Nachsicht von Abgaben
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Vn.Nn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Nachsicht gemäß § 206 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) brachte mit Schriftsatz vom ein Nachsichtansuchen gemäß § 236 BAO hinsichtlich aushaftender Abgaben in der Höhe von Euro 7.752,42 ein. In der Begründung führte er aus, dass er infolge einer Betriebsprüfung bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zu Unrecht eine Steuernachforderung erlitten habe. Die Einhebung der gegenständlichen Abgaben (Einkommensteuer 2011 und 2012) sei unbillig.
Es liege sowohl sachliche als auch persönliche Unbilligkeit vor. Dies gehe bereits daraus hervor, dass seine unselbständige Tätigkeit bei seinem ehemaligen Arbeitgeber nur bescheidene Einkünfte erbracht habe, welche bei weiten unter dem Existenzminimum liegen. Er beziehe lediglich eine Mindestpension und sei nicht in der Lage die offene Forderung zu begleichen.
Das Finanzamt wies mit Bescheid über die Abweisung von Abgabenschuldigkeiten den Antrag vom als unbegründet ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass eine Unbilligkeit nur dann gegeben sei, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis erzielt werde und sich eine atypische Belastungswirkung ergeben würde.
Der Beschwerdeführer führte in der Beschwerde vom aus, dass er neben seiner Pension noch unselbständige Einkünfte bei einem Taxiunternehmen bezogen habe. Die Einkünfte wären im Zuge einer Betriebsprüfung bei seinem Arbeitgeber abgeändert worden. Für sämtliche Belange aus seinem Dienstverhältnis sei der Dienstgeber zuständig.
Nachdem das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Wörtlich schriftlich führte er aus:
"Die gesamte Causa berücksichtigt nicht, dass es zu einem Ergebnis gekommen ist, dass der Gesetzgeber nicht gewollt hat und daher die persönliche und sachliche Unbilligkeit auch von der verfahrensbeteiligten Behörde festzustellen ist."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Finanzamt stellte im Zuge einer Betriebsprüfung bei einem Taxiunternehmen fest, dass der Bf. im Jahr 2011 Bruttobezüge iHv Euro 9.562,00 und im Jahr 2012 Bruttobezüge iHv Euro 10.229,71 aus seiner Tätigkeit als Taxifahrer erhalten hat. In den Erstbescheiden waren aufgrund der vom Dienstgeber übermittelten Lohnzettel lediglich Bruttobezüge iHv Euro 670,00 (2011) und Euro 700,00 (2012) ausgewiesen. Daher wertete das Finanzamt die neu hervorgekommen Bezüge als "Schwarzlohnzahlungen" an den Bf. und unterzog diese Bezüge der Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012.
Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom , RV/4100303/2014, die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Dem Verfahren liegen der Bescheid des Finanzamtes, die Beschwerde, die Beschwerdevorentscheidung, der Vorlageantrag, der Vorlagebericht und das Erkenntnis des BFG, RV/4100303/2014, zugrunde, aus welchen sich der Sachverhalt denklogisch schlüssig ergibt.
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005).
Gemäß § 3 der VO BGBl. II Nr. 435/2005 idgF liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht
wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der genannten VO beispielsweise aufgezählten Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung voraus; eine solche kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären ().
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trifft den Antragsteller im Falle einer Antrag-stellung nach § 236 BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht und er hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (siehe zuletzt etwa ).
Der Bf. erzielte neben seinen Pensionseinkünften zusätzlich Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Taxifahrer), welche zur Festsetzung von Einkommensteuern führten.
Laut dem Erkenntnis des BFG, RV/4100303/2014, handelte es sich bei den erhaltenen Lohnzahlungen um Schwarzlohnzahlungen, die vom Arbeitgeber nicht mittels Lohnzettel in voller Höhe bekannt gegeben wurden und auch vom Bf. nicht einbekannt worden sind. Soweit der Bf. nun meint, es liege eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgabennachforderung für die Jahre 2011 und 2012 vor, ist darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung der Einkommensteuer zu Recht erfolgt ist und dem Einkommensteuergesetz entspricht. Insoweit liegt eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung nicht vor, sondern entspricht die Festsetzung dem Gesetz. Die Nachsicht dient keinesfalls dazu, die Ergebnisse des Abgabenverfahrens zu beseitigen. Das Finanzamt sah daher zu Recht eine sachliche Unbilligkeit als nicht gegeben an.
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie besteht in einem Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen.
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw. aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem groben wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn durch die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet wird (). Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur auch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte. Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (z.B. , Ritz, BAO6 , Rz. 9 zu § 236 BAO).
Zur persönlichen Unbilligkeit bringt der Bf. vor, dass er lediglich eine Mindestpension beziehe und nicht in der Lage ist, die offene Forderung zu bezahlen. Ein konkreter Nachweis der wirtschaftlichen Situation liegt dem Nachsichtsansuchen nicht bei.
Eine Darstellung der näheren wirtschaftlichen Umstände des Bf., insbesondere eine betragsmäßige Darstellung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und Angaben zu einem allfälligen Sanierungseffekt einer Nachsicht erfolgte nicht, weshalb schon mangels Konkretisierung eine persönliche Unbilligkeit bei der Beschwerdeführerin nicht festzustellen ist.
Monatliche Lohnpfändungen führten in der Zwischenzeit zu einer Reduktion der Abgabenschuldigkeiten.
Dass die sofortige Entrichtung von Abgabenforderungen im Einzelfall für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden sein kann, trifft zu. Um derartigen Härten zu begegnen, sieht die Bundesabgabenordnung die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 212 vor. Können nun Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keiner Abgabennachsicht.
Das Bundesfinanzgericht geht aus dem Umstand, dass der Bf. lediglich über eine Mindestpension verfügt, nicht davon aus, dass eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist, zumal die Einhebung der hier in Rede stehenden Einkommensteuernachforderung in geringen monatlichen Raten die Existenz des Bf. wohl keinesfalls gefährden würde.
Mangels Vorliegens einer Unbilligkeit der Einhebung bleibt für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Bei einer Ermessensentscheidung wäre vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen. Bei einer Verkürzung von Abgaben, wie sie im vorliegenden Sachverhalt vorliegen könnte, kommt eine Nachsicht von Abgaben schon aus diesen Grunde nicht zum Tragen (Ritz, BAO7 , § 236 Tz 17).
Schließlich gilt zu berücksichtigen, dass der Bf. selbst durch den Empfang von Schwarzlohnzahlungen diese Abgabenschuldigkeiten aus den Jahren 2011 und 2012 in unredlicher Weise mitverursacht hat. Für eine Ermessensübung besteht daher kein Raum.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dieses Erkenntnis folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im vorliegenden Fall liegt keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die (ordentliche) Revision als nicht zulässig zu erklären war.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100214.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100214.2024
Fundstelle(n):
JAAAF-44663