Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 212 BAO; Möglichkeit der Antragstellung nach § 212a BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde der X, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer x, über die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens nach der am in Anwesenheit der Vertreter des Finanzamtes, V1 und V2, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Bf. betreibt ein Bauunternehmen.
Im Zuge einer die Jahre 2012 bis 2014 umfassenden Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass die Bf. für ein Bauvorhaben slowakische Arbeitskräfte beschäftigte. Das Finanzamt ging von einer Arbeitskräfteüberlassung aus und erließ, den Feststellungen des Prüfers folgend, am an die Bf. Haftungsbescheide für Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für die Jahre 2012 (23.489,30 €), 2013 (296.817,52 €) und 2014 (194.278,19) in der Gesamthöhe von 514.585,01 € fest.
Gegen die Bescheide brachte die Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Nach abweislich ergangener Beschwerdevorentscheidung vom beantragte die Bf. im Schriftsatz vom , die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Am legte das Finanzamt die gegen diese Bescheide eingebrachte Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Über diese Beschwerde wurde noch nicht entschieden.
Im Schriftsatz vom wurde auch beantragt, einen Betrag von 185.158,12 € gemäß § 212a BAO auszusetzen. Der Betrag setzt sich aus folgenden Abgaben zusammen: Abzugsteuer 2012 23.361,63 €, Abzugsteuer 2013 151.094,38 €, Säumniszuschläge 6.406,14 €, Aussetzungszinsen 4.295,97 €.
Hinsichtlich des am Abgabenkonto durch die Verbuchung der Haftungsbescheide darüberhinaus entstandenen Abgabenrückstandes sowie hinsichtlich der in der Zwischenzeit festgesetzten Nebengebühren (Stundungszinsen) brachte die Bf. mehrere Stundungsansuchen ein.
Im Stundungsansuchen vom wird in der Begründung wörtlich ausgeführt:
"1.3.1. Die vom Gesetz (§ 212 Abs 1 erster Satz BAO) geforderte "erhebliche Härte" der sofortigen (vollen) Entrichtung des Nachforderungsbetrages ist hier gegeben. Zumal dieses Kriterium nach der Judikatur auch dann erfüllt ist, wenn der angefochtene Bescheid offenkundige, klare Fehler enthält, mit denen wirtschaftliche Schwierigkeiten einher gehen, deren Beseitigung jedoch im Rechtsweg zu gewärtigen ist (; , 2000/16/0576; Ritz BAO5 § 212 Tz 8; BMF RAE Rz 228). Das trifft hier erst recht (argumento a minori ad maius) zu: Dieser Steuerrückstand besteht aus unserer Sicht nur auf dem Papier.
1.3.2. Keine Gefährdung der Einbringlichkeit. Auch diese Voraussetzung des § 212 Abs 1 BAO ist schon angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse meiner Mandantin erfüllt."
Die Begründung der weiteren Stundungsansuchen vom , , , , , , und beschränkte sich darauf, dass die Voraussetzungen für die Stundung vorlägen, ohne dass es nötig wäre, im Detail darauf näher einzugehen.
Die Stundung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten wurde vom Finanzamt jeweils bewilligt.
Das am eingebrachte Stundungsansuchen "auf Verlängerung der bewilligten Stundung von 370.683,90 €" bis zum wurde vom Finanzamt mit dem hier angefochtenen Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, das Ansuchen erfülle in keinster Weise die Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Es seien keine konkreten Nachweise erbracht worden, dass die sofortige Entrichtung mit erheblichen Härten verbunden und die Einbringung der Abgabe nicht gefährdet sei.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wird beantragt, den Zahlungsaufschub antragsgemäß zu bewilligen. Unter dem Punkt "Begründung" wird ausgeführt:
"Auch wenn uns die angekündigte zusätzliche Begründung zum angefochtenen Bescheid noch nicht vorliegt, bleibt dennoch festzuhalten:
1. Meine (damalige) Mandantin hat in dieser Sache auch Aussetzung der Einhebung beantragt (§ 212a BAO), die Vorrang vor der Stundung hat.
2. Meine (damalige) Mandantin strebt den einfachen Zahlungsschutz an, vorzugsweise über § 212a BAO. Da sie darauf einen Rechtsanspruch hat, sollte diese Frage unkompliziert und jedenfalls außerhalb des § 216 BAO zu lösen sein. Zumal meine (damalige) Mandantin zudem die Möglichkeit eines neuerlichen Aussetzungsantrages hätte. Solcherart kann es nur darum gehen, eine praktikable Lösung mit einem Minimum an Aufwand zu finden. Wir sind gerne dazu bereit."
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Das Vorbringen der Bf. sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung über das Zahlungserleichterungsansuchen herbeizuführen.
Im Schriftsatz vom beantragte die Bf. ohne weitere Ausführungen die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Im Schriftsatz vom führte der steuerliche Vertreter der Bf. aus:
"..... Ich beehrte mich, Ihnen mitzuteilen, dass von unserer Seite an der für morgen anberaumten Verhandlung niemand teilnehmen wird.
Im Übrigen rege ich für meine Mandantin höflich an, dass Hohe Gericht möge dieses Verfahren bis zum Vorliegen der abschließenden Sachentscheidung im Parallelfall der X.GmbH gemäß § 271 Abs 1 BAO aussetzen. Wir sind mit einer solchen Maßnahme absolut einverstanden und gebe ich für meine Mandantin hiermit bereits die Zustimmung. Der Nutzen liegt auf der Hand: Sollte die Entscheidung des BFG nicht zu unserer Zufriedenheit ausfallen, ist ein Gang zum VwGH möglich bis wahrscheinlich. Er könnte bei Abwarten des Parallelverfahrens der GmbH unterbleiben. ....."
Zu der am durchgeführten mündlichen Verhandlung ist ein Vertreter der Bf. bzw. ein steuerlicher Vertreter nicht erschienen.
Die Vertreterin des Finanzamtes verwies in der Sache auf die Begründung des angefochtenen Bescheides sowie auf die Ausführungen im Vorlagebericht vom .
Zum Schriftsatz vom führte sie aus, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeverfahren betreffend die Abzugssteuer und dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Frage komme.
Der Bf. stehe es frei, einen Antrag nach § 212a BAO zu stellen. Hinsichtlich der beantragten Zahlungserleichterung lägen die gesetzlichen Voraussetzungen jedoch nicht vor, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
Die Bf. beantragte in der Eingabe vom die Stundung von Abgaben in der Höhe von 370.683,90 €.
Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. (…)
Im Erkenntnis vom , 2007/17/0118, führte der VwGH unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zum § 212 BAO aus:
"In prozessualer Hinsicht gilt, dass die Stundung ein antragsbedürftiger begünstigender Verwaltungsakt ist. Ungeachtet der auch hiefür geltenden grundsätzlichen Pflicht der Abgabenbehörden, die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, erfährt dieser Grundsatz doch gerade bei der antragsbedürftigen Inanspruchnahme abgabenrechtlicher Begünstigungen eine am Kriterium der Zumutbarkeit orientierte, mehr oder weniger starke Einschränkung. Dem Antragsteller fällt die Behauptungslast und eine diesbezügliche Konkretisierungspflicht (erhöhte Mitwirkungspflicht) zu, deren Nichterfüllung der freien Beweiswürdigung unterliegt. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof auch mehrfach ausgesprochen, dass es dem Abgabenpflichtigen, der Zahlungserleichterungen in Anspruch nehmen will, obliegt, selbst das Vorliegen aller Umstände darzutun, auf die er sein Stundungsbegehren stützt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 91/17/0041)".
Die Abgabepflichtige hat daher im Ansuchen um Zahlungserleichterung die Voraussetzungen für diese überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen (). Dabei hat die Abgabepflichtige nicht nur das Vorliegen einer erheblichen Härte darzutun, sondern auch darzulegen, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschulden nicht gefährdet ist; dies ist konkretisiert anhand seiner Einkommens- und Vermögenslage überzeugend darzulegen ().
Trotz mehrmaliger Ausführungen des Finanzamtes (siehe Bescheidbegründung vom , Beschwerdevorentscheidung vom , die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Vorhalt gilt (), und Stellungnahme im Vorlagebericht vom ), wonach die steuerlich vertretene Bf. die Voraussetzungen für die Bewilligung der Zahlungserleichterung aus eigenem Antrieb überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen hat und dementsprechend konkrete Nachweise vorzulegen seien, dass die sofortige Entrichtung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub bis zur Entscheidung über die Beschwerde im Abgabenverfahren nicht gefährdet sei, wurde zur Einkommens- und Vermögenslage der Bf. kein Vorbringen erstattet.
Die Bf. hat weder im Ansuchen vom , in der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid noch im Vorlageantrag ihre Einkommens- und Vermögenssituation offen gelegt. Zur beantragten mündlichen Verhandlung ist ein Vertreter der Bf. oder ein steuerlicher Vertreter nicht erschienen.
Für die Entscheidung über ein Zahlungserleichterungsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse Im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend. Welche Vermögenswerte die Bf. besitzt und welches laufende Einkommen sie bezieht, ist weder dem Finanzamt noch dem Bundesfinanzgericht bekannt. Die wirtschaftliche Lage der Bf. ist daher mangels Offenlegung seitens der Bf. nicht bekannt; ebensowenig kann beurteilt werden, ob eine Gefährdung der Einbringlichkeit der aushaftenden Abgaben vorliegt.
Die vom Vertreter der Bf. im Schriftsatz vom angeregte Aussetzung des Verfahrens gemäß § 271 Abs. 1 BAO kann nicht in Erwägung gezogen werden, weil die Beschwerde im Abgabenverfahren (Haftungsbescheide für Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988) weder eine gleiche oder ähnliche Rechtsfrage wie das gegenständliche Zahlungserleichterungsverfahren betrifft noch ist der Ausgang des Verfahrens betreffend die Haftungsbescheide gemäß § 99 EStG 1988 von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren betreffend Zahlungserleichterung.
Nach der Rechtsprechung des VwGH beeinflusst die Aussetzung der Entscheidung gemäß § 271 BAO nicht die Einhebung und zwangsweise Einbringung der betreffenden Abgaben. Trotz einer Aussetzung der Entscheidung wäre daher gegebenenfalls z.B. die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens zulässig ( 1276, 1277/75).
Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 271 BAO kann deshalb nicht in Erwägung gezogen werden.
Aus dem Vorbringen in der Beschwerde vom geht hervor, dass die Bf. einen Zahlungsschutz bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide gemäß § 99 EStG 1988 anstrebt. Zu diesem Zweck steht der Bf. die Möglichkeit offen, die Aussetzung der Einhebung der (noch nicht ausgesetzten) Abgaben gemäß § 212a BAO zu beantragen.
Die Erfüllung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Zahlungserleichterung wurden von der Bf. nicht dargelegt.
Da somit die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung schon aus Rechtsgründen nicht vorliegen, hat die Behörde eine Ermessensentscheidung nicht mehr zu treffen () und war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 212 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100653.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100653.2024
Fundstelle(n):
ZAAAF-44487