unschädlicher Studienwechsel in der vorlesungsfreien Zeit "Sommerferien"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Christina Buchner MBA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung betreffen Familienbeihilfe 08.2024-09.2024 für das Kind geb. ***1***, sowie der damit verbundenen Kinderabsetzbeträge zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin bezog für ihren volljährigen Sohn Familienbeihilfe. Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe für die Monate August und September 2024 zurückgefordert. Anteilig wurde auch bei den Geschwistern die Geschwisterstaffel zurückgefordert. Die belangte Behörde begründet dies wie folgt: Für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu. Diese diese Voraussetzung treffe nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967)
Mit Beschwerde vom bringt die Beschwerdeführerin vor: Der Sohn habe sich zwar per auf der Wirtschaftsuniversität von seinem Bachelorstudium Wirtschaftsrecht abgemeldet, habe sich aber unverzüglich bereits am 15.7. bzw auf der Universität Graz angemeldet um dort sein Studium fortzuführen. Er habe auf der Wirtschaftsuniversität in 2 Semester 28 ECTS Punkte erreicht und diese bereits auf der Universität Graz für die Studien Bachelor BWL und Diplom Jus anrechnen lassen.
Die belangte Behörde wies mittels Beschwerdevorentscheidung vom , die Beschwerde als unbegründet ab. Da Ihr Sohn das erste Studium im Juli 2024 abgebrochen habe, und das zweite Studium im Oktober 2024 begonnen habe, habe er im Rückforderungszeitraum keine Ausbildung bzw. kein Studium absolviert. Es bestünde deshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
In dem von der Beschwerdeführerin einbrachten Voranlageantrag vom ergänzend sie das Vorbringen wie folgt: Es sei klar ersichtlich, dass mein Sohn seinen Studienortwechsel nach Graz wohl überlegt und geplant durchgeführt habe. Dies faktisch auch zu einer vorlesungsfreien Zeit im Juli und August mit einem nötigen Vorlauf, um alle Anmeldungen und Anerkennungen durchführen zu können, damit ein zügiger Studienbeginn mit Semesterbeginn in Graz möglich sei. Somit könne von keiner Unterbrechung der Ausbildung gesprochen werden, sondern von notwendigen Schritten zur rechtzeitigen Fortsetzung.
Ebenfalls sei die auf bekannte Rechtsprechung der Höchstgerichte zu derartigen Fällen zu verweisen.
Die belangte Behörde folgt der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht und begründet wie folgt: Von einem Standortwechsel wäre nur dann auszugehen, wenn die streitgegenständlichen Studien "grundsätzlich gleichwertig" wären, auch wenn aufgrund der Autonomie der Universitäten keine vollständige Gleichartigkeit vorliege. (vgl. ; RV/0289-F/11; Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 96). Nun handele es sich aber beim Bachelorstudium Wirtschaftsrecht auf der einen Seite und dem/den Studien Betriebswirtschaftslehre und Jus auf der anderen Seite nicht um die gleichen Studienrichtungen. Tatsächlich brach der Sohn der Beschwerdeführerin das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht ab und habe mit dem Hauptstudium der Betriebswirtschaftslehre ein neues Studium begonnen. Das Studienjahr beginne an Universitäten und Hochschulen am 01. Oktober und ende am 30. September des folgenden Jahres, bei Fachhochschulen könne es zu abweichenden Zeiten kommen (vgl. Lenneis/Wanke FLAG2, Rz 60 zu § 2). Da der Sohn der Beschwerdeführerin das erste Studium nachweislich im Juli 2024 abgebrochen habe, und das zweite Studium im Oktober 2024 begonnen habe, würde im strittigen Zeitraum keine Berufsausbildung vorliegen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin bezog im Beschwerdezeitraum für den damals 21jährigen Sohn ***2*** geb. am ***1*** (in der Folge Sohn ***3*** genannt) Familienbeihilfe. Mit Bescheid vom wurde für die Monate August und September 2024, sowie die damit verbundenen Familienabsetzbeträge anteilig zurückgefordert. Nach Ansicht der belangten Behörde wurde vom Sohn ***3*** in diesem Zeitraum keine Berufsausbildung betrieben.
Sohn ***3*** betrieb auf der Wirtschaftsuniversität Wien laut vorgelegter Bestätigung der Studienzeit vom zwei ordentliche Studien:
UJ 033 500 Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 23 begonnen am beendet am sowie das
UJ 033 561 Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 23 begonnen am , beendet am .
Ab führt er die Studienrichtung UB 033 515 Bachelorstudium Betriebswirtschafts auf der Universität Graz fort; weiters inskribierte er ab das Diplomstudium der UB 100 Rechtswissenschaften auf der Universität in Graz.
Sohn ***3*** war somit zwei Semester nämlich im Wintersemester 2023 und im Sommersemester 2024 auf der Wirtschaftsuniversität Wien inskribiert.
Der Wechsel der Studienrichtungen erfolgte innerhalb des Sommersemesters 2024.
In den oben genannten zwei Studiensemstern hat er auf der Wirtschaftsuniversität Wien 28 ECTS Punkte erreicht.
Laut Bescheid vom ausgestellt von der Universität Graz über den Antrag der Anerkennungen der Bildungseinrichtung Wirtschaftsuniversität Wien wurden 15 ECTS anerkannt.
Das Studium wurde ernsthaft und zielstrebig betrieben.
Eine Vergleichsbarkeitsprüfung der einzelnen Studienrichtungen kann unterbleiben, da die Voraussetzungen für einen sogenannten "unschädlichen" Studienwechsel vorliegen.
Das Wintersemester 2024/2025 an der Universität Graz beginnt offiziell am .
Ein Studienjahr beginnt grundsätzlich am 01. Oktober und endet am 30. September des Folgejahres. Laut Homepage der Wirtschaftsuniversität Wien ist die lehrveranstaltungsfreie Zeit im Sommersemester ("Sommerferien") jeweils im Zeitraum 1. Juli bis 30. September.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde. Insbesondere auf die Urkunden und Daten der Homepages der Universitäten:
Erfolgsnachweis WU Wien vom ; Bestätigung der Studienzeit vom der WU Wien; Studienblatt für das Wintersemester 2024/25 der Universität Graz; Liste der beantragten Anerkennungen der Universität Graz vom ; Bescheid vom über die erfolgten Anrechnungen ausgestellt von der Universität Graz.
Der festgestellte Sachverhalt ist grundsätzlich unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967: Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. …
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTSPunkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß, ...
Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Das FLAG 1967 selbst enthält keine abschließende Definition eines Studienwechsels.
Nach § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende
das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
Nach § 17 Abs. 2 Z 1 StudFG gelten nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 solche, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind. Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist gemäß Abs. 4 nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium zurückgelegt hat. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.
Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 idF. BGBl. I Nr. 104/2019 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Richtig wird von der belangten Behörde ausgeführt, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen reinen Standortwechsel handelt, sondern um einen Studienwechsel. Ein Studienwechsel ist grundsätzlich jede Änderung einer Studienrichtung, welche eine Änderung der Studienkennzahl mit sich bringt.
Die Kennzahlen der einzelnen Studienrichtungen decken sich nicht und es ist daher von einem Studienwechsel auszugehen.
Der Sohn ***3*** hat aber seine Studien weder öfter als zweimal gewechselt noch nach dem jeweils dritten inskribierten Semester. (Siehe § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG))
Er hat daher einen sogenannten "unschädlichen" Studienwechsel durchgeführt. (Nachdem er in den ersten zwei Studiensemestern auf der Wirtschaftsuniversität in Wien 28 ECTS nachgewiesen hat, liegt demnach auch der erforderliche Erfolgsnachweis vor.
Nachdem bereits die Voraussetzungen eines günstigen Studienerfolges nach § 17 Abs 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) vorliegen müssen die "Ausnahmekriterien" betreffend Studienwechsel nach §17 Abs 2 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG), insbesondere die Gleichwertigkeit der Studien nicht mehr geprüft werden.
Für die Qualifikation als Berufsausbildung i. S. d § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa VwGH18. 5. 2020, Ra 2020/16/0017; ; ; ; ).
Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. )
Während eines Zeitraums, in welchem weder Lehrveranstaltungen besucht noch Prüfungen abgelegt werden, liegt demnach keine Berufsausbildung i. S. v. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor.
Dieser Zeitraum ZB ein "Stehsemester" ist jedoch nicht mit der lehrveranstaltungsfreien Zeit (vorlesungsfreien Zeit,"Ferien") gleichzusetzen, die nach § 52 UG 2002 Teil des jeweiligen Semesters ist und vom Senat der Universität festgelegt wird. Die üblichen "Ferien" während eines Studiums sind Teil der Berufsausbildung (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. § 2 Rz 89 m. w. N.). (vgl. ; RV/7103126/2022)
Laut Homepage der Wirtschaftsuniversität Wien ist die lehrveranstaltungsfreie Zeit im Sommersemester ("Sommerferien") jeweils im Zeitraum 1. Juli bis 30. September.
Ein Studienjahr beginnt grundsätzlich am 1. Oktober und endet am 30. September des Folgejahres. Bis spätestens 30. September des jeweiligen Studienjahres ist der Studienerfolg mit mindestens 16 ECTS bzw. 8 SSt dem Finanzamt um Anspruch auf Familienbeihilfe zu haben nachzuweisen. Diesen Nachweis hat der Sohn ***3*** jedenfalls erbracht.
Der Wechsel zu den anderen Studienrichtungen erfolgte in der sogenannten vorlesungsfreien Zeit bzw in den "Sommerferien".
Laut vorgelegten Unterlagen hat der Sohn ***3*** das Studium UJ 033 500 Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 23 am im Sommersemester 2024 beendet und sich am für das UB 033 515 Bachelorstudium Betriebswirtschaftslehre, sowie dem Studium der Rechtswissenschaften UB 100 im Wintersemester 2024/2025 angemeldet.
Der Sohn ***3*** war durchgehend als studierend registriert, da die Ummeldung bereits vor der Abmeldung erfolgte.
Er hat somit das gesamte Sommersemester 2024 an der Wirtschaftsuniversität absolviert und sich rechtzeitig für das Wintersemester 2024/2025 auf der Universität Graz angemeldet.
Wie oben bereits ausgeführt unterbrechen die "Sommerferien" die Berufsausbildung nicht.
Nur darauf abzustellen, dass nicht erst im September das Erststudium abgemeldet wurde wäre im gegenständlichen Fall unbillig.
Aus diesen Gründen liegt für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor und die Rückforderung der Ausgleichszahlung und des Kinderabsetzbetrages erfolgte nicht zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wurde nicht abgewichen. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab, welche einer Revision nicht zugänglich sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100830.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100830.2024
Fundstelle(n):
TAAAF-44706