Rückforderung aufgrund eines Fehlers des Finanzamtes ausbezahlter Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1*** betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 7.856,00 €, die für das Kind ***K*** (VNR ***2***) für den Zeitraum September 2021 bis April 2023 zu Unrecht bezogen worden waren, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin beantragte mit dem am beim Finanzamt eingelangten Formblatt Beih 3 für ihren am ***x***.10.1991 geborenen Sohn die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung; ein gesonderter Antrag auf Gewährung des Grundbetrages (Formblatt Beih 1) wurde nicht gestellt.
Da in weiterer Folge keine Erledigung des Finanzamtes erging, beantragte die Beschwerdeführerin mit weiterem Formblatt Beih 3, eingelangt am , neuerlich die Gewährung des Erhöhungsbetrages. Diesem Antrag waren eine Reihe von Befunden und Arztbriefen ab dem Jahr 2016, sowie ein Gutachten des Bundessozialamtes vom zur beantragten Ausstellung eines Behindertenpasses angeschlossen.
In einem weiteren Gutachten des Bundessozialamtes (Sozialministeriumservice) vom wurde der Grad der Behinderung des Sohnes der Beschwerdeführerin mit 50 % und eine seit (somit lange nach Vollendung des 21. Lebensjahres) vorliegende dauernden Erwerbsunfähigkeit festgestellt. Eine Nachuntersuchung werde in drei Jahren () durchgeführt.
Da der Sohn der Beschwerdeführer laut den im Zentralen Melderegister gespeicherten Daten seit dem nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin lebte, forderte das Finanzamt diese mit Vorhalt vom zum Nachweis auf, dass sie seit die überwiegenden Unterhaltskosten für ihren Sohn trage.
In der dazu abgegebenen Stellungnahme bezifferte die Beschwerdeführerin die näher aufgegliederten laufenden monatlichen Kosten ihres Sohnes mit insgesamt 889,50 € (Miete, Strom, Internet/Handy, Versicherungen, Lebensmittel und Haushalt, Sonstiges, Medikamente, Arzttermin). Dazu wären im Jahr 2021 Therapiekosten von 966 € und Kosten für Spezialbefunde von 1.080 € gekommen. Die Beschwerdeführerin legte jedoch nicht dar, in welchem Ausmaß sie diese Lebenshaltungskosten ihres Sohnes getragen hat. Eine gänzliche Tragung sämtlicher Kosten durch die Beschwerdeführerin ist schon angesichts der eigenen Einkünfte ihres Sohnes (im Wesentlichen Bezüge der Österreichischen Gesundheitskasse) in Höhe von 10.775,76 € (2021), 14.509,71 € (2022) und 15.357,53 € (2022) nicht anzunehmen.
Ungeachtet dessen und auch trotz der Tatsache, dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Gutachten vom nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres bescheinigt worden war, erging am eine Mitteilung des Finanzamtes an die Beschwerdeführerin, derzufolge ihr Anspruch auf Familienbeihilfe überprüft worden sei, und diese für den Zeitraum September 2021 bis November 2024 (Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Nachuntersuchung) samt Erhöhungsbetrag gewährt werden könne.
In weiterer Folge wurde die erhöhte Familienbeihilfe an die Beschwerdeführerin auch ausbezahlt.
Erst im Jahr 2023 stellte das Finanzamt fest, dass die erhöhte Familienbeihilfe zu Unrecht gewährt worden war, insbesondere weil die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten war.
Nachdem die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt worden war, fragte das Finanzamt am beim Bundeskanzleramt, Sektion VI (Familie und Jugend) als Oberbehörde im Sinne des § 26 Abs. 4 FLAG 1967 an, ob von einer Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abgesehen werden könnte. Im Antwortschreiben wurde dazu mitgeteilt, dass von der Fachabteilung des BKA über die Anwendung der Bestimmung des § 26 Abs. 4 FLAG 1967 erst entschieden werden könne, wenn vorab geprüft worden sei, ob Unbilligkeitsgründe vorlägen, die eine Abstandnahme von der Rückforderung rechtfertigen würden. Sollten keine Unbilligkeitsgründe vorliegen, sei der Überbezug an Familienbeihilfe zurückzufordern.
Eine nähere Prüfung, ob solche Unbilligkeitsgründe im gegenständlichen Fall vorliegen, ist nicht aktenkundig.
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 7.856,00 € zurück, die für ihren Sohn für den Zeitraum September 2021 bis April 2023 zu Unrecht bezogen worden waren, da die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit des Kindes nicht vor dessen 21. Geburtstag eingetreten sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass es sich hier eindeutig nicht um ihren Fehler handle, da ja die erhöhte Familienbeihilfe ganz normal beantragt und auch "bestätigt" worden sei.
In einer Beschwerdeergänzung vom brachte die Beschwerdeführerin weiters vor, dass ihrer Meinung nach die Voraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn vorlägen. Dieser habe den Beruf Glaser gelernt und mit der Lehrabschlussprüfung abgeschlossen. Dann habe er beim Bahnbau gearbeitet. Aufgrund seiner damals schon bestehenden Erkrankung habe er nie lange bei einer Firma sein können. In weiterer Folge sei er Taxi gefahren und habe bei der Firma ***3*** KG gearbeitet. Die Erkrankung und die damit zusammenhängende Erwerbsunfähigkeit hätten jedenfalls schon vor dem 21. Geburtstag bestanden.
Das Finanzamt forderte daraufhin ein weiteres Gutachten des Sozialministeriumservice an. In diesem Gutachten vom wurde zwar neuerlich die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin festgestellt, der Eintritt derselben könne aber erst ab (somit nach Vollendung des 21. Lebensjahres) angenommen werden.
Angesichts dessen wies das Finanzamt die verfahrensgegenständliche Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Auf die Möglichkeit der Einbringung eines Nachsichtsansuchens gemäß § 236 BAO wurde hingewiesen.
Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass die ausbezahlte Familienbeihilfe gutgläubig und im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Mitteilung des Finanzamts auf Basis eines Sachverständigengutachtens verbraucht worden wäre und diesbezüglich bereits ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO gestellt worden sei. Die Behinderung ihres Sohnes liege nicht erst seit Juli 2013 vor. Das Gutachten vom sei ihr zur Kenntnis gebracht worden. Der Gutachter komme darin zum Ergebnis, die Behinderung ihres Sohnes sei mit Juli 2013 eingetreten, weil zu diesem Zeitpunkt eine Hirnläsion festgestellt worden sei, keine älteren Befunde vorliegen würden und bis dahin eine (relativ stabile) Berufstätigkeit gegeben gewesen sei. Im Entlassungsbrief der Uniklinik Salzburg vom , auf den sich auch der Gutachter beziehe, gehe hervor (siehe Seite 7), dass der Anfallsbeginn Typ 1 im 21. Lebensjahr (d.h. vor dem 21. Geburtstag) anzusetzen ist, der Anfallsbeginn des Typ 2 (fokal komplexe Anfälle mit temporaler Semiologie) zudem schon mindestens 5 Jahre davor. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr Sohn 16 Jahre alt gewesen. Auch den Präsenzdienst beim Bundesheer habe er aufgrund seines gesundheitlichen Zustands nicht absolvieren können. Die Behinderung ihres Sohnes lasse eine dauerhafte Erwerbstätigkeit nachweislich auch nicht zu.
Am legte das Finanzamt die Entscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben, wobei unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass die Beschwerdeführerin nur die Gewährung des Erhöhungsbetrages beantragt hatte; ein Antrag auf Gewährung des Grundbetrages liege nicht vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der am ***x***.10.1991 geborene Sohn der Beschwerdeführerin lebt laut den im Zentralen Melderegister gespeicherten Daten seit dem nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin.
Eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten des Kindes durch die Beschwerdeführerin wurde nicht glaubhaft gemacht. Zwar wurden die Lebenshaltungskosten in der Stellungnahme vom näher angegeben. Die Beschwerdeführerin legte jedoch nicht dar, in welchem Ausmaß sie diese Lebenshaltungskosten ihres Sohnes getragen hat. Wie bereits oben erläutert, ist eine gänzliche Tragung sämtlicher Kosten durch die Beschwerdeführerin schon angesichts der eigenen Einkünfte ihres Sohnes (im Wesentlichen Bezüge der Österreichischen Gesundheitskasse) in Höhe von 10.775,76 € (2021), 14.509,71 € (2022) und 15.357,53 € (2022) nicht anzunehmen.
Der Sohn der Beschwerdeführerin war laut den im Abgabeninformationssystem (AIS) gespeicherten Daten und auch den im Gutachten vom zitierten Daten der österreichischen Sozialversicherung vom bis als Lehrling bei der Glaserei ***4*** GmbH beschäftigt.
Nach Abschluss dieser Lehre war er von bis , somit rund drei Jahre, als Arbeiter bei der ***5*** BaugesmbH vollzeitbeschäftigt. Anschließend sind nur mehr kurzfristige Arbeitsverhältnisse im AIS gespeichert, im Jahr 2014 beispielsweise bei der ***6*** GmbH und im Jahr 2015 etwa bei der in der Beschwerdeergänzung erwähnten ***3*** KG.
Der Sohn der Beschwerdeführerin leidet an Epilepsie und ist aufgrund derselben nicht mehr erwerbsfähig. Strittig ist im vorliegenden Fall, wann diese Erkrankung zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat.
Im Gutachten vom wird dazu auf den bereits im Gutachten vom zitierten neurologischen Befund der Anfallsambulanz des Landesklinikums Graz vom verwiesen, der einen ersten Krampfanfall im Jänner 2016 und "vermutete Krampfanfälle" davor anführt. Dieser Befund entspricht auch dem "Salzburger Befund" (Entlassungsbrief des Uniklinikums Salzburg vom ), in dem von einem Anfall vom Typ 1 (tonisch-klonischer Anfall) am berichtet wird. Ferner wird in diesem Entlassungsbrief aber auch festgehalten, dass bereits im Jahr 2013 eine Temporallappen-Epilepsie mit fokal-komplexen Anfällen diagnostiziert worden war. Diese Diagnose korreliert laut Gutachten vom besser mit dem Versicherungsdatenauszug, der bis eine relativ stabile berufliche Tätigkeit anführt. Abschließend hält der Gutachter fest, dass Befunde vor 2016 nicht vorgelegt wurden. Alles davor sei spekulativ und werde durch die beruflichen Tätigkeiten auch eher als unwahrscheinlich dargestellt. In der Zusammenschau wurde daher der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit auf Juli 2013 datiert, danach sei keine auch nur einigermaßen stabile berufliche Tätigkeit mehr erfasst.
Die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist daher erst im Juli 2013 und damit nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten.
2. Beweiswürdigung
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).
Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (). Durch ein Privatgutachten, Röntgenbilder, chemische Analysen oder Ähnliches könnte allenfalls die Schlüssigkeit der vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten widerlegt werden (z.B. mwN; , 2009/16/0307). Derartige Unterlagen wurden jedoch nicht vorgelegt. Auch aus dem im Vorlageantrag zitierten, im Gutachten vom ohnehin berücksichtigten Entlassungsbrief des Uniklinikums Salzburg vom ergibt sich keine Unschlüssigkeit des vom Bundessozialamt erstellten Gutachtens.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2014/16/0010, ausgesprochen, dass es im Fall des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG weder auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern dass der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem diejenige Behinderung (als Folge einer allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (). Dies gilt auch für den gegenständlichen Fall. Es kommt daher nicht darauf an, wann der Sohn der Beschwerdeführerin an Epilepsie erkrankt ist, wann erste Symptome der Erkrankung festgestellt wurden, wann die Krankheit zu ersten Beeinträchtigungen führte, sondern wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass dem Erkrankten eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich war. Es kommt entgegen der im Vorlageantrag vertretenen Ansicht somit nicht darauf an, wann erstmals epileptische Anfälle (Typ 1 oder Typ 2) aufgetreten sind, sondern wann diese eine Intensität erreicht haben, dass eine berufliche Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich war. Im Übrigen wird bemerkt, dass der auf Seite 7 des Entlassungsbriefes des Uniklinikum Salzburg vom erwähnte Anfallsbeginn Typ 1 "im 21. Lebensjahr nach Konsum eines synthetischen THC´s bzw. im 24. Lebensjahr (2016)" festgestellt wurde. Tetrahydrocannabinol (THC) ist eine psychoaktive Substanz, die zu den Cannabinoiden zählt. Cannabiskonsum durch den Sohn der Beschwerdeführerin liegt laut Befund vom , der auf Seite 8 des Entlassungsbriefes vom zitiert wird, seit dem 17. Lebensjahr vor.
Im Gutachten vom wurde daher zutreffend der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht bereits mit der erstmaligen Feststellung epileptischer Symptome oder Anfälle angenommen. Der Gutachter hat vielmehr versucht, anhand der vorliegenden Befunde festzustellen, wann gesichert von einem Ausmaß der Erkrankung auszugehen ist, das eine Erwerbsunfähigkeit bewirkt. Dazu wurden die Feststellungen in der Anamnese (Seite 6 des Entlassungsbriefes vom ) berücksichtigt, dass bereits im Jahr 2013 eine Temporallappen-Epilepsie mit fokal-komplexen Anfällen diagnostiziert worden war. Wenn der Gutachter angesichts dieser Diagnose in Verbindung mit der dargestellten Berufstätigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin, insbesondere der rund dreijährigen durchgehenden Beschäftigung bei der ***5*** BaugesmbH bis zum Ergebnis gelangt ist, dass eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit gesichert erst ab Juli 2013 anzunehmen ist, erweist sich dies nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes als schlüssig. Zutreffend wies der Gutachter darauf hin, dass Befunde vor 2016 nicht vorgelegt wurden und alles davor somit "spekulativ" sei und aufgrund der beruflichen Tätigkeit bis auch als eher unwahrscheinlich anzunehmen sei.
Insgesamt gesehen erweist sich daher das Gutachten vom , das den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit zeitlich früher als das Gutachten vom ansetzte, als schlüssig. Es wurden auch keine neuen Befunde vorgelegt, die es geboten hätten, eine Ergänzung des vorliegenden Gutachtens einzuholen.
Bei dieser Sachlage ist das Bundesfinanzgericht nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, das Gutachten als mängelfreies Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).
Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird (Grundbetrag gemäß § 8 Abs. 2 FLAG 1967) und erhöht sich für erheblich behinderte Kinder um den in § 8 Abs. 4 FLAG 1967 angeführten Betrag (Erhöhungsbetrag).
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967)
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967).
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.
Da im gegenständlichen Fall der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt worden war, lagen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 nicht vor, sodass die erhöhte Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge im beschwerdegegenständlichen Zeitraum schon aus diesem Grund zu Unrecht bezogen wurden.
Dazu kommt, dass auch die überwiegende Kostentragung im Sinne des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 für das nicht mehr haushaltszugehörige Kind nicht nachgewiesen worden war.
Es trifft zwar zu, dass von der Beschwerdeführerin kein gesonderter Antrag auf Gewährung des Grundbetrages an Familienbeihilfe gestellt worden war, und nur bei Gewährung desselben auch die Gewährung auch des Erhöhungsbetrages in Betracht käme. Bei der Beurteilung von Anbringen iSd § 85 BAO kommt es aber vor allem auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an (Ritz, BAO7, § 85 Tz 1 mit Judikaturnachweisen), welches gegenständlich auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) gerichtet war und vom Finanzamt angesichts der Mitteilung vom auch zutreffend so gedeutet wurde.
Die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist ( mit Hinweis auf ). Da der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG - der nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch auf Kinderabsetzbeträge anzuwenden ist - nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt, sind im Zusammenhang mit der Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Beträge auch keine Billigkeitserwägungen anzustellen ().
Da die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen im gegenständlichen Fall objektiv rechtswidrig war, erweist sich der angefochtene Rückforderungsbescheid als rechtmäßig. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Unbilligkeitsgründe (Fehler des Finanzamtes, gutgläubiger Verbrauch der bezogenen Beträge) können im gegenständlichen Verfahren, das keinerlei Ermessen einräumt, nicht berücksichtigt werden. Billigkeitserwägungen können dagegen in einem Verfahren gemäß § 236 BAO geltend gemacht werden. Ein entsprechendes Nachsichtsersuchen wurde von der Beschwerdeführerin auch bereits eingebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall nicht zu klären. Die Bindungswirkung schlüssiger Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Prüfung der Schlüssigkeit eines solchen Gutachtens ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweismittels. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ( mit Hinweis auf ). Der Frage, ob in einem konkreten Fall die Gutachten des Sozialministeriumservice schlüssig sind, kommt damit regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100023.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100023.2025
Fundstelle(n):
FAAAF-44702