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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2025, RV/3100188/2023

Für die Monate zwischen erfolgreich abgelegter Lehrabschlussprüfung und dem im Lehrvertrag vereinbarten Ende der Lehrzeit besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 10.2022-12.2022 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde u. a. die für ***Sohn***, gewährte Familienbeihilfe Oktober 2022 bis Dezember 2022 zurückgefordert. Der Rückforderungsbetrag belief sich auf insgesamt € 642,30 und entfiel inklusive anteiliger Geschwisterstaffel (***Schwester***) auf € 467,10 an bezogener Familienbeihilfe. Für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe nur während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Zugleich wurde der Beschwerdeführerin am mitgeteilt, dass für das Kind von Jänner 2014 bis September 2022 Familienbeihilfe gewährt werden konnte.

Dagegen legte die Beschwerdeführerin am auf elektronischem Weg das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Darin führte sie aus, dass mit Schreiben vom der überprüfte Anspruch auf Familienbeihilfe für ***Name*** bis Dezember 2022 gewährt worden sei. Die Lehrzeit des Kindes habe laut Lehrvertrag mit geendet. Auf den Termin der Lehrabschlussprüfung habe man keinen Einfluss gehabt. Dass auch die geplante Musterung vom August 2022 aufgrund von Personalmangel auf Jänner 2023 verschoben wurde, sei nicht vorhersehbar gewesen. ***Name*** arbeite seit September als qualifizierter Arbeitnehmer in der Montage von Photovoltaikanlagen. Beantragt werde, den Rückforderungsbescheid aufzuheben.

Am wurde die Beschwerdevorentscheidung ausgefertigt, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Dazu wurde ausgeführt, dass ein Lehrverhältnis automatisch ende, wenn der Lehrling die Lehrabschlussprüfung erfolgreich abgelegt hat, wobei die Endigung des Lehrverhältnisses mit Ablauf der Woche, in der die Prüfung abgelegt wird, eintritt. Das Ende der Lehrzeit habe zur Folge, dass mit darauffolgendem Montag die Behaltefrist zu laufen beginnt und der Lehrling auch als Facharbeiter bzw. Angestellter zu entlohnen ist.

Der Sohn der Beschwerdeführerin habe die Lehrabschlussprüfung vor Ende der Lehrzeit am erfolgreich absolviert. Er sei somit bis Arbeiterlehrling gewesen. Danach sei er ab als Arbeiter bei derselben Firma beschäftigt gewesen. Es habe daher ab Oktober 2022 kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ihn bestanden.

Am wurde die Beschwerdevorentscheidung der Beschwerdeführerin gegenüber durch Zustellung erlassen.

Am wurde von der Beschwerdeführerin ein elektronischer Antrag gestellt, der als Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung gewertet wurde. Darin führte diese unter anderem aus, sie habe am die Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn bis Dezember 2022 bestätigt bekommen. ***Name*** habe vor Ende der Lehrzeit die Lehrabschlussprüfung abgelegt. Niemand habe darauf hingewiesen, dass damit auch die Familienbeihilfe entfällt. Ihr Sohn werde im Mai (2023) die Ausbildung zum Photovoltaikmonteur machen und sie habe die Information erhalten, dass für Kinder, die bereits 18 sind, nur dann Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehe, wenn sie für einen Beruf (Lehre, Schule, Studium, Fachhochschule etc.) aus- bzw. fortgebildet werden.

Dem wurde am entsprochen und die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. ***Kind*** wurde als Sohn der Beschwerdeführerin wurde am xx. Juni 2004 geboren, war somit in den Beurteilungsmonaten bereits volljährig und gehörte zum Haushalt der Mutter.

2. Er war vom an als Lehrling im Lehrberuf Tischler in einem Tischlereiunternehmen beschäftigt und hat am die Lehrabschlussprüfung erfolgreich absolviert. Die vertragliche Lehrzeit hätte ansonsten am , somit nach dreijähriger Lehrzeit, geendet.

3. Die Berufsausbildung des Kindes hat mit Ablauf der Woche 35 des Jahres 2022, somit mit Ablauf des geendet. Das anspruchsvermittelnde Kind der Beschwerdeführerin war daraufhin vom bis einschließlich zum im Lehrbetrieb als Arbeiter beschäftigt und versichert.

4. Die angefangene "Behaltezeit" wurde nicht voll ausgeschöpft. Ab war das Kind in einem anderen Betrieb wiederum als Arbeiter beschäftigt.

5. Für ***Kind*** wurde zunächst (auch) für die Monate Oktober 2022 bis Dezember 2022 Familienbeihilfe bezogen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, den im Verwaltungsverfahren übermittelten Urkunden und sonst getätigten Angaben der Beschwerdeführerin und jenen der Abgabenbehörde, sowie aus den im Zentralen Melderegister, im Abgabeninformationssystem, im Auskunftssystem des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger und in der Beihilfendatenbank gespeicherten Daten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Sache des gegenständlichen Verfahrens ist die Frage des Anspruches auf Familienbeihilfe für die Monate Oktober, November und Dezember 2022.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, in der Fassung BGBl. I Nr. 220/2021, haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe - unter anderem - für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist (§ 2 Abs. 1 lit. b leg. cit.; vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 28).

Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (ebd., Rz 35).

So besteht kein Zweifel, dass insbesondere die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis eine Berufsausbildung im Sinne des "FLAG" darstellt (siehe , m. w. N.). Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen: zum einen die praktische Ausbildung im Betrieb (in der Regel 75 bis 80 % der Lehre), und zum anderen die Ausbildung in der Berufsschule (so genanntes "duales System" der Lehrausbildung). Als Grundlage dient das Berufsausbildungsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969 (BAG), und die im § 8 BAG normierte Ermächtigung für den Bundesminister, für die einzelnen Lehrberufe durch Verordnung Ausbildungsvorschriften zu erlassen (ebd., Rz 45).

2. Lehrverhältnis und Lehrvertrag bilden die Grundlage der dualen Ausbildung. Die Dauer eines Lehrverhältnisses ist grundsätzlich vom jeweiligen Lehrberuf abhängig und dem Lehrvertrag (§ 12 Abs. 2 Z 4 BAG) zu entnehmen. Gemäß § 6 Abs. 1 BAG hat die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf in der Regel drei Jahre zu betragen. Der Lehrvertrag ist nach § 13 Abs. 1 leg.cit. grundsätzlich für die für den Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit abzuschließen. Das Lehrverhältnis endet nach § 14 Abs. 1 BAG mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit.

Vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet das Lehrverhältnis nach § 14 Abs. 2 lit. e leg.cit., wenn der Lehrling die Lehrabschlussprüfung erfolgreich ablegt, wobei die Endigung des Lehrverhältnisses mit Ablauf der Woche eintritt, in der die Prüfung abgelegt wird (; ; ; zit. von Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 45). Dies entspricht dem allgemeineren Grundsatz, wonach die Berufsausbildung mit Ablegung der letzten in den Ausbildungsvorschriften vorgesehenen Prüfung endet (; ; zit. von Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 42).

3. Der Lehrberechtigte ist nach § 18 Abs. 1 BAG verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gemäß § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 lit. e endet, im Betrieb drei Monate im erlernten Beruf weiter zu beschäftigen. Der Verwaltungsgerichtshof umschreibt diese Verpflichtung des Lehrberechtigten in seinem Erkenntnis vom , GZ 90/08(0084, folgendermaßen:

"Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung endet das Lehrverhältnis wegen seiner Befristung automatisch. § 18 Abs. 1 BAG normiert nicht etwa für die Dauer der Behaltefrist einen Vertragsabschluß kraft Gesetzes, sondern lediglich die Verpflichtung des Lehrherrn, mit dem Lehrling einen Dienstvertrag von mindestens viermonatiger Dauer abzuschließen (vgl. die bei Dittrich - Veit - Tades, Arbeitsrecht, E 1 zu § 18 BAG, abgedruckten Entscheidungen; ferner Jabornegg, DRdA 1977, 16 ff; so offenbar auch Spielbüchler in: Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I,3. Auflage, 73 u. 103, und Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht, 4. Auflage, 478). Es handelt sich somit bei dem für die Dauer der Behaltefrist abzuschließenden Dienstverhältnis jedenfalls um ein NEUES Dienstverhältnis, das allerdings bereits im Lehrvertrag vereinbart werden (vgl. Arb 9344) und nicht wirksam abbedungen werden kann (Arb 6955). Der Lehrling ist jedoch (arbeitsrechtlich) nicht verpflichtet, die Weiterbeschäftigung zu verlangen, sondern kann vielmehr nach Ablauf der Lehrzeit ohne weitere Erklärung die bisherige Arbeitsstätte verlassen, es sei denn, daß er sich schon vorher (etwa im Lehrvertrag) zur Weiterarbeit vertraglich verpflichtet hätte (Jabornegg, aaO)." ()

Demgegenüber stellt die Beschäftigungspflicht aber schon rein begrifflich keine Berufsausbildung mehr dar. Mit anderen Worten ergibt sich aus dem Gebrauch der Worte "weiter zu beschäftigen" nicht nur, dass (zeitlich) auf die Berufsausbildung ein neues Dienstverhältnis folgt, sondern auch (qualitativ) über den Zweck der Berufsausbildung hinaus andere Interessen des ehemaligen Lehrlings die mögliche weitere Verwendung gebieten. Damit aber ist diese Zeit nicht mehr durch jene Merkmale gekennzeichnet, auf welche der Gesetzgeber des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 abstellte, als er ein Ausbildungs- und Dienstverhältnis ausschließlich aufgrund dessen Besonderheit als der Gewährung von Familienbeihilfe nicht entgegenstehend befand. Maßgebend ist unter dem Gesichtspunkt der Familienbeihilfe also nicht, dass es sich in beiden Fällen um ein Dienstverhältnis handelt, sondern, dass nur das Lehrverhältnis das besondere Merkmal eines der Berufsausbildung dienenden Dienstverhältnisses aufweist. Wenngleich also das Lehrverhältnis auch ein Arbeitsverhältnis ist, bleibt dessen Ziel auf die Ausbildung beschränkt (vgl. bereits ). Dem entspricht umgekehrt, dass nur für die Lehrzeit das Entgelt als Lehrlingseinkommen gebührt, während für die Weiterbeschäftigung im erlernten Beruf die Einstufung als Facharbeiter erfolgt, wobei das Entgelt bei erfolgreich abgelegter Lehrabschlussprüfung regelmäßig höher ist.

4. Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

5. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat.

Diese Bestimmung normiert eine rein objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 FLAG Rz 12 m. w. N.), ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet; ist diese erheblich, käme unter Umständen Zahlungserleichterung in Betracht.

Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa ). Dabei kommt es nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezuges von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142).

Zusammenfassung: Fehlt somit im Rückforderungszeitraum eine Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wurde sie aber tatsächlich ausbezahlt, hat eine Rückforderung zu erfolgen.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe für die Monate Oktober 2022, November 2022 und Dezember 2022 zu Recht, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG aus dem Grund nicht als erfüllt anzusehen sind, dass das Kind in diesen Monaten nicht mehr für einen Beruf ausgebildet wurde.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Mangels Anspruches auf Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum war auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgetretene Rechtsfragen konnten anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst werden, sodass ihnen grundsätzliche Bedeutung, welche die Zulässigkeit der Revision begründen würde, nicht zukommt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100188.2023

Fundstelle(n):
RAAAF-44468