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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2025, RV/1100318/2020

Steuerfreiheit von Trinkgeldern gemäß § 3 Abs 1 Z 16a EStG; Ortsüblichkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Roman Galehr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch WTJ Steuerberatungs GmbH&Co KG, Bundesstraße 70, 6830 Rankweil, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr Finanzamt Österreich, Postfach 260, 1000 Wien) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde des Beschwerdeführers gegen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Aufgrund des in diesem Zuge elektronisch übermittelten Beschwerdeaktes der belangten Behörde, stellt sich der Verfahrensgang für das Bundesfinanzgericht wie folgt dar:

Mit Formular Verf 61 vom meldete der Beschwerdeführer der belangten Behörde die Aufnahme einer Grenzgängertätigkeit nach Liechtenstein per Oktober 2018. In diesem Zuge legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde seinen Arbeitsvertrag mit der ***1*** vor, welcher mit datiert.

Am übermittelte der Beschwerdeführer seine Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 via FON an die belangte Behörde. Darin erklärte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Lohnausweis in der Höhe von € 29.441,11.

Die belangte Behörde führte in der Folge die Veranlagung durch und erließ mit Datum - anhand der vorliegenden Unterlagen - den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019. Darin setzte sie die Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug mit € 50.755,15 an.

Mittels Eingabe via FON übermittelte der Beschwerdeführer am die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 an die belangte Behörde. Begründend führte er aus wie folgt:

"Bitte um Korrektur des Einkommensteuerbescheides 2019 dahingehend, dass die Bonuszahlungen (Trinkgeld) als solche berücksichtigt werden. Auch habe ich ausschließlich in der Nacht gearbeitet. Somit Nachtzuschlag entsprechend ebenso steuerfrei."

Am erließ die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, mit welcher sie den Erstbescheid abänderte. In der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung führte sie im Wesentlichen aus wie folgt:

"Da die Lohnzahlungen Trinkgelder zusammen mit dem Monatslohn/laufend zum Monatslohn ausbezahlt wurden, sind diese demzufolge mit dem laufenden Tarif zu besteuern. Eine begünstigte Besteuerung gemäß § 67 EStG 1988 kommt nur im Falle einer zusätzlichen Zahlung (insbesondere bei einmaligen Bezügen, wie z.B. 13. und 14. Monatslohn) neben dem laufenden Arbeitslohn in Betracht. Die Urlaubsabfindung in Höhe von € 74,00 wurde mit dem begünstigten Steuersatz gemäß § 67 (1) EStG 1988 besteuert. Auf dem Jahreslohnausweis wurden vom Arbeitgeber keinerlei Nachtzuschläge bestätigt. Somit konnten auch keine nach § 68 EStG 1988 steuerfreien Zuschläge berücksichtigt werden. Als Umrechnungskurs für den Schweizer Franken haben wir 0,885473 Euro zugrunde gelegt."

Am brachte der Beschwerdeführer via FON einen Vorlageantrag betreffend Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 bei der belangten Behörde ein. Darin führte er aus wie folgt:

"Bitte um Vorlage an höhere Instanz. Trinkgelder werden in Österreich normalerweise nicht aktenkundig. Diese sind daher nicht der Besteuerung zu unterwerfen. Eine Besteuerung der Trinkgelder widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Bitte um Korrektur des Bescheides und Aussetzung der Einhebung bis zur Klärung."

Mit Datum erließ die belangte Behörde ein Ersuchen um Ergänzung betreffend den Vorlageantrag vom selben Datum. Darin führte sie aus wie folgt:

"Bevor Ihr Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht weitergeleitet werden kann, werden Sie ersucht, die folgenden Unterlagen vorzulegen:

  • Arbeitsvertrag mit dem ausländischen Arbeitgeber

  • Trinkgeldreglement

  • sämtliche monatlichen Lohnabrechnungen von Jänner bis Dezember 2019

  • Nachweis, dass zusätzlich zum vereinbarten Gehalt ein Zuschlag für Tätigkeiten in derNacht ausbezahlt wurde.

Anmerkung: Als Nachtarbeit im steuerlichen Sinn gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die zwischen 19:00 Uhr bis 7:00 Uhr erbracht werden. Darüber ist ebenfalls ein Nachweis vorzulegen."

Die Frist zur Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung wurde bis zum gewährt.

Mittels Eingabe via FON vom übermittelte der Beschwerdeführer die folgenden Unterlagen:

• Lohnabrechnungen für den Zeitraum Jänner bis Februar 2019 und April bis Juni 2019

• Lohnabrechnungen für die Monate Juli, September, Oktober, November und Dezember 2019

• Arbeitsvertrag vom , abgeschlossen zwischen dem Beschwerdeführer und dem ausländischen Arbeitgeber.

Laut Lohnausweis des Arbeitgebers des Beschwerdeführers schlüsseln sich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wie folgt auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
  1. Bruttolohn
  1. 55.444,00
  1. Grundlohn brutto
  1. 34.746,00
  1. 13. Monatslohn
  1. 2.606,00
  1. 14. Monatslohn
  1. 2.278,00
  1. Leistungsanteil (Bonus)
  1. 452,00
  1. Überstundenzuschlag
  1. (-) 560,00
  1. Urlaubsabfindung
  1. 74,00
  1. Trinkgelder
  1. 15.848,00
  1. Total
  1. 55.444,00
  1. Beitrag an Krankenversicherung
  1. 1.500,00
  1. AHV/IV/ALV/NBU
  1. 3.541,00
  1. Pensionsversicherung
  1. 3.045
  1. FL Quellensteuer
  1. 2.217,00
  1. Krankentaggeldversicherung
  1. 203,00

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Grenzgänger nach Liechtenstein. Sein Arbeitgeber ist die ***2***. Gemäß dem Arbeitsvertrag vom ist der Beschwerdeführer als Inspector tätig.

Im Jahr 2019 hat der Beschwerdeführer Trinkgelder in der Höhe von € 15.848,00 erhalten.

In Liechtenstein ist das gewerbsmäßig oder öffentlich betriebene Glücks- und Geschicklichkeitsspiel um Geld oder andere geldwerte Vorteile im Geldspielgesetz (GSG) vom geregelt.

Art 32 GSG lautet wie folgt:

Trinkgelder

1) Trinkgelder, die für einen von der Spielbank festgelegten Kreis der Angestellten bestimmt sind, sind in die speziell dafür vorgesehenen Behälter (Tronc) einzulegen und mit gesonderter Abrechnung zu erfassen und zu belegen. Sie sind nicht Bestandteil des Bruttospielertrages. Die Spielbank legt die Verteilung des Tronc in einem Reglement fest.

2) Individuelle Trinkgelder und Zuwendungen anderer Art dürfen ausschliesslich die Mitarbeiter im persönlichen Dienstleistungsbereich annehmen, insbesondere das Restaurant- oder Garderobenpersonal.

Strittig ist, ob die Trinkgelder, welche der Beschwerdeführer erhalten hat, in Österreich der Steuerpflicht unterliegen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes fußen auf den im Zuge der Vorlage der Beschwerde übermittelten Unterlagen und der Einsichtnahme in den bei der belangten Behörde geführten elektronischen Akt des Beschwerdeführers.

Die Feststellung in Bezug auf die Grenzgängertätigkeit leitet das Bundesfinanzgericht aus dem im elektronischen Akt bei der belangten Behörde einliegenden Formular Verf 61 vom ab. Darin meldet der Beschwerdeführer den Beginn einer Grenzgängertätigkeit nach Liechtenstein per .

Die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Inspector erschließt sich dem Bundesfinanzgericht aufgrund des im Zuge der Vorlage übermittelten Arbeitsvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und seinem ausländischen Dienstgeber, welcher vom datiert.

Die Höhe des Trinkgeldes, welches der Beschwerdeführer im Jahr 2019 erhalten hat, leitet das Bundesfinanzgericht aus dem vorliegenden Lohnausweis 2019 ab, in welchem Trinkgelder in der Höhe von € 15.848,00 ausgewiesen sind.

Die gesetzliche Bestimmung des § 32 Geldspielgesetz ist dem Liechtensteinischen Landesgesetzblatt entnommen.

Das Bundesfinanzgericht hegt keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Echtheit der vorliegenden Beweismittel.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.

Die Steuerfreiheit von Trinkgeldern ist in § 3 Abs 1 Z 16a EStG geregelt. § 3 Abs 1 Z 16a EStG lautet wie folgt:

Steuerfrei sind "ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist".

Vor der Einführung der Steuerbefreiung (mit BGBl I 2005/35) waren Trinkgelder Gehaltsbestandteile und somit steuerpflichtig. Tatsächlich erfasst wurden allerdings nur Kreditkartentrinkgelder im Wege des Lohnsteuerabzugs; bar zugewendete Trinkgelder hätten vom Dienstnehmer im Rahmen der Veranlagung versteuert werden müssen. Da eine Überwachung durch den Arbeitgeber sowie Überprüfung im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen bar zugewendeter Trinkgelder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich gewesen wäre, wurde aus Gründen der Verfahrensökonomie die Steuerbefreiung eingeführt.

Nach dem VfGH sind Charakteristika des Trinkgeldes die Abhängigkeit vom freigebigen Kundenverhalten, der unmittelbare Zusammenhang mit dem persönlichen Einsatz des Dienstnehmers und ein fehlender Rechtsanspruch aus dem Dienstverhältnis (; ebenso E , 2009/15/0173; vgl auch § 3 Z 51 dEStG; BFH, BStBl 2009 II 820; BFH, BStBl 2007 II 712 zur Abgrenzung von Sonderzahlungen). Derartige Trinkgelder bar oder mittels Kreditkarte sind von der Lohnsteuer, dem Dienstgeberbeitrag und der Kommunalsteuer befreit.

Bezieher betrieblicher Einkünfte können nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen ().

Die Steuerfreiheit für Trinkgelder stieß auf verfassungsrechtliche Bedenken. Es schien nicht sachgerecht, dass Entgelte von dritter Seite unter den im Gesetz angeführten Voraussetzungen steuerfrei sind. Da sich das Trinkgeld zudem am Rechnungsbetrag orientiere, ist das Trinkgeld in höherpreisigen Lokalen insgesamt erheblich höher als in anderen Lokalen, weshalb auch eine Durchschnittsbetrachtung nicht möglich sei. Derartige Bedenken wurden vom VfGH nicht geteilt.

Danach ist die Steuerfreiheit von ortsüblichen Trinkgeldern einschließlich der Steuerpflicht von Trinkgeldern, dessen direkte Annahme dem Arbeitnehmer verboten ist, verfassungsrechtlich zulässig (), wonach die Erfassungsprobleme der Verwaltung einschließlich der zu erwartenden Einsprüche sowie die Involvierung eines unbeteiligten

Dritten als Trinkgeldgeber rechtfertigend wirken.

Für die Steuerfreiheit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

- Ortsüblichkeit der Zuwendung,

- Zuwendung an den Arbeitnehmer anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite,

- Freiwilligkeit der Zuwendung sowie

- Zulässigkeit der Annahme der Zuwendung (kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Verbot der Annahme) (vgl hierzu Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz23, RZ 197 zu § 3).

Die Annahme des Trinkgeldes darf nicht aufgrund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen verboten sein. Damit sind ua jene Bestimmungen gemeint, die eine Annahme von Zuwendungen strafrechtlich sanktionieren. Geschenkannahmen durch Beamte, durch leitende Angestellte eines öffentlichen Unternehmens, durch Sachverständige, durch Mitarbeiter und sachverständige Berater (§§ 304 ff StGB). Verschiedene weitere Bundes- und Landesgesetze enthalten weitere Verbote (zB § 59 BDG; § 42 NÖ LBG; § 27 GSpG;) (vgl hierzu Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz23, RZ 202 zu § 3).

Laut dem vorliegenden Dienstvertrag, ist der Beschwerdeführer bei seinem liechtensteinischen Arbeitgeber als Inspector tätig.

Art 32 Abs 2 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes (GSG) erlaubt die Annahme individueller Trinkgelder und Zuwendungen anderer Art ausschließlich Mitarbeitern im persönlichen Dienstleistungsbereich. Dazu zählt das Restaurant- und Garderobepersonal.

Der Beschwerdeführer gehört als Inspector nicht zu dem in Art 32 Abs 2 GSG definierten Personenkreis von Mitarbeitern. Ihm ist die Annahme von Trinkgeldern somit aufgrund der Bestimmung des Art 32 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes (GSG) untersagt.

Stellt man den Jahresbruttolohn und die Summe der Trinkgelder einander gegenüber, so ist für den beschwerdegegenständlichen Fall zu sagen, dass diese wohl nicht mehr als ortsübliches Trinkgeld bezeichnet werden können.

Die Trinkgelder belaufen sich auf mehr als 25% des Bruttolohnes. Von dem in der gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 16a EStG normierten Charakter eines ortsüblichen Trinkgeldes kann diesbezüglich nicht mehr gesprochen werden.

Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern gemäß § 3 Abs 1 Z 16a EStG liegt somit im beschwerdegegenständlichen Fall mehrfach nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall liegen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die im vorliegenden Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche in der bisherigen Judikatur des VfGH bzw VwGH bereits beantwortet wurden und um solche, welche im Gesetz klar und eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der gegenständliche Beschwerdefall von der Lösung nicht über den Einzelfall hinausgehender Sachverhaltsfragen ab.

Die ordentliche Revision ist damit nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.1100318.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at