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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.05.2024, RV/7100606/2024

Familienheimfahrten eines Alleinstehenden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, Deutschland, über die Beschwerde vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, 2021 und 2022, zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmer-veranlagung) 2020 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
    Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  2. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmer-veranlagung) 2021 und 2022 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
    Diese Bescheide bleiben unverändert.

  3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren 2020, 2021 und 2022 in ***A***, Landkreis ***B***, in ***C***, Deutschland, ansässig und für ein österreichisches Unternehmen als Pilot tätig.

In den Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2020, 2021 und 2022, alle vom , machte der Beschwerdeführer unter anderem beruflich veranlasste Reisekosten (Fahrtkosten Wohnung - Arbeit) jeweils in Höhe von 4.062,24 € als Werbungskosten geltend.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer im Wesentlichen ersucht, die als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben belegmäßig nachzuweisen, den beruflichen Aufgabenbereich zu erläutern und Auskunft darüber zu erteilen, wie die Ausgaben mit dem Beruf zusammenhingen.

Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer Folgendes mit:

"Angestellt bei ***D*** als Commercial Pilot im civilen und militärischen Fallschirm-sprungbetrieb. Die Kosten gestalten sich so, dass der Firmensitz in ***E*** liegt, die Home Base der Flugzeuge ist allerdings ***F*** (Tschechien). Folglich müssen wir zu unserer Home Base nach Tschechien proceeden um die Flugzeuge abzuholen. Anschließend geht es von dort auf verschiedene Missionen in ganz Europa über einen definierten Zeitraum "X". Anschließend geht es entweder zum nächsten Auftrag oder man fliegt wieder nach ***F*** um den Flieger für die nächste Mission vorzubereiten, Maintenance, Crew Change und man selber kann von dort dann wieder den Heimweg antreten.
Manchmal gibt es auch Missions an unserer Home Base, folglich tauchen diese Arbeitstage nicht in den Tagesgeldern auf."

Aus den übermittelten Aufstellungen geht unter anderem hervor, dass der Beschwerdeführer die Strecke von ***B*** nach ***F*** (806 km) und zurück im Jahr 2020 8 Mal, im Jahr 2021 7 Mal und im Jahr 2022 6 Mal zurückgelegt habe.

In den Einkommensteuerbescheiden 2020, 2021 und 2022, alle vom , wurden die geltend gemachten Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, jeweils in Höhe von 4.062,24 €, nicht als Werbungskosten berücksichtigt und damit begründet, dass die Aufwendungen für Fahrten betreffend die Strecke Wohnung-Arbeitsstätte bereits durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten seien.

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2020, 2021 und 2022, alle vom , und verwies darauf, dass seine Kosten durch das Pendeln weitaus höher als der Verkehrsabsetzbetrag gewesen seien, die einfache Entfernung von seinem Wohnort zu seiner Homebase 805 km betrage und er diese Entfernung ca 12 x jährlich zurücklege. Der Beschwerdeführer beantragte den Ansatz des großen Pendlerpauschales für die Jahre 2020 bis 2022.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2020, 2021 und 2022, alle vom , mit folgender Begründung, als unbegründet abgewiesen:

"Ein volles Pendlerpauschale steht im betreffenden Ausmaß dann zu, wenn der Arbeitnehmer im Kalendermonat an mindestens elf Tagen von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Legt der Arbeitnehmer diese einfache Fahrtstrecke an mindestens acht Tagen, aber nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat zurück, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Legt der Arbeitnehmer diese Entfernung an mindestens vier, aber nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat zurück, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu.
Laut vorgelegten Unterlagen sowie im Beschwerdeantrag angegeben, legen Sie die Wegstrecke Wohnort - Arbeitsstätte nicht an mindestens vier Tagen im Kalendermonat zurück. Die Voraussetzungen für das Pendlerpauschale sind von Ihnen somit nicht erfüllt, weshalb Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen war."

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht und wies darauf hin, dass aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohnung und Dienstort zu häufiges Pendeln nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer beantragte nunmehr, die Pendelkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen und übermittelte eine Bestätigung seines Arbeitgebers, wonach der Beschwerdeführer aufgrund der geografischen Distanz zwischen seinem Familienwohnsitz und dem Standort ***F*** nicht in der Lage sei, täglich nach Hause zurückzukehren.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde von der Abgabenbehörde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt und im Wesentlichen ausgeführt, dass ein tägliches Heimkehren von einem 805 Kilometer entfernten Arbeitsort unzumutbar sei und nicht bestritten werde. Die Verwaltungspraxis und Judikatur gingen aber bei einem Ledigen wie dem Beschwerdeführer davon aus, dass binnen sechs Monaten zumutbar sei, den bisherigen Wohnsitz in die Nähe der Arbeitsstätte zu verlegen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers bis dahin enthielten keine Indizien dafür, dass diese Wohnsitzverlegung für ihn unzumutbarer wäre als für einen durchschnittlichen ledigen Arbeitnehmer. Das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers habe laut Lohnzettel am begonnen, Familienheimfahrten wären folglich nur bis zu berücksichtigen, dies würde laut Vorhaltsbeantwortung vom insgesamt 4 Fahrten nach ***F*** und 3 Fahrten an den Familienwohnsitz von jeweils 806 km umfassen. Später erfolgte Familienheimfahrten wären nicht mehr berücksichtigungsfähig. Die Kosten der Familienheimfahrten seien nur bis zum Höchstbetrag des großen Pendlerpauschales abschreibbar (306 Euro pro Monat), was im Jahr 2020 1.836 € ausmachen würde. In den Folgejahren 2021 und 2022 könnten keine Familienheimfahrten mehr geltend gemacht werden.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten bis spätestens zu den Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht vom Stellung zu nehmen. Der Vorlagebericht der Abgabenbehörde vom wurde dem Beschwerdeführer als Beilage zum Beschluss übermittelt.
Der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Beschwerdeführer mit internationalem Rückschein zugestellt und vom Beschwerdeführer nachweislich in Empfang genommen.
Der Beschluss blieb bis dato unbeantwortet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Beschwerdeführer hat seinen Hauptwohnsitz in ***A***, Landkreis ***B***, in ***C***, Deutschland und arbeitet seit als Pilot für ein österreichisches Unternehmen, mit Home Base der Flugzeuge in ***F*** (Tschechien).

Die Entfernung zwischen ***F*** und der deutschen Heimatadresse des Beschwerdeführers beträgt 806 km. Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und legte die Strecke von ***B*** nach ***F*** (806 km) und zurück im Jahr 2020 acht Mal, im Jahr 2021 sieben Mal und im Jahr 2022 sechs Mal zurück.

Die Wohnsitzverlegung in die Nähe der Arbeitsstätte war für den Beschwerdeführer nicht unzumutbarer als für einen durchschnittlichen ledigen Arbeitnehmer.

Der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , mit dem dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten wurde, zum Vorlagebericht der Abgabenbehörde Stellung zu nehmen, wurde vom Beschwerdeführer nachweislich in Empfang genommen und blieb unbeantwortet.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus jenen Unterlagen, die der Beschwerdeführer der Abgabenbehörde vorgelegt hat sowie dem Vorlagebericht der Abgabenbehörde.

Der festgestellte Sachverhalt war folgendermaßen rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit d leg cit angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.

Gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 beträgt das höchste Pendlerpauschale 306 Euro monatlich.

Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs 1 EStG 1988. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort können daher nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "für eine gewisse Übergangszeit" Aufwendungen für Heimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden, weil diesem Arbeitnehmer zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen (vgl ).

Im vorliegenden Beschwerdefall beträgt die Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und dem (Familien)Wohnsitz des Beschwerdeführers 806 km, womit jedenfalls von einer Unzumutbarkeit einer täglichen Rückreise auszugehen ist.

Im Hinblick darauf, dass der alleinstehende Beschwerdeführer seine Arbeit in Tschechien erst am begonnen hat, sind im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes für eine Übergangszeit von 6 Monaten Kosten für Heimfahrten zu seinem (Familien)Wohnsitz in Norddeutschland nur bis zu berücksichtigen.

Aus der der Abgabenbehörde übermittelten Aufstellung der Fahrten vom (Familien)Wohnsitz des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitsstätte für das Jahr 2020 geht hervor, dass er bis vier Fahrten nach ***F*** und drei Fahrten zum (Familien)Wohnsitz zu jeweils 806 km zurückgelegt hat, was einem Kilometergeld von 2.369,64 € (= 7 Fahrten à 806 km à 0,42 €/km) entspreche.

Da die Kosten für Familienheimfahrten aber gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 iVm § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale, das sind 306 €/Monat, begrenzt sind, sind im Streitjahr 2020 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.836 €
(= 306 €/Monat für 6 Monate) als Werbungskosten zu berücksichtigen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
geltend gemachte Fahrtkosten im Jahr 2020
12 Fahrten à 806 km à 0,42 €/km
4.062,24 €
Kilometergeld für 7 Fahrten in 6 Monaten
7 Fahrten à 806 km à 0,42 €/km
2.369,64 €
als Werbungskosten zu berücksichtigende Fahrtkosten im Jahr 2020
höchstes Pendlerpauschale:
306 €/Monat für 6 Monate

1.836,00 €

Im Streitjahr 2020 sind daher Werbungskosten in Höhe von insgesamt 3.452,20 € zu berücksichtigen:


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Summe der als Werbungskosten geltend gemachte Ausgaben laut Beilage zur Einkommensteuererklärung 2020

5.678,44 €
- Fahrtkosten laut Beilage zur Einkommensteuererklärung 2020
- 4.062,24 €
+ Fahrtkosten laut Bundesfinanzgericht
+ 1.836,00 €
Werbungskosten laut Bundesfinanzgericht
3.452,20 €

Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 war daher teilweise Folge zu geben.

Im Hinblick darauf, dass der erwähnte Übergangszeitraum von 6 Monaten bereits im Jahr 2020 abgelaufen ist, sind in den Streitjahren 2021 und 2022 keine Fahrtkosten als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2021 und 2022 war daher als unbegründet abzuweisen.

Beilage: Berechnungsblatt

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die Rechtsfrage, ob und in welcher Höhe Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Familienheimfahrten
Alleinstehender
Übergangszeit
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100606.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
KAAAF-44453