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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.01.2025, RV/7400068/2021

Herabsetzung der Abwassergebühr - Nichteinleitungsmenge unter 100 m³ (Mindestmenge nach § 13 Abs 1 KKG)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde vom der W***G***, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rudolfsplatz 12, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, vom betreffend den Antrag auf Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom bis , vom bis , vom bis und vom bis betreffend das Objekt WienX***, Abgabenkontonummer 99-567*** zu Recht:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Herabsetzung der Abwassergebühr für das Jahr 2012 sowie dessen Folgejahre. Mit E-Mail vom wurde ein entsprechendes Sachverständigengutachten vom übermittelt, das eine Nichteinleitungsmenge von 125 m3 für die Liegenschaft berechnete.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der zuständigen Fachdienststelle, Magistratsabteilung 42 zur Kenntnis gebracht, wonach sich ab dem Kalenderjahr 2012 eine Nichteinleitungsmenge von 40 m3 ergeben habe.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom wurde der gegenständliche Herabsetzungsantrag abgewiesen. Für die Kalenderjahre 2012, 2013, 2014 und 2015 seien jeweils Nichteinleitungsmengen von nur 40 m³ nachgewiesen und somit die gesetzlich geforderte Mindestgrenze von 100 m³ nicht überschritten worden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, es werde in keiner Weise dargelegt, wie von dem im Akt erliegenden Sachverständigengutachten über die Nichteinleitungsmenge von 125 m3 auf die den Bescheiden jeweils zugrundeliegende Nichteinleitungsmenge von 40 m3 abgegangen werden solle. Bei der erkennbaren Begründung der Behörde, diese sei aus der am erlassenen ÖNORM L 1112 abzuleiten, handle es sich um eine Scheinbegründung. Diese Norm regle nur die Mindestanforderungen und habe mit der tatsächlich zur Bewässerung verwendeten Menge lediglich betreffend der technischen Faktoren Berücksichtigung zu finden, nicht jedoch beim absoluten Ausmaß der verwendeten Wassermenge. Mit der Beschwerde werde "nach nunmehr geändertem Stand der Technik respektive entsprechend der gegenständlichen ÖNORM L 1112 … das auf den jetzigen Stand der Technik angepasste Gutachten vom , welches sich mit einer Nichteinleitungsmenge von 125 m³ bemisst" übermittelt.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs 1 KKG unzweifelhaft ergebe, dass der Abgabepflichtige für den Umfang der Nichteinleitungsmenge nachweispflichtig sei. Die Überprüfung und Berechnung aller in Wien beantragter und mittels Gutachten nachgewiesener Bewässerungsmengen erfolge ab dem Kalenderjahr 2012 neu unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112. Diese beinhalte den Stand der Technik und des Wissens für erforderliche Bewässerungsmengen und gewährleiste daher eine fundierte, neutrale und allgemein gültige Ermittlung für den langjährig erforderlichen Bewässerungsbedarf im Sinne einer effizienten Nutzung der Wasserressourcen. In der Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 42 werde eine fundierte und neutrale Schätzung der Bewässerungsmengen vorgenommen. Zur Hilfestellung bei der Plausibilitätsprüfung werde festgehalten, dass der durchschnittliche Gesamtverbrauch pro Person und Tag nach den Erfahrungswerten der Magistratsabteilung 31 bei 130 Litern Wasser liege. Angesichts der im Kalenderjahr 2014 auf der Liegenschaft gemeldeten 51 Personen (51 x 130 Liter x 365 = 2.419,95 m³) und des Gesamtwasserverbrauches im Kalenderjahr 2012 von 1.844 m³, im Kalenderjahr 2013 von 1.973 m³, im Kalenderjahr 2014 von 1.800 m³ und im Kalenderjahr 2015 von 1.782 m³ erscheine ein Nichteinleitungsmenge von 125 m³ nicht realistisch.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wurde darin ausgeführt, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern Willkür geübt. Soweit ersichtlich sei, stütze sich der angefochtene Bescheid auf das Schreiben der Magistratsabteilung 42 vom , welches im Akt erliege, der Beschwerdeführerin aber nicht zur Stellungnahme übermittelt worden sei. Bescheide seien gemäß § 58 Abs 2 AVG zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werde. In der Begründung seien gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage zusammenzufassen. Der Bescheidadressat müsse über die von der Behörde getroffenen Erwägungen, von denen sie sich bei ihrer Entscheidung habe leiten lassen, ausreichend nachvollziehbar rechtzeitig informiert werden, damit dieser in der Lage sei, sie eventuell zu entkräften und Gegenargumente vorzubringen und dürfe sohin nicht von der neuern Rechtsansicht überrascht werden. Die Beschwerdeführerin habe sich darauf verlassen dürfen, dass das von ihr vorgelegte Sachverständigengutachten weiterhin zum Nachweis der Nichteinleitungsmenge gereiche. Die Beschwerdeführerin sei sohin von der belangten Behörde in die Irre geführt worden. Der Grundsatz von Treu und Glauben, die Rechtssicherheit und der damit einhergehende Vertrauensschutz verpflichteten die Behörde, ihre öffentlich geäußerte Rechtsauskunft beizubehalten und dementsprechend die Herabsetzung der Gebührenschuld zu bewilligen. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie dem Grundrecht auf Eigentum und Grundsatz der Rechtssicherheit, einem Kerngehalt des Rechtsstaatsprinzips verletzt.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht verwiesen die Parteien im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen. Der Vertreter der Beschwerdeführerin beantragte der Beschwerde Folge zu geben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig sind im Beschwerdeverfahren die Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangt.

Nachstehender Sachverhalt steht fest:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in WienX***.

Die für diese Liegenschaft von der öffentlichen Wasserversorgung bezogenen Wassermengen betragen in den gegenständlichen Streitzeiträumen:


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2012
1.844 m³
2013
1.973 m 3
2014
1.800 m 3
2015
1.782 m 3

Die in den Streitzeiträumen nicht in den Kanal eingeleitete Abwassermengen (Nichteinleitungsmenge) betragen pro Kalenderjahr 55 m3.

Für die Ermittlung der nicht in den Kanal eingeleitete Abwassermengen waren keine Subzähler eingebaut.

An der gegenständlichen Wohnanlage bestehen 28 Wohnungseinheiten mit 51 mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen; die Rasenflächen umfassen in Summe rund 486 m2.

Beweiswürdigung:

Die bezogenen Wassermengen sind unstrittig.

Zur Ermittlung der Nichteinleitungsmenge wurde vom Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 42 nach einer am vorgenommen Erhebung vor Ort unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112 eine Berechnung durchgeführt, nach der eine Nichteinleitungsmenge pro Kalenderjahr von 585 m3 wie folgt festgestellt wurde.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pos
Bezeichnung der Anlage im Detail
A
B
C
D
E
F
1
Rasenfläche
366 m 2
0 %
65,5 l
30,49 m³
-5 %
24,04 m³
2
Topfpflanzen < 25 l
13 Stk
0 %
500 l
6,50 m³
0 %
6,50 m³
3
Topfpflanzen > 25 l
3 Stk
0 %
900 l
2,70 m³
0 %
2,70 m³
4
Trogbepflanzungen
4 m 2
0 %
1.600 l
6,40 m³
0 %
6,40 m³
5
Wohnungseinheiten
1
0,52 m³
0,52 m³
47 m³
40 m³


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A = Flächenausmaße oder Anzahl
B = Bewertung des Erhaltungszieles, Zu- und Abschläge
C = Bewässerungsbedarf (Liter je m² oder Stück)
D = Wert lt. ÖNORM L 1112
E = Summe Sonstige Zu- und Abschläge
F = Jahreswasserbedarf (unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation inkl. Zu und Abschläge)

Bei einer ÖNORM handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt. Das Fehlen einer solchen normativen Wirkung einer ÖNORM hindert jedoch nicht, dass diese als einschlägiges Regelwerk und objektiviertes, generelles Gutachten von einem Sachverständigen als Grundlage in seinem Gutachten etwa für die Beurteilung des Standes der Technik herangezogen werden kann (vgl dazu ). Damit entsprach die Ermittlung der Nichteinleitungsmenge durch die MA 42 dem Stand der Technik.

Das Ermittlungsergebnis des Amtssachverständigen wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom nachweislich am zugestellt und liegt den angefochtenen Herabsetzungsbescheiden zugrunde.

Dem steht ein von der Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens vorgelegtes Sachverständigengutachten vom gegenüber, wonach sich eine Nichteinleitungsmenge von jährlich (gerundet) 125 m3 wie folgt ergibt:


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Pos. 1
Allgemeine Grünflächen
366,41 m 2
100,44 m³
Pos. 2
Kübelpflanzen < 25 l
15 Stk
x 200 Wassergaben
x 2,5 dm³
7,50 m³
Pos. 3
Kübelpflanzen > 25 l
3 Stk
x 200 Wassergaben
x 6 dm³
2,70 m³
Pos. 4
Wohnungseinheiten
28
x 52 Wochen
x 10,00 dm³
14,56 m³
125,20 m³ = 125 m³

In dem Gutachten der Beschwerdeführerin wurde bei der Bewässerung der allgemeinen Grünflächen (Rasenfläche) mit einer Wassermenge von 100,44 m³ ein deutlich höherer Wert herangezogen als vom Amtssachverständigen ermittelt wurde (40,00 m³). In der Begründung dazu wurde im Gutachten der Beschwerdeführerin ua auf "die verifizierbaren und überprüften Aussagen der zuständigen Auskunftspersonen vor Ort" und die "individuellen Bewässerungsgepflogenheiten unter Berücksichtigung des Betriebsdrucks der Zuleitung sowie der Art der Bewässerung (z. B. automatisches Bewässerungssystem, Zeit der Bewässerungsdurchführung, Dauer der Erhebungen)" Bezug genommen, ohne dies näher auszuführen bzw zu belegen. Welche Zuschlagsfaktoren sich allenfalls daraus ergeben hätten, wird weder im Gutachten noch sonst im Beschwerdeverfahren nachvollziehbar dargetan. Nach der ÖNORM L 1112 wäre aber für sämtliche Zu- und Abschlagsfaktoren eine nachvollziehbare Begründung beizulegen (ÖNORM Tabelle A.2). Die diesbezüglichen Ausführungen bleiben somit auf Behauptungsebene und können nicht nachvollzogen werden.

Gegen das dargelegte Ergebnis der Nichteinleitungsmenge von 125 m³ pro Jahr spricht auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Plausibilitätsprüfung, die von einem durchschnittlichen Wasserverbrauch in Österreich pro Person und Tag von 130 Liter ausgeht.

Dieser durchschnittliche Wasserverbrauch von 130 Liter ist zB der Homepage des Bundesministeriums Land- und Forstwirtschaft Regionen und Wasserwirtschaft zu entnehmen (https://info.bml.gv.at/themen/wasser/wasser-oesterreich/zahlen/trinkwasserverbrauch.html, abgefragt am ).

Zieht man von 130 Liter den "Außenbereich Pool" (6 Liter) ab, ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Wasserverbrauch pro Person und Tag von 124 Liter.

An der gegenständlichen Liegenschaft sind 51 Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Unter Annahme des durchschnittlichen Wasserverbrauchs von 124 Liter ergibt das jährlichen Wasserverbrauch von 6.324 m³ für die gesamte Liegenschaft.

Die gesamte Wasserbezugsmenge betrug aber, wie unstrittig festgestellt im Jahr 2012 insgesamt 1.844 m³, im Jahr 2013 insgesamt 1.973 m3, im Jahr 2014 insgesamt 1.800 m3 und im Jahr 2015 insgesamt 1.782 m³.

Daraus ergibt sich - schon ohne Berücksichtigung von für die Bewässerung von Grünflächen etc verbrauchtes und nicht in den Kanal eingeleitetes Wasser - ein Gesamtwasserverbrauch pro Person und Tag von 40 Liter im Jahr 2012, 44 Liter im Jahr 2013; 40 Liter im Jahr 2014 und 40 Liter im Jahr 2015. Das liegt unrealistisch weit unter dem durchschnittlichen jährlichen Wasserverbrauch von 124 Liter.

Reduzierte man diesen Wert noch um die von der Beschwerdeführerin behauptete Nichteinleitungsmenge von 125 m³ reduzierte sich der Wasserverbrauch pro Person noch weiter. Ein derart deutlich unter dem Durchschnitt liegender Wasserverbrauch pro Person und Tag erscheint nicht plausibel und ist nicht schlüssig nachvollziehbar.

In Bezug auf die Plausibilitätsprüfung führte die Beschwerdeführerin aus, es gehe daraus nicht hervor, ob sich an der Liegenschaft tatsächlich 51 Personen aufgehalten hätten. Dies sei nicht belegt. Eine abweichende Anzahl an tatsächlich aufhältigen Personen an der Liegenschaft habe erhebliche Auswirkungen auf die Plausibilitätsprüfung.

Dem ist insoweit beizupflichten, als dass die tatsächliche Anzahl der Personen an der Liegenschaft erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung hat. Es erscheint dem Bundesfinanzgericht jedoch nicht unschlüssig, bei der Ermittlung der Personenanzahl - wie von der Vertreterin der belangten Behörde ins Treffen geführt - auf Abfragen des zentralen Melderegisters (ZMR) zurückzugreifen. Es ist zwar möglich, dass sich ein Teil dieser Personen trotz ZMR-Hauptwohnsitzmeldung an der Liegenschaft tatsächlich regelmäßig woanders aufhielt, es wurden jedoch von der Beschwerdeführerin keine konkreten Anhaltspunkte für diesen Umstand ins Treffen geführt. Auch aus dem Verwaltungsakt ergibt sich kein derartiger Anhaltspunkt.

Im Gutachten des Amtssachverständigen wurde irrtümlich, wie auch von der Magistratsabteilung 42 zugestanden, von lediglich einer Wohneinheit ausgegangen. Für diese Wohnungseinheit wurde eine Nichteinleitungsmenge von 0,52 m³ berücksichtigt. Tatsächlich gibt es 28 Wohnungseinheiten, die entsprechend mit jeweils 0,52 m³, das sind 14,56 m³ zu berücksichtigen sind. Das entspricht auch dem Wert, der dem Gutachten der Beschwerdeführerin für die 28 Wohnungseinheiten zugrunde liegt.

Wie bereits festgestellt, erscheint dem Bundesfinanzgericht somit das und von der belangten Behörde für die Feststellung der jährlichen Nichteinleitungsmenge grundsätzlich plausibel. Die irrtümlich fehlende Nichteinleitungsmenge für weitere 27 Wohnungseinheiten ist allerdings hinzuzuzählen. Es ergibt sich daraus eine Nichteinleitungsmenge von 55 m³ (40 minus 0,52 plus 14,56).

Daher wird von einer nicht in den Kanal eingeleiteten Abwassermenge (Nichteinleitungsmenge) von 55 m3 pro Kalenderjahr ausgegangen.

Rechtlich folgt daraus:

Das Gesetz über den Betrieb und die Räumung von Kanalanlagen und über die Einhebung von Gebühren für die Benützung und Räumung von Unratsanlagen (Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz - KKG), LGBl Nr 02/1978 in der geltenden Fassung, regelt in seinem Abschnitt II die Abwassergebühr.

Nach § 11 Abs 1 KKG unterliegt der Gebührenpflicht die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz in einen öffentlichen Straßenkanal.

Die Abwassergebühr ist gemäß § 11 Abs 2 KKG nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.

Die Abwassermenge wird gemäß § 12 Abs 1 Z 1 KKG derart ermittelt, dass die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl für Wien Nr 10/1960, in der jeweils geltenden Fassung, ermittelte Wassermenge in den öffentlichen Kanal als abgegeben gilt.

§ 13 Abs 1 KKG idF LGBl für Wien Nr 2/1978 lautet wie folgt:

"Für nach § 12 Abs. 1, 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom () festgestellt hat, handelt es sich bei der Berechnungsvorschrift des § 12 Abs 1 KKG (arg.: "gelten" ... "gilt") dem Anschein nach um eine der Vereinfachung der Ermittlung der Gebührenhöhe dienende Fiktion. Zu ihrer Korrektur im Sinne des Gebührentatbestandes und zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses seien ihr Regeln an die Seite gestellt, die es erlaubten, auf Fälle Rücksicht zu nehmen, in denen die in die öffentlichen Kanäle abgeleiteten Abwassermengen geringer seien als die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen Wassermengen. Der Nachweis hiefür werde in diesen Regeln dem Gebührenpflichtigen auferlegt, womit sich die Fiktion in Wahrheit als widerlegbare Rechtsvermutung erweise.

Stellt das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf, so bedarf diese gemäß § 167 Abs 1 BAO keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liegt jedoch nach der Anordnung des Gesetzes (vgl § 13 Abs 1 erster Satz KKG) beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen ist die Beweislast auferlegt und es schlägt auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen ist (vgl ).

Ob dieser Nachweis erbracht ist oder nicht, unterliegt gemäß § 168 Abs 2 BAO der freien Beweiswürdigung. Danach hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, erscheint die von der Magistratsabteilung 42 ermittelte Nichteinleitungsmenge, in deren Rahmen im Jahr 2016 ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde, der Realität durchaus zu entsprechen. Das von der Beschwerdeführerin eingebrachte Gutachten ist hingegen - wie ebenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde - mangels Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit nicht dazu geeignet, das Ermittlungsergebnis der Magistratsabteilung 42, das von der belangten Behörde herangezogen wurde, zu widerlegen.

Auch mit dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben vermag die Beschwerdeführerin nicht eine Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit (vgl etwa , Rz 28). Der Grundsatz von Treu und Glauben zeitigt nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl etwa , Rz 14).

Im Hinblick darauf, dass die Vorgangsweise der belangten Behörde für die Zeiträume bis zur Gesetzesänderung im Jahr 2016 als gesetzeskonform anzusehen ist und gegenüber allen Wasserabnehmern in gleicher Weise vorgegangen wurde, kann darin keine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz erkannt werden.

Hinsichtlich der darüber hinaus ohne begründende Ausführungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wird auf die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom , B 13/80, verwiesen, wonach er keine Bedenken gegen § 13 Abs 2 KKG im Hinblick auf Art 18 B-VG und das Gleichheitsgebot hat.

Die festgestellte Nichteinleitungsmenge von jährlich 80 m³ bleibt unter der gemäß § 13 Abs 1 KKG erforderlichen gesetzlichen Mindestmenge von 100 m³. Eine Herabsetzung kann daher nicht erfolgen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Über die zu beurteilende Rechtsfrage der Nachweispflicht für die nicht in den öffentlichen Kanal eingeleiteten Abwassermenge wurde im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 13 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 12 Abs. 1 Z 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 11 Abs. 2 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 11 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 13 Abs. 2 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 12 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7400068.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7400068.2021

Fundstelle(n):
JAAAF-44689