Auslegung von Parteianbringen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch Rechtsanwaltssozietät Schnalzer & Auner OG, Bismarckstraße 5, 8280 Fürstenfeld, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Bewilligung einer Abschlagszahlung zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Bei der Beschwerdeführerin (Bf) handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, die Reinigungsleistungen erbringt.
Mit Schreiben vom richtete die Bf durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter folgenden Antrag an das Finanzamt (wörtlich wiedergegeben):
"Antrag auf Gewährung von Zahlungserleichterung
(…)
Mit ha Umsatzsteuerbescheid vom für das Jahr 2019 wurde eine Abgabenforderung von marginal € 0,01 festgelegt, mit ha Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2020 wurde die Umsatzsteuer bzw eine Abgabennachforderung von € 79.386,00 bzw mit Bescheid vom für das Kalenderjahr 2021 an Umsatzsteuer eine Abgabenforderung von € 94.070,00 festgesetzt.
Es ergibt sich sohin eine Gesamtforderung von € 173.456,00.
Vorerst muss ausgeführt werden, dass eine Begleichung der gesamten Abgabenforderung unter einem für die Abgabenschuldnerin nicht bzw nur unter unzumutbarem unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Aufwand möglich wäre.
Die Abgabenschuldnerin hat betriebliche Fixkosten von ca € 146.700,00 monatlich bzw im Falle erhöhter Gehaltszahlungen von ca monatlich € 273.200,00 zu bewerkstelligen und ist daher die Begleichung der gesamten Abgabenforderung für die Abgabenschuldnerin mit unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Härte verbunden.
Abgesehen von den betrieblich notwendigen Betriebsmitteln, Kfz und sonstigen Fahrnissen verfügt die Abgabenschuldnerin über kein namhaftes verwertbares Vermögen. Für den Fall, dass die Abgabennachforderung unter einem zur Gänze fällig bzw zur Zahlung gebracht werden müsste, muss ausgeführt werden, dass nur dies unter Zuhilfenahme finanzieller Mittel von dritter Seite möglich wäre.
Zur gegenwärtigen Situation auf dem Finanz- bzw Kapitalmarkt muss ausgeführt werden, dass der Steuerschuldnerin mangels entsprechender Sicherheiten die Aufnahme entsprechender Kredite in der aktuellen Situation nicht möglich wäre und daher eine derartige Finanzierungsvariante von vornherein ausscheidet.
Sollte daher die Abgabenforderung zur Zahlung fällig werden, verbliebe der Steuerschuldnerin lediglich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wobei hier auch mangels verwertbaren Vermögens ohnehin mit einem Quotenergebnis im niedrigen einstelligen Bereich zu rechnen wäre und dies daher für sämtliche Gläubiger die zweifellos wirtschaftlich ungünstigste Variante darstellen würde.
Die Abgabenschuldnerin stellt daher durch ihre umseits ausgewiesenen Rechtsfreunde den Antrag, die Abgabenforderungen von insgesamt € 173.456,00 auf den Abschlagsbetrag von € 70.000,00 herabzusetzen und der Abgabenschuldnerin insofern Zahlungserleichterung zu gewähren, als der Abschlagsbetrag von € 70.000,00 in gleichen Teilbeträgen zu je € 17.500,00 jeweils am 31.3., 30.6., 30.9. und zur Zahlung fällig wird."
Das Finanzamt wertete dieses Antragsschreiben dahingehend, dass es darin zwei gesonderte Anträge sah, nämlich einerseits einen "Antrag auf Abschlagszahlung" und andererseits einen Antrag auf Gewährung einer Zahlungserleichterung (§ 212 BAO).
Am erließ das Finanzamt einen den "Antrag auf Abschlagszahlung" abweisenden Bescheid (der den Antrag auf Gewährung einer Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO erledigende Bescheid vom ist hier nicht verfahrensgegenständlich). Begründend führte es wie folgt aus (wörtlich wiedergegeben):
"Mit den Bescheiden über die Wiederaufnahme des Verfahrens wurden unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung mit die Umsatzsteuern für 2019-2021 im Gesamtbetrag von 173.456,01 Euro auf dem Steuerkonto festgesetzt.
Aufgrund der Feststellungen im Prüfbericht und der darin angeführten Versäumnisse in der Führung der Buchhaltungs- und Geschäftsunterlagen sowie der Unterlassung der entsprechenden Offenlegungspflicht wird unsererseits festgehalten, dass dies nicht zu einer Erleichterung bei der Entrichtung der Abgabenschuld führen kann.
Diese selbst verursachte "besondere Härte" stellt somit keinesfalls einen Grund für eine Herabsetzung der Abgabenschuld im Rahmen einer Abschlagszahlung dar.
Ihrem Antrag war daher kein Erfolg beschieden."
Dem hielt die Bf durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter in der Beschwerde vom im Wesentlichen entgegen, das Finanzamt habe sich mit den Ausführungen im Antrag vom in keinster Weise auseinandergesetzt. Das Finanzamt sei in keinster Weise auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf eingegangen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Spruch des angefochtenen (abweisenden) Bescheides dahingehend ab, dass der "Antrag auf Abschlagszahlung" zurückgewiesen wird. Begründend führte es aus, die BAO sehe einen Antrag auf Bewilligung einer Abschlagszahlung nicht vor. Mit dem Schriftsatz vom sei daher ein in der BAO nicht vorgesehenes Verhalten des Finanzamtes begehrt worden. Ein solches Anbringen sei nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
Mit Eingabe vom begehrte die Bf durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
In der Folge legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom führte es im Wesentlichen aus, strittig sei, ob die Zurückweisung des "Antrages auf Abschlagszahlung" zu Recht erfolgt sei. Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt worden sei, sehe die BAO einen solchen Antrag nicht vor. Aus der Rechtsprechung des VwGH gehe hervor, dass unzulässige Anbringen, sprich auch das gegenständliche, zurückzuweisen seien. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass für eine Umdeutung des Anbringens iSd § 85 BAO kein Raum gegeben sei, weil der Wortlaut des Begehrens klar sei und das Anbringen von einem steuerlichen Vertreter (und nicht von einem rechtsunkundigen Abgabepflichtigen) eingebracht worden sei. Aufgrund der - nach Ansicht des Finanzamtes - klaren Rechtslage bedürfe es keiner weiteren (ausführlicheren) Stellungnahme.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt:
Die Bf, eine im Jahr 2018 errichtete Kommanditgesellschaft, die Reinigungsleistungen erbringt, brachte mit Schreiben vom durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter einen mit "Antrag auf Gewährung von Zahlungserleichterung" titulierten Antrag ein. Der Inhalt dieses Antragsschreibens wurde bereits unter Punkt I. "Verfahrensgang" wörtlich wiedergegeben.
Das Finanzamt wertete dieses Antragsschreiben dahingehend, dass es darin zwei gesonderte Anträge sah, nämlich einerseits einen "Antrag auf Abschlagszahlung" und andererseits einen Antrag auf Gewährung einer Zahlungserleichterung (§ 212 BAO).
Am erließ das Finanzamt einen den "Antrag auf Abschlagszahlung" abweisenden Bescheid. Die Bescheidbegründung wurde bereits unter Punkt I. "Verfahrensgang" wörtlich wiedergegeben.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich allesamt aus den im Akt einliegenden Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. (ersatzlose Aufhebung):
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl etwa , mit Hinweisen auf Vorjudikatur; siehe etwa auch Ritz/Koran, BAO7 § 85 Tz 1, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH). Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl etwa , mit Hinweisen auf Vorjudikatur).
Ausgehend von diesen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Auslegung von Parteianbringen ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall Folgendes: Der im Schreiben vom gestellte "Antrag, die Abgabenforderungen von insgesamt € 173.456,00 auf den Abschlagsbetrag von € 70.000,00 herabzusetzen", ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes objektiv dahingehend zu verstehen, dass die Bf den entsprechenden Differenzbetrag nachgesehen haben möchte. Das betreffende Ansuchen ist als Antrag auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO zu werten. Dafür spricht auch die im Schreiben vom angeführte Begründung, in welcher die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Vermögenssituation der Bf dargestellt werden und darauf verwiesen wird, dass die Bf nicht imstande sei, den vollen Abgabenbetrag zu entrichten. Andernfalls drohe der Bf ein Insolvenzverfahren. Die Bf möchte damit unzweifelhaft einen Fall persönlicher Unbilligkeit iSd § 236 BAO aufzeigen (vgl dazu die Rechtsprechung des VwGH, wonach sich eine persönliche Unbilligkeit aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers ergibt; sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen; dazu etwa ; ). Der Umstand, dass im Schreiben vom nicht explizit die Bezeichnung "(teilweise) Nachsicht" verwendet wird, sondern stattdessen von einem "Abschlagsbetrag" die Rede ist, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, kommt es nach der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung doch gerade nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes.
Wenn das Finanzamt im Vorlagebericht einwendet, für eine "Umdeutung" des Anbringens iSd § 85 BAO sei kein Raum gegeben, weil das Anbringen von einem steuerlichen Vertreter (und nicht von einem rechtsunkundigen Abgabepflichtigen) eingebracht worden sei, so ist hiezu zu bemerken, dass die Qualifikation des gegenständlichen Antrages als Antrag auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO keine "Umdeutung" eines Anbringens, sondern vielmehr das (eindeutige) Auslegungsergebnis unter Zugrundelegung der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Auslegung von Parteianbringen darstellt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das gegenständliche Anbringen von einem beruflichen Parteienvertreter eingebracht wurde.
Der Vollständigkeit halber wird auf Folgendes hingewiesen: In seinem Beschluss vom , Ra 2020/13/0046, führte der VwGH aus, dass zwar grundsätzlich davon auszugehen sei, dass ein beruflicher Parteienvertreter einen Antrag im Namen seines Mandanten klar zum Ausdruck bringe, es jedoch vorkommen könne, dass (ausnahmsweise) auch berufliche Parteienvertreter Anträge so verfassen, dass sie undeutlich seien. Diesfalls sei die Absicht der Partei zu erforschen. Dazu wird seitens des Bundesfinanzgerichtes angemerkt, dass ein solcher Fall gegenständlich nicht vorliegt, weil - wie bereits oben dargelegt wurde - der Inhalt des Anbringens klar erkennen lässt, was die Bf anstrebt.
In Verkennung der oben dargestellten Grundsätze der Auslegung von Parteianbringen hat das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid nicht über einen Antrag auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO, sondern über einen "Antrag auf Abschlagszahlung" abgesprochen. Weder dem Spruch des angefochtenen Bescheides noch dessen Begründung sind Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass es sich dabei um die Erledigung eines Antrages auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO handeln würde. Bestätigung findet dies in den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlagebericht, wo ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen "Antrag auf Abschlagszahlung" handle, den die BAO nicht kenne.
Indem das Finanzamt den gegenständlichen Antrag als "Antrag auf Abschlagszahlung" - und nicht als Antrag auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO - gewertet hat, hat es mit dem angefochtenen Bescheid über einen Antrag abgesprochen, der in dieser Form nicht gestellt wurde. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzamt wird in weiterer Folge über den gegenständlichen Antrag auf (teilweise) Nachsicht iSd § 236 BAO abzusprechen haben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die vertretbare Auslegung eines Antrages geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl etwa ; ). Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind demnach nicht erfüllt.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
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ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100692.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at