Abfertigung alt und keine formale Beendigung des Dienstverhältnisses
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungsbescheid / Lohnsteuer 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde für die Beschwerdeführerin (Bf.) ein Haftungsbescheid/Lohnsteuer für das Kalenderjahr 2016 erlassen.
Die Bf. wurde gemäß § 82 EStG als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichteten Lohnsteuer in Anspruch genommen. In der Begründung wurde auf den Bericht vom und der Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen.
In der Begründung wird auf Frau KM verwiesen und wie folgt ausgeführt: Aus steuerlicher Sicht lägen, so die Prüferin, zwei getrennte Dienstverhältnisse dann vor, wenn das bisherige Dienstverhältnis formal beendet werde und anschließend das neue Dienstverhältnis mit einer wesentlich verminderten Entlohnung begonnen werde. Der Anspruch auf steuerliche Begünstigung sei zwingend an die Auflösung des Dienstverhältnisses geknüpft, was sich aus § 67 Abs. 3 EStG 1388 ergebe. Frau KM habe sich mit an einer Gruppenpraxis beteiligt. Die Wochenstunden wurden reduziert. Danach wurde ab (bis ) das Dienstverhältnis fortgeführt. Der Tätigkeitsbereich sei weder neu besetzt, noch umverteilt worden; ab sei eine Wiedereinstellung erfolgt, was auf ein einheitliches Dienstverhältnis hindeute. Erst mit sei eine Abmeldung vorgenommen worden.
Mit wurde über Finanzonline eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid form- und fristgerecht eingebracht. In einem Anhang verwies der Rechtsfreund, dass er in Vertretung und erteilter Vollmacht im Auftrag seines Klienten handle wie folgt:
Dass das Dienstverhältnis mit beendet bzw. aufgelöst wurde, zeige sich daran, dass Frau KM seit unbeschränkt haftende Gesellschafterin sei und deswegen als Ärztin kein Gehalt bekomme, sondern sie beziehe diesbezügliches Einkommen in Form eines entsprechenden Gewinnanteils. Sie sei eben ab in der Gesellschaft voll engagiert gewesen, damit sei dies eine nachgewiesene Tatsache, dass das Dienstverhältnis mit beendet bzw. aufgelöst wurde. Werde ein Dienstverhältnis in der bisherigen Form beendet, stehe dem Dienstnehmer die begünstigte Auszahlung einer Abfertigung gemäß 67 Abs. 3 EStG zu.
Dass das bisherige Dienstverhältnis eben nicht im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wurde zeigt sich daran, dass nur ein Monatsbezug in Höhe von € 1.270 gewährt wurde (zuvor € 10.159). Ihre gesetzliche Abfertigung wurde aber erst Monate später ausgezahlt. Es könne sich sohin unmöglich um ein und dasselbe Dienstverhältnis handeln.
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinne der BAO greife auch dann, wenn es sich um die Beurteilung einer formellen Beendigung des Dienstverhältnisses handle. Überdies sei die Dienstnehmerin dann tatsächlich mit bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet und ausbezahlt worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Im Vorlageantrag betont die Bf., dass es kein Naheverhältnis gebe, was den jederzeitigen Wiedereintritt und den Fortsetzungswillen betreffe. Überdies sei an der Reduktion des Gehalts erkennbar, dass die Dienstnehmerin in keiner leitenden Stellung mehr tätig war. Überdies sei eine "Abrechnung und Auszahlung aller aus einer Beendigung resultierenden Ansprüche wie Urlaubsersatzleistungen, Überstunden, Sonderzahlungen" deswegen nicht erfolgt, weil es "nichts abzurechnen gegeben habe"; Sonderzahlungen hingegen schon.
Dass Frau Dr. KM ab in der Gesellschaft voll engagiert war, sei dadurch bewiesen, dass sie für den Zeitraum ab auch tatsächlich einen ihrer Beteiligung entsprechenden Gewinnanteil erhalten haben habe; eine andere Feststellung sei lebensfremd; dass der steuerliche Zusammenschlussvertrag erst per abgeschlossen wurde, liege in der Natur der Sache.
Da das BFG Zweifel am Umstand hatte, ob der Berater auch über eine aufrechte Zustellvollmacht verfügte, hat es nach Ermittlungen das Finanzamt nach § 281a BAO am darüber verständigt, dass noch eine BVE zu ergehen habe. Im weiteren Verfahren führte das FA in einem Fristsetzungsantrag aus, dass der Berater einerseits eine Vollmacht verfüge, auf die er auch verwiesen habe, andererseits auch nur auf diese verweisen wollte, wie in einem Schreiben des Beraters an das Finanzamt vom eindeutig dargelegt werde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Frau KM war im Jahre 2016 für den Zeitraum 01-06/16 und 08-10/16 bei der Bf. als Dienstnehmerin angestellt. Das Dienstverhältnis wurde mit formal aufgelöst (einverständlich, Bruttolohn ab : € 1.247,53) und eine Abfertigung im Juni 2016 ausgezahlt. Mit wurde sie - unter denselben Bedingungen (Bruttolohn: € 1.247,53) neuerlich formal angemeldet. Zuvor war sie bis Ende März 2016 mit einem Bruttolohn von € 10.159 beschäftigt. In der Neufassung des Gesellschaftsvertrages vom wurde der Eintritt bzw. die Aufnahme zweier weiterer Gesellschafter (ua Frau KM) vereinbart. Mit Zusammenschlussvertrag vom wurde gem. Artikel IV UmgrStG die Umsetzung dieser Vorgaben verfügt; rückwirkender Beginn der Gesellschafterstellung von Frau KM war der .
2. Beweiswürdigung
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Beweismittel.
Folgende Beweismittel wurden vorgelegt und gewürdigt:
AJ-Web-Auskunftsverfahren zur DN
ELDA-Protokoll
Firmenbuchauszüge
Gesellschaftsvertrag
LK der Dienstnehmerin
Schreiben des Beraters vom und vorgelegte Vollmacht
Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Zunächst ist festzuhalten, dass das BFG zunächst vom Fehlen einer BVE ausgegangen ist, weil es angenommen hat, dass trotz aufrechter Zustellvollmacht die BVE an die Bf, nicht aber an den Berater ergangen ist. Nach der Verständigung wegen § 281a BAO mit wurde bekannt, dass eine Zustellbevollmächtigung nicht vorlag (Schreiben vom + Vollmacht). Sohin war in der Tat die Erlassung einer neuerlichen BVE nicht erforderlich, weil die BVE vom rechtskonform zugestellt wurde. Aus diesem Grund kann das Verfahren fortgeführt werden.
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.
§ 67 Abs 3 EStG idgF für 2016 lautete
"Die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, wird so berechnet, dass die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes von 6% niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigungen mit 6%. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund
-gesetzlicher Vorschriften,
-Dienstordnungen von Gebietskörperschaften,
-aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
-eines Kollektivvertrages oder
-der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung zu leisten ist.
Die vorstehenden Bestimmungen sind auf
-Bezüge und Entschädigungen im Sinne des § 14 des Bezügegesetzes sowie gleichartige Bezüge und Entschädigungen auf Grund landesgesetzlicher Regelungen,
-Bezüge und Entschädigungen im Sinne des § 5 des Verfassungsgerichtshofgesetzes,
-Abfertigungen durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse auf Grund des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes, anzuwenden. Die Lohnsteuer von Abfertigungen sowie von Kapitalbeträgen (§§ 55 und 67 BMSVG) aus BV-Kassen beträgt 6%. Wird der Abfertigungsbetrag oder der Kapitalbetrag an ein Versicherungsunternehmen zur Rentenauszahlung, an ein Kreditinstitut zum ausschließlichen Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Pensionsinvestmentfonds (§ 108b in Verbindung mit § 17 BMSVG oder gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften) oder an eine Pensionskasse übertragen, fällt keine Lohnsteuer an. Die Kapitalabfertigung angefallener Renten unterliegt einer Lohnsteuer von 6%. Zusätzliche Abfertigungszahlungen im Sinne dieser Bestimmung für Zeiträume, für die ein Anspruch gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind gemäß Abs. 10 zu versteuern."
Es ergibt sich aus § 67 Abs. 3 EStG 1988, dass der Anspruch auf die begünstigte Besteuerung der Abfertigung zwingend an die Auflösung des Dienstverhältnisses geknüpft ist. Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung einer gesetzlichen Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 sind ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Abfertigung und die formale Auflösung des Dienstverhältnisses (vgl. ).
Treffen zwei unmittelbar aneinander anschließende Dienstverhältnisse zusammen und wird bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses der Abfertigungsanspruch beachtet und geltend gemacht, sind grundsätzlich ein beendetes und ein neu eingegangenes Dienstverhältnis anzunehmen. Eine andere Beurteilung ist nach der Judikatur dort angebracht, wo die unmittelbare, im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde (vgl. ; , 89/13/0033; , 90/13/0068).
Die begünstigte Besteuerung hat sohin einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Abfertigung und die formale Auflösung des Dienstverhältnisses zur Voraussetzung ().
Nach der stRSp umfasst eine formale Auflösung des Dienstverhältnisses die:
1. Kündigung bzw einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses;
2. Abrechnung und Auszahlung aller aus der Beendigung resultierenden Ansprüche
3. Abmeldung des Arbeitnehmers bei der Sozialversicherung; Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 67 (Stand , rdb.at) mwN auf die herrschende Rsp.
Zum konkreten Sachverhalt:
Formale Beendigung des Dienstverhältnisses - formale Wiederaufnahme des Dienstverhältnisses
Wie dem Sachverhalt bzw. den Beweismitteln zu entnehmen ist, wurde das Dienstverhältnis mit beendet und schon mit neu begründet und zwar unter denselben Voraussetzungen (€ 1.270); s AJ-Web-Auskunftsverfahren zur DN, ELDA-Protokoll. Eine Begünstigung steht folglich nicht zu, da nach unmittelbarer formalen Beendigung ein Dienstverhältnis unter identen Bedingungen fortgeführt wurde; es wurde sohin tatsächlich nicht beendet; die Voraussetzungen des § 67 Abs 3 EStG sind sohin nicht erfüllt.
Vorbringen: Ende des Dienstverhältnisses
Die Bf. verweist aber ohnehin auf einen anderen Termin und zwar den . Zu diesem Zeitpunkt ist eine formelle Auflösung des Dienstverhältnisses aber nicht erkennbar; für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist kein Raum, da das Dienstverhältnis (wenn auch verändert) fortgeführt wurde. Auch eine Abrechnung und Auszahlung aller Beendigungsansprüche (insbesondere die Urlaubsersatzleistung für die nicht konsumierten Urlaubstage sowie die aliquoten Sonderzahlungen) der Dienstnehmerin wurden nicht vorgenommen. Dass es keinerlei Abrechnungsbedarf gab, ist wenig glaubhaft und wurde auch nicht belegt; die Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds kann dies nicht ersetzen. Aber selbst wenn man diese Ansicht teilen würde, dass die Voraussetzung der Abrechnung erfüllt sei, ändert dies nichts, da eine formelle Abmeldung nicht vorliegt, diese aber zwingend ist, wie der stRsp zu entnehmen ist; s oben.
Selbst bei einer - hier ohnehin nicht anzuwendenden - wirtschaftlichen Betrachtungsweise würde man nicht zu dem Schluss kommen, dass das Dienstverhältnis mit gelöst wurde: Die Bf. konnte ab ihre Arbeitskraft als Gesellschafterin nicht einbringen, weil sie keine Gesellschafterstellung innehatte. Eine Gesellschafterstellung wurde erst Monate später (rückwirkend!) begründet. Ein rückwirkendes faktisches Einbringen einer Arbeitskraft für die Gesellschaft ist deswegen nicht denkmöglich. Der Beendigungswille mit ist sohin nicht erkennbar und wurde auch formal nicht belegt.
Festzuhalten bleibt:
Wird das "bisherige Dienstverhältnis formal beendet (Kündigung durch AG, einvernehmliche Auflösung udgl), werden alle Ansprüche (Abfertigung, Ersatzleistung udgl) abgerechnet, wird der AN bei der Sozialversicherung abgemeldet und wird anschließend ein neues Dienstverhältnis mit einer wesentlich verminderten Entlohnung (Reduktion der Bezüge um mindestens 25%), ist die Abfertigung begünstigt zu versteuern."
Ein solcher Fall liegt nicht vor; der Beschwerde war sohin kein Erfolg beschieden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Wie der Begründung zu entnehmen ist, sind die Voraussetzungen der Begünstigung nach § 67 Abs 3 EStG durch den VwGH ausreichend geschärft worden; zB .
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 67 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:FR.6100001.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:FR.6100001.2024
Fundstelle(n):
CAAAF-44473