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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.12.2024, RV/1100559/2018

Seit dem 2. AbgÄG, BGBl. I Nr. 105/2014, kann die für die Anwendung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 relevante Feststellung, dass tatsächlich eine andere Vertragspartei wirtschaftlich von einer Umwidmung profitiert hat als jene, von dem dies der Gesetzgeber hauptsächlich annimmt, nur noch innerhalb enger zeitlicher Grenzen getroffen werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Günter Wellinger, den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva-Maria Düringer und Mag. Norbert Metzler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, *V Bf1*, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer 2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Claudia Zengin zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem am ausgefertigten Bescheid betreffend Einkommensteuer 2016 wurden € 124.560,00 an Steuer für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen zu einem besonderen Steuersatz von 25% angesetzt. Da es sich um ein sog. Altgrundstück handle, jedoch eine Umwidmung in Bauland nach dem stattgefunden habe, seien die Einkünfte unter Ansatz pauschaler Anschaffungskosten wie folgt zu ermitteln:

Ausgehend von einem Veräußerungserlös in Höhe von € 1.660.800,00 ergeben sich abzüglich pauschaler Anschaffungskosten von 40%, also von € 664.320,00 Einkünfte in Höhe von € 996.480,00. Hieraus errechnet sich eine Immobilienertragsteuer in Höhe von € 124.560,00 (Besteuerung mit einem Steuersatz von 25% gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988).

Am hat die Beschwerdeführerin Bescheidbeschwerde erhoben.

Die Steuer für Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung betrage nur € 29.064,00. Die Besteuerung habe gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 unter Ansatz pauschaler Anschaffungskosten von 86% zu erfolgen, weil die Umwidmung im Jahr 1999 keine Umwidmung des Grundstücks i. S. d. § 30 Abs. 4 Z 1 EStG gewesen sei. Beantragt werde daher, die Einkommensteuer 2016 mit € 33.173,00 festzusetzen, und zwar ausgehend von € 29.064,00 an "Immobilienertragsteuer" (als der Hälfte der zur Veranlagung beantragten € 58.128,00).

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung, wogegen am ein Vorlageantrag gestellt wurde. Am wurde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am wurde schließlich die mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat durchgeführt. Diese schloss mit der Verkündung der Entscheidung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Am wurde ein Kaufvertrag zwischen *dem ersten Veräußerer* als Verkäufer sowie *den Veräußerern* als gemeinsame Käufer (je zur ideellen Hälfte) abgeschlossen. Kaufgegenstand war die Liegenschaft in *EZ* *GB*, *GST-NR*, 690 m2 samt der Grunddienstbarkeitsrecht des Parkplatzes für 5 Kfz auf *GST-NR 2* in *EZ 2*. Der vereinbarte Kaufpreis betrug ATS 1.700,00/m2 (ATS 1.176.400,00 = € 85.492,32). Das Grundstück war unbebaut und als Bauerwartungsland gewidmet.

2. Im Jahr 1999 wurde das Grundstück von Bauerwartungsland in Bauland umgewidmet.

3. Mit Kaufvertrag vom verkauften *die Veräußerer* die unbebaute Liegenschaft *EZ* *GB*, bestehend aus *GST-NR* im Ausmaß von 692m2 an die *die Erwerberin*. Der vereinbarte Kaufpreis betrug € 2.400,00/m2 (€ 1.660.800,00). Die Hälfte des Kaufpreises, sohin € 830.000,00, war binnen 14 Tagen ab Unterfertigung des Kaufvertrages zur Zahlung auf ein Treuhandkonto fällig, der Restbetrag bis zum . Die Auszahlung des Kaufpreises an die Verkäufer erfolgte am .

4. Dass die Beschwerdeführerin beim Kauf der Liegenschaft im Jahr 1988 mit dem Kaufpreis Bauland abgegolten hat und durch die Umwidmung keine Wertsteigerung eingetreten ist, ist nicht erwiesen.

III. Beweiswürdigung

Der unter Punkt II. dargestellte Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht aus folgenden Gründen erwiesen:

1. Die Punkte II.1. bis 3 sind nach der Aktenlage erwiesen und unstrittig.

2. Punkt II.4. ergibt sich aus Folgendem: Im Beschwerdeverfahren wurde wiederholt vorgebracht, dass die Veräußerer beim Kauf der streitgegenständlichen Liegenschaft im Jahr 1988 den vollen Baulandpreis entrichtet habe. Zum Beweis dafür wurde das e-mail des Gemeindesekretärs der *Gemeinde* vom mit folgender Aussage vorgelegt:

"Es wird bestätigt, dass die Eigentümer der Gst. Nr. 140/9 (*EZ* GB 90011) bereits vor dem Kauf durch Veräußerer - Kaufvertrag vom - berechtigt waren eine Umwidmung in Bauland zu beantragen.

Aufgrund des Bauantrages durch Veräußerer und im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren wurde die Umwidmung durchgeführt und ein positiver Baubescheid erlassen."

Die Möglichkeit, zum Zeitpunkt des Kaufes eines Grundstückes, einen Bauantrag zu stellen, ist kein Beleg dafür ist, dass beim Kauf tatsächlich der Baulandpreis bezahlt wurde. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Sohn der Beschwerdeführerin angegeben, dass zum Zeitpunkt des Kaufes die Liegenschaft im Flächenwidmungsplan als Bauerwartungsland ausgewiesen war. Es habe auch eine Zusage der *Gemeinde* für seinen Vater, der Gemeindebediensteter war, gegeben, dass er das Grundstück jederzeit bebauen könne, wenn er einen Antrag auf Bebauung stelle. Die Umwidmung im Jahr 1999 wurde nach Angaben im Beschwerdeverfahren nicht von Veräußerer betrieben, sondern auf Initiative der *Gemeinde*. Tatsächlich wurde das Grundstück unbebaut im Jahr 2015 verkauft. Der steuerliche Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass eine Liegenschaft in *Ort* im Jahr 1989 um ATS 1.200,00 pro Quadratmeter verkauf worden sei und eine Nachbarliegenschaft zu jener der Beschwerdeführerin im Juli 1988 um ATS 1.100,00 pro Quadratmeter, die umgehend bebaut wurde. Belege dafür wurden nicht vorgelegt. Man habe versucht, Vergleichsverkäufe zu recherchieren, was schwierig sei, weil es so weit zurückliege. Die Angaben würden sich darauf stützen, was Ortsschätzer der *Gemeinde* gesprochen hätten. Der Beweis für die Tatsache, dass durch die Umwidmung 1999 keine Wertsteigerung eingetreten ist und die Käufer der Liegenschaft bereits im Jahr 1988 für das Grundstück mit der damaligen Widmung Bauerwartungsland den vollen Baulandpreis bezahlt hat, ist für das Bundesfinanzgericht damit nicht erbracht.

IV. Rechtliche Beurteilung

a. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Rechtslage

§ 30 Abs. 4 EStG 1988 i. d. F. BGBl. I Nr. 163/2015 lautet:

Soweit Grundstücke am ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:

1.Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehende Umwidmung, wenn diese innerhalb von fünf Jahren nach der Veräußerung erfolgt ist, sowie für eine Kaufpreiserhöhung auf Grund einer späteren Umwidmung; eine spätere Umwidmung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung und ist dem Finanzamt anzuzeigen.

2.In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.

2. Beurteilung

Im Beschwerdefall ist strittig, ob bei den für das streitgegenständliche Grundstück pauschal gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 zu ermittelnden Einkünften die Anschaffungskosten gemäß Z 1 leg. cit. mit 40% oder gemäß Z 2 leg. cit. mit 86% anzusetzen sind.

1. Die Abgabenbehörde vertritt die Ansicht, dass aufgrund der im Jahr 1999 erfolgten Umwidmung der Grundstücksfläche durch die *Gemeinde* von Bauerwartungsland in Bauland ein Umwidmungsfall iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 vorliege. Dieser Umwidmungsvorgang habe erstmalig die Bebauung der Liegenschaft möglich gemacht. Demzufolge könnten beim Ermitteln der Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung Anschaffungskosten nur im Ausmaß von 40% vom Veräußerungserlös abgezogen werden.

2. Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass kein Umwidmungsfall i. S. d. § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 vorliege. Im Jahr 1999 sei die formelle Umwandlung des Grundstücks von Bauerwartungsland in Bauland erfolgt. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte hätten mit dem Kaufvertrag vom das Grundstück samt Wegeservituten und dem Grunddienstbarkeitsrecht des Parkplatzes für 5 Kraftfahrzeuge erworben. Die Grundlage der Bebauung sei somit schon vorher gegeben gewesen und die Käufer hätten dies im seinerzeitigen Kaufpreis abgegolten. Das Grundstück sei mit dem Ziel der Bebauung als Bauland (mit bestehender Bebaubarkeit zu entsprechenden Konditionen) erworben worden. Es habe daher auch keine Wertsteigerung auf Grund der bloß formellen Widmungsänderung erfahren.

3. Das Bundesfinanzgericht vertritt die Ansicht, dass die Umwidmung des Grundstücks im Jahr 1999 eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 ist. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Eine Umwidmung iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 liegt grundsätzlich dann vor, wenn durch einen Hoheitsakt die Widmung eines Grundstücks in Bauland geändert wird. Eine Umwidmung ist allerdings nur dann steuerlich relevant, wenn sie nach dem erfolgte und es sich dabei um eine erstmalige Widmung als Bauland handelt.

Bauerwartungsland ermöglichte im vorliegenden Fall nach den Vorschriften des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes hingegen keine Bebauung.

3.2. Die Umwidmung ist auch nur dann relevant, wenn der Veräußerer der wirtschaftliche Nutznießer dieser Umwidmung ist, also die durch die Umwidmung ausgelöste Wertsteigerung durch ihn realisiert wird. Der Gesetzgeber sieht dabei den jeweiligen, die Wertsteigerung wirtschaftlich (also unter Umständen auch vor der Änderung der Widmung) realisierenden Veräußerer als denjenigen an, der Widmungsgewinne erzielt hat. Diese sollen nach dem objektiven Normzweck der Ziffer 1 des § 30 Abs. 4 EStG 1988 besteuert werden; liegt doch die Wertsteigerung eines Grundstücks durch eine Umwidmung in Bauland regelmäßig über der "gewöhnlichen" (marktbedingten) Wertsteigerung von nicht umgewidmeten Grundstücken und wollte der Gesetzgeber diese umwidmungsbedingte Wertsteigerung steuerlich pauschal erfassen (ErlRV zum 1. StabG 2012, 1680 BlgNR 24. GP, 7; vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 (2024) § 30 Tz 270).

3.3. In diesem Zusammenhang scheinen dem Gericht auch Überlegungen zu einer erwartbaren Umwidmung beachtlich, welche insbesondere erklären, dass es für den Zusammenhang zwischen Umwidmung und Erwerb auf den aus Erwerbersicht noch akzeptablen Kaufpreis ankommt (Beiser, SWK-Spezial Die neue Immobilienbesteuerung i. d. F. AbgÄG 2012 (2009) Seite 30/Rz 45). Unabhängig davon, dass diese Ausführungen für den Fall einer Umwidmung im Sinne der zweiten Variante der Z 1 getätigt wurden, zeigen sie doch grundsätzlich, dass eine Änderung in eine Widmung, welche die Bebauung der Liegenschaft ermöglicht, als Bedingung dafür gesehen wird, dass ein Erwerber ein höheres marktkonformes Entgelt zu zahlen bereit ist.

Wäre demnach schon im Zeitpunkt des Erwerbes ein bestimmter Veräußerungspreis (nur) deshalb vereinbart worden, weil beide Vertragsparteien bereits mit einer Umwidmung des veräußerten Grundstückes gerechnet haben, die auch absehbar war, so läge es nahe anzunehmen, dass - dessen Bestehen als Steuertatbestand vorausgesetzt - ein Fall des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in Gestalt der zweiten Variante beim seinerzeitigen Veräußerer eingetreten ist. Daher verwirklicht sich der Normzweck, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Veräußerung und Umwidmung innerhalb von fünf Jahren gegeben ist, im - spezielleren - zweiten Fall. Dieser schließt die typisierende Zurechnung in der ersten Variante der Z 1 aus.

3.4. Gegenständlich übersteigt die Dauer zwischen dem Jahr des käuflichen Erwerbes und dem Jahr der Umwidmung den gesetzlichen Zeitrahmen um einiges. Und selbst bei gradueller Betrachtung hätte im vorliegenden Fall kein enger zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mehr bestanden (vgl. , zur Rechtslage vor dem 2. AbgÄG; im Hinblick auf die Langwierigkeit von Baulandwidmungsverfahren konnte dieser Zeitraum auch mehrere Jahre umfassen. Zu den mit dem 2. AbgÄG, BGBl. I Nr. 105/2014, erfolgten Änderungen siehe 360 der Beilagen XXV. GP 9).

3.5. Sollte also tatsächlich schon damals der Baulandpreis bezahlt worden sein - was nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann - so wäre dieser Umstand also nur innerhalb dieses Zusammenhanges von gewisser Dichte mit der vorgängigen Veräußerung zu berücksichtigen. Das heißt, dass nur noch innerhalb präziser zeitlicher Grenzen überhaupt die für die Anwendung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 relevante Feststellung getroffen werden kann, dass in Anwendung der z. B. in , aufgezählten Kriterien tatsächlich eine andere Vertragspartei wirtschaftlich von einer Umwidmung profitiert hat als jene, von dem dies der Gesetzgeber hauptsächlich annimmt.

Da dies der Gesetzgeber in der Regel vom späteren Veräußerer annimmt, wird die Feststellung, dass tatsächlich nicht dieser profitiert hat, nur in der Form eines Nachweises und innerhalb der engen Grenzen eines hinsichtlich der Möglichkeit eines von der allgemeinen Norm abweichenden Falles noch für realistisch erachteten Zeitrahmens ermöglicht (anders als etwa für einen Bereich, in dem eine widerlegbare Vermutung greift; hier handelt es sich vielmehr um die Subsumtion unter den zweiten, formal gleichrangigen Umwidmungstatbestand; arg.: "Dies gilt auch für eine in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehende Umwidmung..").

3.6. Geht man von einem Derogationsverhältnis zwischen lex specialis - "Umwidmung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung innerhalb von fünf Jahren" - und lege generali - "Änderung der Widmung nach dem letzten entgeltlichen Erwerb" - aus (zur Derogation selbst siehe Stoll, BAO-Kommentar, 946), so müssen im Gegenzug sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die vorrangige Anwendung des spezielleren, relativ enger gefassten Tatbestandes erfüllt sein (Kommen mehrere Rechtsnormen in Betracht, ist nur die jeweils speziellere anzuwenden. Eine Rechtsnorm ist im Verhältnis dann spezieller, wenn ihr Tatbestand über alle Merkmale der allgemeinen Norm verfügt und zusätzlich noch mindestens ein weiteres Merkmal enthält; Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Auflage 1991, 465; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, 267).

Das Spezialitätsverhältnis der beiden Fälle ist aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht ohne Weiteres erkennbar; es ergibt sich allerdings daraus, dass auch die Umwidmung "in der zweiten Variante" nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat, zumal der eigentlich letzte entgeltliche Erwerb, somit jener, der mit der nunmehr besteuerten Veräußerung korrespondiert, in grammatikalischer-logischer Auslegung nicht mehr gezählt wird und es sich nach der Sachlage um ein und dieselbe Umwidmung handelt. Offen ist also nur die jeweilige Zuordnung, welche nur bei Hinzutreten der beiden weiteren Tatbestandsvoraussetzungen zur vormaligen Veräußerung zu erfolgen hat. Auf die jeweils nachfolgende Veräußerung fände diesfalls die Ziffer 2 des § 30 Abs. 4 EStG 1988 Anwendung.

3.7. Zugleich aber handelt es sich bei § 30 Abs. 4 Z 1 insgesamt um eine um den wirtschaftlichen Zusammenhang erweiterte Regelung, mit der der Gesetzgeber auch jene Fälle erfassen wollte, in denen sich die einschlägige Änderung der Widmung nach der Veräußerung ereignet hat und die er vor dem Hintergrund des Telos der Regelung für vergleichbar hielt. So ist zunächst in allen Fällen - analytisch - auf den bei Veräußerung realisierten Erlös abzustellen, unabhängig davon, zu welchem Preis der Veräußerer die Liegenschaft seinerzeit erworben hat. Dies ist - anders als nach § 30 Abs. 3 i. V. m. Abs. 5 EStG 1988 - Risiko des Veräußerers, solange nicht die Zurechnung zur letzten Veräußerung (erste Variante) wie oben dargestellt unterbrochen wird. Erst dieser Umstand könnte zu einer Besteuerung dieser unter Anwendung des § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 trotz Umwidmung führen. Da die beiden Fälle innerhalb der Z 1 einander ausschließen, aber parallel sind, käme bei Zutreffen der zweiten Variante für die auf die Widmungsänderung folgende Veräußerung nur die Z 2 des § 30 Abs. 4 EStG 1988 zur Anwendung. Die Umwidmung wäre diesfalls aus Sicht des späteren Veräußerers keine im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988.

3.8. Ansonsten kommt auch für die Beschwerdeführerin die Pauschaleinkünfteermittlung nach Z 1 selbst dann zur Anwendung, wenn im untypischen Einzelfall keine (zumindest auch) umwidmungsbedingte Wertsteigerung mehr vorläge. Eine anteilige Zurechnung der Wertsteigerung kommt innerhalb von Z. 1 nicht in Betracht. Das Gesetz sieht im § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 offensichtlich keine konkrete Ermittlung der Wertsteigerung und keine Zuordnung zu bestimmten preisbildenden Faktoren vor. Vielmehr wollte man, indem die Wertsteigerung "pauschal" mit dem - gegenüber der Z 2 höheren - Unterschiedsbetrag, nämlich jenem zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten, veranschlagt wurde, gerade das Problem vermeiden, dass bei Altgrundstücken i. d. R. keine Unterlagen für die exakte Ermittlung der Wertsteigerungen vorhanden sind (Papst, SWK 19/2012, 870 (71 FN 1) unter Verweis auf Hammerl/Mayr, StabG 2012: Die neue Grundstücksbesteuerung, RdW 2012, 167 (169)).

3.9. Im vorliegenden Fall trifft die zweite Variante aus den bereits genannten Gründen nicht zu. Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass die Realisierung im Zusammenhang mit der ersten Veräußerung wegen der absoluten Grenze in der zeitlichen Dimension der beiden Veräußerungsvorgänge insofern, als die Regelung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 Veräußerungen nach dem und somit Veräußerungen ab Inkrafttreten erfasst (und sie nicht etwa an die bereits vor Inkrafttreten verwirklichten Veräußerungsvorgänge geänderte, für den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolgen knüpft; vgl. ), keinen Besteuerungstatbestand bilden könnte.

Somit konnte im vorliegenden Fall in Anwendung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 die widmungsbedingte Wertsteigerung keiner anderen Person als der Beschwerdeführerin rechtlich zugerechnet werden. Für diese kommt daher eine Anwendung der Z 2 der genannten Bestimmung und somit die Berücksichtigung - wenngleich ebenfalls pauschaler, so doch höherer Anschaffungskosten nicht in Frage.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

b. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Sich stellende Rechtsfragen konnte das Verwaltungsgericht in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lösen. Insbesondere deshalb kommt diesen eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Im Übrigen konnte sich die Beantwortung der Fragen zwanglos auf einen insoweit klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut stützen.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100559.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100559.2018

Fundstelle(n):
GAAAF-43948