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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2025, RV/7102624/2023

Hochrechnung und Kontrollrechnung von Einkünften, die während und nach Bezug von Notstandshilfe zugeflossen sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102624/2023-RS1
Die Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 betrifft nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges von Transferleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind zwar nicht auf einen Jahresbetrag umzurechnen, sind aber in die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz miteinzubeziehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) übermittelte dem Finanzamt am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021. Darin gab er eine gehaltsauszahlende Stelle an und beantragte Werbungskosten iHv 1.065,55 €. Der Erstbescheid wurde am erlassen, berücksichtigte die Werbungskosten in voller Höhe und beinhaltete auf Grund einer Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende Einkünfte. Es ergab sich eine Steuernachforderung iHv 351,- €.

Am nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2021 wieder auf und erließ zeitgleich einen neuen Sachbescheid. Dieser ergab wiederum eine Steuernachforderung iHv 351,- €. Begründend wurde ausgeführt, dass nachträgliche Informationen zu Lohnzettelangaben oder Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe hervorgekommen und nunmehr berücksichtigt worden seien.

Dagegen wurde fristgerecht am Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Bf. nicht verpflichtet sei, eine Veranlagung für das Jahr 2021 durchzuführen. Er beantrage die ersatzlose Aufhebung des Bescheides, sollte es im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung zu einer Nachforderung kommen. Darüberhinaus ersuche er um Prüfung, ob die Einkünfte der ***AG 1*** tatsächlich in die Arbeitnehmerveranlagung einzubeziehen seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, dass seitens der ***AG 1*** ein Lohnzettel übermittelt worden sei und der Zufluss von Einnahmen iSd § 19 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 in jenem Jahr zu erfolgen habe, in dem der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen könne.

Mit Schreiben vom brachte der Bf. einen Vorlageantrag ein. Er beantragte erneut, den Lohnzettel der ***AG 1*** nicht zu berücksichtigen, da er ansonsten sämtliches erhaltenes Arbeitslosengeld mit 42% zu versteuern und zusätzlich noch eine Steuernachzahlung zu leisten hätte. Der Bf. verwies weiters nochmals auf die Tatsache, dass im gegenständlichen Fall kein Pflichtveranlagungstatbestand vorliege. Er habe zu keinem Zeitpunkt im Jahr 2021 gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen.

Das Finanzamt legte den Fall samt Verwaltungsakt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom forderte die zuständige Richterin vom Finanzamt weitere Unterlagen iZm der durchgeführten Hochrechnung und Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes als Vergleichsgrundlage zur angewandten Kontrollrechnung an. Es wurde auch um Stellungnahme ersucht, warum nach Ansicht des Finanzamtes eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 gegeben sein solle.

Am übermittelte das Finanzamt die gewünschten Unterlagen und gab bekannt, dass kein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Finanzamt wurden für den Bf. im Jahr 2021 zwei Lohnzettel über Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gemeldet:

A. ***AG 1***, bis

  • steuerpflichtige Bezüge: 12.622,69 €, anrechenbare Lohnsteuer: 5.233,35 €

B. ***AG 2***, bis

  • steuerpflichtige Bezüge: 19.781,67 €, anrechenbare Lohnsteuer: 6.311,87 €

Weiters erhielt der Bf. für nachstehende Zeiträume vom AMS Notstandshilfe ausbezahlt:


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Notstandshilfe für 154 Tage ( - )
8.694,84 €
Notstandshilfe für 101 Tage ( - )
5.702,46 €
Insgesamt (255 Tage)
14.397,30 €

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und ist unstrittig. Die übermittelten Lohnzettel und AMS-Daten wurden eingesehen. Der Bf. legte zusätzlich noch den Überweisungsbeleg vom und die vertragliche Grundlage für die Zahlung der ***AG 1*** vor.

In Beantwortung des Beschlusses vom hat das Finanzamt seine Berechnungsgrundlagen der dem Bescheid vom zugrundeliegenden Hoch-/Kontrollrechnung vorgelegt. Aus diesem ist ersichtlich, dass die Einkünfte beider übermittelter Lohnzettel nach Abzug der beantragten Werbungskosten, sohin insgesamt 31.338,81 €, hochgerechnet wurden.

Dem Vorlageantrag des Bf. ist zu entnehmen, dass er im Fall einer Neuberechnung, eine Auszahlung einer sich ergebenden Gutschrift beantragt, andernfalls um ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2021 aufgrund fehlender Pflichtveranlagung ersucht. Dies wird entsprechend gewürdigt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.1.1. Pflichtveranlagung

Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 der Steuerpflichtige u.a. dann zu veranlagen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

Lohnsteuerpflichtige Einkünfte liegen vor, wenn es sich der Art nach um Einkünfte handelt, von denen grundsätzlich ein Lohnsteuerabzug vorzunehmen ist. Nicht entscheidend ist, ob im Einzelfall tatsächlich Lohnsteuer einbehalten wurde (vgl. Jakom/Baldauf, EStG 2015, § 41 Rz 3 und die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine Pflichtveranlagung hat daher zu erfolgen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Bezüge ausbezahlt wurden. Zweck der Veranlagung ist die gemeinsame Erfassung der Bezüge aus sämtlichen Dienstverhältnissen, da die Anwendung des Einkommensteuertarifs auf die Gesamtbezüge in der Regel eine höhere Einkommensteuerschuld zur Folge hat als bei einem getrennten Lohnsteuerabzug.

Der Bf. erhielt im Zeitraum vom und dann erst wieder vom - Bezüge von den eingangs angeführten Arbeitgebern. Es kam daher im Kalenderjahr 2021 nicht zu einer Überschneidung zweier Einkünfte aus Dienstverhältnissen. Der Pflichtveranlagungs-tatbestand des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 wurde somit nicht verwirklicht. Dies hat auch das Finanzamt mit Schreiben vom bestätigt. Liegt kein Pflichtveranlagungsgrund vor, kann die Arbeitnehmerveranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen zurückgezogen werden.

3.1.2. Steuerliche Behandlung von Transferleistungen (Notstandshilfe)

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 lautet:

"Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Finanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muss. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen."

Bestimmte steuerfreie Bezüge - wie etwa Transferzahlungen (versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe) - lösen bei Durchführung der (Arbeitnehmer-) Veranlagung im Sinne des § 41 Abs. 1 oder 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung (Hochrechnung auf einen Jahresbetrag) aus.

Hochzurechnen sind dabei u.a. die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988).

Die Hochrechnung betrifft daher nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der oben angeführten Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind daher nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Ebenso sind ganzjährig bezogene Pensionen sowie ganzjährig bezogene geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen (; , 2006/15/0084; ; , RV/7102227/2016; , RV/7100500/2017; , RV/6100112/2014).

Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (Arbeitnehmer-) Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) bezieht, neutralisiert wird.

Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und während der Transferleistung bezogene Einkünfte sind erst beim Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte zu berücksichtigen (vgl dazu wieder ). Aus dieser Grundlage sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung ist dann auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen anzuwenden. Die sich ergebende Steuer ist jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend ist jeweils die niedrigere Steuerbelastung.

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt nicht nur die Bezüge des Arbeitgebers ***AG 2***, die zweifelsohne außerhalb des Bezugs der Transferleistungen und somit "im restlichen Kalenderjahr" erzielt wurden, sondern auch die Bezüge der ***AG 1***, die während des Zeitraumes der Transferleistungen ergangen sind, in die Hochrechnung miteinbezogen. Damit hat das Finanzamt die Rechtslage verkannt. Die Bezüge der ***AG 1***, die dem Bf. im Jahr 2021 ebenfalls zugeflossen sind, sind erst bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz (Gesamtbetrag) wieder zu berücksichtigen.

Entsprechend der rechtlichen Ausführungen waren daher für das beschwerdegegenständliche Veranlagungsjahr 2021 nachstehende Berechnungen (Hoch-/Umrechnung ohne Bezüge der ***AG 1*** und Kontrollrechnung) anzustellen:

Aus der Gegenüberstellung der beiden Berechnungsmethoden ergibt sich, dass die Hochrechnung und damit zusammenhängend die Besteuerung der tatsächlich erzielten Einkünfte mit dem errechneten Durchschnittssteuersatz zu einem für den Bf. günstigeren Ergebnis führen.

In Anrechnung der bereits durch Steuerabzug einbehaltenen, auf die nunmehr veranlagten Einkünfte entfallenden Lohnsteuer iHv 11.545,22 € (vgl. § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) ergibt sich, nach Anwendung der Rundungsbestimmung, eine Gutschrift iHv 987,- €.

Der Bf. hat in der Beschwerde/Vorlageantrag die Überprüfung der Berechnungsgrundlagen des Bescheides beantragt und im Fall einer sich ergebenden Gutschrift bei Neuberechnung um Auszahlung des Betrages ersucht. Entsprechend der vorliegenden Berechnung war der Beschwerde daher stattzugeben und der Bescheid abzuändern.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Streitfrage lässt sich einerseits in klarer Weise aus dem Gesetz ableiten und beruht andererseits auf Sachverhaltsfragen, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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