TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2025, RV/5100614/2023

Ein Übergangsgewinn ist der Veräußerung/Aufgabe des Betriebes zeitlich unmittelbar vorgelagert und daher auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe zu ermitteln.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Gattringer Steuerberatung GmbH, Sonnensteinstraße 12, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In der am elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung 2021 wurde ua die "Kapitalabfindung der Pensionszusage" als Aufgabegewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 erklärt und ein Freibetrag gemäß § 24 Abs. 4 EStG 1988 in Abzug gebracht.

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2021 festgesetzt. Der Freibetrag gemäß § 24 Abs. 4 EStG 1988 wurde nicht berücksichtigt, da nach Ansicht des Finanzamtes kein Aufgabegewinn, sondern ein Übergangsgewinn in Bezug auf die Kapitalabfindung vorliegt.

Am wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde eingebracht, begründet wurde die Beschwerde im Wesentlichen mit dem Verweis auf das BFG-Erkenntnis , RV/6100407/2016. Beantragt wurde die Berücksichtigung des Freibetrages in voller Höhe, da nach Ansicht der Beschwerdeführerin (Bf.) die Abfindung der Pensionszusage einen Aufgabegewinn darstelle.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, dass die Pensionszusage als Forderung gegenüber der Gesellschaft infolge Ausscheidens durch die beendete Liquidation entstanden sei. Diese Forderung sei infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 3 EStG 1988 zu § 4 Abs. 1 EStG 1988 im Rahmen des Übergangsgewinnes zu berücksichtigen. Der Freibetrag gemäß § 24 Abs. 4 EStG 1988 stehe nicht für Übergangsgewinne sondern nur für Veräußerungs- oder Aufgabegewinne zu.

Mit wurde fristgerecht ein Vorlageantrag gemäß § 264 BAO eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen erneut auf das BFG-Erkenntnis , RV/6100407/2016 verwiesen, wonach die Abfindung an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer zum Aufgabegewinn zähle. Folglich stehe auch der Freibetrag gemäß § 24 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 7.300 € zu, da es sich um keinen Übergangsgewinn gemäß § 4 Abs. 10 EStG 1988, sondern um einen laufenden Zufluss in die Sphäre der Gesellschafter-Geschäftsführerin handle.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. war als selbständige Gesellschafter-Geschäftsführerin der ***XY GmbH*** tätig und hat aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 EStG 1988 bezogen. Aufgrund der COVID-19 Pandemie ist das Reisegeschäft massiv zurückgegangen, weshalb die Gesellschaft ihre Tätigkeit eingestellt hat und die Auflösung der Gesellschaft am beschlossen wurde. Die Liquidationsschlussbilanz der Gesellschaft wurde zum ausgestellt, da hier die wesentlichen Abwicklungstätigkeiten beendet waren. Mit selbigem Datum () fand die Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit der Geschäftsführungstätigkeit statt.

Mit Wirkung ab wurde zwischen der Bf. und der ***XY GmbH*** eine Pensionszusage vereinbart. Im Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft nach dem 65. Lebensjahr wird eine lebenslange Rente gewährt, im Fall des früheren Ausscheidens wird lediglich das Kapital aus dem Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung verrentet.

§ 7 der Pensionszusage lautet:

Leistungen bei vorzeitigem Ausscheiden: Wenn Sie vor Erreichen des 65. Lebensjahres aus der Gesellschaft ausscheiden, erhalten Sie keine lebenslängliche Firmen-Alterspension. Für Ihre bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen wird Ihnen das Kapital, das sich aus dem Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung zum letzten Bilanzstichtag vor Ausscheiden errechnet, verrentet.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob die Kapitalabfindung, die sich aus § 7 der Pensionszusage ergab, als nicht begünstigter Übergangsgewinn oder als Aufgabegewinn mit einem Freibetrag gemäß § 24 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 7.300 € zu beurteilen ist.

§ 4 Abs. 10 EStG 1988 lautet:

"Beim Wechsel der Gewinnermittlungsart gilt folgendes:

1. Es ist durch Zu- und Abschläge auszuschließen, daß Veränderungen des Betriebsvermögens (Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben) nicht oder doppelt berücksichtigt werden. Ergeben die Zu- und Abschläge einen Überschuß (Übergangsgewinn), so ist dieser beim Gewinn des ersten Gewinnermittlungszeitraumes nach dem Wechsel zu berücksichtigen. Ergeben die Zu- und Abschläge einen Verlust (Übergangsverlust), so ist dieser, beginnend mit dem ersten Gewinnermittlungszeitraum nach dem Wechsel, zu je einem Siebentel in den nächsten sieben Gewinnermittlungszeiträumen zu berücksichtigen. Bei Veräußerung oder Aufgabe des ganzen Betriebes, eines Teilbetriebes oder eines Mitunternehmeranteiles sind Übergangsgewinne oder (restliche) Übergangsverluste beim Gewinn des letzten Gewinnermittlungszeitraumes vor Veräußerung oder Aufgabe zu berücksichtigen.

2. Darüber hinaus ist durch Zu- oder Abschläge und durch entsprechende Bilanzansätze sicherzustellen, daß sonstige Änderungen der Gewinnermittlungsgrundsätze (zB hinsichtlich der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim Übergang von der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 oder 3 auf § 5 oder hinsichtlich der Berücksichtigung von Wertminderungen des Betriebsvermögens beim Übergang auf Buchführung) mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart berücksichtigt werden."

Gemäß § 24 Abs. 1 EStG 1988 sind Veräußerungsgewinne Gewinne, die bei der Veräußerung oder der Aufgabe des Betriebes erzielt werden. Nach § 24 Abs. 2 EStG 1988 ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder der Aufgabe - somit stichtagsbezogen nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG 1988 zu ermitteln (vgl. ).

Wird der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt, ist - um zu einem Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 zu gelangen - zunächst die Gewinnermittlungsart zu wechseln und beim Wechsel der Gewinnermittlung auf Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ein Übergangsgewinn oder Übergangsverlust zu ermitteln (vgl. ). Der laufende Gewinn für den letzten vor dem Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Aufgabe des Betriebs liegenden Wirtschaftszeitraum ist jedoch noch nach der bisherigen Gewinnermittlungsart zu ermitteln.

§ 4 Abs. 10 Z 1 letzter Satz EStG 1988 ordnet in diesem Zusammenhang an, dass im Fall einer Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung ein Übergangsgewinn bzw. -verlust beim Gewinn des letzten Gewinnermittlungszeitraumes vor der Veräußerung/Aufgabe erfasst wird. Damit soll vermieden werden, dass der Übergangsgewinn erst nach Abschluss der betrieblichen Tätigkeit wirksam wird. Diese Regelung bewirkt, dass der Übergangsgewinn in das gleiche Veranlagungsjahr wie der Veräußerungsgewinn fällt.

Der Übergangsgewinn ist der Veräußerung/Aufgabe des Betriebes zeitlich unmittelbar vorgelagert (vgl. ) und ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe zu ermitteln (vgl. , Rn 18).

Gibt beispielsweise ein Steuerpflichtiger mit 31. Jänner X1 seinen Gewerbebetrieb auf und hat er dabei für Zwecke der Veräußerungsgewinnermittlung von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 auf jene nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu wechseln, ist der Übergangsgewinn zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zu ermitteln, wobei dafür der Bilanzstichtag 31. Jänner X1 maßgeblich ist (vgl. ).

Die Bf. verweist wiederholt auf das BFG-Erkenntnis , RV/6100407/2016, wonach die Abfindung an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer zum Aufgabegewinn zählt. Das Bundesfinanzgericht erkannte, dass die Bezahlung der Abfindung wirtschaftlich eindeutig ein Entgelt für die Aufgabe der Geschäftsführungstätigkeit der Bf. für das Unternehmen war. Aufgrund des Aufhebungsvertrages wurde die sonstige selbständige Tätigkeit der Bf. (das "Dienstverhältnis" zur Gesellschaft) aufgegeben.Die in Frage stehende Forderung wurde für die Aufgabe der sonstigen selbständigen Tätigkeit vereinbart, der Betrag von 10.500 € ist daher dem Aufgabegewinn zuzurechnen.

Im beschwerdegegenständlichen Fall liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes aber ein anderer Sachverhalt vor:

Die Bf. war als selbständige Gesellschafter-Geschäftsführerin der ***XY GmbH*** tätig und hat aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 EStG 1988 bezogen. Mit Wirkung ab wurde zwischen der Bf. und der ***XY GmbH*** eine Pensionszusage vereinbart. Im Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft nach dem 65. Lebensjahr wird eine lebenslange Rente gewährt, im Fall des früheren Ausscheidens wird lediglich das Kapital aus dem Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung verrentet. Am wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. Die Liquidationsschlussbilanz der Gesellschaft wurde zum ausgestellt, da hier die wesentlichen Abwicklungstätigkeiten beendet waren. Mit gleichem Datum, am fand die Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit der Geschäftsführungstätigkeit statt.

Für das Bundesfinanzgericht ist mit aus der Pensionszusage § 7 betreffend Leistungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft schlagend geworden. Erst mit diesem Datum hatte die Bf. in durchsetzbarer Weise Anspruch auf die Kapitalabfindung, die sich aus dem Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung zum letzten Bilanzstichtag vor dem Ausscheiden errechnete.

Die Kapitalabfindung der Pensionszusage stellt eine Abgeltung der laufend aufgebauten Forderungen der Bf. gegenüber der Gesellschaft und keine Gegenleistung für die Beendigung der Geschäftsführungstätigkeit dar. Mit einer vergleichbaren "Firmenpension" wird nämlich die ehemalige Tätigkeit vergütet, nicht aber die Beendigung und somit Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit.

Nach der Rechtsprechung könne überhaupt erst von einer "Pensionsabfindung" gesprochen werden, wenn die Zahlungen in Abgeltung eines auf Renten lautenden bereits entstandenen Anspruches geleistet würden (vgl. mwN).

Sofern allerdings im Aufgabezeitpunkt nur eine durchsetzbare Forderung besteht, weil es beispielsweise vor Beendigung des Dienstverhältnisses zu einer vergleichsweisen Bereinigung strittiger Pensionsansprüche gekommen ist, ist diese Forderung bei der Übergangsgewinnermittlung zu berücksichtigen (vgl. Fraberger/Papst in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 24 Tz 168). Aus der Beschwerde geht hervor, dass der Abfindungsanspruch in der Liquidationsschlussbilanz der Gesellschaft verarbeitet wurde. Dadurch liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zweifelsfrei eine vergleichsweise Bereinigung des Anspruches vor.

Die Bf. hat ihre Geschäftsführungstätigkeit am beendet und damit ihren Geschäftsführerbetrieb aufgegeben. Mit der Liquidationsschlussbilanz der Gesellschaft zum ist diesem Zeitpunkt die aus der Pensionszusage resultierende Forderung für die Bf. in durchsetzbarer Weise entstanden. Diese Forderung ist aufgrund des mit der Betriebsaufgabe verbundenen Wechsels der Gewinnermittlungsart zum Betriebsvermögensvergleich im Jahr 2021 zu bilanzieren (vgl. ). Im gegenständlichen Fall ist daher der Übergangsgewinn im Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit, das ist der zu ermitteln. Der Übergangsgewinn wird dem letzten Gewinnermittlungszeitraum vor der Veräußerung zugerechnet. Die zu diesem Zeitpunkt offene betriebliche Forderung ist dem Übergangsgewinn und nicht dem Aufgabegewinn zuzuordnen.

Dass der tatsächliche Zufluss von der Versicherung erst Anfang April erfolgt ist, ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt eine offene betriebliche Forderung aus der Kapitalabfindung der Pensionszusage bestanden hat. Die Argumentation des steuerlichen Vertreters, dass bereits durch Verbuchung auf dem Verrechnungskonto vor dem ein Zufluss erfolgt ist, ändert ebenfalls nichts an der Feststellung, dass durch die Kapitalabfindung der Pensionszusage kein Aufgabegewinn vorliegt.

Im gegenständlichen Fall erfolgte durch die Einstellung der Tätigkeit weder eine Entnahme noch eine Veräußerung von Wirtschaftsgütern. Folglich war auch kein Aufgabegewinn zu ermitteln.

Aus den angeführten Gründen konnte der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, diese schlichte Rechtsanwendung berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100614.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at