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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.12.2024, RS/7100147/2024

Einem Rechtsanwalt als berufsmäßigem Parteienvertreter kann nur an dessen Kanzlei zugestellt werden (§ 13 Abs 4 ZustG); gilt auch für europäische dienstleistende Rechtsanwälte

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Säumnissache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1*** Rechtsanwälte, Inh ***, ***, ***, für diese eingeschritten die bauftragte Rechtsanwältin-DE, Dr ***AT***, betreffend Säumnisbeschwerde vom wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich über den mit Anschreiben vom gestellten Antrag auf Familienbeihilfe /Ausgleichs- und/oder Differenzzahlung für Beschäftigungszeiten - für ***3*** und ***4***, SVNR ***5***, gemäß § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) beschlossen:

Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Beschwerdeführer (Bf) hat durch seine europäische rechtsfreundliche Vertretung, die durch Beilage einer Kopie der Vollmacht zur Säumnisbeschwerde ausgewiesen ist, mit Schriftsatz vom , hg eingelangt am , gemäß § 284 Abs. 1 BAO eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den im Spruch bezeichneten Antrag erhoben. Für die bevollmächtigte Rechtsanwältin schritt deren als Arbeitnehmerin beschäftigte Rechtsanwältin Dr ***AT*** ein.

§ 284 BAO lautet auszugsweise:

(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

Gemäß § 284 Abs. 2 BAO ist das Verfahren einzustellen, wenn der Bescheid erlassen wird oder wenn er vor Einleitung des Verfahrens erlassen wurde.

Werden Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe positiv erledigt, so sieht § 12 FLAG 1967 vor, dass diesfalls eine Mitteilung erlassen wird. Mitteilungen nach § 12 FLAG 1967 sind keine Bescheide, wie § 284 BAO es fordert. Mitteilungen sind weder normativ noch sind sie der (materiellen wie formalen) Rechtskraft fähig. Im Beihilfeverfahren sind Bescheide nur für den Fall von Ab- oder Zurückweisungen (§ 13 FLAG 1967) oder Rückforderung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe (§ 26 FLAG 1967) vorgesehen.

Das Finanzamt Österreich legte die Mitteilung vom vor. Darin wurde für ***3*** antragskonform der Beihilfenbezug für den Zeitraum Februar 2022 bis April 2022 ausgewiesen. Für ***4*** wurde der Beihilfenbezug für den Zeitraum Februar 2024 bis April 2024 ausgewiesen. Das BFG wies das Finanzamt Österreich mit Mail vom auf diesen Irrtum hin. Darauf forderte das Finanzamt Österreich die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ***4*** mit Bescheid nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurück und erledigte den Antrag antragskonform für ***4*** mit dem Zeitraum Februar 2022 bis April 2022 mit Mitteilung vom vor, beide behördlichen Erledigungen ebenfalls vom .

Somit wurden das als säumig bezeichnete Anbringen zur Gänze vom Finanzamt Österreich erledigt und die Rechtsverletzung der Säumnis beseitigt.

Problematisch ist die Frage der Zustellung an die von der rechtsfreundlichen Vertretung bekanntgegebene Korrespondenzadresse.

Zustellung an Korrespondenzadresse

Inländisches Recht

§ 98 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO sieht vor:

"Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den 3. Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung)."

§ 2 ZustG (Zustellgesetz) lautet auszugsweise:.

"Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

Ziffer 1. "Empfänger": die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;

Ziffer 4. "Abgabestelle": die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort; …"

§ 9 ZustG trägt die Überschrift "Zustellbevollmächtigter" und regelt ua:

"(1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(3)Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. …"

§ 13 Zustellgesetz (ZustG) ordnet auszugsweise an:

"(1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

(4) Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden, …"

§ 7a RAO lautet:

"(1) Rechtsanwälte sind berechtigt, auch außerhalb ihres Kanzleisitzes Kanzleiniederlassungen einzurichten, wenn die Leitung jeder dieser Niederlassungen einem Rechtsanwalt übertragen wird, der seinen Kanzleisitz an der Adresse der Niederlassung hat.

(2) Die Errichtung einer Kanzleiniederlassung bedarf der Genehmigung der Rechtsanwaltskammer, der der Rechtsanwalt angehört. Liegt eine der beabsichtigten Kanzleiniederlassungen im Sprengel einer anderen Rechtsanwaltskammer, so ist diese anzuhören. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die im Abs. 1 genannte Voraussetzung erfüllt ist.

(3) § 5 Abs. 2 zweiter Satz, § 5a und § 21 Abs. 1 letzter Satz gelten sinngemäß.

(4) Sowohl die Kanzlei als auch die Niederlassungen sind Abgabestellen im Sinn des § 13 Abs. 4 ZustG."

Unionsrecht

Gemäß Artikel 5 Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, ABl-EU Nr L 077 vom 14/03/1998 S. 0036 - 0043, (kurz: RL 98/5/EG) hat der niedergelassene Rechtsanwalt "in jedem Fall die vor den nationalen Gerichten geltenden Verfahrensvorschriften einzuhalten".

Artikel 4 Abs 1 Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, Amtsblatt Nr. L 078 vom 26/03/1977 S. 0017 - 0018 (kurz: RL 77/249/EWG) sieht vor:

"Die mit der Vertretung oder der Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts werden im jeweiligen Aufnahmestaat unter den für die in diesem Staat niedergelassenen Rechtsanwälte vorgesehenen Bedingungen ausgeuebt, wobei jedoch das Erfordernis eines Wohnsitzes sowie das der Zugehörigkeit zu einer Berufsorganisation in diesem Staat ausgeschlossen sind. (1)ABl. Nr. C 103 vom , S. 19 und ABl. Nr. C 53 vom , S. 33. (2)ABl. Nr. C 36 vom , S. 37 und ABl. Nr. C 50 vom , S. 17."

Sachverhalt

Dr Felicitas Niedermann ist deutsche Rechtsanwältin und seit Mitglied der Rechtsanwaltskammer ***in Deutschland*** sowie seit von der Kanzleipflicht in Deutschland befreit. Sie hat mitgeteilt, (ausschließlich) in der Schweiz eine Kanzlei zu unterhalten. Sie ist Inhaberin der Schweizer Einzelfirma ***1*** Rechtsanwälte. Sie erbringt ihre rechtsanwaltliche Vertretungstätigkeit derart, dass weder der Dienstleistungserbringer noch der Dienstleistungsempfänger die Grenze überschreiten (Korrespondenzdienstleistung). Nach der mit der Säumnisbeschwerde vorgelegten Vollmacht (Kopie) wurde ihr ausdrücklich Zustellvollmacht erteilt. Sie trat vor dem Finanzamt Österreich und der BFG als Rechtsanwältin auf.

Weder Dr Felicitas Niedermann noch die von ihr nichtselbstständig beschäftigte Rechtsanwältin Dr ***AT*** sind im Schweizer EU/EFAT Anwaltsregister des Kantons ***2*** eingetragen.

Die rechtsfreundliche Vertretung ist eine nach Schweizer Handelsrecht errichtete Einzelfirma, und weist im Briefkopf ihrer Eingaben die Wiener Korrespondenzanschrift ***Straße***, ***Stockwerk***, A-***PLZ*** Wien, aus. Anlässlich eines im hg Verfahren RS/71000041/2024 erfolgten Lokalaugenscheines am wurde festgestellt, dass es sich an dieser Adresse um ein sog "virtuelles Büro" handelt. Die für die steuerliche Vertretung bestimmte Post wird dort täglich per Mail in die Schweiz übermittelt und ein Mal im Monat werden die Originalsendungen an den Sitz der Einzelfirma in die Schweiz per Post gesendet. Die an der Korrespondenzanschrift beschäftigten Personen sind ausschließlich Dienstnehmer der Vertragsfirma ***6***, nunmehr ***7***. Zu weiteren Feststellungen wird auf , verwiesen, die zum integrierenden Bestandteil dieser Sachverhaltsfeststellung erklärt werden.

Weder die ausschließlich nach Schweizer Handelsrecht errichtete Einzelfirma noch deren Inhaberin Dr Felicitas Niedermann noch die von ihr nichtselbstständig beschäftigte Rechtsanwältin Dr ***AT*** haben die Rechtsanwaltskammer Wien vor dem erstmaligen Einschreiten im Sprengel schriftlich iSd § 4 Abs 1 EIRAG verständigt. Da eine lediglich nach Schweizer Handelsrecht errichtete Firma vorliegt, besteht folglich lediglich ein Firmensitz in der Schweiz.

Die Einzelfirma ist durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters entstanden und wird von Dr Felicitas Niedermann als Einzelkauffrau fortgeführt. Zuvor bestand die ***1*** Steuerberater- und Rechtsanwaltsgesellschaft, Inh ***8*** und Felicitas Niedermann, als Kollektivgesellschaft. ***8*** ist kein Rechtsanwalt.

Beweis wurde erhoben durch:

Auskunftsschreiben der Rechtsanwaltskammer Wien vom , GZ ***9***, Auskunftsschreiben der Rechtsanwaltskammer ***in Deutschland*** vom , GZ ***10***, Auskunftsschreiben der Anwaltskommission ***2*** vom .

Beweiswürdigung

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig und widerspruchsfrei aus den Beweismitteln.

Mit Schreiben vom erteilte die Rechtsanwaltskammer Wien (kurz: RAK Wien) dem BFG im Verfahren RS/7100041/2024 die Auskunft, dass die ***1*** Steuerberater- und Rechtsanwaltsgesellschaft … ihr erstmaliges Einschreiten als niedergelassene europäische Rechtsanwaltsgesellschaft in Österreich gem § 4 Abs 1 EIRAG angezeigt hat. Sie hob darin hervor, dass das nicht für die Einzelfirma erfolgt war.

Zu Dr ***AT*** wurde telefonisch Auskunft bei der RAK Wien erhoben.

Rechtlich folgt:

Dr Felicitas Niedermann, die Inhaberin der Schweizer Einzelfirma, ist weder in Deutschland noch in der Schweiz noch in Österreich als niedergelassene aktive Rechtsanwältin registriert. Beim BFG sind mehrere Ablehnungsverfahren nach § 84 BAO gegen sie anhängig, ua jenes zur Zahl RV/7100636/2024. Als Rechtfertigungsgrund hat sie im Verfahren RV/7100636/2024 die Schweizer Rechtslage entgegenhalten, wonach sich im Anwaltsregister des zuständigen Kantons sowie im EU/EFTA-Register nur Anwältinnen und Anwälte eintragen lassen müssen, die forensisch tätig sind. Das hat auch die Anwaltskommission ***2*** in ihrer Auskunft so ausgeführt (sog "Schweizer Anwaltsmonopol").

Die Rechtfertigung ändert nichts daran, dass Dr Felicitas Niedermann in keinem Mitgliedstaat der EU als niedergelassene aktive Rechtsanwältin registriert ist und folglich nicht über eine Rechtsanwaltskanzlei mit einer "Kanzleianschrift" oder einem "Kanzleisitz" verfügt. "Kanzleianschrift" oder "Kanzleisitz" ist die Anschrift der Kanzlei iSd der für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften (in Österreich §§ 5, 7a RAO), die sich im Bezirk/Sprengel der Rechtsanwaltskammer befindet, deren Mitglied der Rechtsanwalt ist. Ein bloß handelsrechtlicher Firmensitz vermag den Kanzleisitz eines niedergelassenen Rechtsanwaltes nicht zu ersetzen. Im eigentlichen Rechtssinn ist Dr Felicitas Niedermann keine in der Schweiz niedergelassene Rechtsanwältin. Für die Zustellung ist das jedoch unerheblich. Der Zustellungsbevollmächtigte muss nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sein. Daher umfasst die Ablehnung nach § 84 Abs 1 nicht die Zustellungsbevollmächtigung (zB RV/7400148/2016), sondern nur das Recht zu aktiven Vertretungshandlungen. Ein diesbezüglicher Hinweis im Ablehnungsbescheid und in der (nach § 84 Abs 1 zweiter Satz) vorzunehmenden Verständigung sollte aufgenommen werden (Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Auflage, § 84 Tz 10 mwN).

In eventu wird begründet:

Die Bundesabgabenordnung ist im Beschwerdefall die anzuwendende abgabenrechtliche Prozessordnung. Gemäß § 98 BAO gehört auch das Zustellgesetz zum österreichischen Verfahrensrecht, das europäische dienstleistende Rechtsanwälte gemäß § 5 RL 98/5/EG iVm Art 4 Abs 1 RL 77/249/EWG zu beachten haben.

Als Zustellbevollmächtigte ist die rechtsfreundliche Vertretung auf der behördlichen Briefsendung als Empfänger iSd § 2 Z 1 ZustG (Anordnung "zu Handen" reicht) zu bezeichnen.

§ 13 Abs 4 ZustG ordnet für den Fall, dass der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist, klar und deutlich an, dass das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen ist. Bei einem virtuellen Büro, in dem kein Personal der Schweizer Vertretung beschäftigt wird, handelt sich weder um den Kanzleisitz selbst noch um eine Kanzleiniederlassung iSd § 7a RAO.

§ 13 Abs 4 ZustG steht einer Zustellung an die Korrespondenzadresse entgegen, wenn der Empfänger wie im Beschwerdefall eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist. Eine Korrespondenzadresse ("virtuelles Büro") ist bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person keine taugliche Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG.

Dass eine Rechtsanwältin eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. An die Korrespondenzadresse erfolgte Zustellungen sind daher nicht rechtswirksam, lediglich die Heilung des Zustellmangels ist durch die Weiterleitung der Post an den Firmensitz in der Schweiz gewährleistet (nochmals BFG RS/71000041/2024).

Der europäische dienstleistende Rechtsanwalt hat § 13 Abs 4 ZustG als Verfahrensnorm iSd Art 5 RL 98/5/EG und Art 4 Abs 1 249/77/EWG zu beachten.

Sinn und Zweck einer mit Zustellnachweis (Rückschein RSa oder RSb) angeordneten Zustellung ist die Schaffung eines Beweismittels über einen rechtwirksamen Zustellvorgang. Eine an der Korrespondenzanschrift erfolgte Übernahme einer behördlichen Sendung, die die Rechtsanwältin als Empfänger bezeichnet, weist auf dem Rückschein hingegen nicht das Datum der Zustellung aus, denn das Zustelldatum ist im Fall der Heilung eines Zustellmangels jenes von dem Tag, an dem die Sendung dem Empfänger tatsächlich zukommt. An die Stelle des Zustellnachweises tritt bei normaler Zustellung die Zustellfiktion des § 26 Abs 2 ZustG.

Weder das Sekundärrecht noch das EIRAG sehen für einen dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt vor, dass er einen inländischen Zustellbevollmächtigten für Angelegenheiten wie im Beschwerdefall namhaft machen soll (vgl § 6 EIRAG iVm § 5 Abs 1 EIRAG).

Nach Auskunft der Kanzlei des BFG sind im Jahr 2024 durch die ***1*** in etwa 200 Säumnisbeschwerdefälle anhängig geworden. Hinzu kommen die beim Finanzamt Österreich anhängig gemachten Verfahren, deren Zahl darüber anzunehmen ist. Die Intensität der Verfahren übersteigt eine vorübergehende rechtsanwaltliche Tätigkeit eines europäischen dienstleistenden Rechtsanwaltes iSd § 2 EIRAG bei Weitem. Die Anzahl der in Österreich vertretenen Fälle macht nach Ansicht des BFG eine Niederlassung in Österreich notwendig, um die Zustellung von Erledigungen österreichsicher Behörden und Gericht zu garantieren.

Als Zustelladresse war nach beiden Begründungen die Adresse des Firmensitzes in der Schweiz zu wählen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Verfahren hat keine Rechtsfrage in obigem Sinn aufgeworfen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 13 Abs. 4 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 13 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 98 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 EIRAG, Europäisches Rechtsanwaltsgesetz, BGBl. I Nr. 27/2000
§ 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 1 EIRAG, Europäisches Rechtsanwaltsgesetz, BGBl. I Nr. 27/2000
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 12 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 7a RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100147.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100147.2024

Fundstelle(n):
WAAAF-43960