ne bis in idem), sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für die Behandlung ausländischer Unternehmer, die aufgrund einer falschen Beurteilung von einer Verfahrensart in die andere Verfahrensart wechseln müssten. Die dargestellte Rechtsfrage sei vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht geklärt. Die Verfügung der Aussetzung gemäß § 271 BAO im Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Rechtsache Ra 2022/15/0087 wäre zweckmäßig gewesen. Das Bundesfinanzgericht habe jedoch trotz Vorliegens der Voraussetzungen und der Zweckmäßigkeit der Aussetzung gemäß § 271 BAO die Aussetzung nicht bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2022/15/0087 verfügt. Darin liege ein erheblicher Ermessensfehler, welcher der Ermessenskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich sei.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2023/15/0081, die Revision gegen die Abweisung der Beschwerde im Wiederaufnahmeverfahren zurückgewiesen. Die in der hier vorliegenden Revision vorgebrachten Zulässigkeitsgründe hinsichtlich der Verjährung und hinsichtlich der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren betreffend die Sachbescheide wurden bereits dort vorgebracht. Auf die Entscheidungsgründe wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.

16 Zur Rechtsfrage, ob die Festsetzung der Abgabe im Veranlagungsverfahren, der Festsetzung derselben Abgabe im Vorsteuererstattungsverfahren entgegensteht, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/15/0087, ausgesprochen, dass es sich beim Vorsteuererstattungsverfahren nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 und der in § 21 Abs. 4 UStG 1994 vorgesehenen Veranlagung der Jahresumsatzsteuer um gesonderte Verfahren handelt. Das Vorliegen eines auf § 21 Abs. 9 UStG 1994 gestützten Abspruchs über die Erstattung von Vorsteuern steht der Erlassung eines Umsatzsteuerveranlagungsbescheides nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 nicht entgegen.

17 Die Veranlagungsbescheide zur Umsatzsteuer 2010 bis 2012 sind erst nach den neuen Sachbescheiden zur Vorsteuererstattung 2010 bis 2012 erlassen worden. Der Entscheidung im Erstattungsverfahren steht die spätere Erlassung der Umsatzsteuerbescheide im Veranlagungsverfahren nicht entgegen.

18 Zum Ermessen betreffend die Aussetzung des Verfahrens ist dem Vorbringen entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht ausführlich begründet hat, wieso es eine Aussetzung als nicht zweckmäßig angesehen hat. Darauf geht die Revision mit keinem Wort ein und enthält auch keine nähere Begründung dafür, wie das Ermessen für eine Aussetzung hätte geübt werden müssen.

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2025:RA2023150082.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-44866