Vorlage einer Beschwerde betreffend Sachbescheide, obwohl im Hinblick auf die Wiederaufnahmebescheide noch keine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7102140/2022-RS1 | wie RV/5101805/2015-RS1 Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid - wie im gegenständlichen Fall - unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig (). Aus diesem Grund kommt auch eine Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid nicht in Betracht (vgl. ). |
RV/7102140/2022-RS2 | wie RV/5101805/2015-RS2 Im Fall einer Vorlage gemäß § 265 Abs. 1 BAO, die entgegen der in § 265 Abs. 1 genannten Voraussetzung des Vorliegens einer Beschwerde (§ 243 BAO) oder trotz rechtswidriger Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) erfolgt, ist es im Interesse der Rechtssicherheit für Parteien (§ 78 BAO) und Behörden geboten, mittels förmlicher (gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbarer) Zurückweisung der Vorlage (§ 265 Abs. 1 BAO) vorzugehen (). |
RV/7102140/2022-RS3 | wie RV/5101805/2015-RS4 Die Befugnis zur Stellung eines Vorlageantrags setzt eine Beschwerdevorentscheidung voraus (; ). Wird die bei einer wirksam eingebrachten Bescheidbeschwerde die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben, fällt diese Befugnis weg. Der Vorlageantrag ist dann mit verfahrensleitenden Beschluss zurückzuweisen, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, zumal die Beschwerde weiterhin im vollem Umfang anhängig bleibt. |
RV/7102140/2022-RS4 | wie RV/5101805/2015-RS3 Es ist geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Sachbescheide entstanden ist, ohne dass vorher über das Rechtsmittel gegen die diesbezüglichen Wiederaufnahmebescheide entschieden wurde. Dies ist nur durch Aufhebung der Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend die Sachbescheide möglich. Dies ist ein verfahrensleitender Beschluss, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, sondern lediglich der belangten Behörde ermöglicht wird, rechtmäßig das Rechtsmittelverfahren weiter zuführen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri.in in der Beschwerdesache ***Bf1***, AdresseBf.in, vertreten durch Stb., AdresseStb., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , und betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Umsatzsteuer 2015 bis 2017, Anspruchszinsen 2016 und Säumniszuschlag Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017
I.
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde betreffend Anspruchszinsen 2016 sowie Säumniszuschlag Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
II.
beschlossen:
Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 werden aufgehoben.
Der Vorlageantrag vom betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 wird als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass das Bundesfinanzgericht (derzeit) für die Erledigung der Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 vom nicht zuständig ist.
Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am ergingen Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 sowie Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 (neue Sachbescheide).
Am erging ein Anspruchszinsenbescheid betreffend Körperschaftssteuer 2016, in dem eine Gutschrift in Höhe von 1.038,37 € festgesetzt worden ist.
Am erging ein Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen wie folgt:
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Abgabe | Frist | Betrag | Säumniszuschlag |
USt 2015 | 112.656,67 | 2.253,13 | |
USt 2016 | 112.720,00 | 2.254,40 | |
USt 2017 | 34.873,00 | 697,46 |
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Erstreckung der Frist zur Einreichung einer Beschwerde im Hinblick auf folgende Bescheide gestellt: "Umsatzsteuer und Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015-2017, Körperschaftsteuer und Wiederaufnahme Körperschaftsteuer 2015-2017, SZA 2016 und 2016, ZI 2016". In der Begründung wird unter anderem die Aussetzung der Säumniszuschläge in Höhe von 2.253,13 € und 2.254,40 € beantragt.
Mit Schreiben vom wurde unter anderem Beschwerde eingereicht gegen die "Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, Säumniszuschläge 2016 und 2016, Zinsen 2016".
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde über die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2015, 2016 und 2017 entschieden. Beschwerdevorentscheidungen im Hinblick auf die Wiederaufnahmebescheide liegen nicht vor.
Zudem wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde betreffend Anspruchszinsenbescheid 2016 als unbegründet abgewiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde betreffend Säumniszuschlagsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag unter anderem betreffend "Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, Säumniszuschläge 2016 und 2016, Zinsen 2016" eingebracht.
Dem Bundesfinanzgericht wurde mit Vorlagebericht vom die Beschwerde vom vorgelegt, die sich sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, als auch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 richtet.
Mit Schreiben vom wurden die Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Senat und auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Umsatzsteuer
Am ergingen Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 sowie Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 (neue Sachbescheide).
Mit Schreiben vom wurde Beschwerde eingereicht gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 sowie Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde über die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2015, 2016 und 2017 entschieden. Beschwerdevorentscheidungen im Hinblick auf die Wiederaufnahmebescheide liegen nicht vor.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag unter anderem betreffend "Bescheide betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017" eingebracht.
Dem Bundesfinanzgericht wurde eine Beschwerde vom vorgelegt, die sich sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017, als auch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 richtet.
Anspruchszinsen
Am erging ein Anspruchszinsenbescheid betreffend Körperschaftssteuer 2016, in dem eine Gutschrift in Höhe von 1.038,37 € festgesetzt worden ist.
Mit Schreiben vom wurde nach verlängerter Frist Beschwerde eingereicht gegen diesen Anspruchszinsenbescheid. Die Begründung der Beschwerde richtet sich gegen die Sachbescheide, konkrete Einwendungen den Anspruchszinsenbescheid betreffend wurden nicht vorgebracht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde betreffend Anspruchszinsenbescheid 2016 als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde diesbezüglich ein Vorlageantrag eingebracht.
Säumniszuschläge
Am erging ein Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen wie folgt:
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Abgabe | Frist | Betrag | Säumniszuschlag |
USt 2015 | 112.656,67 | 2.253,13 | |
USt 2016 | 112.720,00 | 2.254,40 | |
USt 2017 | 34.873,00 | 697,46 |
Mit Schreiben vom wurde nach verlängerter Frist Beschwerde eingereicht gegen diese Säumniszuschlagsbescheide. Die Begründung der Beschwerde richtet sich gegen die Sachbescheide, konkrete Einwendungen die Säumniszuschlagsbescheide betreffend wurden nicht vorgebracht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde betreffend Säumniszuschlagsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag unter anderem betreffend die oben angeführte Beschwerdevorentscheidung eingebracht.
2. Beweiswürdigung
Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den ergangenen Bescheiden und den eingereichten Anbringen.
Die Beschwerdeschrift vom führt unter "wegen:" auch die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2015 bis 2017 an.
Die Amtspartei geht davon aus, dass sich lediglich "Vollmacht gemäß § 88 WTBG erteilt" auf die unter "wegen:" angeführten Bescheide bezieht und nicht eine Auflistung der angefochtenen Bescheide erfolgen sollte.
Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Ritz, BAO7, § 85 Rz 1 und die dort zitierte Judikatur).
Das "wegen:" ist gleichbedeutend mit "Betrifft:" oder "Betreff" und gibt an, welche Bescheide von der Eingabe betroffen sind.
Dass sich dies nur auf den Umfang der Vollmacht beziehen soll, geht aus dem Schreiben nicht hervor und kann daher nicht gefolgert werden.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Anspruchszinsenbescheid 2016
§ 205 Abs. 1 BAO lautet wie folgt:
Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 4), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).
Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a.
Aufhebungen von Abgabenbescheiden;
b.
Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt;
c.
auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben.
Bei der Verzinsung, die sich aus Abänderungen von Bescheiden ergibt, ist bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig war. Auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen kommt es nicht an (siehe auch ; ;, RV/5100523/2018).
Die Festsetzung der Anspruchszinsen liegt nicht im Ermessen (siehe Ritz, BAO7, § 205, Rz 2ff; VwGH 249.2008, 2007/15/0175).
Nachforderungen von Körperschaftsteuer lösen einen Anspruchszinsenbescheid aus. Der Zinsenbescheid ist an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides nachgewiesene Nachforderung gebunden (siehe auch RV/0286-G/07).
Aus diesem Grund ist der Zinsenbescheid daher nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (Ritz, BAO7, § 205, Rz 33ff).
Im gegenständlichen Fall wurden keine Einwendungen den Anspruchszinsenbescheid betreffend vorgebracht.
Die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid war daher als unbegründet abzuweisen.
Säumniszuschlag Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten:
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d leg. cit.), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.
Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Gemäß § 217 Abs. 8 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Der Säumniszuschlag iSd § 217 BAO ist eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (siehe etwa ; ). Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht rechtzeitig entrichtete Steuer, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtskräftig oder mit Beschwerde angefochten ist (; ).
Das Verwaltungsgericht hat im Bereich des Säumniszuschlages lediglich die objektive Voraussetzung der Säumnis, nicht aber die Richtigkeit des zu Grunde liegenden Abgabenbescheides zu prüfen (). Im Fall einer nachträglichen Abänderung oder Aufhebung des Abgabenbescheides ist jedoch von Amts wegen insoweit auch der Säumniszuschlag herabzusetzen oder aufzuheben (§ 217 Abs. 8 BAO).
Die Beschwerdeführerin hat die in den Umsatzsteuerbescheiden 2015, 2016 und 2017 vom festgesetzten Abgaben nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet. Damit liegen die objektiven Voraussetzungen für die Festsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge vor, die nach § 271 Abs. 2 BAO jeweils mit 2 Prozent des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages festgesetzt worden sind.
Die Beschwerdeführerin hat keine Gründe vorgebracht, die gegen die objektive Säumnisfolge nach § 217 Abs. 1 und 2 BAO sprechen würden und sind solche Gründe auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgetreten. Darüber hinaus sind auch keine Gründe vorgebracht worden, die geeignet wären, eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Festsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge aufzuzeigen. Die Festsetzung der Säumniszuschläge erfolgte sohin mangels rechtzeitiger Entrichtung zum jeweiligen Fälligkeitstag - ungeachtet eventueller Abänderungen gemäß § 217 Abs. 8 BAO im Falle eines (teilweise) stattgebenden Erkenntnisses im Abgabenfestsetzungsverfahren durch das Bundesfinanzgericht - zu Recht.
Im Übrigen hat auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass es im Allgemeinen auf keine aufzugreifenden Bedenken stoße, wenn über Beschwerden gegen Säumniszuschlagsbescheide entschieden werde, obwohl - wie im vorliegenden Fall - über die gegen den Stammabgabenbescheid gerichtete Beschwerde noch nicht abgesprochen wurde ().
Die Beschwerde war in diesem Punkt daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II.
Nach § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Ritz, BAO7, § 85 Rz 1 und die dort zitierte Judikatur).
Die Beschwerde umfasst auch die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017. Bei Vorliegen von inhaltlichen Mängeln, wie etwa dem Fehlen einer Begründung oder dem Fehlen einer Bezeichnung der Bescheide, gegen die sie sich richtet, ist ein Mängelbehebungsauftrag iSd § 85 Abs. 2 BAO zu erlassen.
Nach § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
§ 263 bis 265 BAO lauten wie folgt:
"§ 263 BAO:
(1) Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde
a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) In der Beschwerdevorentscheidung ist auf das Recht zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) hinzuweisen.
(3) Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt wie ein Beschluss (§ 278) bzw. ein Erkenntnis (§ 279) über die Beschwerde.
(4) § 281 gilt sinngemäß für Beschwerdevorentscheidungen; § 281 Abs. 2 allerdings nur, soweit sich aus der in § 278 Abs. 3 oder in § 279 Abs. 3 angeordneten Bindung nicht anderes ergibt.
§ 264 BAO:
(1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.
(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.
(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).
(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.
§ 265 BAO:
(1) Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
(2) Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
(3) Der Vorlagebericht hat insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.
(4) Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.
(5) Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.
(6) Die Abgabenbehörde ist ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs. 4) auch für den Beschwerdeführer."
"§ 303 BAO
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.
§ 304 BAO:
Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.
§ 305 BAO
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.
§ 307 BAO
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 97/2002)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat."
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung haben jeweils für sich Bescheidqualität und jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskraftfähig ().
Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid - wie im gegenständlichen Fall - unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig (; , 2012/15/0193;, Ra 2019/13/0091; Ritz, BAO7, § 307 Rz 7). Aus diesem Grund kommt auch eine Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid nicht in Betracht (siehe etwa ).
Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 wurde bisher nicht mit Beschwerdevorentscheidung erledigt und es liegt keiner der Fälle des § 262 Abs. 2, 3 oder 4 BAO vor ().
Das Bundesfinanzgericht steht nun vor der Situation, dass über die Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 gar nicht rechtmäßig entschieden werden könnte, da die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren noch unerledigt ist. Andererseits kann das Bundesfinanzgericht nicht über die Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden, da dazu (noch) keine Zuständigkeit besteht. Somit ist das Bundesfinanzgericht (noch) nicht zuständig für die Erledigung der Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerbescheide 2015, 2016 und 2017.
Im Fall einer Vorlage gemäß § 265 Abs. 1 BAO, die entgegen der in § 265 Abs. 1 genannten Voraussetzung des Vorliegens einer Beschwerde (§ 243 BAO) oder trotz rechtswidriger Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) erfolgt, ist es im Interesse der Rechtssicherheit für Parteien (§ 78 BAO) und Behörden geboten, mittels förmlicher (gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbarer) Zurückweisung der Vorlage (§ 265 Abs. 1 BAO) vorzugehen ().
Im Fall einer rechtswidrig unterlassenen Beschwerdevorentscheidung wird trotz Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht nicht zuständig, das Verfahren ist vom Gericht mit Beschluss einzustellen (Ritz, BAO7, § 262 Rz 10a und die dort zitierte Judikatur).
Zudem ist es geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 entstanden ist, ohne dass vorher über das Rechtsmittel gegen die diesbezüglichen Wiederaufnahmebescheide entschieden wurde. Dies ist nur durch Aufhebung der Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2017 möglich. Auch dies ist ein verfahrensleitender Beschluss, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, sondern lediglich der belangten Behörde ermöglicht wird, rechtmäßig das Rechtsmittelverfahren weiterzuführen.
Daraus ergibt sich aber auch die Unzulässigkeit des Vorlageantrages vom . Die Befugnis zur Stellung eines Vorlageantrags setzt eine Beschwerdevorentscheidung voraus (; ). Wird bei einer wirksam eingebrachten Bescheidbeschwerde die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben, fällt diese Befugnis weg. Der Vorlageantrag ist dann mit verfahrensleitenden Beschluss zurückzuweisen, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, zumal die Beschwerde vom weiterhin im vollem Umfang anhängig bleibt (; , RV/5100005/2021).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
I.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Judikatur des VwGH und des BFG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
II.
Welche Bescheide von einer Beschwerdeschrift umfasst sind, ist eine auf Sachverhaltsebene zu behandelnde Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu beantworten.
Der Beschluss folgt zudem der zitierten Judikatur des VwGH und des BFG, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 263 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | RV/0286-G/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102140.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102140.2022
Fundstelle(n):
IAAAF-44471