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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2025, RV/7103707/2024

Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung des Kindes ***1*** ab dem zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Antrag der Bf. vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für das Kind ***1***

Mit Eingabe vom stellte die Bf. mit der Begründung, wonach ihr Sohn eine schizoide Persönlichkeit sei den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den der die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Untersuchungstermin beim Sozialministeriumservice (SMS) vom

Aufgrund des mit datierten Antrages wurde der Sohn der Bf. für einen für den avisierten Untersuchungstermin beim SMS geladen, wobei der Proband in der Folge nicht zur Untersuchung erschienen ist.

Abweisungsbescheid vom

Mit der Begründung, dass der Sohn der Bf. zum vereinbarten Termin nicht beim SMS erscheinen sei, mit der Folge, dass das Vorliegen einer erheblichen Behinderung somit nicht feststellbar gewesen sei, wurde der Antrag der Bf. vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ihres Sohnes ab dem mittels Bescheid vom abgewiesen.

Beschwerde vom

In ihrer gegen den Abweisungsbescheid erhobenen, mit datierten Beschwerde führte die Bf. aus, dass sie aus beruflichen Gründen außer Stande gewesen sei ihren Sohn zum Untersuchungstermin am zu begleiten, wobei versucht worden sei via telefonischer Kontaktierung des SMS den Termin zu verschieben.

Schlussendlich liege die Nichtwahrnehmung des Termins in der Persönlichkeit ihres Sohnes begründet, welcher sich seitdem im Jahre 2016 erfolgten, glaublich durch eine Aufforderung zum Besuch der Berufsschule bedingten Abbruchs seiner im Februar 2015 begonnenen Lehre als Straßenerhaltungsfachmann weigert einer Beschäftigung nachzugehen.

Gutachten des SMS vom

Aufgrund einer am stattgefunden Untersuchung des Sohnes der Bf. wurde seitens der untersuchen Ärztin des SMS nachstehendes - dem BFG im Volltext vorgelegtes mit datiertes Gutachten - erstellt:

Anamnese:

Vorgutachten 3/2019- kein Gesamtgrad der Behinderung: aufgrund fehlender fachärztlicher Befunde, fehlender Arztbriefe und anderweitiger Unterlagen.

Vorgutachten 4/2016, Gesamtgrad der Behinderung 50%: Schizophrene Störung mit Zustand nach stationärem Aufenthalt 2015.

Das Gespräch wird zuerst mit Herrn ***2*** alleine geführt, im Anschluss daran mit der Mutter ohne Beisein des Kunden.

Aktuelle Befunde bzw. Befunde aus den letzten Jahren können neuerlich nicht vorgelegt werden.

Der Kunde gibt an seit etwa 10 Jahren arbeitslos und daheim zu sein. Er habe eine Lehre zum Straßenerhaltungsfachmann begonnen und abgebrochen, habe 6-7 Monate gearbeitet (Straßenreinigung)- das sei über Rettet das Kind vermittelt gewesen. Sonst sei er nie einer Beschäftigung nachgegangen. Er sei etwa 2016 in ***5*** stationär gewesen, da sei nicht wirklich was festgestellt worden. Therapien, Medikation oder psychiatrische Kontakte in den letzten Jahren werden verneint.

Die Mutter berichtet selbst an einer bipolaren Störung zu leiden und sich nicht rauszusehen. Die Sozialphobie des Sohnes habe sich gebessert, er fahre manchmal alleine mit dem Bus ins "***12***". Er sei intelligent, könne aber sein Potential nicht ausschöpfen. Bislang sind keine Besuche erfolgt an eine Tagesstruktur oder Therapien anzuknüpfen oder eine passende Maßnahme für den Sohn zu finden.

Derzeitige Beschwerden:

Herr ***2*** selbst gibt an mit seinem Leben zufrieden zu sein. Er lebe bei der Mutter, pflege so gut wie keine sozialen Kontakte und beschäftige sich vorwiegend mit Videospielen. Zwischendurch habe er schon das Verlangen sich eine Arbeit zu suchen, das sei aber immer nur kurz, dann mache er nichts, vielleicht aus Bequemlichkeit. Die Mutter gibt an in psychiatrischer Betreuung zu stehen und äußert den Wunsch, dass der Sohn auch ihren Psychiater aufsuchen solle.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Keine laufenden Behandlungen. Keine Dauermedikation. Keine Hilfsmittel.

Sozialanamnese:

Lebt mit der Mutter, sozial zurückgezogen, keine Beschäftigung.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Es werden keine Befunde vorgelegt.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: regelrecht

Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Somatischer Status unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffälliges, sicheres Gangbild. In den Bewegungsabläufen nicht sichtbar behindert.

Psycho(patho)logischer Status:

Psychisch orientiert, geordnet, bewusstseinsklar. Stimmung euthym, affektiv normal schwingungsfähig, gut kontaktfähig, Gedankensprünge, psychomotorisch ausgeglichen. Grob keine kognitiven oder mnestischen Defizite fassbar. Keine Suizidgedanken oder - tendenzen, keine psychotischen Zeichen. Fehlende Krankheitseinsicht, bagatellisierend.

Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.

Begründung:

Ein Behinderungsgrad kann aufgrund fehlender fachärztlicher Befunde, fehlender Arztbriefe und anderweitiger Unterlagen nicht eingestuft werden.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

keine Änderung

Trotz dem offensichtlichen Vorliegen eine Persönlichkeitsstörung kann mangels Befunden weiterhin kein Gesamtgrad der Behinderung ermittelt werden.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:

X ja

GdB liegt vor seit: 03/2019

GdB 50 liegt vor seit: 11/2011

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: entsprechend Vorgutachten

Herr ***1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

offensichtliche Persönlichkeitsstörung, jedoch liegen keine Befunde oder Unterlagen vor, insbesondere auch keine, die eine Erwerbsunfähigkeit darlegen.

Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom

In der Folge erging eine mit datierte die Beschwerde der Bf., abweisende BVE, wobei die belangte Behörde begründend ausführte, dass im Gutachten des SMS vom kein Grad der Behinderung festgestellt habe werden können.

Vorlageantrag vom

Mit Eingabe vom stellte die Bf. - in materieller Betrachtung - einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das BFG. Hierbei wurde begründend ausgeführt, dass der Sohn der Bf. am den Facharzt für Psychiatrie Herrn Dr. ***4*** konsultiert habe, welcher am nachstehenden als Beilage nachgereichten Kurzbefund verfasst habe:

"Thematik: Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe

27-jähriger Untersuchter, wird heute bei uns in der Praxis vorstellig.

Anamnese:

Mit 14 Jahren erstmals zu einem diagnostischen Aufenthalt im Kinder- und Jugendspital ***5***, Er litt damals unter massiver Sozialphobie, hatte 2 Jahre das Haus nicht verlassen, hatte aber davor immerhin das Polytechnikum geschafft. Er schildert sich selbst als soziophob und introvertiert. Insgesamt sei sein Zustand allerdings schon etwas gebessert, er verlasse durchaus das Haus, schaue mehr auf sich und ginge auch spazieren. Einmal im Monat versuche er sogar auszugehen.

Die Behandlungsversuche in den letzten 10 Jahren im Anschluss an den Aufenthalt in ***5*** sind leider fehlgeschlagen. Die Wiederaufnahme einer Behandlung täte dem Untersuchten sicherlich sehr gut. Medizinisch bestehen ansonsten keinerlei Hinweise auf somatische Erkrankungen.

Der Untersuchte hat vor einigen Jahren bei der Straßenverwaltung in Eisenstadt für 6 Monate gearbeitet, fand dort allerdings keinen Anschluss. Die Zeit dort wurde auf Dauer unerträglich.

Derzeit wäre sein Ziel einen Teilzeitjob bewältigen zu können. Dies würde jedoch nur mit einer beruflichen Rehabilitation bzw. niederschwelligen Arbeitsversuchen einhergehen können.

Aufgrund der Behinderung des Untersuchten wäre die erhöhte Familienbeihilfe aktuell aus Sicht des Faches gerechtfertigt.

Diagnosen: Sozialphobie, leicht gebessert, Schizoide Struktur, zeitweilig Substanzmissbrauch."

Sachverständigengutachten des SMS vom

In der Folge wurde am unter Einbeziehung des Befundberichtes Dris. ***6*** ein Aktengutachten des SMS nachstehenden Inhalts erstellt:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Letztgutachten 4/2024, Gesamtgrad der Behinderung: Ein Behinderungsgrad kann aufgrund fehlender fachärztlicher Befunde, fehlender Arztbriefe und anderwärtiger Unterlagen nicht eingestuft werden.

Psychiatrischer Befundbericht Dr. ***6***, 6/2024:

Soziale Phobie, leicht gebessert

schizoide Struktur

zeitweilig Substanzmissbrauch

Vorgutachten 3/2019:

Ein Behinderungsgrad kann aufgrund fehlender fachärztlicher Befunde, fehlender Arztbriefe und anderwärtiger Unterlagen nicht eingestuft werden.

Vorgutachten 4/2016: Gesamtgrad der Behinderung 50 %-Schizophrene Störung mit Zustand nach stationärem Aufenthalt 2015.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Keine aktuelle Dokumentation von Behandlungen, Medikamenten oder Hilfsmitteln.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Persönlichkeits- und Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen Unterer Rahmensatzwert, da schizoide Persönlichkeitsstruktur, Sozialphobie, zeitweilig Substanzmissbrauch, therapeutische Reserve erhalten Pos.Nr. Gdb % 50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der alleinigen Gesundheitsstörung 1.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Sämtliche zugrunde gelegten Gesundheitsstörungen sind in der Einschätzung berücksichtigt.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Die Gesundheitsstörung 1 wird neu eingeschätzt basierend auf dem nun vorgelegten fachärztlichen Befund, Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung um 5 Stufen

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:

X ja

GdB liegt vor seit: 06/2024

GdB 0 liegt vor seit: 03/2019

GdB 50 liegt vor seit: 11/2011

Begründung -GdB liegt rückwirkend vor:

Aktuell 50 % seit Datum des fachärztlichen Befundes, 0 %/kein Gesamtgrad der Behinderung entsprechend den beiden Letztgutachten, vormals 50 % gemäß Vorgutachten Herr ***1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Es liegen keine Unterlagen vor, welche eine voraussichtlich dauerhafte Erwerbsunfähigkeit begründen, stationärer Aufenthalt 2015, sonst keine durchgehenden Therapien, Befunde oder Bestätigungen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***11*** geborene Sohn der Bf. hat nach Abschluss des Polytechnischen Lehrgangs sowie im Anschluss auf einem nahezu zweijährigen Nichtverlassens des Zimmers beruhenden, im Zeitraum vom ***8*** absolvierten stationären Aufenthalt in der in ***5*** domizilierten Kinder und Jugendpsychiatrie eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann begonnen, wobei er diese nach ca. 6 bis 7 Monaten, sprich sohin im Lauf des Jahres 2015 bzw. 2016 abgebrochen wurde. Seit dieser Zeit geht der im Streitzeitraum volljährige, im Haushalt der Bf. wohnhafte Sohn keiner Beschäftigung nach.

Angesichts des mit datierten Antrages der Bf. auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung, der Beschwerde sowie des Vorlageantrages wurden seitens des SMS zwei mit sowie mit datierte Gutachten erstellt.

Während im Gutachten vom mangels aktueller Befunde kein Grad der Behinderung feststellgestellt werden konnte, wurde im Gutachten vom ob des im Verwaltungsverfahren nachgereichten Befundberichtes Dris. ***6*** dem Sohn der Bf. ein ab Juni 2024 bestehender Grad der Behinderung im Ausmaß von 50% attestiert.

Ungeachtet einer offensichtlichen Persönlichkeitsstörung wurde - in Ermangelung des Vorhandenseins in diese Richtung abzielender Befunde oder Unterlagen, respektive absolvierter Therapien - in beiden Gutachten unisono das Vorliegen einer vor dem 21. Lebensjahr 2021 eingetretenen voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit des Sohnes der Bf. verneint.

2. Beweiswürdigung

Obiger Sachverhalt ist unstrittig und basiert dieser auf der Aktenlage, dem Vorbringen der Bf., dem Inhalt des mit datierten Entlassungsberichtes des Landesklinikum ***9*** (Abteilung Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie/ ***5***) sowie dem Inhalt der von der Bf. im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Volltext nachgereichten Gutachten des SMS vom sowie vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1.Streitgegenstand

Vor dem Hintergrund es unter Punkt 1 dargelegten Sachverhaltes steht die Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Abweisungsbescheides vom auf dem Prüfstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

3.1.2. Rechtsgrundlagen

Nach der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben einen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während eine späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung vorrausichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (sechs Monaten*). Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(*BGBl I 2022/226 ab )

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

3.1.3. Rechtliche Würdigung

3.1.3.1. Anspruch der Bf. auf den Grund - und Erhöhungsbetrag ab dem aufgrund einer erheblicher Behinderung des Kindes ***10***

Die Bestimmung des § 8 FLAG 1967 normiert in ihren Ansätzen 3 bis 6, unter welchen Bedingungen der Erhöhungsbetrag an FB zusteht.

§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 sowie § 6 Abs. 2 lit. d leg. cit. (bezüglich des Eigenanspruches) regeln weiters, unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an FB gewährt werden kann:

Dieser steht für volljährige Kinder bzw. volljährigen Kindern zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (s , zu einem schizophrenen Residuum, unter Bezugnahme auf die bei der Interpretation des § 8 Abs. 5 zu berücksichtigenden Materialien zur Novelle BGBl 1993/531). Für die Verlängerung der Frist bis zum 25. Lebensjahr ist entscheidend, dass eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b oder lit h FLAG 1967 vorliegt.

Unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Erhöhungsbetrag nur dann zusteht, wenn auch der Anspruch auf den Grundbetrag gegeben ist, bedeutet dies, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an FB zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen (s auch ; , 2011/16/0063). Auch bei einer Behinderung von 100 % ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ().

Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu.

Ausschlaggebend hierfür ist somit ausschließlich, ob die in § 2 Abs. 1 lit. c (Anspruch für Kinder) bzw. § 6 Abs 2 lit d (Eigenanspruch) normierten Voraussetzungen erfüllt sind, wobei diese Bestimmungen zwar jeden Hinweis auf § 8 Abs. 5 und 6 vermissen lassen, im Sinne einer die Thematik "erhebliche Behinderung" umfassenden Gesamtschau davon auszugehen ist, dass auch hier eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice zwingend erforderlich ist.

3.1.3.2. Erhebliche Behinderung (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967)

Das Vorliegen einer erheblichen Behinderung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

Beim Kind besteht eine nicht nur vorübergehende (d.h. voraussichtlich mehr als drei Jahre) andauernde Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung.

In Ansehung vorstehender Ausführungen liegt im Falle eines volljährigen Kindes, wie dem Sohn der Bf. eine erhebliche Behinderung nur dann vor, wenn das Kind voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind ab § 14 Abs 3 BehinderteneinstellungsG BGBl 1970/22, in der jeweils geltenden Fassung, und die VO des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (EinschätzungsVO), BGBl II 2010/261, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Bis waren hierfür die Vorschriften der § 7 und 9 Abs. 1 des KriegsopferversorgungsG 1957 (KOVG) und die diesbezügliche VO des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom BGBl 1965/150 anzuwenden.

Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

3.1.3.3. Verfahren zur Feststellung des Vorliegens einer erheblichen Behinderungmittels zwingender Bescheinigung des SMS (§ 8 Abs. 6)

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Bundessozialamt; ab Juni 2014, BGBl I 2013/138, "Sozialministeriumservice" - SMS) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Beweisregel des § 8 Abs. 6 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor ().

3.1.3.4. Bindungswirkung des BFG an schlüssige Gutachten des SMS

3.1.3.4.1. Allgemeine Ausführungen

Zur Bindungswirkung von Gutachten des SMS ist festzuhalten, dass aus dem Erkenntnis des , sowie jenem des VwGH (s zB ) folgt, dass die Abgabenbehörde und das BFG an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden sind und diese nur insoweit prüfen dürfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (s auch ; , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, mwN).). Wurde von der Abgabenbehörde bereits ein solches Sachverständigengutachten eingeholt, erweist sich dieses als schlüssig und vollständig und wendet der Bf. nichts Substantiiertes ein, besteht für das BFG kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (s ). Durch ein Privatgutachten, Röntgenbilder, chemische Analysen oder Ähnliches könnte allenfalls die Schlüssigkeit der vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten widerlegt werden ( z.B. , mwN; , 2009/16/0307).

Das Verwaltungsgericht ist an diese Gutachten insoweit gebunden, als sie dieses auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen hat.

Herbei entsprechen nach Überzeugung des Gerichtes - wie es im nächsten Punkt noch näher auszuführen gilt -, die im vorliegenden Fall erstellten Gutachten diesen Anforderungen.

3.1.3.4.2. Schlüssigkeit der Gutachten vom sowie vom

Obige Gutachten des SMS sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in Punkto der Negierung des Vorliegens einer vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen voraussichtlichen dauernden Unfähigkeit des Kindes ***10*** sich selbst den Unterhalt zu verschaffen insoweit schlüssig und nachvollziehbar als aus deren Inhalt eindeutig hervorgeht, dass dem begutachtenden Arzt keinerlei die These des Vorliegens der voraussichtlich dauernden, vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen Erwerbsunfähigkeit stützende Befunde vorgelegt wurden. Der Umstand, dass der Befundbericht Dris. ***6*** lediglich in die Feststellung eines - ob der Volljährigkeit des Sohnes für die Anspruchsberechtigung der Bf. auf den Grund und Erhöhungsbetrag jedoch unerheblichen - Grades der Behinderung von 50% gemündet hat, vermag an der Schlüssigkeit des Gutachtens vom insoweit keine Änderung herbeizuführen, als der Inhalt des Befundes den Wunsch des 27-jährigen Sohnes der Bf. auf künftige Bewältigung eines Teilzeitjobs widerspiegelt, mit der Konsequenz, dass nämlicher Befund geradezu keinen Anhaltspunkt für eine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtliche Unfähigkeit des Kindes ***10*** sich selbst den Unterhalt zu verschaffen bietet.

In Ansehung vorstehender Ausführungen sind der die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 als nicht erfüllt zu qualifizieren, weswegen wie im Spruch zu befinden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da die Abweisung direkt auf den gesetzlichen Bestimmungen des FLAG 1967 fußt, bzw. das Verwaltungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht. Demzufolge war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103707.2024

Fundstelle(n):
AAAAF-44452