Kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe, wenn drei schlüssige SMS-Gutachten einen Grad der Behinderung von unter 50% bescheinigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab 04/2023, für die Tochter ***1*** ***2*** ***3***, SVNR ***14***, Steuernummer der Bf ***BF1StNr1***, SVNR der Bf ***4***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingangsdatum stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für ihre Tochter ***1***.
Der Antrag wurde aufgrund des angeforderten Sachverständigengutachtens des Sozialministeriumservice (SMS) vom , vidiert am , mit Bescheid vom abgewiesen mit Hinweis auf das Gutachtern des SMS. Im Gutachten war nach Würdigung der vorgelegten Unterlagen ein Grad der Behinderung (GdB) für die Tochter von 20% ab 04/2023 festgestellt worden.
Die Bf brachte eine Beschwerde vom ein:
"Meine Tochter leidet bereits seit ihrem 4. Lebensjahr an Kollapszuständen und massiven gesundheitlichen Problemen den Darm betreffend. Letztere wurden im Rahmen des Gutachtens von Dr. ***11*** ***12*** vom auch berücksichtigt. Aufgrund einer fehlenden konkreten Diagnose über das bestehende Kollapsgeschehen wurde dieses bei der Einschätzung des Behinderungsgrades jedoch nicht berücksichtigt.
Trotz mehrfacher Untersuchungen konnte bisher keine Klarheit über den Ursprung der seit ***1***s früher Kindheit wiederkehrenden Ohnmachtsanfälle erlangt werden. Dies stellt eine enorme Belastung für meine Tochter und ihr Umfeld dar. In den letzten Jahren haben sich die auftretenden Kollapszustände gehäuft und auch an Intensität zugenommen. In Zusammenhang damit treten plötzlich einsetzende Schwindelzustände, Sehstörungen sowie Gefühlsstörungen auf. Auch Wortfindungsstörungen sind damit verbunden. Die Tage nach einem solchen Kollaps gehen zudem mit einer erheblichen Schwäche meiner Tochter einher.
Meine Tochter ist durch ihren gesundheitlichen Zustand ihren gesamten Alltag betreffend äußerst beeinträchtigt. Da die Vermutung einer Störung des Nervensystems im Raum steht, ist ein Termin für eine umfassende Abklärung am in der Universitätsklinik für Neurologie in ***7*** geplant. Davon ausgehend, dass im Rahmen dieser Untersuchung (inkl. Kipptisch-Labor) endlich eine Diagnose gestellt werden kann, wird das Ergebnis dieses Termins ehestmöglich nachgereicht. Um die Berücksichtigung bei der Beurteilung des Behinderungsgrades meiner Tochter wird gebeten.
Neben den mehrfachen körperlichen Beschwerden leidet ***1*** auch an einer Angststörung. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. ***12*** wurde ihre psychische Erkrankung nicht berücksichtigt. Diese wurde erst im Zuge des Verfahrens über die Ausstellung eines Behindertenpasses durch Dr. ***9*** ***8*** (Gutachten vom ) in die Einschätzung miteinbezogen, wodurch sich insgesamt ein Grad der Behinderung von 30 % ergibt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den beiliegenden fachärztlichen Befund vom , aus dem die Diagnose hervorgeht. Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes "erheblich behinderte Kind".
Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht.
Da bei meiner Tochter seit Jahren eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, ersuche ich den noch ausständigen Befund, der so schnell wie möglich nachgereicht wird, bei der Beurteilung des Grades der Behinderung zu berücksichtigen, sowie um Aufhebung des Abweisungsbescheides und 5 Jahre rückwirkende dauerhafte Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe."
Das Finanzamt forderte ein weiteres Gutachten des SMS an (erstellt am ) und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab:
"Gemäß § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ist für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat (§ 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung).
Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde für ***1*** eine Beeinträchtigung in Höhe von 30% ab festgestellt. Aufgrund dieser Diagnose sind die oben genannten Kriterien nicht erfüllt und es kann keine erhöhte Familienbeihilfe für Ihre Tochter ab 04/2023 gewährt werden.
Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen."
Im Gutachten vom führte der Gutachter aus:
"Aktenmäßige ergänzende Bewertung im Rahmen des Parteiengehörs parallel zum Verfahren nach BBG, was erst vor 2 Tagen meinerseits bearbeitet wurde und auf Grund des selben Inhaltes hier nochmals wiedergegeben wird:
Vorbegutachtung nach FLAG durch Dr. ***13*** am :
GS: therapieresistente Obstipation - 20%
Richtsatzposition mit Rahmensatzhöhe am oberen Rahmensatzwert aufgrund der bestehenden Obstipation ohne eindeutiges Ergebnis im Rahmen von Abklärungen bzw. eines chronischen Darmleidens.
In der eigenen Vorbewertung im Rahmen des Passantrages vom mit Vorlage von Unterlagen zur zusätzlich beantragten psychischen Problematik erfolgt die Bewertung eines GesamtGdB 30% bei:
1 Angststörung mit ängstlich-somatisierenden Problematik und psychovegetativen Störungen - 30%
2 Therapieresistente Obstipation - 20%.
Nun wird ein Befund nachgereicht, dessen Eingliederung und Zuerkennung der erhöhten FB sowie parallel auch der Parkausweis urgiert.
Neurologie LKH ***7*** :
Diagnose. POTS (posturales Tadhykardie-Syndrom) mit konvulsiven Synkopen.
Seit dem 4. Lebensjahr rezidivierende Synkopen. Auslöser sind Orthostase und Exsikkose sowie Schmerzreize und körperliche Belastung. Die Patientin ist aufgrund dessen im Alltag eingeschränkt und betreibt keinen Sport. Frau ***3*** leidet an einer chronischen Obstipation, daher ist sie an der Gastroenterologie in Graz in Behandlung. Es wurde die Diagnose einer therapieresistenten Obstipation, DD: "Pädiatrik intestinal Pseudoobstruktion'' und rezidivierende Bauchschmerzen gestellt
Frau ***3*** nimmt fast täglich Dulcosoft 35 ml ein. Es wurde eine kardiologische Abklärung durchgeführt. Echokardiographie und EKG sind unauffällig. Die neurologische Untersuchung ist ebenso unauffällig. Es zeigen sich unauffällige EEG sowie Schädel-MRT. Die ausführlichen laborchemischen Untersuchungen sind bis auf sehr leicht erhöhte ASCA Antikörper unauffällig. Es konnte ein aktiver Inflammationsprozess ausgeschlossen werden. Bei erhöhten TPO-Antikörpern wurde differentialdiagnostisch ein Hashimoto bei Euthyreose vermutet. Bei niedrigem Vitamin D-Spiegel wurde eine Substitution empfohlen. Die empfohlene Therapie mit Gutron Tropfen wurde nicht eingenommen.
Therapie: Derzeit keine
Neurologischer Status: Kein sensomotorisches Defizit.
Beurteilung: Bei Frau ***3*** besteht ein POTS (posturales Tachykardie-Syndrom) mit rezidivierenden vasovagalen. z.T. konvulsiver, Synkopen, im durchgeführten QSART zeigen sich zusätzlich Zeichen einer nicht länger abhängigen post-ganglionären, sympathischen, cholinergen Dysfunktion. Eine kardiovaskuläre, sudomotorische und gastroenterologische Beteiligung lässt an eine neurovegetative Dysfunktion denken. Eine Autoimmunursache ist jedoch bei Symptombeginn im 4. Lebensjahr eher unwahrscheinlich. Eine Ehlers-Danlos Diagnostik, soll durchgeführt werden.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Mit der Patientin und der Mutter wurde die Diagnose und die Therapie des POTS mit vasovagalen Synkopen besprochen. Die Durchführung physikalischer Maßnahmen wird dringend empfohlen. Die Patientin sollte auf ausreichende Satz- und Flüssigkeitszufuhr achten. Kardiovaskuläres Training initial im Sitzen bzw. im Liegen wird empfohlen. Darüber hinaus empfehlen wir das Tragen von Stützstrümpfen und die regelmäßige Durchführung eines Stehtrainings. Eine Therapie mit Gutron 5 mg 2 x 1/2 Tablette wird empfohlen.
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Älteste datierte Vorstellung in der psychosozialen Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche in ***10*** mit angeführt."
Dagegen brachte die Bf einen Vorlageantrag vom ein:
"Meine Tochter ***1*** leidet seit vielen Jahren an erheblichen gesundheitlichen Beschwerden, die sie ihren gesamten Alltag betreffend massiv beeinträchtigen. Als im Juli 2023 im Rahmen einer umfassenden Abklärung an der Universitätsklinik für Neurologie in ***7*** endlich einekonkrete Diagnose gestellt werden konnte, hatten wir bereits unzählige Termine bei diversen Ärztinnen hinter uns. Mit dem seit Jahren bestehenden schlechten gesundheitlichen Zustand meiner Tochter ist natürlich auch ein sehr großer Leidensdruck verbunden.
Im Juli 2023 wurde schließlich die Diagnose Posturales Tachykardiesyndrom (POTS) gestellt (siehe beiliegender Befund der Universitätsklinik ***7***, Abteilung für Neurologie vom ). Meine Tochter leidet an einer schweren Form von POTS, wodurch sie sehr oft unvorhergesehen kollabiert. Die Kollapszustände fallen sehr intensiv aus, damit verbunden sind plötzlich eintretende Schwindelzustände, Sehstörungen, Gefühlsstörungen und Wortfindungsstörungen. Meine Tochter ist den überwiegenden Teil der Zeit so erschöpft, dass sie auch tagsüber z.B. nach der Schule stundenlang schläft und völlig geschwächt ist.
Trotz Vorlage eines neuen Befundes und des Nachweises einer erheblichen Beeinträchtigung,die meine Tochter in ihrem Leben massiv einschränkt, kommt Dr. ***8*** in seinem zweiten Gutachten vom zu dem Schluss, dass die neue Diagnose zu keiner Änderung des Behinderungsgrades führe. Dr. ***8*** schätzt das vorliegende Posturale Tachykardie-Syndrom unter der Pos.Nr. der EinschätzungsverordnungBGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl.Nr. 251/2012 mit einem Grad der Behinderung von 30 % ein. Darunter sind "Herzmuskelerkrankungen leichter Ausprägungen" ohne wesentliche Beschwerden beschrieben, was keinesfalls der vorliegenden Diagnose meiner Tochter und den damit verbundenen schwerwiegenden Auswirkungen entspricht. Meine Tochter ist überhaupt nicht belastbar, leidet unter häufigenund plötzlich auftretenden Synkopen. Auch massive Schwindelattacken sind damit verbunden, die mit Fallneigung verbunden sind. Es ist meiner Tochter auch nicht möglich, Wege z.B. zur Schule selbständig zu bewältigen. Ihre Schwäche ist oft so ausgeprägt, dass sie nahezu auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Aus welchem Grund der Gutachter deshalb zu seiner Einschätzung gelangt, lässt sich mir beim besten Willen nicht erklären.
Weshalb der Gutachter zudem die nachweislich diagnostizierte Angststörung meiner Tochter im zweiten Gutachten nicht mehr miteinbezieht, kann ich nicht nachvollziehen und ist nicht schlüssig, wurde diese doch im Gutachten vom desselben Sachverständigen noch mit einem Grad der Behinderung von 30% gesondert berücksichtigt. Diese Diagnose nunmehr lediglich mit der Anmerkung "ängstliche Problematik" anzuführen und weitgehend unberücksichtigt zu lassen, verstehe ich nicht. Ich verweise in diesem Zusammenhang erneut auf den beiliegenden fachärztlichen Befund vom , aus dem die Diagnose "Angststörung" hervorgeht.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes "erheblich behinderte Kind". Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG, bei dem eine nicht nurvorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Diese Voraussetzungen sind bei meiner Tochter zweifellos gegeben.
Ich stelle daher den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und ersuche um dauerhafte (5 Jahre rückwirkende) Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe."
Das Rechtsmittel wurde mit Vorlagebericht vom dem BFG zur Entscheidung vorgelegt:
"Stellungnahme:
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 verlangt zur Überprüfung des Beihilfenanspruches der Beschwerdeführerin ein qualifiziertes Nachweisverfahren in Form einer beweiskräftigen Bescheinigung des Sozialministeriumservice. Die Abgabenbehörde ist an die Feststellung der im Wege des Sozialministeriumservice erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten gebunden. Dem letzten maßgeblichen Untersuchungsergebnis (Gutachten SMS vom ) ist zu entnehmen, dass Einschätzung des Grades der Behinderung mit 30% ab erfolgt.
Da somit keine aktuelle Bescheinigung vorliegt, die einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 begründet, erfolgt die Vorlage der Beschwerde mit dem Antrag auf Abweisung."
Die Bf kündigte im November mit Mail vom dem BFG an, demnächst weitere Befunde vorzulegen. Dies erfolgte bis zum Tag der Entscheidung durch das BFG nicht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf stellte für ihre minderjährige Tochter ***1*** mit , Eingang , einen Antrag auf Zuerkennung von erhöhter Familienbeihilfe.
Im Zuge des Verfahrens wurden drei SMS-Gutachten erstellt (ein Gutachten davon erfolgte im Verfahren nach BBG betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses).
Keines der Gutachten bestätigte unter Würdigung sämtlicher vorgelegter Befunde und Unterlagen das Vorliegen eines Grades der Behinderung der Tochter von zumindest 50%.
Das neueste Gutachten vom stellte unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde einen GdB für die Tochter von 30% ab fest.
Es liegt daher lediglich ein GdB bei der Tochter von 30% ab vor.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, den SMS-Gutachten und dem elektronischen Familienbeihilfenakt FABIAN.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.
Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Beschwerdegegenständlich strittig ist, ob bei der Tochter der Bf eine erhebliche Behinderung iSd § 8 Abs. 5 FLAG 1967 vorliegt und der Bf der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung der Tochter zusteht.
Von einer solchen erheblichen Behinderung kann nur ausgegangen werden, wenn der Grad der Behinderung von mindestens 50% durch ein Sachverständigengutachten des SMS festgestellt und bescheinigt vorliegt.
Erst wenn eine vorliegende Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; ).
Die Abgabenbehörden sowie das Bundesfinanzgericht (BFG) sind diesbezüglich an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes (nunmehr: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen [BASB], Sozialministeriumservice [SMS]) erstellten Gutachten gebunden (vgl. ; ua.).
Die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht dürfen die Gutachten nur insoweit prüfen, ob diese schlüssig und vollständig sind und im Fall mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, vgl. auch die von Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Der Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. ).
Das BFG hat die Beweiskraft - insbesondere Nachvollziehbarkeit bzw. Schlüssigkeit - der Gutachten zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen ().
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , B 700/07, wohl begründet ausgeführt, dass die Beihilfenbehörden bei ihrer Entscheidung jedenfalls von der durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung des Bundessozialamtes auszugehen haben und von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen können (vgl. ).
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die Behörden an die den Bescheinigungen des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice, BASB) zugrunde liegenden Gutachten gebunden sind und diese nur insoweit prüfen dürfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. zB , und ).
Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Aus der einschlägigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts folgt somit eine de facto Bindung der Beihilfenbehörden sowie des Bundesfinanzgerichtes an die Feststellungen der im Wege des BASB/SMS erstellten Gutachten, wenn diese vollständig, schlüssig und einander nicht widersprechend sind.
Im beschwerdegegenständlichen Fall liegen mittlerweile drei Gutachten von ärztlichen Sachverständigen des BASB/SMS vor, die unter Berücksichtigung sämtlicher zum Begutachtungszeitpunkt vorhandener und vorgelegter Unterlagen übereinstimmend zum Schluss kommen, dass bei der Tochter der Bf kein GdB von zumindest 50% vorliegt.
Diese Gutachten wurden im Übrigen auch von einem zweiten (leitenden) Arzt überprüft und genehmigt/vidiert.
Diese Feststellungen der Gutachter sind auch schlüssig.
Insbesondere im dritten Gutachten vom führt der Sachverständige sehr detailliert aus, warum er zu dem festgestellten Ergebnis kommt. Die zum Begutachtungszeitpunkt vorhandenen und vorgelegten Befunde wurden (sowohl im ersten als auch im dritten) Gutachten entsprechend gewürdigt.
Der Gutachter erklärt, warum die Gesundheitsschädigung 1 gegenüber der Vorbegutachtung, die nach BBG im Zuge der Ausstellung eines Behindertenausweises erfolgte, jetzt in der Begutachtung nach FLAG umbenannt wird. Er hatte sehr wohl sämtliche Informationen über die Vorgutachten. Das Gutachten nach BBG hat der Gutachter des dritten Gutachtens sogar selbst erstellt.
Die Diagnose Posturales Tachykardie-Syndrom mit konvulsiven Synkopen (POTS) vom der Klinik ***7*** ist im Gutachten abgebildet und hat zu einer entsprechenden Umbenennung der GS 1 geführt, die ängstliche Problematik ist im Gutachten enthalten.
Im Vorlageantrag erfolgte kein bisher unberücksichtigt gebliebenes Vorbringen. Es wurden keine neuen Befunde vorgelegt.
Mangels eigener medizinischer Beurteilungsfähigkeit bzw. gesetzlich nicht vorgesehener primärer Beurteilungszuständigkeit des BFG kann von diesen Ausführungen in den Sachverständigengutachen auch nicht abgegangen werden.
Das BFG verkennt nicht, dass die Krankheit der Tochter sehr belastend ist. Auch eine Behinderung von 30% kann eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung darstellen.
Der Gesetzgeber verlangt aber einen festgestellten GdB von mindestens 50% für den Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.
Ein Nachweis dazu, dass aber bereits ein GdB von 50% im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vorliegen würde - entgegen der Feststellungen der ärztlichen Sachverständigen - ist nicht ersichtlich.
Das BFG darf auch über den beschwerdegegenständlichen Zeitraum hinaus mangels Unzuständigkeit nicht entscheiden.
Da das BFG an die übereinstimmenden Aussagen und Ergebnisse der objektiv nachvollziehbaren und vollständigen Sachverständigengutachten gebunden ist, wovon keines einen GdB der Tochter von zumindest 50% bestätigt, sondern zuletzt einen GdB von 30% bescheinigt, und auch keine Unschlüssigkeit derselben erkennen kann, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens, und damit auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Teil der Beweiswürdigung. Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. ; , mwN).
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100661.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100661.2023
Fundstelle(n):
BAAAF-44683