Keine Zwangsläufigkeit von Rechtsanwaltskosten im Sorgerechtsverfahren bei tatsächlichen Problemen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch TAXCOACH Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH & Co KG, Muthgasse 109, 1190 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Aufgrund seiner Einkommensteuererklärung wurde der BF mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2022 veranlagt. Gegen den genannten Bescheid erhob der BF durch seinen ausgewiesenen steuerlichen Vertreter mit fristgerecht Beschwerde und wurde darin die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten betreffend einen Sorgerechtsstreit als sonstige außergewöhnlicher Belastungen (mit Selbstbehalt) in Höhe von € 21.556,61 geltend gemacht.
Nach fristgerecht erfülltem Mängelbehebungsauftrag vom wurde der BF mit Ergänzungsersuchen vom und unter Vorhalt der Ausführungen der VwGH Judikatur ersucht zu den gegenständlichen Prozesskosten Stellung zu nehmen und Urkunden vorzulegen.
Dazu äußerte sich der BF unter Vorlage der Verhandlungsprotokolle inkl. Schriftverkehr mit der Gegenseite vor dem Zivilgericht warum eine anwaltliche Vertretung dringend notwendig gewesen sei (Blockadehaltung der Kindesmutter bzw. Untergrabung der Kontaktzeiten mit dem gemeinsamen Kind, Vertretung der Mutter von einer renommierten Kanzlei im Familienrecht, polizeiliches Betretungsverbot und in der Folge eine Einstweilige Verfügung mit April 2022 gegen den BF, womit die Kontaktaufnahme mit ihr untersagt werden solle)
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH als unbegründet ab, da die mit einem Sorgerechtsstreit verbundenen Rechtsanwaltskosten mangels Anwaltspflicht grundsätzlich nicht zwangsläufig seien.
Darauf beantragte der BF fristgerecht mit die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 beantragte der BF die im Jahr 2022 verausgabten Rechtsanwaltskosten für das Obsorgeverfahren iHv € 21.556,61 als außergewöhnliche Belastung. Diese Kosten betrafen die anwaltliche Vertretung des BF im Außerstreitverfahren betreffend "Obsorge, Kontaktrecht, Verfahren wg. einstweiliger Verfügung, etc."
Der minderjährige Sohn entstammt der Beziehung des BF mit seiner damaligen Lebensgefährtin. Die Kindeseltern trennten sich im April 2022. Die Kindesmutter beantragte im April 2022 ein polizeiliches Betretungsverbot für den BF und erwirkte eine einstweilige Verfügung, nach welcher dem BF die Kontaktaufnahme mit Mutter insbesondere auch in dessen eigene Wohnung untersagt werden sollte. Dagegen setzte sich der BF mit anwaltlicher Hilfe zur Wehr.
Die alleinige Obsorge für das Kind kam im Jahr 2022 der Mutter zu, der BF hatte regelmäßige wöchentliche Kontakte mit dem Kind. Der BF beantragte im Mai 2022 die Regelung der Obsorge beider Eltern unter Festlegung des hauptsächlichen Aufenthaltes des Kindes bei ihm. Es wurde vom BF auch eine Kontaktrechtsregelung begehrt, wogegen sich die Kindesmutter aussprach und die Beibehaltung der alleinigen Obsorge für den Sohn begehrte. Weitere Gerichtsterminen betrafen die Festlegung von Regelungen für Wochenenden und die Ferien.
In weiterer Folge war von 2022 bis 2024 eine direkte Kommunikation des BF mit der Kindesmutter nicht möglich, weder hinsichtlich der Obsorge, noch hinsichtlich der Vereinbarung eines Kontaktrechtes. Mehrfache Versuche im Rahmen einer Mediation oder durch Elternberatung eine produktive Kommunikation herzustellen scheiterten, Lösungen waren nur über gerichtliche Intervention möglich, wie dies beispielsweise auch die Vereinbarung der Kontaktregelung zu Weihnachten 2023 belegt, wonach die Kindesmutter einer jährlich alternierenden Regelung hinsichtlich Weihnachten und Silvester nicht zustimmte und dies durch das Gericht festgesetzt werden musste und gegen diesen Beschluss von der Mutter auch Rekurs erhoben wurde. Das Rekursgericht appellierte nach ausführlicher Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes an beide Elternteile im Sinne des Kindeswohls eine Einigung vor dem Pflegschaftsgericht zu finden. Zudem findet sich in dieser Rekursentscheidung vom ein nachdrücklicher Appell an den BF und die Kindesmutter an der Verbesserung des Gesprächsklimas zu arbeiten und das Hauptaugenmerk im Verfahren nicht darauf zu richten nachzuweisen, was der andere Elternteil schlecht mache, sondern wieder zu einem elterlichen verantwortungsvollen Verhalten zu kommen und in der gezeigten Bereitschaft selbst Regelungen zu finden fortzufahren.
Im Jahr 2022 lag keine dem BF aufgezwungene Prozessführung vor, die die anwaltliche Vertretung zwingend notwendig machte. Beide Elternteile versuchen aktiv ihren Standpunkten vor Gericht mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln zum Durchbruch zu verhelfen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten, insbesondere aus den Darstellungen der Rechtsvertreterin des BF im Obsorgeverfahren und der vorgelegten Entscheidungen des Pflegschaftsgerichtes, sowie der Rekursentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen in Wien vom .
Aus den vorgelegten Entscheidungen des Pflegschaftsgerichtes ergeben sich verhärtete Standpunkte der beiden Eltern, wobei die Kindesmutter offenkundig mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln versuchte, den Kontakt des gemeinsamen Sohnes zum BF zu erschweren. Ergibt sich aus den vorgelegten erstinstanzlichen Entscheidungen und auch aus den Darstellungen der Rechtsvertreterin des BF der Eindruck, dass vorrangig die Kindesmutter versucht hat Kontakte des BF zu seinem Sohn zu erschweren, so ergibt sich für das BFG jedoch schlüssig aus der Rekursentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien vom , dass sowohl die Kindesmutter als auch der BF mit Nachdruck versuchten die Position der anderen Verfahrenspartei zu schwächen, deren Leistungen zu schmälern und die Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil einzuschränken und mit den eigenen Anträgen vor Gericht zu obsiegen. Eine dem BF aufgezwungene Prozessführung hat bei dieser Ausgangslage keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für sich, mögen auch einzelne Verfahrensschritte (nachvollziehbare) Reaktionen auf das Vorgehen der Kindesmutter darstellen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen, und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Wie die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung ausführt, entspricht es der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 erwachsen; eine allgemeine Regel lässt sich allerdings bei aufgezwungener Prozessführung nicht aufstellen. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wird stets dann verneint, wenn die Prozessführung auf Tatsachen zurückzuführen ist, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst (vgl. , mwN).
Ausgangspunkt für die Sorgerechtsstreitigkeiten im gegenständlichen Fall war der Antrag des BF im Mai 2022 auf gemeinsame Obsorge beider Eltern und Festlegung des hauptsächlichen Aufenthaltes des Kindes bei ihm. Prozesskosten aus diesem Grund stellen die Folge eines Verhaltens dar, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Sie erwachsen somit grundsätzlich nicht zwangsläufig im Sinne der oben dargestellten Ausführungen des VwGH.
Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist die Anrufung des Gerichts im Sorgerechtsstreit im Allgemeinen also nicht zwangsläufig. Kommt allerdings eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, ist es - auch zur Wahrung des Wohls des Kindes - erforderlich, eine Regelung durch das Gericht herbeizuführen. Erweist sich dabei der vom jeweiligen Elternteil eingenommene Standpunkt zumindest zum Teil als berechtigt, kann je nach Lage des Falles eine "aufgezwungene" Prozessführung vorliegen (vgl. , VwSlg. 8846/F, VwGH 2018/13/0002, ).
Doch auch diese Überlegung, die im gegenständlichen Fall im Ergebnis für eine aufgezwungene Prozessführung sprechen könnten, können dem Rechtsstandpunkt des BF nicht zum Durchbruch verhelfen.
Nach § 107 Abs. 1 Z 1 Außerstreitgesetz können sich die Parteien im Verfahren über die persönlichen Kontakte nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Damit wird aber nur eine relative Anwaltspflicht vorgesehen; den Eltern steht es auch frei, sich nicht vertreten zu lassen und ihre Interessen selbst wahr zu nehmen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 15/2013, 2004 BlgNR 24. GP 38).
Die damit verbundenen (auch außergerichtlichen) Rechtsanwaltskosten sind daher - mangels Anwaltspflicht - nicht grundsätzlich zwangsläufig, sondern nur, wenn besondere Gründe vorliegen würden. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich und wurden vom BF auch nicht dargetan. Vom BF wurden keine komplexen rechtlichen Bestimmungen, wie zB. Anwendung ausländisches Familienrecht oder andere rechtlich komplexe Rechtsfragen im Zusammenhang mit Obsorgeverfahren vorgebracht. Lediglich der Einwand, der BF wäre dazu "gezwungen" sich einer anwaltlichen Vertretung zu bedienen, um "Waffengleichheit" herzustellen, da die anwaltliche Vertretung der Mutter ist für die Geltendmachung einer außergewöhnlichen Belastung infolge einer "aufgezwungenen Prozessführung" mit notwendiger Einschaltung eines Anwalts nicht ausreichend, wenn Gegenstand des Verfahrens die Festlegung von Besuchszeiten an Wochenenden und zu Ferienzeiten ist.
Die Schilderungen der Schwierigkeiten bezüglich Obsorge und Vereinbarung des Kontaktrechts mit dem gemeinsamen Kind sowie der diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten mit seiner Ex-Partnerin sind Sachverhaltsschilderungen, die den Tatsachenbereich betreffen. Deren Vorbringen bedarf im Pflegschaftsverfahren keines rechtlichen Beistandes. Wie sich aus den Unterlagen zum Verfahrensverlauf ableiten lässt, ist auch das Kontaktrecht nicht grundsätzlich strittig; strittig ist vielmehr nur die konkrete Bewerkstelligung des Kontaktrecht zu bestimmten Zeiten (Ferien, Weihnachten) sowie die allgemeine sehr schwierige Kommunikationsbasis zwischen den Eltern. Tatsachen - insbesondere jene, welche den Beschlüssen vor dem Pflegschaftsgericht zu entnehmen sind - stellen keine besonderen Umstände dar, die eine anwaltliche Hilfe erforderlich machen. Insbesondere sind Obsorgestreitigkeiten nach einer Trennung nicht außergewöhnlich und münden aufgrund der dahinterliegenden Emotionalität sowie des beharrlichen Willens der Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunktes der einzelnen Parteien oft in einem langandauernden Verfahren. Es liegen daher keine besonderen rechtlichen Umstände vor, die eine anwaltliche Vertretung erforderlich gemacht haben (vgl. auch ).
Damit ist die Zwangsläufigkeit der angefallenen Rechtsanwaltskosten im Sinne der Judikatur des VwGH nicht gegeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage der Zwangsläufigkeit der Betrauung eines Rechtsvertreters in einem Sorgerechtsstreit ist eine Frage, die im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung zu beurteilen ist und damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist nicht revisibel (, mwN).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | VwGH, 2018/13/0002 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102857.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102857.2024
Fundstelle(n):
YAAAF-43981