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VwGH 20.12.2024, Ra 2023/13/0033

VwGH 20.12.2024, Ra 2023/13/0033

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BAO §20
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 lite
BAO §303
BAO §93 Abs3 lita
B-VG Art130 Abs3
VwRallg
RS 1
Die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO liegt im Ermessen der Behörde und die Behörde hat die Ermessensübung zu begründen (vgl. , mwN). Das gilt auch für das BFG, dem volle Kognition auch bei der Ermessensübung eingeräumt ist (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des P in W, vertreten durch die Fidi Unger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7101606/2022, betreffend u.a. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 bis 2017, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt II.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als Immobilienmakler tätig. Aufgrund einer durchgeführten Außenprüfung wurden - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - die Verfahren zur Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie zur Umsatzsteuer 2014 bis 2017 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. Als Begründung wurde angegeben, dass Aufwendungen für medienrechtliche Beratung sowie Rechts- und Beratungsaufwendungen, die unmittelbar mit einem Strafverfahren des Revisionswerbers in Zusammenhang stünden, als nicht betrieblich veranlasst qualifiziert würden. Der Revisionswerber erhob dagegen eine Beschwerde.

2 Hinsichtlich der Sachbescheide erklärte der Revisionswerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht die Zurücknahme der Beschwerde, soweit sie sämtliche beantragte Rechts- und Beratungsaufwendungen mit Ausnahme der angesetzten Aufwendungen für medienrechtliche Beratung betreffe.

3 Die gegen die Wiederaufnahme der Verfahren erhobene Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab. Es führte aus, dass das Finanzamt im Revisionsfall keine Kenntnis davon gehabt habe, dass der Revisionswerber konkrete Honorare im Zusammenhang mit einem gegen ihn geführten Strafverfahren in Abzug gebracht habe. Dieser Umstand sei von ihm im Rahmen der Einreichung der Steuererklärungen auch in keiner Weise explizit offengelegt worden. Der Argumentation des Revisionswerbers, dass bereits einem mittelmäßig aufmerksamen Zeitungsleser klar gewesen sein müsse, dass in der Strafsache X ein erheblicher Aufwand an Verteidigungskosten angefallen sei und dass dieser Umstand somit auch jedem Referenten in der Abgabenbehörde klar gewesen sein (müsse), könne von Seiten des Bundesfinanzgerichts nicht beigetreten werden. Selbst wenn der zuständige Mitarbeiter des Finanzamtes grundsätzlich aus den Medien über das Strafverfahren an sich informiert gewesen wäre, seien ihm - und somit auch der Behörde an sich - keine konkreten Umstände bekannt gewesen bzw. seien dem Finanzamt keine Honorarnoten, etc, vorgelegen, aus denen sich die Art und Höhe der Aufwendungen ergeben hätte. Die Ermittlung der tatsächlich angefallenen Rechts- und Beratungsaufwendungen im Zusammenhang mit dem betreffenden Strafverfahren habe daher nur im Zuge der Außenprüfung erfolgen können. Die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten steuerlichen Sachverhalte stellten somit neu hervorgekommene Tatsachen dar. Die Kenntnis dieser Tatsachen hätte bzw. habe zu im Spruch anderslautenden Bescheiden geführt. Die Wiederaufnahme sei daher zu Recht erfolgt.

4 Gegen Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, auffallend sei die fehlende Auseinandersetzung des Bundesfinanzgerichts mit der Verjährung. Eine amtswegige Wiederaufnahme sei gemäß § 304 BAO nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung sei von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Eine diesbezügliche Einrede des Abgabepflichtigen sei nicht abzuwarten. Dass sich aufgrund des vergangenen Zeitraumes die Thematik der Verjährung stelle, sei auch für das Bundesfinanzgericht offenkundig gewesen. Das Bundesfinanzgericht habe jedoch keinerlei Feststellungen getroffen, die eine entsprechende Überprüfung möglich machen würden. Es fehle zudem eine Begründung der Ermessensübung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Ermessensentscheidung bei der Wiederaufnahme zu begründen, das Bundesfinanzgericht habe sich damit überhaupt nicht beschäftigt.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und begründet.

7 Die Revision bringt vor, dass jegliche Begründung zur Ermessensübung im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts fehlt.

8 Die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO liegt im Ermessen der Behörde und die Behörde hat die Ermessensübung zu begründen (vgl. , mwN). Das gilt auch für das Bundesfinanzgericht, dem volle Kognition auch bei der Ermessensübung eingeräumt ist (vgl. , mwN).

9 Da in dem angefochtenen Erkenntnis keinerlei Ausführungen zur Ermessensübung enthalten sind, hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis schon deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet. Auf das übrige Vorbringen brauchte somit nicht mehr eingegangen werden.

10 Das Erkenntnis war somit im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

11 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §20
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 lite
BAO §303
BAO §93 Abs3 lita
B-VG Art130 Abs3
VwRallg
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130033.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-44863

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