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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2025, RV/5100836/2024

Wiederholter Antritt zur Reifeprüfung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***2***, mit dem ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***K*** (VNR ***1***) für den Zeitraum ab Februar 2024 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Die am ***x***.2003 geborene und damit am ***x***.2021 volljährig gewordene Tochter der Beschwerdeführerin hat die Bundeshandelsakademie in ***3*** besucht. Im Schuljahr 2022/23 war sie Schülerin des fünften Jahrganges (13. Schulstufe), konnte diesen zum Ende des Sommersemesters allerdings nicht positiv abschließen, da sie in zwei Fächern (Mathematik und Unternehmensrechnung) negativ beurteilt worden war. Die Wiederholungsprüfungen hat sie im Herbst 2023 bestanden.

Anschließend ist sie zum Herbsttermin 2023 auch zur Reifeprüfung angetreten, hat diese aber in zwei Fächern - laut Angaben der Schülerin in Mathematik und "UNCO" (gemeint offenbar Unternehmensrechnung mit Computerunterstützung) - nicht bestanden.

Im Jänner 2024 ist sie zur Wiederholung der Reifeprüfung angetreten und hat dabei die Prüfung in Mathematik positiv abgelegt. Das zweite Fach wurde erst beim Antritt zur Wiederholungsprüfung zum Sommertermin 2024 positiv abgelegt. Zeugnisse oder sonstige Bestätigungen zu den negativen Beurteilungen der Reifeprüfung wurden trotz wiederholter Aufforderung durch das Finanzamt nicht vorgelegt; aktenkundig ist lediglich das positive Reife- und Diplomprüfungszeugnis vom , das im Zuge des verfahrensgegenständlichen Beihilfenantrages übermittelt worden war.

Nachdem die Beschwerdeführerin in Beantwortung eines Überprüfungsschreibens vom dem Finanzamt am mitgeteilt hatte, dass ihre Tochter erst im Mai 2024 zur letzten noch offenen Maturaprüfung antreten werde, forderte das Finanzamt mit Vorhalt vom Nachweise zu den bisher erfolgten Antritten zur Reifeprüfung an.

Da diese Nachweise nicht vorgelegt worden waren, teilte das Finanzamt der Beschwerdeführerin am mit, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter mit Ende Jänner 2024 weggefallen sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ab Februar 2024 und legte dazu das Reife- und Diplomprüfungszeugnis vom vor, in dem die Schülerin nunmehr in allen Fächern positiv beurteilt worden war.

Das Finanzamt forderte mit Vorhalt vom unter anderem (nochmals) Unterlagen zu den Prüfungsantritten zur Reifeprüfung an. Ferner sollte die Beschwerdeführerin mitteilen, wie sich ihre Tochter auf die Wiederholungsprüfungen vorbereitet habe.

In der von der Tochter der Beschwerdeführerin dazu abgegebenen Stellungnahme vom wurden die Prüfungsantritte zur Reifeprüfung dargestellt. Um die zunächst nicht bestandenen Teilprüfungen positiv abzulegen, habe sie Nachhilfeunterricht nehmen müssen. Nähere Angaben dazu wurden nicht gemacht.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Beihilfenantrag vom ab. Familienbeihilfe stehe nur bei einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Ausbildung zu. Das sei nur dann der Fall, wenn das Kind dafür die volle Zeit verwende und in angemessener Zeit zu den Prüfungen antrete. Das treffe bei der Tochter der Beschwerdeführerin nicht zu. Diese sei nach erfolglosem Antritt zur Reifeprüfung im Herbst 2023 zur ersten Wiederholungsprüfung im Jänner 2024 angetreten, habe aber dabei nur das Fach Mathematik positiv abgelegt. Ab Februar 2024 könne daher nicht mehr von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung gesprochen werden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin wies die Beschwerdeführerin zum Vorwurf, ihre Tochter habe nicht die volle Zeit für die Ausbildung verwendet, darauf hin, dass diese "mehrmals zur Nachhilfe" gegangen sei. Dem Einwand, ihre Tochter sei nicht in angemessener Zeit zu den Prüfungen angetreten, hielt sie entgegen, dass sie sich die Termine für die Reifeprüfungen nicht aussuchen habe können, da die Maturatermine zentral vergeben würden.

Daraufhin forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin am auf, Nachweise über die Anzahl der besuchten Nachhilfestunden pro Woche im Zeitraum Februar bis Juni 2024, sowie eine Aufstellung über die Wochenstunden zur Vorbereitung im Selbststudium (auf die noch ausständig gewesene Teilprüfung der Reifeprüfung) im selben Zeitraum vorzulegen.

In der Stellungnahme vom gab die Beschwerdeführerin dazu an: "Ich wollte Ihnen mitteilen, dass meine Tochter ***K*** selbst für die Prüfung gelernt hat ohne Nachhilfestunden, ungefähr 10 Stunden pro Woche in dem Zeitraum Feb - Jun!"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab. In der Begründung wurde auf die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG 1967) hingewiesen. Demnach müsse eine solche insbesondere die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Ihre Tochter habe im strittigen Zeitraum ab Februar 2024 wöchentlichen nur zehn Stunden für die Vorbereitung auf die Wiederholung der Reifeprüfung im Sommer 2024 aufgewendet. Durch diese geringe Anzahl an wöchentlichen Lernstunden habe die Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen und liege ab Februar 2024 daher keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vor.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem die Beschwerdeführerin ausführte: "Hätte meine Tochter, ***K***, nicht die volle Zeit genutzt zum Lernen, hätte sie die Prüfung nicht geschafft! Mit den 10h/Woche habe ich nur eine x-beliebige Zahl aufgeschrieben, da wir die Stunden die zum Lernen benötigt wurden nicht aufgeschrieben haben (bzw. nicht wussten, dass wir das hätten tun sollen). Meine Tochter hat an einem Tag mehr gelernt, deswegen kann man nicht davon ausgehen, dass sie pro Tag nur 2 h gelernt hat. Außerdem hat sie nicht nur die Zeit genutzt Zuhause zu lernen, sondern hat sich auch mit einer ehemaligen Maturantin in der Schule getroffen und mit ihr mehrmals in den gesamten Monaten geübt Sie hat auch mehrmals Übungen wiederholt, die viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und auch viele Schularbeiten oder alte Maturen durchgeübt und mehrmals wiederholt. Wenn man den Lernstoff von den ganzen 5 Jahren nimmt, sind es ganze 5 dicke Bücher, die sie zum Lernen gebraucht hat, natürlich nimmt dies auch sehr viel Zeit in Anspruch um zu Lernen, Merken, und Beispiele auszuarbeiten!"

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

Dem AJ-WEB Auskunftsverfahren der österreichischen Sozialversicherung ist zu entnehmen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis geringfügig beschäftigte Angestellte bei der ***4*** war.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Zum zeitlichen Umfang der Vorbereitung auf die letzte Teilprüfung der Matura gab die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom an, dass ihre Tochter im Zeitraum Februar bis Juni 2024 wöchentlich ungefähr zehn Stunden gelernt habe, ohne Nachhilfestunden in Anspruch zu nehmen.

Diese Angaben entsprechen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Lern-, Übungs- und Wiederholungsaufwand für einen einzigen Unterrichtsgegenstand, auch wenn es sich um Mathematik oder wie gegenständlich um Unternehmensrechnung handelt, nimmt bei einem über mehrere Monate verteilten Lernen regelmäßig nicht deutlich mehr als zehn Wochenstunden in allen Monaten in Anspruch (). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes kann nicht angenommen werden, dass für die Vorbereitung zu einer Wiederholungsprüfung in lediglich einem Fach ein Zeitaufwand von rund 30 Wochenstunden über mehrere Monate erforderlich ist ( mit Hinweis auf ).

Im Vorlageantrag hat die Beschwerdeführerin zwar behauptet, dass sie "mit den 10h/Woche nur eine x-beliebige Zahl aufgeschrieben habe", ohne allerdings den ihrer Ansicht nach zutreffenden wöchentlichen Zeitaufwand näher zu konkretisieren oder nachvollziehbar glaubhaft zu machen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände geht das Bundesfinanzgericht daher von der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom aus, die auch der dargestellten allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, sodass ein wöchentlicher Zeitaufwand für die Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung im letzten Maturafach von rund zehn Stunden festgestellt wird.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Zur Frage, wann eine solche Berufungsausbildung im Sinne des FLAG anzunehmen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die dazu vorliegen müssen (vgl. etwa VwGH, , Ra 2018/16/0203 und , jeweils mwN). Unter den Begriff der Berufungsausbildung fallen demnach alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Überdies kommt es auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, und muss die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. jüngst etwa mwN).

Was unter dieser "vollen Zeit" zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich eine klare Aussage. Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der Verwaltungsgerichtshof nur allgemein aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 39 mit Hinweis auf ).

Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der überwiegenden Judikatur des Unabhängigen Finanzsenates und des Bundesfinanzgerichtes als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden, wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 40 mit Hinweis auf RV/0121-F/07; ; ; ; vgl. aus der jüngeren Judikatur des Bundesfinanzgerichtes etwa auch und ).

Der im gegenständlichen Fall aufgewendete zeitliche Umfang der Vorbereitung auf die letzte Teilprüfung der Reifeprüfung im Ausmaß von durchschnittlich zehn Wochenstunden genügt diesen Anforderungen nicht. Das Finanzamt ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass in den Monaten Februar bis Juni 2024 keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG mehr vorgelegen ist. Dieses Ergebnis steht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch im Einklang mit den Intentionen des Gesetzgebers, dem im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unterstellt werden kann, dass er einen gleichsam unbefristeten Beihilfenanspruch vorgesehen hätte, solange ein Schüler zu Wiederholungsprüfungen zur Matura antritt. Je mehr Prüfungsantritte erforderlich sind und je länger es damit dauert, alle Teilprüfungen positiv abzulegen, desto weniger sind die Voraussetzungen für den Beihilfenanspruch gegeben, da in solchen Fällen regelmäßig auch das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg nicht im erforderlichen Ausmaß vorliegt, was ursächlich dafür ist, dass die Ablegung der Reifeprüfung in einem angemessenen Zeitraum nicht gelingt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.


Linz, am

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