Keine Altlastenbeitragspflicht, wenn die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 1 Z 1 AWG festgestellt hat, dass es sich um keinen Abfall handelt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zahl ***Gz***, betreffend Festsetzung von Altlastenbeiträgen für Zeitraum 2. Quartal 2017 bis 1. Quartal 2021 und Säumniszuschlägen, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zahl: ***Gz2***, wurde der ***Bf1*** die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes für den Abbau von Kies und Sand (Nassbaggerung) erteilt.
Am schlossen die Beschwerdeführerin und die ***Fa2*** einen Vertrag über den Abbau von Kiesmaterial auf dem ***Gst.Nr.***, ***KG***. Der ***Fa2*** wurde das Recht eingeräumt, nach Maßgabe des oben genannten Bescheides, auf einem im Vertrag näher bestimmten Teil der ***Gst.Nr.***, ***KG***, Kiesmaterial abzubauen.
Am stellte die ***Bf1*** den Antrag, der Landeshauptmann von Vorarlberg wolle gemäß § 6 Abs. 1 AWG 2002 feststellen, dass der beim Kies- und Sandabbau mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde auf ***Gst.Nr.***, ***KG***, sowie der bei der Aufbereitung des gewonnenen Materials anfallende Waschschlamm, welcher im Zuge der Wiederverfüllung im Abtragungsgebiet wieder eingebaut wurde, kein Abfall gemäß § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sei.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , ***Gz3***, wurde gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 und § 2 Abs. 5 AWG 2002 festgestellt, dass es sich nach Maßgabe des im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zl. ***Gz2***, und dem Vertrag zwischen der ***Bf1*** und der Firma ***Fa2*** vom festgestellten Sachverhaltes, bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm um Abfall (SN 31625) im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handle. Gegen diesen Bescheid des Vorarlberger Landeshauptmannes hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben und beantragte parallel dazu den Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 10 Abs. 1 AlSAG bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch.
Mit Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zahl ***Gz***, wurde der ***Bf1*** für den Standort "Geländemulde auf der Liegenschaft ***Gst.Nr.***" gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO Altlastenbeiträge für Kieswaschschlamm für die Zeiträume 2. Quartal 2017, 1. - 4. Quartal 2018, 1.- 4. Quartal 2019, 1. - 4. Quartal 2020 und für das 1. Quartal 2021 insgesamt in einer Höhe von € 60.948,16 sowie Säumniszuschläge insgesamt in einer Höhe von € 1.218,96 vorgeschrieben.
In seiner Begründung führte das Zollamt an, dass gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erde dem Altlastenbeitrag unterliege. Den Feststellungen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung folgend bestehe auch nach Ansicht des Zollamtes Österreich bereits das Hauptmotiv der ***Fa2*** für die Weitergabe des Schlammes an die ***Bf1*** eindeutig darin, sich seiner zu entledigen und diese Entledigung sei durch den Einbau des Schlammes auch faktisch erfolgt. Der subjektive Abfallbegriff sei in Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Kieswaschschlamm auch nach Ansicht des Zollamtes eindeutig erfüllt. Da auch keine Ausnahmetatbestände des § 3 AWG erfüllt seien, sei der gegenständliche Schlamm somit eindeutig als Abfall zu qualifizieren.
Gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich brachte die ***Bf1*** am fristgerecht Beschwerde ein. In dieser beantragte die Beschwerdeführerin den Bescheid ersatzlos aufzuheben oder in eventu aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Durch die Beschwerdeführerin geltend gemacht wurden die Rechtsmittelgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie der unrichtigen bzw. unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes. Die belangte Behörde habe u.a. ermitteln können, dass die Schlämme immer und von vornherein als Rekultivierungsmaterial im Kiesabbau eingesetzt werden hätten sollen. Es habe deshalb nie eine Entledigungsabsicht bestanden, stattdessen finde ein geschlossener Kreislauf statt. Der Waschschlamm sei weder im subjektiven als auch im objektiven Sinn je Abfall gewesen.
Am erging durch das Zollamt Österreich eine Beschwerdevorentscheidung durch die die eingebrachte Beschwerde der ***Bf1*** als unbegründet abgewiesen wurde. Die Behörde führte darin u.a. aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) eine Sache aber bereits dann als Abfall zu qualifizieren sei, wenn bei irgendeinem ihrer Vorbesitzer - im gegenständlichen Fall bei der ***Fa2*** - eine Entledigungsabsicht bestanden habe. Der subjektive Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG sei mithin erfüllt. Schließlich gelangte die belangte Behörde zum Schluss, dass die Einbringung des Kieswaschschlammes der Altlastenbeitragspflicht unterliege.
Am stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 BAO (Vorlageantrag). In Erwiderung der Ausführungen des Zollamtes brachte die Beschwerdeführerin u.a. wie folgt vor: Nach Lehre und Rechtsprechung sei eine Entledigungsabsicht nicht anzunehmen, wenn bereits im Vorfeld die zulässige Verwendung des Materials - wie im gegenständlichen Fall - intendiert und gesichert sei. Auch kein Abfall im objektivem Sinn nach § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG liege vor. Beim gegenständlichen Waschschlamm handle es sich entgegen um Altstoff iSd § 2 Abs. 4 Z. 1 AWG. Außerdem würde selbst dann, wenn es sich bei dem Waschlamm um Abfall handle, der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z. 1 AlSAG greifen.
Mit Erkenntnis vom stellte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in Erledigung der Beschwerde der ***Bf1*** gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom betreffend eine Feststellung der Abfalleigenschaft nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) fest, dass besagter Beschwerde Folge gegeben wird und der Spruch des angefochtenen Feststellungsbescheides dahingehend abgeändert wird, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handelt.
Gegen dieses Erkenntnis hat die belangte Behörde Amtsrevision an den VwGH erhoben. Mit Erkenntnis vom , Zl Ro 2023/07/0001-6, gab der Verwaltungsgerichtshof der Amtsrevision Folge und hob das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Im fortgesetzten Verfahren stellte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg wiederholt fest, dass der Beschwerde der ***Bf1*** Folge gegeben werde und der Spruch des angefochtenen Feststellungsbescheides dahingehend abgeändert wird, "dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf ***Gst.Nr.***, ***KG***, verwendet wird, nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handelt."
In Folge des Parteiengehörs teilte das Zollamt mit Stellungnahme vom dem Bundesfinanzgericht mit, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ein Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG auch die das AlSAG vollziehende Behörde binde und der dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom zugrundeliegende Feststellungsbescheid in geänderter Form daher auch im Zuge des vorliegend zu beurteilenden Beschwerdeverfahrens zu beachten sein werde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der ***EZ***, ***KG***, zu der auch die ***Gst.Nr.*** gehört. Der ***Fa2*** wurde das Recht eingeräumt nach Maßgabe des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zl. ***Gz2***, auf einem im Vertrag näher bestimmten Teil der ***Gst.Nr.***, ***KG***, Kiesmaterial abzubauen. Dieser Vertrag wurde anhand einer gemeinsamen Erklärung vom verlängert
Die ***Fa2***, ***Fa2 Ort*** betreibt auf der Liegenschaft ***Gst.Nr.***, ***KG***, einen Kies- und Sandabbau. Dieser wurde der ***Fa2*** von der ***Bf1*** verpachtet. Die Aufbereitungsanlage wird von der ***Fa2*** betrieben. Die Wiederverfüllung der durch den Kies- und Sandabbau entstandenen Geländemulde mit Aushubmaterial oder sonstigen genehmigten Material erfolgt durch die ***Bf1*** selbst. Die ***Fa2*** ist berechtigt, den aufgrund der Aufbereitung entstandenen Waschschlamm in die entstehende Geländemulde rückzuführen Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , Zl. LVwG-401-1/2021-RI8, wurde im Instanzenzug festgestellt, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handelt.
2. Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten und den in dieser Rechtssache ergangenen Sachentscheidungen, v.a. dem zuletzt ergangenen LVwG - Erkenntnis des LVwG Vorarlberg vom , Zl. LVwG-401-1/2021-RI8.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 2 Abs. 4 ALSAG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle gemäß § 2 Abs.1 bis 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002).
In § 3 ALSAG wird festgelegt für welche Tätigkeiten Altlastenbeiträge zu entrichten sind und ebenso festgestellt welche Tätigkeiten in Bezug auf Abfälle von der Beitragspflicht ausgenommen sind.
Gemäß § 3 Abs. 1a Z. 1 ALSAG sind von der Beitragspflicht dieses Gesetzes ausgenommen Berge (taubes Gestein) und Abraummaterial, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern und Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen, soweit diese Tätigkeit dem Mineralrohstoffgesetz BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegt; Schlämme und flüssige Rückstände, die bei der Rohstoffgewinnung gemäß Mineralrohstoffgesetz anfallen und wieder in die ursprünglichen Lagerstätten zurückgeführt werden.
§ 2 AWG 2002 determiniert in den Absätzen 1 bis 3 was Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind.
Nach § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 sind Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen (bergbauliche Abfälle) keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes, sofern diese Tätigkeiten dem Mineralrohstoffgesetz BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen und diese Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebes verwendet oder abgelagert werden; keine bergbaulichen Abfälle sind Abfälle, die nicht direkt auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind.
Somit fallen "Abfälle" welche die Voraussetzungen der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 3 AWG 2002 erfüllen aus dem Geltungsbereich des AWG 2002 und stellen keinen Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes dar.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 hat der Landeshauptmann von Amts wegen oder auf Antrag bei Bestehen begründeter Zweifel mit Bescheid festzustellen, ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ; u.a.) bindet ein Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG auch die das AlSAG vollziehende Behörde.
In dieser streitgegenständlichen Rechtssache stellte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg rechtskräftig mit Erkenntnis vom fest, "dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf ***Gst.Nr.***, ***KG***, verwendet wird, nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handelt."
Der streitgegenständliche Waschschlamm fällt somit nach dem LVwG Vorarlberg - da alle Voraussetzungen der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 erfüllt werden - aus dem Geltungsbereich des AWG 2002 und stellt daher gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 Z. 3 AWG 2002 keinen Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes dar. Gemäß § 2 Abs. 4 ALSAG liegt somit jedoch auch kein Abfall im Sinne des ALSAG vor.
Deshalb und insbesondere aufgrund der durch den VwGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Bejahung einer Bindungswirkung von Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG war der angefochtene Bescheid aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen kann, ist die (ordentliche) Revision als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 2 Abs. 4 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 § 3 Abs. 1a Z 1 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200007.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200007.2022
Fundstelle(n):
IAAAF-43969