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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.12.2024, RV/7102528/2024

Gutachten als Basis für die Rückwirkung des Anspruches auf erhöhte Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe von 11/20218 bis 02/2023 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Abweisungsbescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am stellte die BF für ihren im Jahr 2010 geborenen an Autismus leidenden minderjährigen Sohn den Antrag auf rückwirkende Gewährung des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe ab 11/2018. Aufgrund der von der BF vorgelegten Unterlagen wurde mit Sachverständigengutachten vom der Grad der Behinderung des Sohnes mit 60% ab 02/2023 festgestellt. Das FA wies den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe mit Bescheid vom für den Zeitraum 11/2018-02/2023 ab und gewährte der BF den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab 03/2023.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde, in der sie ausführte sie habe sämtliche Bescheinigungen der angeborenen Krankheit ihres Kindes ins Deutsche übersetzt und eingereicht aus denen ersichtlich sei, dass die Krankheit angeboren sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das FA der BF hinsichtlich des Monats 02/2023 statt und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab.

Darauf beantragte die BF mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde an das BFG und bezog sich dabei auf weitere Unterlagen, die den Grad der Behinderung bestätigen sollten.

Mit ging die mit dieser Angelegenheit befasste Richterin in den Ruhestand, die Gerichtsabteilung ist seit dem unbesetzt.

In weiterer Folge übermittelte die BF am dem BFG nochmals jene Unterlagen, aus den Jahren 2016-2024 die den Autismus ihres Sohnes bereits vor 02/2023 belegen sollten. Mit Beschluss vom beauftragte der zur Vertretung berufene Richter die Behörde mit der Anforderung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Behinderung des Sohnes der BF aufgrund der nun vorliegenden und dem FA übermittelten Unterlagen für den Zeitraum ab 11/2018. Das am erstellte Gutachten, in dem ein Grad der Behinderung des Sohnes von 60 % ab 11/2018 bestätigt wurde, übermittelte das FAÖ dem BFG am .

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die BF bezieht Familienbeihilfe für ihren im Jahr 2010 geborenen minderjährigen Sohn, der an angeborenen Autismus leidet.

Mit Schreiben vom beantragte die BF die rückwirkende Zuerkennung des Erhöhungsbetrages für Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung.

Der Grad der Behinderung des Sohnes durch diesen frühkindlichen Autismus liegt seit 01/2014 bei 30 %, seit 08/2016 bei 60 %.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens sowie den im Verfahren vor dem BFG von der BF vorgelegten Unterlagen und insbesondere aus dem auf Basis dieser Unterlagen nach Anforderung des BFG erstellten neuen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Sozialministeriumsservice vom .

Eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit des vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachtens vom ist für das BFG nicht erkennbar und wird auch von der belangten Behörde nicht behauptet.

Vor diesem Hintergrund dürfte das BFG die obigen Sachverhaltsdarstellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das "erheblich behindert" ist, monatlich um die in den Z 1 bis 3 des § 8 Abs 4 in der jeweils geltenden Fassung genannten Beträge.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 "ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen."

Der Grad der Behinderung …, ist gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Da der betreffende Antrag der BF am gestellt wurde, beginnt der in § 10 Abs. 3 FLAG 1967 definierte Rückwirkungszeitraum mit November 2018 (vgl zum maßgeblichen Zeitraum zB auch mwH).

Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert ist, ist das BFG nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl ; ; ; Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke [ Hrsg ] , FLAG § 8 Rz 29 mwH).

Im Beschwerdefall ist der Grad der Behinderung des Sohnes der BF auf der Grundlage des nach Vorlage der Beschwerde an das BFG erstellten Sachverständigengutachtens vom durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bescheinigt.

Wie bereits oben dargestellt, ist eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit des dieser Bescheinigung zugrundeliegenden ärztlichen Sachverständigengutachtens vom für das BFG nicht erkennbar und wird auch von der belangten Behörde nicht behauptet.

Es sind auch keine anderen einem Anspruch der BF entgegenstehenden Gründe, etwa Anstaltspflege oder vorrangiger Familienbeihilfeanspruch durch einen Elternteil iSd § 2 Abs. 3 FLAG 1967, aus der Aktenlage ersichtlich.

Da die Familienbeihilfe gemäß § 12 FLAG 1967 nicht mit Bescheid zuzuerkennen ist, sondern vom Wohnsitzfinanzamt lediglich eine Mitteilung auszustellen ist, ist der angefochtene Abweisungsbescheid vor dem Hintergrund obiger Ausführungen aufzuheben (vgl ).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102528.2024

Fundstelle(n):
UAAAF-44198