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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.01.2025, RV/7105672/2019

Haftung gemäß § 9 BAO (Zahlungserleichterung, Aufgliederung Lohnabgaben, Überrechnung)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Helmut Allesch, Villacher Straße 209 Tür 4, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 iVm 80 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Haftung des Beschwerdeführers wird auf den Betrag von Euro 31.695,78 herabgesetzt. Die Aufgliederung der Abgaben findet sich am Ende der Entscheidungsgründe und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Geschäftsführer der ***GmbH*** (Primärschuldnerin) und wurde mit Bescheid vom zur Haftung für den ausstehenden Abgabenbetrag in Höhe von Euro 96.887,18 herangezogen. In der Begründung wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt und auf das Erfordernis eines Gleichbehandlungsnachweises hingewiesen. Dem Bescheid waren die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide beigefügt.

Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde. Darin wurde die Haftung des Bf. sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten. Weiters sei ein Betrag in Höhe von Euro 43.339,86 bezahlt worden, sodass sich die Haftungssumme jedenfalls um diesen Betrag verringere. Im Februar 2015 sei ein Zahlungserleichterungsansuchen eingebracht worden, das positiv erledigt worden sei. Nach dem Ausscheiden des Bf. sei die Zahlung der Raten nicht mehr in seinem Verantwortungsbereich gelegen. Bei der Vorschreibung der Lohnabgaben sei außerdem nicht berücksichtigt worden, dass der Bf. nicht das ganze Jahr 2014 als Geschäftsführer der Primärschuldnerin tätig gewesen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Bescheid abgeändert und die Haftung auf den Betrag in Höhe von Euro 31.863,22 herabgesetzt. Nach Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen wurde darauf hingewiesen, dass es am Bf. liege, einen Nachweis betreffend die Gleichbehandlung aller Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte und das Vorhandensein liquider Mittel zu erbringen. Überdies habe der Bf. durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Zahlungserleichterung schuldhaft zum Abgabenausfall beigetragen, was durch den Bericht des Masseverwalters belegt werde.

In der Eingabe vom beantragte der Bf. ohne weitere Begründung die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache mit Stichtag der GA 1017 zur Entscheidung zugeteilt.

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde, das Zahlungserleichterungsansuchen vom , den dieses Ansuchen bewilligenden Bescheid sowie den Bericht des Masseverwalters vom zu übermitteln. Überdies wurde die belangte Behörde aufgefordert, die Lohnabgaben für das Jahr 2014 monatsweise aufzugliedern und eine Aufstellung der noch offenen Abgabenschulden vorzulegen.

Am übermittelte die belangte Behörde die erbetenen Unterlagen und gliederte die Lohnabgaben für das Jahr 2014 - soweit möglich - anhand des Berichtes der Betriebsprüfung auf. Eine monatsweise Aufgliederung der Beträge für den Zeitraum 01-05/2014 DB (Euro 69,75) und DZ (Euro 6,36) und für den Zeitraum 06-12/2014 DB (Euro 83,70) und DZ (Euro 7,63) sei nach dem Bericht der Betriebsprüfung nicht möglich. In Hinblick auf die Geringfügigkeit der Beträge werde beantragt, aus verwaltungsökonomischen Gründen hinsichtlich dieser Beträge von einer Haftungsinanspruchnahme Abstand zu nehmen. Schließlich hätten zwei Überrechnungen vom Abgabenkonto des Bf. stattgefunden, sodass ein Betrag in Höhe von Euro 25.544,18 aushafte.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom wurden dem Bf. die ergänzenden Unterlagen, die Ausführungen der belangten Behörde und eine Aufgliederung der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden zur Kenntnis gebracht. Überdies wurde der Bf. auf den nach der Rechtsprechung des VwGH gebotenen Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger hingewiesen und dem Bf. die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung statt, zu der der Bf. trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen ist. Die Verhandlung wurde in Abwesenheit des Bf. durchgeführt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war im Zeitraum bis Geschäftsführer der ***GmbH*** (Primärschuldnerin).

Über die Gesellschaft wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1***, ***GZ***, der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom ***Datum2*** wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Am ***Datum3*** erfolgte die amtswegige Löschung infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch.

Der Bf. wurde mit Haftungsbescheid vom für die nachstehenden Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Anspruch genommen:

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Haftung des Bf. auf folgende Abgabenrückstände eingeschränkt, da die weiteren Abgabenschuldigkeiten nicht am Abgabenkonto der Primärschuldnerin aushafteten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
09/14
156,89
Einfuhrumsatzsteuer
10/14
1.388,39
Umsatzsteuer
10/14
20.293,75
Säumniszuschlag
2014
96,72
Säumniszuschlag
2014
57,45
Einfuhrumsatzsteuer
11/14
788,00
Säumniszuschlag
2014
72,76
Säumniszuschlag
2014
364,06
Lohnsteuer
2014
8.339,87
DB
2014
279,86
DZ
2014
25,47
GESAMT
31.863,22

Die Lohnabgaben für das Jahr 2014 gliedern sich wie folgt auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in Euro
Lohnsteuer
10/14
8.339,87
DB
10/14
126,41
DZ
10/14
11,48

Eine monatsweise Aufgliederung der Beträge für den Zeitraum 01-05/2014 DB (Euro 69,75) und DZ (Euro 6,36) und für den Zeitraum 06-12/2014 DB (Euro 83,70) und DZ (Euro 7,63) ist nicht möglich.

Mit Eingabe vom wurde um Ratenzahlung angesucht. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die sofortige Entrichtung der Abgaben mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgabenschuld durch den Aufschub nicht gefährdet ist. Mit Bescheid vom wurde das Ratenzahlungsansuchen bewilligt.

Es fanden jedenfalls bis Überweisungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin statt.

Am wurde ein Betrag in Höhe von Euro 3.666,00 und am ein Betrag in Höhe von Euro 2.653,04 vom Abgabenkonto des Bf. auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin überrechnet.

Der Bf. erbrachte keinen Nachweis über die gleichmäßige Verteilung der liquiden Mittel an die Gläubiger der Primärschuldnerin.

Die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin war bereits im Zeitpunkt der Stellung des Zahlungserleichterungsansuchens gegeben (Bericht des Masseverwalters vom ).

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, Datenbankabfragen (Firmenbuch, Abgabenkonto der Primärschuldnerin), die ergänzende Eingabe der belangten Behörde vom sowie die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom . Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche.

3.1.1. Zur Vertreterstellung

Der Bf. war im Zeitraum bis Geschäftsführer der ***GmbH*** und damit zur Vertretung der GmbH berufen. Der Bf. kommt folglich als Haftungsschuldner gemäß §§ 9 iVm 80 BAO in Betracht.

3.1.2. Zur Uneinbringlichkeit der vom Vertretenen geschuldeten Abgaben

Gegenüber der ***GmbH*** als Primärschuldnerin bestehen die in den Sachverhaltsfeststellungen dargestellten Abgabenforderungen (siehe Tabelle zu den nach der Beschwerdevorentscheidung vom offenen Abgabenschulden).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (vgl. ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (vgl. ).

Mit Beschluss vom ***Datum2*** wurde der Konkurs betreffend die Primärschuldnerin nach Schlussverteilung aufgehoben und diese am ***Datum3*** aus dem Firmenbuch gelöscht. Die aushaftenden Abgabenschulden waren folglich im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Bf. als Haftender mit Bescheid vom bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

3.1.3. Zur schuldhaften Pflichtverletzung

Bei der Inanspruchnahme als Haftender nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Bestimmungen relevant (vgl. ). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (vgl. ).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. ). Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe kommt es für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nicht an (vgl. ).

Die in den Sachverhaltsfeststellungen dargestellten Abgaben (siehe Tabelle zu den nach der Beschwerdevorentscheidung vom offenen Abgabenschulden) wurden unstrittig zu ihren jeweiligen Fälligkeitstagen nicht entrichtet. Die Zahlungstermine (Fälligkeiten) der angeführten Abgabenschulden für Umsatzsteuer, Einfuhrumsatzsteuer, Säumniszuschläge und der Lohnabgaben für das Monat 10/2014 fallen in den Zeitraum der Vertreterstellung des Bf.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit, vgl. bspw ).

a) Zahlungserleichterungsansuchen

Der Bf. bringt vor, dass ein Zahlungserleichterungsansuchen gestellt worden sei und die Zahlung der Raten zu einem Zeitpunkt zu erfolgen hatte, als der Bf. nicht mehr Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei.

Nach der Rechtsprechung des VwGH bleibt der Tag, an dem die Abgabenschulden fällig geworden sind, durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) unberührt. Durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen wird lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben. Ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen ändert nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt. Auch wäre ein Abgabenausfall keinesfalls eingetreten, wenn die Abgaben bereits pflichtgemäß bei ihrer Fälligkeit entrichtet worden wären, sodass jedenfalls ein Verursachungszusammenhang zwischen der Uneinbringlichkeit der Abgaben und einer derartigen Pflichtverletzung gegeben ist (vgl. ).

Wenn für eine später uneinbringlich gewordene Abgabe tatsächlich zu Recht eine Zahlungserleichterung in Anspruch genommen wurde, mag dies allenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO ausschließen. Keinesfalls entschuldigt es den Geschäftsführer jedoch, wenn er eine Zahlungserleichterung mit der Behauptung erwirkt, die Einbringlichkeit der Abgabe werde durch den Aufschub nicht gefährdet, obwohl diese Behauptung nicht zutrifft. Hat er doch dann eine Zahlungserleichterung trotz Nichtvorliegens eines Tatbestandselementes herbeigeführt, das das Gesetz - § 212 Abs. 1 BAO - aus gutem Grund normiert: Das bereits bestehende Risiko für die Einbringlichkeit der Abgabe soll durch den Zahlungsaufschub nicht noch erhöht werden. Für eine "gefährdete Abgabe" kommt daher eine Zahlungserleichterung nicht in Betracht, sie ist sofort zu entrichten bzw. ist dem Abgabengläubiger - durch Verweigerung der Zahlungserleichterung - die Möglichkeit zu sofortigen Einbringungsmaßnahmen zu wahren. Bleiben Abgaben unbezahlt, weil ihre Bezahlung trotz gefährdeter Einbringlichkeit im Wege einer Zahlungserleichterung hinausgeschoben werden konnte, dann hat der Geschäftsführer, der eine solche Gefährdung in Abrede stellte, ein Verschulden am Abgabenausfall zu verantworten (vgl. ).

Der Bf. brachte am als Vertreter der Primärschuldnerin ein Zahlungserleichterungsansuchen ein.

Betreffend die vor dem fällig gewordenen Abgaben wurde das Zahlungserleichterungsansuchen insofern verspätet gestellt, als durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben wird, der Fälligkeitstag aber unberührt bleibt. Demnach ändert das verspätete Ansuchen nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung am Fälligkeitstag vorliegt.

Betreffend die nach dem fällig gewordenen Abgaben ist zu prüfen, ob der Bf. die Ratenzahlungsvereinbarung zu Unrecht erwirkt hat. In der Begründung zum Zahlungserleichterungsansuchen vom führte der Bf. als Vertreter der Primärschuldnerin aus, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld durch den Aufschub nicht gefährdet sei. Die Angabe des Bf. zur fehlenden Gefährdung der Einbringlichkeit erscheint vor dem Hintergrund der Eröffnung des Konkurses über die Primärschuldnerin mit Beschluss vom ***Datum1***, demnach rund drei Monate nach Stellung des Ratenansuchens, als nicht glaubhaft. Dem Bf. mussten daher bereits im Zeitpunkt der Stellung des Zahlungserleichterungsansuchens die ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin bekannt gewesen sein. Dies ergibt sich auch aus dem Protokoll des Masseverwalters vom , dem auch eine Darstellung der wirtschaftlichen Situation der Primärschuldnerin beigefügt ist (siehe dazu auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom ). Da der Bf. infolge unrichtiger Darstellung eine Ratenzahlungsvereinbarung erwirkte und die Abgaben in der Folge uneinbringlich waren, trug er schuldhaft zum Abgabenausfall bei.

b) Nachweis der Gläubigergleichbehandlung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. ).

Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. ).

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt allerdings nicht für die Lohnsteuer. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, folgt, dass jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. ).

Auf diese rechtlichen Rahmenbedingungen wurde der Bf. bereits im Bescheid vom und auch in der Beschwerdevorentscheidung vom , der Vorhaltscharakter zukommt (vgl. ), hingewiesen. Überdies wurde dem Bf. in der Ladung zur beantragten mündlichen Verhandlung die Rechtsprechung des VwGH zur Kenntnis gebracht, auf das Erfordernis eines Nachweises zur Gläubigergleichbehandlung hingewiesen und dem Bf. die Möglichkeit gegeben, ergänzende Eingaben sowie Nachweise beizubringen.

Der Bf. machte keinerlei Angaben dazu, weshalb ihm die Entrichtung der aushaftenden Abgabenschulden zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich war und ob eine Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin erfolgte.

Demnach ist von einer schuldhaften Verletzung der den Bf. treffenden abgabenrechtlichen Pflichten auszugehen und kommt eine Einschränkung der Haftung nicht in Betracht.

3.1.4. Zur Kausalität

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. ).

In Hinblick auf die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit auszugehen.

3.1.5. Zum Ermessen

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. ).

Da die streitgegenständliche Abgabenschuld unstrittig bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich ist, dient die Geltendmachung der Haftung dem öffentlichen Interesse an der Sicherung und Einbringung der Abgabenschulden. Demnach erscheint die Haftungsinanspruchnahme des Bf. als zweckmäßig.

Der Bf. hat kein Vorbringen erstattet, das seiner Haftungsinanspruchnahme entgegenstünde. Solche Gründe sind auch sonst nicht hervorgekommen. Vielmehr kann zulasten des Bf. in die Beurteilung einbezogen werden, dass der Bf. ein Ansuchen auf Ratenzahlung zu einem Zeitpunkt eingebracht hat, als die Primärschuldnerin bereits Zahlungsschwierigkeiten hatte.

Da eine monatsweise Aufgliederung der Beträge für den Zeitraum 01-05/2014 DB (Euro 69,75) und DZ (Euro 6,36) und für den Zeitraum 06-12/2014 DB (Euro 83,70) und DZ (Euro 7,63) nach dem Bericht der Betriebsprüfung nicht möglich ist, beantragte die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Geringfügigkeit der Beträge, diesbezüglich von der Haftungsinanspruchnahme Abstand zu nehmen. Demnach wird - mangels entgegenstehender Gründe - das Ermessen dahingehend geübt, dass die angeführten Beträge von der Haftung des Bf. ausgenommen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab. Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch läge dann vor, wenn ein solcher Umstand bei der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt würde (vgl. ).

Die streitgegenständliche Abgabenschuld entstand (frühestens) im Jahr 2014 und die Uneinbringlichkeit stand zum ***Datum2*** fest. Zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld bzw. dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit derselben und der Inanspruchnahme des Bf. mit Haftungsbescheid vom liegen fünf bzw. drei Jahre. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des VwGH handelt es sich dabei nicht um einen langen Zeitabstand, der im Rahmen der Ermessensübung zugunsten des Bf. zu berücksichtigen wäre.

Insgesamt erfolgte die Haftungsinanspruchnahme des Bf. daher zu Recht.

3.1.6. Zum Ausmaß der Haftung

Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist. Auch im Rechtsmittelverfahren ist zu berücksichtigen, ob die haftungsgegenständliche Abgabenschuld zwischenzeitig - allenfalls teilweise - durch andere Personen als den Haftungspflichtigen entrichtet wurde (vgl. ).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Haftung des Bf. eingeschränkt, da ein Teil der im Bescheid vom angeführten Abgabenschulden nicht am Abgabenkonto der Primärschuldnerin aushaftete. Der Bf. wurde in der Folge für einen Betrag in Höhe von Euro 31.863,22 als Haftender in Anspruch genommen.

Betreffend die offene Haftungsschuld fand eine Überrechnung vom Abgabenkonto des Bf. auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin in Höhe von Euro 3.666,00 und in Höhe von Euro 2.653,04 statt. Zahlungen des zur Haftung Verpflichteten auf die ihn treffende Haftungsschuld vermindern zwar den von ihm zu entrichtenden Haftungsbetrag, ändern aber nichts an dem grundsätzlich im Haftungsbescheid aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht (vgl. ). Die stattgefundenen Überrechnungen sind daher auf die nunmehr herabgesetzte Abgabenschuld in Höhe von Euro 31.695,78 anzurechnen, vermindern jedoch nicht den festgesetzten Umfang der Haftungspflicht.

Insgesamt war der Beschwerde teilweise stattzugeben und der angefochtene Bescheid abzuändern. Die Haftung des Bf. wird auf den Betrag von Euro 31.695,78 herabgesetzt, der sich wie folgt zusammensetzt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
09/14
156,89
Einfuhrumsatzsteuer
10/14
1.388,39
Umsatzsteuer
10/14
20.293,75
Säumniszuschlag
2014
96,72
Säumniszuschlag
2014
57,45
Einfuhrumsatzsteuer
11/14
788,00
Säumniszuschlag
2014
72,76
Säumniszuschlag
2014
364,06
Lohnsteuer
10/14
8.339,87
DB
10/14
126,41
DZ
10/14
11,48
GESAMT
31.695,78

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist bei der Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage der in der Entscheidung angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Demnach liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor und die ordentliche Revision war nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7105672.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7105672.2019

Fundstelle(n):
UAAAF-44710