TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2025, RV/7102679/2022

Keine Schätzung von Einkünften ohne Anhaltspunkt für eine wirtschaftliche Aktivität

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MEMO Wirtschaftstreuhandges.m.b.H., Utzstraße 11 Tür 4, 3500 Krems/Donau, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2017 und 2018 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird betreffend Umsatzsteuer sowie Einkommensteuer für 2017 gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Diese Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Der Beschwerde wird betreffend Umsatzsteuer sowie Einkommensteuer 2018 gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Eine Veranlagung zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer unterbleibt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) hat ab 2016 bis März 2017 eine Pizzeria betrieben. Sie erklärte für das Jahr 2017 in den am elektronisch eingebrachten Steuererklärungen Einkünfte (Verlust) aus Gewerbebetrieb von -9.158,39 Euro und Umsätze von 6.055,92 Euro sowie Vorsteuern von 1.356,15 Euro. In den am eingereichten Steuererklärungen für 2018 ist ausschließlich Null eingetragen.

Da die Bf aus ihrer gewerblichen Tätigkeit auch schon für das Jahr 2016 Verluste erklärte, ersuchte das Finanzamt mit Schreiben vom um Aufklärung, welche finanziellen Mittel der Bf zur Deckung des Lebensunterhaltes für 2016 und 2017 zu Verfügung standen. Erforderlich sei eine genaue Darstellung der laufenden Kosten und deren Deckung samt Nachweisen. Für den Fall der Nichtbeantwortung habe die Bf mit einer Schätzung der gewerblichen Einkünfte in Höhe von 15.000 Euro zu rechnen.

Da das Ergänzungsersuchen nicht beantwortet wurde, ergingen die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 vom auf Grundlage einer Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von jeweils 15.000 Euro (abzüglich des Gewinnfreibetrages von 1.950 Euro gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 EStG 1988). In gleicher Höhe schätzte das Finanzamt die Umsätze 2017 und erließ den Umsatzsteuerbescheid vom für 2017.

Das Finanzamt legte im Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid für 2018 vom den Einkünften aus Gewerbebetrieb sowie den Umsätzen ebenfalls den Betrag von 15.000 Euro zugrunde, da für 2018 keine Steuererklärungen eingereicht worden seien.

Während die Bescheide für das Jahr 2016 rechtskräftig wurden, brachte der steuerliche Vertreter gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 2017 und 2018 Beschwerden vom ein, da die Bf lediglich die in den Steuererklärungen angegebenen Einkünfte gehabt habe.

Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes führte der steuerliche Vertreter an, dass die Bf vier minderjährige Kinder habe und der Ehegatte nahezu in der gesamten Zeit in Haft gewesen sei. Wie im Kulturkreis der Bf üblich, sei in diesem Notfall die gesamte Verwandtschaft helfend eingesprungen. Der Schwager AB habe für den laufenden Unterhalt gesorgt und die Haushälfte der Familie gegen Übernahme sämtlicher offener Verbindlichkeiten übernommen. Die Familie der Bf habe aber weiterhin in diesem Haus wohnen können, ohne Miete oder Kreditraten finanzieren zu müssen.

Die Besteuerungsgrundlagen seien daher im Sinne der eingereichten Steuererklärungen festzusetzen und der Verspätungszuschlag wieder gutzuschreiben.

Bezüglich Umsatzsteuer 2017 verwies der steuerliche Vertreter auf die am eingereichte Steuererklärung. Im Jahr 2018 habe die Bf keinerlei Umsätze getätigt.

In der Folge forderte das Finanzamt mit Schreiben vom zum Nachweis der Lebenshaltungskosten folgende Unterlagen an:

1. Belege hinsichtlich der Übernahme der offenen Bankverbindlichkeiten durch Herrn AB (Bankauszüge, Verträge, ...)
2. Nachweise bezüglich der übernommenen laufenden Ausgaben der Bf durch Herrn AB (Bankauszüge, Vereinbarungen, Betriebskostenabrechnungen, Aufgliederung der Fixkosten, ...)
3. Detaillierte Einnahmen-Ausgaben Rechnung für das Jahr 2017 und eine Aufstellung des Übergangsgewinnes und Veräußerungsgewinnes.

Dieses Ergänzungsersuchens wurde ebenso wenig wie ein gleichlautendes Ergänzungsersuchens vom , das den Hinweis enthielt, dass bei Nichteinreichen der angeforderten Unterlagen der Beschwerde nicht Folge gegeben werde, beantwortet.

Das Finanzamt wies die Beschwerden bezüglich Einkommen- und Umsatzsteuer 2017 und 2018 mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, da die Bf keine stichhaltige Gegenäußerung abgegeben habe.

Nach mehrmaliger Fristverlängerung reichte der steuerliche Vertreter Vorlageanträge vom ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bf den Betrieb des Pizzalokals im März 2017 nach Zerstörung durch eine Explosion aufgegeben habe. Der Mann der Bf sei deshalb zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die er bis Juni 2020 verbüßt habe. Seit Schließung des Lokales im März 2017 habe die Bf keine Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit, nur gelegentliche nichtselbständige Einkünfte für Reinigungsarbeiten beim Schwager AB.

Dieser habe auch das Wohnhaus in der X-Str samt Kreditverbindlichkeiten übernommen. Die Bf sei mit den vier minderjährigen Kindern unentgeltlich in diesem Haus geblieben, bis sie eine Sozialwohnung in Bf1-Adr beziehen konnte.

Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes merkte der steuerliche Vertreter an, dass AB mehrere Lebensmittelmärkte betreibe, in welchen ständig unterschiedlichste Produkte ablaufen und nicht mehr in den Verkauf gelangen dürfen, obwohl die Produkte völlig in Ordnung seien. Von diesen Zuwendungen habe die Bf und ihre Familie im Wesentlichen gelebt. Die Familie sei auch von der sogenannten Türken-Community unterstützt worden. Hier sei es üblich, Landsleuten in Not zu helfen - vor allem den Kindern durch Kleidung etc.

Laufende Unkosten seien von diversen Sozialleistungen bestritten worden sowie durch monatliche Zuwendungen des Schwiegervaters der Bf in Berlin, CB. Dieser habe bis zu seinem Tod am TT.6.2020 monatlich zwischen 50 und 200 Euro seinem Sohn bzw seiner Schwiegertochter zukommen lassen.

Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde samt den elektronischen Akten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Das Finanzamt wies darauf hin, dass der Bf sowohl vor der Bescheiderlassung als auch im Rechtsmittelverfahren die Möglichkeit des Parteiengehörs eingeräumt worden sei. Die Ergänzungsersuchen des Finanzamtes seien aber ignoriert worden und Nachweise nicht übermittelt worden. Auch dem Vorlageantrag seien trotz expliziter Aufforderung keine Nachweise beigelegt worden.

Zu den Lebenshaltungskosten der Familie stellte das Finanzamt fest, dass die Bf lt. Lohnzetteln zwischen Juli 2019 bis April 2020 im Lebensmittelhandel des Schwagers beschäftigt gewesen sei. Für den Zeitraum März 2017 bis Juli 2019 seien keine Lohnzettel ersichtlich.

Aus dem Grundbuch ergebe sich, dass der Ehegatte der Bf im Jahr 2017 seinen Drittelanteil an dem Wohnhaus seinen beiden Brüdern übertragen habe. Die Bf sei mit ihren vier Kindern bis Juli 2020 in diesem Wohnhaus gemeldet gewesen. Die Unentgeltlichkeit der Wohnmöglichkeit bzw dass der Schwager für den laufenden Unterhalt der Familie gesorgt hätte, sei anhand der Aktenlage nicht nachprüfbar. Auch das übrige Vorbringen sei mangels Belegen nicht überprüfbar. Für die Übermittelung der angeforderten Unterlagen habe die Bf jedenfalls ausreichend Zeit gehabt.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf führte ab 2016 eine Pizzeria, deren Betrieb sie am nach einer Explosion im Geschäftslokal einstellen musste. Strittig ist die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Umsätze der Jahre 2017 und 2018, die das Finanzamt mit jeweils 15.000 Euro auf Basis einer Schätzung nach den Lebenshaltungskosten ermittelte, da die Bf die Frage nach der Deckung der Lebenshaltungskosten (die Bf hatte auch schon 2016 einen Verlust aus ihrem Gewerbebetrieb erwirtschaftet) vorerst unbeantwortet ließ. Eine Begründung für die Annahme einer neuen unternehmerischen Tätigkeit der Bf. findet sich in den angefochtenen Bescheiden jedoch nicht.

Für die Bf wurde für das Jahr 2017 auf elektronischem Weg am eine Einkommensteuererklärung mit negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb von - 9.158,39 Euro und eine Umsatzsteuererklärung mit Umsätzen von 6.055,92 Euro sowie Vorsteuer von 1.356,15 Euro eingereicht. Eine detaillierte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie eine Aufstellung des Übergangs- und Veräußerungsgewinnes für 2017 übermittelte der steuerliche Vertreter trotz zweimaliger Aufforderung des Finanzamtes nicht. In den elektronisch am eingelangten Steuererklärungen für 2018 ist ausschließlich Null eingetragen. Nach den Angaben des steuerlichen Vertreters erzielte die Bf ab der Schließung des Lokales keine Einkünfte bzw. Umsätze.

2. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Festzustellen ist anhand von zahlreichen online-Berichten (zB. noe.orf.at/v2/news/stories/..., www.meinbezirk.at...) samt darin enthaltenen Fotos über den Feuerwehreinsatz, dass das Lokal der Bf - sowie ein benachbartes Geschäftslokal - nach der Explosion in der Nacht auf vollkommen ausgebrannt ist und die Pizzeria zweifellos nicht mehr weitergeführt werden konnte, was Seitens der belangten Behörde auch nicht behauptet wurde. Die Aktenlage bietet aber auch keine Anhaltspunkte für eine anderweitige gewerbliche Tätigkeit der Bf in den Jahren 2017 und 2018 nach der Schließung der Pizzeria.

Zu den vom steuerlichen Vertreter erwähnten gelegentlichen nichtselbständigen Tätigkeiten der Bf als Reinigungskraft bei ihrem Schwager fehlen jegliche Zeitangaben. Eine nichtselbständige Tätigkeit der Bf in den Jahren 2017 und 2018 scheint jedenfalls in der Datenbank der Finanzverwaltung nicht auf. Die Bf ist lt. aufliegenden Lohnzetteln erst zwischen Juli 2019 und April 2020 nichtselbständig beschäftigt gewesen. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Bf in den streitgegenständlichen Jahren keine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt hat.

Die Bf bezog im Jahr 2017 für ihre vier minderjährigen Kinder Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 10.033,20 Euro und im Jahr 2018 in Höhe von 10.461,60 Euro. Der Ehegatte DB hatte im Jahr 2017 Bezüge vom AMS von insgesamt 5.802,40 Euro, als Beschäftigter im Betrieb der Bf von 1.446,36 Euro sowie im Betrieb seines Bruders AB von 2.285,84 Euro. Im Jahr 2018 hatte er Bezüge von AMS und als Beschäftigter bei seinem Bruder von insgesamt 12.785,76 Euro (lt. Datenbankabfrage der Finanzverwaltung). Aus dem Zentralmelderegister ist ersichtlich, dass der Ehegatte die vom steuerlichen Vertreter angesprochene Haftstrafe erst in den Jahren 2019 und 2020 verbüßt hat.

Die Familie war vorerst im Haus in Z, X-Str, wohnhaft. Der Gatte der Bf verkaufte mit Kaufvertrag vom seinen Drittelanteil an die Miteigentümer (seine beiden Brüder), wobei der Kaufpreis durch die Übernahme des Hypothekardarlehens berichtigt wurde. Bis zur Übersiedlung in eine Wohnung in Bf1-Adr im Jahr 2020 wohnte die Familie weiterhin in der X-Str. Am verzog die Familie nach Deutschland (Adresse unbekannt). Diese Feststellungen ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Kaufvertrag vom und Einsichtnahme in das Zentralmelderegister.

Zur Frage der Bestreitung des Lebensunterhaltes machte der steuerliche Vertreter erst im Rechtsmittelverfahren Angaben, allerdings ohne diese mittels Belegen zu untermauern. Das Vorbringen, dass der Schwager die Familie mit nicht mehr verkäuflichen, aber brauchbaren Produkten aus seinem Lebensmittelhandel versorgt habe, die Familie im Haus unentgeltlich wohnen konnte, den Kindern durch Kleidung von der sogenannten Türken-Community ausgeholfen worden sei, es monatliche Zuwendungen Seitens des (mittlerweile verstorbenen) Schwiegervaters zwischen 50 und 200 Euro gegeben habe und die Bf laufende Unkosten mittels diverser Sozialleistungen bestritten habe, ist daher nicht überprüfbar.

Der Familie standen aber jedenfalls Sozialleistungen zur Verfügung. In Hinblick auf die unterlassene konkrete Aufschlüsselung der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung und die vage gehaltenen Angaben über die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie hält es das Bundesfinanzgericht aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung für sehr wahrscheinlich, dass der Bf weitere - in den Steuererklärungen für 2017 nicht erfasste - Einnahmen aus dem Betrieb der Pizzeria zugeflossen sind, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes Verwendung gefunden haben.

Darüber hinaus wird jedoch davon ausgegangen, dass die Bf in den Jahren 2017 und 2018 neben dem Betrieb der Pizzeria keine weiteren steuerlich relevanten Tätigkeiten ausgeübt hat, zumal dafür keinerlei Anhaltspunkte existieren. Vor allem fehlen beweismäßig untermauerte Sachverhaltsfeststellungen der Abgabenbehörde, dass die Bf nach der Schließung der Pizzeria Einkünfte aus der vom Finanzamt angesetzten Einkunftsart (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) überhaupt bezogen hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

§ 184 BAO regelt:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich neben dem Sachverhalt der Höhe nach auf den Sachverhalt dem Grunde nach.

Die Befugnis zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen. Zu einer Schätzung berechtigt etwa der Umstand, dass die Deckung des Lebensaufwandes ungeklärt ist (Ritz, BAO, § 184 Tz 6, 7). Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger nicht aufklären kann, aus welchen Quellen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestritten hat, löst eine Schätzungsbefugnis im Sinne des § 184 Abs. 2 BAO aus ().

Vermag ein Abgabepflichtiger die Herkunft der zur Deckung seiner Ausgaben erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen, kann zwar allenfalls ein einzelner Hinweis auf eine konkrete wirtschaftliche Aktivität genügen, um schlüssig das Vorliegen einer bestimmten Einkunftsquelle darzutun. Ohne den geringsten Anhaltspunkt für eine tatsächliche Erwerbstätigkeit können vermutete Einkünfte aber auch nicht im Schätzungswege angesetzt werden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 184 Anm E 225; ).

Ein in einem mängelfreien Verfahren festgestellter unaufgeklärter Vermögenszuwachs rechtfertigt die Annahme, dass die Vermehrung des Vermögens aus nicht einbekannten Einkünften herrührt (; ). Gleiches gilt, wenn der Abgabepflichtige nicht aufzuklären vermag, aus welchen Quellen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestreiten konnte. Dies bedeutet aber nur, dass die Behörde des Nachweises der konkreten Geschäfte enthoben ist. Keine rechtliche Grundlage bietet die Bestimmung des § 184 BAO der Abgabenbehörde hingegen dafür, ungeklärte Beträge einer Einkunftsart zuzuordnen, deren Vorliegen nicht festzustellen ist (zB ).

Da im vorliegenden Fall für die Zeiträume ab der Schließung der Pizzeria am weder die vom Finanzamt angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb noch andere wirtschaftliche Aktivitäten der Bf feststellbar sind, können der Bf für diese Zeiträume weder Einkünfte noch Umsätze zugerechnet werden.

Im Zeitraum bis hat die Bf hingegen nachweislich eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Für diesen Zeitraum besteht gemäß § 184 Abs. 2 BAO eine Schätzungsbefugnis, da die Bf die angeforderte detaillierte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie eine Aufstellung des Übergangs- und Veräußerungsgewinnes nicht übermittelt hat. Die Bf hat damit Aufklärungen über wesentliche Umstände verweigert. Zur Deckung der Lebenshaltungskosten hat der steuerliche Vertreter im Rechtsmittelverfahren entsprechende vom Finanzamt angeforderte Belege nicht vorgelegt.

Die Bf hat damit gegen ihre Mitwirkungspflicht im Schätzungsverfahren verstoßen, obwohl ihr von der Abgabenbehörde dazu mehrmals Gelegenheit eingeräumt wurde. Der Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlung gemäß § 115 Abs. 1 BAO durch die Abgabenbehörde befreit die Bf nämlich nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (auch hinsichtlich einer Schätzung gemäß § 184 BAO) beizutragen (). Sie hat daher die einer Schätzung immanenten Ungenauigkeiten in Kauf zu nehmen.

Die Abgabenbehörde hat die Einkünfte im Jahr 2017 moderat mit 15.000 Euro geschätzt. Dazu ist festzuhalten, dass das Verhalten der Bf die Vermutung rechtfertigt, dass steuerlich relevante Tatsachen vor der Abgabenbehörde verborgen werden sollten und von zu niedrig ausgewiesen Besteuerungsgrundlagen auszugehen ist. Nähere Anhaltspunkte für eine Schätzung waren aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu gewinnen, sodass nur eine griffweise Schätzung in Betracht kommt. Das Bundesfinanzgericht geht daher von der pauschalen Schätzung des Finanzamtes aus, wobei aber dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Bf nur im Zeitraum bis erwerbstätig gewesen ist. Auf diesen Zeitraum von 71 Tagen entfällt rechnerisch ein Betrag von 2.917,81 Euro. In dieser Höhe sind der Bf Einkünfte aus Gewerbebetrieb (abzüglich des Gewinnfreibetrages gemäß § 10 Abs. 1 EStG 1988) im Jahr 2017 zuzurechnen.

Auch im Bereich der Umsatzsteuer berechtigen die Umstände zur Annahme, die Bf habe nicht sämtliche Einnahmen erklärt. Hier werden den erklärten Umsätzen pauschal 2.652,55 Euro netto (2.917,81 Euro brutto) hinzugerechnet.

Der Beschwerde gegen den Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid für 2017 war daher teilweise stattzugeben.

Mangels einer im Jahr 2018 vorliegenden Unternehmereigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 und mangels Erzielung von steuerpflichtigen Einkünften durch die Bf war der Beschwerde gegen den Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid für 2018 stattzugeben. Eine Veranlagung zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer hat nicht zu erfolgen.

Berechnung Umsatzsteuer 2017:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
USt
Steuerbarer Umsatz lt. Erkl.
6.055,92
Zuschätzung lt. BFG
(2.917,81 /1,1) 2.652,55
Summe
8.708,47
Eigenverbrauch lt. Erkl.
+120,00
Gesamtbetrag steuerpflichtige Umsätze
8.828,47
20% Normalsteuersatz
272,83
54,57
10% ermäßigter Steuersatz (8.828,47- 272,83)
8.555,64
855,56
Summe Umsatzsteuer
910,13
910,13
Vorsteuern lt. Erkl.
-1.356,15
Gutschrift
-446,02

Berechnung Einkommensteuer 2017:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
geschätzte Einkünfte
2.917,81
Gewinnfreibetrag 13%
-379,32
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
2.538,49
Sonderausgaben lt. Erkl.
-60,00
Freibetrag wegen eig. Behinderung lt. Erkl.
-75,00
Kinderfreibeträge lt. Erkl.
-1.760,00
Einkommen neu
643,49
Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG
0,00

3. Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Entscheidung im Wesentlichen von der Feststellung des Sachverhaltes und der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision gegen dieses Erkenntnis unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102679.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102679.2022

Fundstelle(n):
CAAAF-44499