Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren nach Selbstanzeige - Verjährung; keine neuen Tatsachen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO der Verfahren Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 und Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die angefochtenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO der Verfahren Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2011 werden abgeändert. Die Anträge auf Wiederaufnahme dieser Verfahren werden zurückgewiesen.
Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO der Verfahren Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 und Einkommensteuer für die Jahre 2012 und 2013 wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer brachte beim Finanzamt mit Schreiben vom durch seinen steuerlichen Vertreter eine "Offenlegung gemäß § 29 FinStrG" ein, in welcher er bisher nicht erklärte Einnahmen aus seiner im Rahmen eines Werkvertrages mit der ***3*** ***4*** GesmbH (vormals ***2*** GesmbH) ausgeübten Tätigkeit bekannt gab. Die Einnahmen in den Jahren 2011 bis 2013 und in den Voranmeldungsmonaten Jänner bis September 2014 seien weder einkommensteuerlich noch umsatzsteuerlich erklärt oder abgeführt worden.
Das Finanzamt erließ am den Angaben in der Offenlegung folgende Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013 und Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für 01-03/2014, 04-06/2014 sowie 07-09/2014. Am erließ das Finanzamt den Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2014.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme der Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013 und Festsetzung von Umsatzsteuer für 01-03/2014, 04-06/2014 sowie 07-09/2014. Begründend wurde im Wesentlichen auf ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien (GZ ***8***) verwiesen, welches durch einen Vergleich am abgeschlossen worden sei.
Die belangte Behörde wies den Antrag auf Wiederaufnahme der angeführten Verfahren mit Bescheiden vom als unbegründet ab und führte begründend Folgendes aus:
"Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme gem. § 304 BAO nur zulässig, wenn sie vor Eintritt der Verjährung beantragt wird oder innerhalb von drei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides beantragt oder durchgeführt wird. Keine der beiden Möglichkeiten ist erfüllt. Aus diesem Grund war der Antrag auf Wiederaufnahme als verspätet zurückzuweisen.
Selbst bei Außerachtlassung der Verjährung wäre dem Wiederaufnahmeantrag kein Erfolg beschieden, da es bei der Antragswiederaufnahme beim Neuerungstatbestand auf die Sicht des Antragstellers ankommt, ob eine Tatsache oder ein Beweismittel als neu hervorgekommen zu beurteilen ist. Sie haben aber keine Beweismittel vorgelegt bzw. Tatsachen genannt, die bereits vor Bescheiderlassung exisitiert, Ihnen aber bis dato unbekannt gewesen wären."
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 und begründete diese wie folgt:
"Beschwerdegrund:
Ich darf nachfolgende Unterlagen für die Wiederaufnahme der oben genannten Bescheide aufgrund Neuerungstatbestände nachreichen sowie Beweismittel bzw. Tatsachen vorlegen, welche vor Bescheiderlassung existiert mir bis dato unbekannt waren:
1) Vor Bescheiderlassung war für mich die Einstufung meiner Einkünfte aus Werkvertrag mit der Fa. ***3*** GesmbH für die Jahre 2011 bis 2014 nicht eindeutig, ich diese daraufhin mit meiner Offenlegung vom als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angezeigt habe (siehe Beilage 1).
Da ich aber persönlich und wirtschaftlich von der Fa. ***3*** GesmbH abhängig war, handelt es sich aus heutiger Sicht um ein verdecktes Dienstverhältnis, weshalb ich als Dienstnehmer für die Jahre 2011 bis 2014 nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes einzustufen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang läuft ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht betreffend Einstufung der SV Pflicht gemäß § 194 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes in Verbindung mit den § 409 und § 410 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (siehe Beilage 2).
2) Diesbezüglich sollte, da aufgrund meiner Offenlegung vom ein Finanzstrafverfahren Finanzvergehen gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG (siehe Beilage 3) im Jahr 2016 eingeleitet wurde, vom Finanzamt auch eine Einordnung, ob Werkvertrag oder verdecktes Dienstverhältnis aus heutiger Sicht vorliegt, stattfinden.
Für meine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit darf ich folgende Beweismittel anführen:
Jahr 2011: Unterzeichneter ***3*** Verhaltenskodex (siehe Beilage 4).
Jahr 2011: interner ***3*** Mailverkehr betreffend verdecktes Dienstverhältnis (siehe Beilage 5). Jahr 2013: von ***3*** erstellter und gestalteter Nachtrag zu Werkvertrag (siehe Beilage 6).
Jahr 2015: Gehaltsberechnungen 2012 bis 2014 (siehe Beilage 7).
Im Zusammenhang mit meiner Offenlegung habe ich um Bewilligung der Inanspruchnahme von Zahlungserleichterung in Form von monatlichen Raten ersucht, welches vom Finanzamt im Jahr 2015 abgewiesen wurde. Diesbezüglich habe ich eine Beschwerde beim BFG eingereicht, welche im Jahr 2021 als unbegründet abgewiesen wurde (siehe Beilage 8). Diesbezüglich sollte, falls aus heutiger Sicht kein Finanzstrafvergehen gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 (FinStrG) meinerseits vorgelegen hat, vom Finanzamt ein Neuerungstatbestand dem BFG vorgelegt werden.
Verjährung:
Ich darf das Finanzamt um Überprüfung ersuchen, ob aufgrund der oben angeführten Amtshandlungen und schriftliche Erledigung (Finanzstrafverfahren, Beschwerde BFG) sich dadurch fristverlängernde Wirkungen für die Jahre 2011 bis 2014 ergeben haben."
Mit Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 262 BAO vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 als unbegründet ab. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
"Wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, sind Einkommensteuer 2012-2013 sowie Umsatzsteuer 2012-2014 bereits verjährt. Wenn in der Beschwerde auf das BFG-Verfahren betreffend Zahlungserleichterungen bzw. ein Finanzstrafverfahren verwiesen wird, dann ist dazu auszuführen, dass dieses Verfahren nicht dazu diente, einen Abgabenanspruch, insbesondere nicht den betreffend der genannten Abgaben, geltend zu machen. Darüber hinaus sind Verwaltungsgerichte keine Abgabenbehörden (iSd § 209 Abs 1 BAO), ihre Ermittlungshandlungen stellen daher keine Verlängerungshandlungen dar. Es gab auch keine Verfolgungshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 letzter Satz durch die Finanzstrafbehörde in den entsprechenden Jahren."
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer fristgerecht den Antrag auf Vorlage der Beschwerde vom zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht und brachte folgende Ergänzungen vor:
"Ergänzend möchte ich anführen, dass Ermittlungshandlungen erst im Jahr 2021 vom BFG betreffend mein Ansuchen auf Zahlungserleichterung stattgefunden haben.
Übergabe der Akten bzw. Bericht vom Finanzamt an das BFG aufgrund Vorlageerinnerung im Jahr 2021 und Vorlagenbericht vom aus meiner Sicht Verlängerungshandlungen der Abgabenbehörde der Jahre 2011-2014 darstellen (siehe BFG GZ. RV/7102357/2021, S. 4 vom und Schreiben ans FA vom ).
Zusätzlich die Bearbeitung meines Ansuchens auch im Finanz Online (2015 bis 2022) angemerkt war und somit die Verjährung unterbrochen bzw. aus meiner Sicht keine absolute Verjährung 2011-2014 erfolgt sein kann.
Des Weiteren darf ich auf meine Anfragen an das Finanzamt vom und vom hinsichtlich der Bearbeitung meines Ansuchens auf Zahlungserleichterung hinweisen und sehe diesbezüglich auch keine Verjährung der Jahre 2011-2014 (siehe Finanz Online Ausdruck vom ).
Außerdem ich aufgrund des BFG-Verfahrens auf den ***3*** Schriftsatz - insbesondere den Gehaltsberechnungen der Personalverrechnung der ***3*** GmbH iHv. € 94.290, - aufmerksam geworden bin, diese mit den von mir angezeigten Umsatzerlöse iHv. € 94.290, - übereinstimmen und für mich neu hervorgekommene Tatsachen für die Wiederaufnahme der Jahre 2011 bis 2014 darstellen (siehe Ansuchen auf Wiederaufnahme vom und ***3*** Schriftsatz vom , S.13 und 14).
Ergänzungen Finanzstrafverfahren
Aufgrund meiner Offenlegung wurden nachfolgende Jahre aufgerollt und veranlagt:
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2011 | 2012 | 2013 | 1 -3/2014 | |
Nachzahlung Einkommensteuer | 10.512,00 | 9.654,00 | 11.144,00 | |
Nachzahlung Umsatzsteuer | 5.460,92 | 5.446,67 | 5.692,44 | 4.703,49 |
Gesamt | 15.972,92 | 15.100,67 | 16.836,44 | 4.703,49 |
Nachzahlung veranlagt gesamt € 52.896,50 (siehe Offenlegung vom , Seite 3)
Hinsichtlich der offenen Nachzahlungen iHv. 52.896,50 - ein sofortiges Begleichen war meinerseits nicht möglich, der Antrag auf Zahlungserleichterung (monatliche Raten iHv. € 2.236, -) vom Finanzamt abgewiesen - wurde ein Finanzstrafverfahren 2016 gegen mich als Einzelunternehmer eingeleitet und stellt bis zur Einstellung 2017 für mich Verlängerungshandlungen für 2011-2014 dar (siehe Beilage Finanzstrafverfahren vom und Einstellungsverfahren vom ).
Neu hervorgekommene Tatsachen
Obwohl das Finanzstrafverfahren im Jahr 2017 eingestellt wurde, bin ich der Meinung, dass eine Überprüfung des Vertragstyps (Werkvertrag oder verdecktes Dienstverhältnis) vom Finanzamt aufgrund der Beilagen A, B und C erfolgen sollte (siehe Offenlegung vom, Beilage A von ***3*** erstellter Nachtrag zum Werkvertrag vom , Beilage B unterschriebener ***3*** Verhaltenskodex vom , Beilage C Mahnklage an ***3*** ).
Insbesondere auch der Höhe nach, da die ***3*** Gehaltsberechnungen mit den Umsatzerlösen aus den berichtigten E&A Rechnung aus meiner Offenlegung übereinstimmt:
***3*** Gehaltsberechnungen (2012-2014) brutto € 94.290,
(siehe ***3*** Schriftsatz vom , Seite 13 und 14 Gehaltsberechnung, Beilage 19
HN 2012 bis 2014 vorgelegt durch Rechtsanwaltskanzlei ***5***, ***3*** Schriftsatz vom , Seite 5 und 6 Gehaltsberechnung und Beilage 11 Lieferanten OP Liste (Ausdruck Konto 300113 ***Bf1***) 8.2013 bis 8.2014 vorgelegt durch RA ***5***).
Offengelegter Umsatz brutto € 94.290,-
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2012 HN ***7*** | € 26.425, - |
2013 HN ***7*** | € 27.700, - |
2014 HN ***7*** UVA 1 bis 3. Q 2014 | € 24.450, - |
gesamt offengelegter Umsatz (2012-2014) | € 78.575, - |
20% USt (2012-2014) | € 15.715, - (Nachzahlung Offenlegung) |
(siehe Offenlegung /Beilage E und Beilage G
berichtigte E&A 2012 bis 2013 und berichtigte UVA 1-9.2014)
Betreffend 2011 darf ich einen Kontenausdruck übermitteln, welcher genau mit dem offengelegten Umsatz 2011 übereinstimmt.
Offengelegter Umsatz 2011 netto € 25.700,
(siehe E&A 2011, Offenlegung vom / Beilage E)
***3*** GmbH Aufwand 2011 laut Konto 684000 Aushilfskräfte netto € 25.700,
(siehe Konto 684000 Aushilfskräfte vom der ***3*** GmbH)
Gewünschte Änderung
Falls neu hervorgekommene Tatsachen (Gehaltsberechnung, keine Umsatzerlöse aus Gewerbebetrieb, verdecktes Dienstverhältnis) vom Finanzamt anerkannt werden, ersuche ich die Bescheide ESt und USt wiederaufzunehmen und die gewünschten ESt und USt Änderung sowie Zinsen wie in der Beschwerde vom angeführt durchzuführen.
Zusätzlich ersuche ich die daraus resultierende Strafzuschläge iHv. 1.953,87 anzupassen.
Hinsichtlich der ESt 2014, USt 2014 und 2015 darf ich um Überprüfung meines Antrags vom hinsichtlich der Wiederaufnahme aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen der Einkommensteuer 2014 und 2015 ersuchen (siehe Ansuchen auf Wiederaufnahme vom ).
Versicherungszuordnung SVS oder GSVG
Aufgrund der offengelegten Umsätze (2011-2013) ergaben sich Gewinne ausGewerbebetrieb und resultierten folgende Nachzahlungen an die GSVG:
Berechnung Nachzahlung GSVG 2011: € 6.732,24
Berechnung Nachzahlung GSVG 2012: €5.814,96
Berechnung Nachzahlung GSVG 2013: € 6.802,56
Nachzahlung GSVG gesamt: € 19.349,76
(siehe Schreiben vom und Berechnungen GSVG aufgrund Offenlegung vom )
Aufgrund des ***3*** Schriftsatzes, insbesondere der Gehaltsberechnungen, bin ich der Meinung, dass diese nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb einzuordnen sind, ich für ***3*** GmbH nicht als Einzelunternehmer tätig war und deshalb ein Antrag auf Feststellungder Vertragszuordnung (SVA oder GSVG) gestellt habe. Diesbezüglich wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt und für den Fall, dass ein verdecktes Dienstverhältnis vom Gericht anerkannt wird, ich Sie vorab informiere (Schreiben BVwG vom )."
Die belangte Behörde legte die Beschwerde vom am zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vor und nahm wie folgt Stellung:
"Die Anträge auf Wiederaufnahme von Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren 2011 wurden außerhalb der absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO und auch außerhalb der Dreijahresfrist des § 304 lit. b BAO gestellt.
Die Anträge auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012-2013 und Umsatzsteuerverfahren 2012-2014 wurden außerhalb der Verjährungsfrist und auch außerhalb der Dreijahresfrist des § 304 lit. b BAO gestellt:
Die Verjährungsfrist betreffend das Jahr 2012 endete mit Ablauf des Jahres 2018, betreffend das Jahr 2013 mit Ablauf des Jahres 2019, betreffend das Jahr 2014 mit Ablauf des Jahres 2020 (jeweils 5 Jahre gem. § 207 Abs. 2 BAO plus 1 Verlängerungsjahr gem. § 209 Abs. 1 BAO). Es wurde im jeweils letzten Jahr keine weitere Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommen. Das Finanzstrafverfahren wurde am eingestellt (siehe Beilage zum Vorlageantrag) und danach in diesem Verfahren keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen mehr gesetzt (siehe Mail ABB). Allfällige Amtshandlungen in Zusammenhang mit einem Zahlungserleichterungsansuchen stellen keine Amtshandlungen der Abgabenverfahren ESt/USt 2011-2014 dar.
Handlungen von Verwaltungsgerichten stellen ebenfalls keine Verlängerungshandlungen dar.
Die Anträge auf Wiederaufnahme wurden somit nicht innerhalb der Frist des § 304 BAO gestellt und wären daher eigentlich zurückzuweisen (und nicht abzuweisen) gewesen. Das Finanzamt beantragt daher eine entsprechende Abänderung der Bescheide."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war vom bis Inhaber der Berufsberechtigung lautend auf Buchhalter und seit Inhaber der Berufsberechtigung lautend auf Bilanzbuchhalter. Vom bis war der Beschwerdeführer als Buchhalter für die ***3*** ***4*** GmbH tätig.
Für die Jahre 2011 bis 2013 erfolgten die Veranlagungen der Umsatz- und Einkommensteuer entsprechend der vom Beschwerdeführer erfolgten Offenlegung gemäß § 29 FinStrG mit Bescheiden vom . Die Veranlagung der Umsatzsteuer für das Jahr 2014 erfolgte mit Bescheid vom . Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Am brachte der Beschwerdeführer für diese Verfahren jeweils einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO beim Finanzamt ein.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den vom Beschwerdeführer selbst beigebrachten Unterlagen.
Bezüglich des im Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom angeführten Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (GZ 1672261514-1) wurde die Beschwerde mit Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 303 BAO, BGBl. Nr. 194/1961 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2013, normiert:
"(1)Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a)der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b)Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oderc)der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2)Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a)die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b)die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3)Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."
Gemäß § 304 BAO, in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2018, ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie
a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder
b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.
Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, hängt von der Art des betroffenen Bescheides ab. Nach § 207 Abs. 2 BAO, in der Fassung BGBl. I Nr. 13/2014, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Die Verjährung beginnt für die Umsatz- und Einkommensteuer mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit a BAO).
Die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben gilt auch dann, wenn wegen § 29 FinStrG (Selbstanzeige) eine Bestrafung nicht zulässig ist (vgl. , 0153).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies:
Auf Grund der vom Beschwerdeführer eingebrachten Offenlegung gemäß § 29 FinStrG gilt nach der dargestellten Rechtslage die Verjährungsfrist von zehn Jahre. Die Verjährung beginnt in diesen Fällen mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit a BAO).
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Entstehung Abgabenanspruch | Verjährungsfrist | |
Umsatz- Einkommensteuer 2011 | ||
Umsatz- Einkommensteuer 2012 | ||
Umsatz- Einkommensteuer 2013 | ||
Umsatzsteuer 2014 |
Da der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren am und damit betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2011 außerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist beim Finanzamt eingebracht wurde, wäre der Antrag betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2011 als verspätet zurückzuweisen gewesen. Das Finanzamt hat mit den angefochtenen Bescheiden vom den Antrag auf Wiederaufnahme dieser Verfahren hingegen als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dadurch aber keinen Rechtsnachteil erlitten, da er durch die Abweisung des Antrages nicht schlechter gestellt wurde als durch eine Zurückweisung.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt die Abänderung des Spruches der angefochtenen Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2011 dahingehend, dass das Bundesfinanzgericht nicht mehr eine Abweisung, sondern eine Zurückweisung der Anträge auf Wiederaufnahme dieser Verfahren ausspricht. Eine solche Abänderung liegt im Rahmen der Änderungsbefugnis gemäß § 279 BAO (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 279 Tz 14 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).
Der Beschwerdeführer beantragte die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 und Einkommensteuer für die Jahre 2012 und 2013 aus dem Grund, dass entgegen der in seiner Offenlegung gemäß § 29 FinStrG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärten Einnahmen diese als Einnahmen aus einem Dienstverhältnis zu versteuern wären.
Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO (vgl. unter Hinweis auf ). Auch können die nachteiligen Folgen einer früheren (möglicherweise) unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offengelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt werden (vgl. ). Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer (möglicherweisen) unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. ).
Die vom Beschwerdeführer beantragte Änderung, seine im Rahmen einer Selbstanzeige erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb als nichtselbständige Einkünfte aus einem (behaupteten) Dienstverhältnis zu behandeln, ist somit keine Tatsache sondern eine unbeachtliche rechtliche Beurteilung.
Damit konnte der Beschwerdeführer keine Gründe für eine Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 und Einkommensteuer für die Jahre 2012 und 2013 dartun.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO ergibt sich unmittelbar aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen der §§ 207f und 304 BAO. Betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO wird auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag fallbezogen daher nicht vor.
Eine Revision ist somit unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7101875.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at