Erhöhte Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Rudolfsbahngürtel 2/4. Stock, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff ***11***, betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf), geb. am ***2***, beantragte durch seinen Erwachsenenvertreter, den Verein VertretungsNetz-Erwachsenenvertretung, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Rudolfsbahngürtel 2/4. Stock, dieser vertreten durch die Erwachsenenvertreterin ***1***, am mittels den Formularen Beih 100-PDF und Beih 3-PDF die (erhöhte) Familienbeihilfe.
Mit Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde dem Bf ein Gesamtgrad an Behinderung von 80 % bescheinigt. Der Bf leide an paranoider Schizophrenie in schwerer chronischer Verlaufsform. Der Grad an Behinderung liege seit Mai 1987, dem Ende der letzten relevanten Berufstätigkeit, vor. Der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, besteht seit Mai 1987, da der Bf bis April 1987 als ***3*** tätig war.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei laut dem Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom erst nach dem 21. Lebensjahr eingetreten.
Gegen diesen Bescheid hat der Bf, vertreten durch den Verein VertretungsNetz-Erwachsenenvertretung, dieser vertreten durch ***4***, mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass die Erkrankung und die Arbeitsunfähigkeit bereits während seiner Lehrzeit und dem Bundesheer bestanden hätten und verwies auf das ärztliche Zeugnis von ***5*** vom .
Mit Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde dem Bf neuerlich ein Gesamtgrad an Behinderung von 80 % bescheinigt. Der Bf leide an schizophrenen Störungen in schwerer Verlaufsform. Der Grad an Behinderung liege seit Mai 1987, dem Ende der letzten relevanten Berufstätigkeit, vor. Der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, besteht seit Mai 1987, da der Bf bis April 1987 als ***3*** tätig war.
Mit Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auch nach dem Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit erst nach dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, da der Bf bis zu diesem Datum als ***3*** berufstätig gewesen sei.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf vertreten durch seine Erwachsenenvertreterin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Begründung des Gutachtens sei mangelhaft und in Widerspruch zu den sonstigen Unterlagen der Krankengeschichte. Die Tatsache, dass der Bf als ***3*** tätig war, diene allein nicht als ausreichende Begründung dafür, dass er damals erwerbsfähig war. Vielmehr lasse sich daraus schließen, dass gewisse Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild durch die besonderen Strukturen ***6*** kurzfristig nivelliert worden seien.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, geb am ***2***, absolvierte nach seiner Schulzeit eine ***7***-Lehre, welche er mit der Lehrabschlussprüfung abschloss. Der Bf war von bis als ***3*** ***6*** beschäftigt. Im Jahre 1988 befand sich der Bf erstmalig mehrere Monate in stationärer Behandlung. Der Bf bezieht seit 1989 eine Invaliditätspension und lebte bis zum Tod seiner Mutter zu Hause, seit 2013 aber in einer Institution (***8***).
Mit Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , psychiatrischer Sachverständiger ***9***, wurde dem Bf ein Gesamtgrad an Behinderung von 80 % bescheinigt. Der Bf leide an paranoider Schizophrenie in schwerer chronischer Verlaufsform. Der Grad an Behinderung liege seit Mai 1987, dem Ende der letzten relevanten Berufstätigkeit, vor. Der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, besteht seit Mai 1987, da der Bf bis April 1987 als ***3*** tätig war.
Mit Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , psychiatrische Sachverständige ***10***, wurde dem Bf ebenfalls ein Gesamtgrad an Behinderung von 80 % bescheinigt. Der Bf leide an schizophrenen Störungen in schwerer Verlaufsform. Der Grad an Behinderung liege seit Mai 1987, dem Ende der letzten relevanten Berufstätigkeit, vor. Der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, besteht seit Mai 1987, da der Bf bis April 1987 als ***3*** tätig war. Gegenüber dem Vorgutachten war keine andere Einschätzung möglich, da die Erkrankung zwar bereits vor dem 21. Lebensjahr begonnen hat, jedoch ohne massive soziale Auswirkungen. Der Bf konnte noch berufstätig sein und erwarb sich den Anspruch auf eine Invaliditätspension.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Insbesondere wird aufgrund des Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen , Landesstelle Kärnten, psychiatrischer Sachverständiger ***9***, vom und des Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, psychiatrische Sachverständige ***10***, vom als erwiesen angenommen, dass beim Bf ein 80 % iger Gesamtgrad an Behinderung vorliegt, die Unfähigkeit, sich selbst Unterhalt zu verschaffen aber nicht vor dem vollendeten 21. Lebensjahr eingetreten ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (sh. zB , und ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundesfinanzgericht für seine Entscheidungsfindung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.
Dies ist zu bejahen; die Gutachter haben bei seiner Einschätzung sämtliche ihnen vorliegenden Unterlagen gewürdigt und hieraus die entsprechenden Schlüsse gezogen.
Zur Erwerbsfähigkeit führte die Sachverständige ***10*** aus, dass die Erkrankung zwar bereits vor dem 21. Lebensjahr begonnen hat, jedoch ohne massive soziale Auswirkungen. Der Bf konnte noch bis als ***3*** berufstätig sein und erwarb sich den Anspruch auf eine Invaliditätspension.
Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen sieht es das Bundesfinanzgericht als erwiesen an, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, im Mai 1987 eingetreten ist.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 6 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Gemäß § 6 Abs.2 lit.d FLAG haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs.1 lit.a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Gemäß § 8 Abs.5 FLAG gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs.6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, besteht eine Bindungswirkung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichtes an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 8 Abs.6 FLAG erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig sind.
Die Schlüssigkeit der erstellten Sachverständigengutachten ist nicht in Zweifel zu ziehen.
Gemäß § 6 Abs.2 lit.d FLAG muss die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, spätestens vor Vollendung des 21. Lebensjahres, in Ausnahmefällen vor Vollendung des 25. Lebensjahres vorliegen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen wurde mit Mai 1987 festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bf bereits das 21. Lebensjahr vollendet.
Somit steht dem Bf weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu, weshalb der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein konnte.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Sowohl der VfGH als auch der VwGH bejahen eine Bindung an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten. Die vom Bundesfinanzgericht durchzuführende Schlüssigkeitsprüfung betrifft keine Rechtsfrage, sondern ist Ausfluss der dem Bundesfinanzgericht obliegenden freien Beweiswürdigung.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100199.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100199.2024
Fundstelle(n):
XAAAF-44709