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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.12.2024, RV/7103231/2019

Verjährungsbeginn der Einkommensteuer bei nicht begründeter Vorläufigkeit im Feststellungsbescheid; Ungewissheit im Zusammenhang mit Verlusten aus einer Beteiligung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Einkommensteuer 2010, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg zu der Steuernummer ***Steuernummer KG*** (***KG Name alt***) einen vorläufigen Feststellungsbescheid gem § 200 Abs 1 BAO für das Jahr 2010. Festgestellt wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb und wurden dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) Einkünfte in der Höhe von -57.230,58 Euro zugewiesen.

In dem Einkommensteuerbescheid 2010 vom , der an den Bf adressiert wurde, waren unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von -56.916,08 Euro enthalten.

Am erließ das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg einen endgültigen Feststellungsbescheid gem § 200 Abs 2 BAO zu der ***KG Name alt*** und stellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 19.000,00 Euro fest. Dem Bf wurden Einkünfte in der Höhe von 0,00 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet: "Gem. § 4 Abs. 3 LiebhabereiVO ist bei Personengesellschaften neben der Frage, ob die gemeinschaftliche Betätigung als Liebhaberei im Sinne der zit. VO zu beurteilen ist, auch zu prüfen, ob jeweils auch bei den einzelnen Gesellschaftern Liebhaberei in Sinne der zit. VO vorliegt. Durch die Übertragung der Kommanditanteile liegt ein abgeschlossener Beobachtungszeitraum vor, in welchem jedoch sämtliche Kommanditisten insgesamt einen Gesamtverlust erzielt haben. Es liegt daher Beteiligungsliebhaberei im Sinne der LiebhabereiVO vor. Im Zuge der Erlassung des endgültigen Bescheides waren daher die Anteile der Kommanditisten mit 0,-- festzusetzen."

Basierend auf dem Feststellungsbescheid erging am gegenüber dem Bf der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 gem § 295 Abs 1 BAO, der ua. Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von 314,50 Euro enthielt. Als Begründung führte das Finanzamt an, dass die Änderung auf Grund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg zu der Steuernummer ***Steuernummer KG*** vom erfolgte. Aus diesem Einkommensteuerbescheid resultierte eine Nachforderung von 26.288,00 Euro.

Dagegen richtete sich die elektronisch eingebrachte Beschwerde (gegen den Einkommensteuerbescheid als auch gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen) vom , in der die Bemessungsverjährung eingewendet wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Ungewissheit vom sei durch die Endgültigerklärung der vorläufigen Festsetzung per beseitigt worden. Da das jeweilig zuständige Finanzamt an die Mitteilung über die Feststellung gebunden sei, waren gem § 295 Abs 1 BAO die Einkünfte abzuändern.

Die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid wurde mit BVE vom als unbegründet abgewiesen. Die abweisende BVE betreffend die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid wurde nicht bekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

Im Vorlageantrag vom betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid erachtete der Bf die Begründung der Abweisung als nicht haltbar und verwies auf einen ergänzenden Schriftsatz, der die Berücksichtigung der Verjährungsbestimmungen bei den einzelnen Gesellschaftern hervorhebt: "Es ist festzuhalten, dass eine Verjährung auch bei der Erlassung vorläufiger Bescheide möglich und unseres Erachtens auch hier gegeben ist. Dies haben wir in unserer Beschwerde gegen den geänderten Bescheid über die Feststellung der Einkünfte des Jahres 2010 der Vermietung GmbH & Co KG zum Ausdruck gebracht.

Bei der Überlegung, ob im konkreten Fall Liebhaberei vorliegt, hat die Finanzbehörde das Vorliegen der Liebhaberei für die Gesellschaft als Ganzes verneint, für die einzelnen Gesellschafter jedoch bejaht. In das Ermittlungsverfahren waren die Gesellschafter selbst nicht eingebunden. So wurde für die Komplementärin die Annahme einer Einkommensquelle beibehalten, für die Kommanditisten jedoch verneint. Da die Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter aber nicht vorläufig erlassen wurden und die Berechnung pro Gesellschafter erfolgte, stellt sich unseres Erachtens schon die Frage, ob bei der Beurteilung der Verjährung nicht auch die persönlichen Verhältnisse heranzuziehen sind."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen sowie Rechtsprechung und Literatur zu §§ 93 und 200 BAO aus, dass der Feststellungsbescheid im Jahr 2011 vorläufig ergangen sei, da es der Abgabenbehörde im Jahr 2011 noch nicht möglich war, zu eruieren, ob über einen bestimmten Beobachtungszeitraum ein Gewinn oder ein Verlust bei den Gesellschaftern der ***Name GmbH 1*** vorliegen würde. Es habe daher eine Ungewissheit im Tatsachenbereich vorgelegen. Dass der Feststellungsbescheid ohne Begründung ergangen ist, hindere seine Bescheidqualität bzw den Eintritt der Rechtskraft nicht. Da gegen den vorläufigen Feststellungsbescheid kein Rechtsmittel erhoben wurde, sei dieser in Rechtskraft erwachsen.

Nach Beseitigung der Ungewissheit sei die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige zu ersetzen. Am wurde der vorläufige Bescheid durch einen endgültigen (Feststellungs-)bescheid ersetzt, da die Ungewissheit über den Umfang der Abgabenpflicht durch die festgestellten Verluste innerhalb des Beobachtungszeitraumes und die Beantwortung des Vorhaltes beseitigt worden sei. Da gemäß § 4 Abs 3 LiebhabereiVO bei Personengesellschaften auch bei den einzelnen Gesellschaftern zu prüfen sei, ob Liebhaberei vorliegt, sei festgestellt worden, dass sämtliche Kommanditisten in einem abgeschlossenen Beobachtungszeitraum insgesamt einen Gesamtverlust erzielten. Es sei daher Beteiligungsliebhaberei angenommen worden und die Anteile der Kommanditisten mit 0,00 Euro festgesetzt worden.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des VwGH beginne nach Auffassung des Finanzamtes auch in Konstellationen der nicht begründeten Vorläufigkeit (trotz Vorliegens der Ungewissheit) die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Bescheid erlassen wurde.

Der vorläufige Feststellungsbescheid sei am erlassen worden. Die Verjährungsfrist der abgeleiteten Bescheide beginne demnach mit Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Bescheid erlassen wurde, somit mit Ablauf des . Die Verjährungsfrist betrage gem § 207 Abs 2 BAO für […] für alle übrigen Abgaben fünf Jahre. Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjähre spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). Abweichend davon verjähre das Recht, eine gemäß § 200 Abs 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Somit betrage die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 5 Jahre. Es seien im Zeitraum 2012 bis 2016 keine Handlungen iSd § 209 BAO durch die Abgabenbehörde gesetzt worden, sodass die Verjährungsfrist am geendet habe. Die Abänderung des Einkommensteuerbescheides auf Grundlage des § 295 BAO sei demnach nicht zulässig gewesen, da Bemessungsverjährung eingetreten sei.

Das vorlegende Finanzamt ersuchte um Entscheidung des BFG.

Der Beschwerdeakt wurde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Das Finanzamt erstattete nach Vorlage des Beschwerdeaktes am eine Stellungnahme und erlaubte sich, auf das Erkenntnis des zu GZ 2009/15/0178 und in Zusammenhang damit auch auf Dziurdz, ÖStZ 2012, 354 hinzuweisen. In diesem Erkenntnis gehe der VwGH davon aus, dass auch bei Nichtnennung eines Vorläufigkeitsgrundes in der Bescheidbegründung dennoch eine tatsächlich bestehende Ungewissheit für den Beginn der Verjährungsfrist relevant ist. Die Ungewissheit über die Erzielung eines Gesamtgewinnes im Beobachtungszeitraum sei erst im Jahr 2017 weggefallen, sodass die Verjährungsfrist erst mit Ablauf dieses Jahres zu laufen begonnen habe. Aufgrund dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei daher davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid rechtskonform innerhalb der offenen Verjährungsfrist ergangen sei.

Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Beschwerde zum Stichtag der Gerichtsabteilung 3002 zugeteilt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf erzielte im beschwerdegegenständlichen Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurden insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb von - € 56.916,08 aus der damaligen ***KG Name alt*** (nunmehr *** KG Name neu***, FN ***Firmenbuch-Nr. 1***) berücksichtigt.

Der Bf war an dieser KG im beschwerdegegenständlichen Jahr 2010 mit einer Haftsumme von 19.000,00 Euro als Kommanditist beteiligt. Die Eintragung des Bf als Kommanditist in das Firmenbuch erfolgte mit Geschäftsfall 2 am ; zugleich wurde seine Funktion als unbeschränkt haftender Gesellschafter gelöscht (vgl historischer Firmenbuchauszug zu FN ***Firmenbuch-Nr. 1***).

Der "Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2010" betreffend die ***KG Name alt*** vom , mit welchem ob dem Bf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von - 57.230,58 Euro festgestellt wurden, erging gemäß § 200 Abs 1 BAO als vorläufiger Bescheid und erwuchs in Rechtskraft. Eine Begründung, insbesondere in Ansehung der einen Bestandteil des Spruches des Bescheides darstellenden Vorläufigkeit des Bescheides enthielt dieser Bescheid nicht.

Mit dem Geschäftsfall 17 wurde am die Rechtsnachfolge der ***GmbH Name 2*** (FN ***Firmenuch-Nr. 2***) unter anderem nach dem Bf ins Firmenbuch eingetragen. Dem Bf ist in den Jahren 1995 bis 2015 aus seiner Beteiligung an der damaligen ***KG Name alt*** (nunmehr *** KG Name neu***, FN ***Firmenbuch-Nr. 1***) ein Gesamtverlust zugewiesen worden.

Mit gemäß § 200 Abs 2 BAO endgültigem Bescheid vom erließ das Finanzamt betreffend die ***KG Name alt*** einen neuen "Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2010", mit welchem unter anderem dem Bf Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 0,00 Euro zugewiesen wurden. Auf Grundlage des endgültigen Feststellungsbescheids vom wurde am der Einkommensteuerbescheid 2010 vom gemäß § 295 Abs 1 BAO abgeändert. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit 314,50 Euro festgesetzt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde abgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Dieser oben dargelegte Sachverhalt ergibt sich aus den seitens der belangten Behörde vorgelegten Bescheiden und aus einer seitens des Bundesfinanzgerichtes vorgenommenen Firmenbuchabfrage und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob im Zeitpunkt der Erlassung des vorläufigen Bescheides über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für 2010 vom betreffend die ***KG Name alt*** (nunmehr *** KG Name neu***, FN ***Firmenbuch-Nr. 1***) eine Unsicherheit bestanden hat und ob daher der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom betreffend den Bf die eingetretene Verjährung entgegenstand.

Gem § 200 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiß, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiß ist. Die Abgabe kann auch dann vorläufig festgesetzt werden, wenn die Abgabepflicht oder der Umfang der Abgabepflicht auf Grund einer noch ausstehenden Entscheidung einer Rechtsfrage in einem bereits anhängigen Beschwerdeverfahren, welches die gleiche Partei (§ 78) betrifft, noch ungewiss ist. (Anm.: zweiter Satz wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2022 geändert). Die Ersetzung eines vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Fall der teilweisen Beseitigung der Ungewißheit zulässig.

(2) Wenn die Ungewissheit beseitigt oder das Rechtsmittel rechtskräftig entschieden ist, ist die vorläufige durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Ergibt sich aus der Beseitigung der Ungewissheit oder der rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsmittels kein Grund für eine Berichtigung der vorläufigen Festsetzung, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 14 Z 27, BGBl. I Nr. 108/2022)

(4) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für Bescheide, mit denen festgestellt wird, daß eine Veranlagung unterbleibt, oder die aussprechen, daß eine Abgabe nicht festgesetzt wird.

(5) Die Erlassung gemäß Abs. 2 endgültiger oder endgültig erklärender Bescheide obliegt der Abgabenbehörde, die für die Erlassung des vorläufigen Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so obliegt die Erlassung des endgültigen oder endgültig erklärenden Bescheides der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde.Gemäß § 207 Abs 1 und 2 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. (Anm.: Der Absatz 5 wurde durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 eingeführt.)

Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe (§ 207 Abs 2 BAO).

Gemäß § 208 Abs 1 lit d BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

Gemäß § 209 Abs 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (absolute Verjährung).

Mit dem Betrugsbekämpfungsgesetz 2010 (BBKG 2010) wurde in § 209 Abs 4 BAO neben der allgemeinen absoluten Verjährung eine verlängerte absolute Verjährungsfrist von 15 Jahren eingeführt. Demnach verjährt "abweichend von Abs. 3 das Recht, eine gemäß § 200 Abs 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches". Die Erläuterungen haben diese Ergänzung des Verjährungsrechts damit begründet, dass "im Interesse der Betrugsbekämpfung in Fällen lang dauernder Ungewissheiten eine Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist für den Fall erfolgen [soll], dass Bescheide gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen wurden" (ErlRV 875 BlgNR 24. GP 7). Dies gilt nach § 323 Abs 27 BAO erstmals für Abgaben, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 209 Rz 52).

Nach der Rechtsprechung des VwGH () gilt § 209 Abs 4 BAO nicht nur für den Ersatz des vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen Bescheid (somit für den Fall des § 200 Abs 2 BAO), sondern auch für auf andere Verfahrenstitel gestützte endgültige Festsetzungen (wie zB im Wege amtswegiger Wiederaufnahmen) (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 209 Rz 55; ).

Wurde ein vorläufiger Abgabenbescheid rechtskräftig erlassen, ist es für eine Anwendbarkeit des § 209 Abs 4 BAO auch unerheblich, ob tatsächlich eine Ungewissheit iSd § 200 Abs 1 BAO bestanden hat, da eine fehlende tatsächliche Ungewissheit einer Endgültigerklärung nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht entgegensteht (vgl Ellinger ua, BAO3 § 209 Anm 41 sowie § 200 Anm 16 unter Hinweis auf ; mwN).

Die absolute Verjährung legt allerdings lediglich die äußerste zeitliche Grenze für die Abgabenfestsetzung fest und begrenzt damit insbesondere die Möglichkeiten der Verlängerung der Verjährungsfristen des § 207 BAO (vgl Ellinger ua, BAO3 § 209 Anm 1).

Die (noch nicht eingetretene) fünfzehnjährige absolute Verjährung ermöglicht eine Abgabenfestsetzung aber nur dann, wenn die nach Maßgabe des § 208 BAO begonnene und gegebenenfalls nach § 209 Abs 1 BAO verlängerte Verjährungsfrist nicht früher geendet hat.

Die Anwendung des § 208 Abs 1 lit d BAO auf Fälle, in welchen keine tatsächliche Ungewissheit iSd § 200 BAO vorlag (oder diese im Bescheid nicht begründet wurde) wird in der Literatur teils unterschiedlich gelöst (vgl Althuber/Tanzer/Unger, BAO: Handbuch1 (2015) 375 f.). Der VwGH führte im Erkenntnis vom zu GZ 2008/15/0328 Folgendes aus: "Wird eine Abgabe gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, ist für die hier zu entscheidende Frage, wann die Verjährung nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginnt, von der Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 leg. cit. zur Zeit der Bescheiderlassung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass die Verjährung nach § 208 Abs. 1 lit. d leg. cit. keinesfalls vor der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides beginnen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0069)."

Im Erkenntnis bringt der VwGH zum Ausdruck, dass der Fristenlauf des § 208 Abs 1 lit d BAO nicht vor Ablauf des Jahres einsetzt, in welchem die Ungewissheit über die objektive Ertragsfähigkeit weggefallen ist. Damit stellt er auf das objektive Vorliegen einer Ungewissheit ab, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige und die Abgabenbehörde die Ungewissheit im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung kennen oder ermittelt haben (Dziurdz, ÖStZ 2012, 354). Damit steht für das Höchstgericht der Umstand des objektiven Bestehens der Ungewissheit sowie des Wegfalls derselben im Fokus (vgl dazu auch ), selbst wenn der vorläufige Bescheid keine Begründung aufweist (vgl auch ).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, stellt sich das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar. Vorläufige Bescheide werden erlassen, um einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegenstehen. Soweit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs 1 lit d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl mit Verweis auf ; vgl wiederum ).

Zwar unterliegt die Erlassung von Feststellungsbescheiden selbst grundsätzlich nicht der Festsetzungsverjährung des § 207 Abs 1 BAO (vgl etwa ), sodass § 207 BAO keine Grenze für deren Erlass bietet. Allerdings ist für den Beginn und damit den Lauf der Verjährungsfrist für das Einkommensteuerverfahren 2010 die oben beschriebene Durchschlagswirkung einer vorläufigen Feststellung durch § 208 Abs 1 lit d BAO zeitlich befristet, wonach die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

Wenn im gegenständlichen Fall tatsächlich keine Ungewissheit bestanden hat, beginnt die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2010 mit Ablauf des Jahres der Erlassung des vorläufigen Bescheides - somit mit Ablauf des Jahres 2011 - und würde - ohne Berücksichtigung von allfälligen Verlängerungshandlungen - mit Ablauf des Jahres 2016 enden. Die absolute Verjährungsfrist gem § 209 Abs 4 BAO endet 15 Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches am .

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO vorgelegen hat und gegebenenfalls, wann diese Ungewissheit beseitigt worden ist. Die belangte Behörde erblickte eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO darin, ob in Ansehung der seitens der ***KG Name alt*** (nunmehr *** KG Name neu***, FN ***Firmenbuch-Nr. 1***) erklärten Verluste eine betriebliche Tätigkeit oder eine Betätigung im Sinne der Liebhabereiverordnung vorliegt. Nach der elektronischen Finanzdokumentation des Finanzressorts beschäftigte sich die Abgabenbehörde bereits seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 1993 mit der Thematik der Ungewissheit. Dem Bf wurden seit seiner Stellung als Kommanditist im Jahr 1995 Verluste aus der Beteiligung bei der ***KG Name alt*** zugewiesen, die erst ab dem Veranlagungsjahr 2010 mit Feststellungsbescheiden vom (die endgültig ergingen) gekürzt wurden. Zusammenfassend wurden dem Bf ab seinem Eintritt in die ***KG Name alt*** als Kommanditist im Jahr 1995 (Gesamt-)Verluste zugewiesen.

Der belangten Behörde kann seitens des Bf nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn auf Grund der seitens des der ***KG Name alt*** erklärten (negativen) Einkünfte für die belangte Behörde eine Unsicherheit dahingehend bestanden hat, ob hinsichtlich der ***KG Name alt*** ein Gewerbebetrieb oder eine Betätigung im Rahmen einer Liebhaberei vorliegt.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufigen Bescheides über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für 2010 am bestand daher für die belangte Behörde eine Unsicherheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO dahingehend, ob hinsichtlich der ***KG Name alt*** ein Gewerbebetrieb oder eine Betätigung im Rahmen einer Liebhaberei vorliegt und erfolgte die vorläufige Erlassung dieses Feststellungsbescheides daher zu Recht.

Mit der im Firmenbuch hinsichtlich der ***KG Name alt*** unter dem Geschäftsfall 17 am eingetragenen Rechtsnachfolge der ***GmbH Name 2*** (FN ***Firmenuch-Nr. 2***) unter anderem nach dem Bf ist dieser aus der ***KG Name alt*** ausgeschieden. Mit diesem Zeitpunkt war klar, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers die Unsicherheit, ob hinsichtlich seiner Beteiligung an dieser ***KG Name alt*** eine wirtschaftliche Beteiligung oder Betätigung im Rahmen einer Liebhaberei vorliegt, beseitigt war. Die Verjährungsfrist begann mit dem Ablauf des Kalenderjahres nach dem Ausscheiden des Bf aus der ***KG Name alt*** zu laufen () und erfolgte die Erlassung des nunmehr beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheides 2010 vom daher innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 iVm § 208 Abs 1 lit d BAO.

Zu dem Vorbringen des Bf im Vorlageantrag dahingehend, dass bei der Überlegung, ob im konkreten Fall Liebhaberei vorliege, die Finanzbehörde das Vorliegen der Liebhaberei für die Gesellschaft als Ganzes verneint habe, für die einzelnen Gesellschafter jedoch bejaht hätte, ist auf die Bestimmung des § 4 Abs 3 Liebhabereiverordnung zu verweisen, wonach zusätzlich gesondert zu prüfen ist, ob jeweils beim einzelnen Gesellschafter (Mitglied) Liebhaberei vorliegt. Dabei sind auch besondere Vergütungen (Einnahmen) und Aufwendungen (Ausgaben) der einzelnen Gesellschafter (Mitglieder) zu berücksichtigen. Es ist daher ohne weiteres möglich, dass bei der Gesellschaft per se eine wirtschaftliche Betätigung, bei einzelnen Kommanditisten hingegen eine Betätigung im Sinne der Liebhabereiverordnung vorliegt.

Liegen - wie im vorliegenden Fall - bei der Komplementärin andere Beteiligungszeiträume vor (die Komplementärin ***GmbH Name 3*** (FN ***Firmenbuch-Nr. 3***) ist bereits mit Geschäftsfall 2 am ins Firmenbuch eingetragen worden und nach wie vor eingetragen) so führt schon dieser Umstand allein zu einer abweichenden Beurteilung - insbesondere deswegen, weil im Gegensatz zum Bf ein abgeschlossener Beobachtungszeitraum nicht vorliegt (zur Frage eines abgeschlossenen Beurteilungszeitraumes siehe auch ).

Zu dem Vorbringen des Bf im Vorlageantrag dahingehend, dass die Gesellschafter in das Ermittlungsverfahren selbst nicht eingebunden gewesen wären, ist festzuhalten, dass die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für 2010 vom und vom an den Bf als Vertreter gemäß § 81 BAO zugestellt worden sind. Nun war der Bf selbst über die Bescheidinhalte auf Grund Zustellung an ihn informiert und wäre es seine Aufgabe gewesen, die anderen Gesellschafter über die jeweiligen Bescheidinhalte (dafür ist auch die Bestimmung § 101 Abs 3 und Abs 4 BAO in den Feststellungsbescheiden herangezogen worden) zu informieren.

Zu dem Vorbringen des Bf im Vorlageantrag dahingehend, dass die Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter aber nicht vorläufig erlassen worden seien und die Berechnung pro Gesellschafter erfolgte, ist unter Verweis auf die oben dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festzuhalten, dass der gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufig erlassene Bescheid vom über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO betreffend die ***KG Name alt*** für 2010 auf den Einkommensteuerbescheid 2010 des Bf durchschlägt und das Regime des § 200 BAO auch für (abgeleitete) Einkommensteuerbescheide eröffnet. Wird - wie im vorliegenden Fall - der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für 2010 am gemäß § 200 Abs 2 BAO als endgültiger Bescheid erlassen, schlägt diese Neuerlassung des Feststellungsbescheides auf den Einkommensteuerbescheid 2010 des Bf durch. Der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2010 des Bf vom steht - wie oben ausgeführt - auch die Verjährungsbestimmung des § 207 BAO (iVm § 208 Abs 1 lit d und § 209 Abs 4 BAO) nicht entgegen und erfolgte die Bescheidänderung gemäß § 295 Abs 1 BAO daher zu Recht.

Abschließend wird ausgeführt, dass die ergänzende Stellungnahme des Finanzamtes vom die Darlegung einer Rechtsauffassung darstellt. Das Parteiengehör erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung nur auf sachverhaltsbezogene Umstände, nicht jedoch auf Rechtsansichten (; , 98/16/0265; , 2002/13/0003), weshalb diese Stellungnahme dem Bf seitens des Gerichts nicht übermittelt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen Fragen zum Zeitpunkt des Verjährungsbeginnes in Zusammenhang mit der Erlassung vorläufiger Bescheide liegt höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (; ), von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, weswegen die ordentliche Revision als nicht zulässig zu erklären war.

Der Umstand des Vorliegens objektiver Ungewissheit bzw des Wegfalls der objektiven Ungewissheit ist eine in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des Bundesfinanzgerichts, die der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht zugänglich ist. Da im gegenständlichen Fall im Übrigen die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG ebenfalls nicht vor (vgl ).

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103231.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103231.2019

Fundstelle(n):
VAAAF-44244