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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2025, RV/7300075/2024

Zu niedriges Ratenangebot eines Finanzstraftäters, welcher zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht vermittelbar ist

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7300075/2024-RS1
Auch wenn der Bestrafte zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht vermittelbar ist, ändert sich nichts an dem Umstand, dass für die Entscheidung über Zahlungserleichterungen die sachgerechte Verwirklichung des Strafzweckes maßgeblich ist. Eine Zahlungsfrist von 22 Jahren wird dem keinesfalls gerecht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafkontonummer ***Zahl1***, zu Recht erkannt:

I.) Die Beschwerde wird gem. § 161 Abs. 1 FinStrG als unbegründet abgewiesen.

II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Spruchsenates vom wegen grob fahrlässiger Abgabenverkürzungen zu einer Geldstrafe von € 70.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 150 Tage) verurteilt.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer nach einer Neuzustellung Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom , in welchem seinem Gnadenansuchen vom (nur) teilweise stattgegeben wurde, indem zwar die Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen auf 90 Tage herabgesetzt, die verhängte Geldstrafe aber unverändert belassen wurde. Zudem beantragte der Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz die Geldstrafe mit einer Anzahlung von € 5.000,00 und monatlichen zinsfreien Raten iHv € 250,00 auf Lebenszeit (bis der Betrag von € 70.000,00 erreicht ist) entrichten zu können.

Die belangte Behörde wertete diesen Antrag als gesondertes Zahlungserleichterungsansuchen und wies dieses mit Bescheid vom ab. Als Begründung führte sie aus, dass die angebotenen Raten im Verhältnis zur Höhe des Rückstandes zu niedrig seien und dadurch die Einbringlichkeit gefährdet erscheine. Dieser Bescheid wurde am an den Verteidiger des Beschwerdeführers elektronisch zugestellt.

Mit Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/7300045/2024 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom betreffend gnadenweiser Nachsicht abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den abweisenden Zahlungserleichterungsbescheid vom und begründete diese im Wesentlichen damit, dass es stimme, dass die angebotenen Raten im Verhältnis zur Höhe des Rückstandes zu niedrig erscheinen, allerdings die Gefährdung der Einbringlichkeit für die Erledigung nicht relevant sei, weil die Nichtzahlung ohnedies unter der Sanktion einer diesfalls anzutretenden Ersatzfreiheitsstrafe stehe. Das Missverständnis bestehe allerdings darin, dass das Schreiben vom auch als Zahlungserleichterungsansuchen qualifiziert worden sei. Folglich ersuche er solange um aufschiebende Wirkung als die Beschwerde betreffend des Gnadenansuchens vom Bundesfinanzgericht nicht abgewiesen werde.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und ersuchte auch den Antrag betreffend aufschiebender Wirkung mit zu erledigen.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Der 82jährige vermögenslose Beschwerdeführer bezog im Jahr 2023 Pensionseinkünfte iHv € 19.322,16 und Einkünfte von der Marktgemeinde ***Ort1*** iHv € 987,00. Im Jahr 2022 befand sich der Beschwerdeführer in einem Schuldenregulierungsverfahren, welches mit einer Quote von 1,15% beendet wurde. Der Beschwerdeführer wohnt im Haus seiner Ehegattin, welche die 1.193 m² große Liegenschaft im Jahr 2011 von einer dem Beschwerdeführer nahestehenden Gesellschaft geschenkt bekam.

Aufgrund seines äußerst angegriffenen Gesundheitszustandes (ua. Herzinsuffizienz, Hautkrebs) ist der Beschwerdeführer zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht vermittelbar. Ob der Beschwerdeführer haftunfähig ist, steht nicht fest.

Der Rückstand am Strafkonto ***Zahl1*** beträgt € 73.300,00 einschließlich Kosten und Nebengebühren.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen bezüglich der wirtschaftlichen und persönlichen Lage des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Akten der belangten Behörde, insbesondere des Abschlussberichtes des Vereins Neustart vom samt ärztlichen Attesten und diverser Datenbankabfragen und ist zwischen den Parteien unstrittig.

Rechtliche Erwägungen

Zu Spruchpunkt I.)

Gem. § 172 Abs. 1 FinStrG iVm § 185 Abs. 5 FinStrG obliegt die Einhebung, Sicherung und Einbringung von Geldstrafen und auferlegten Verfahrenskosten den Finanzstrafbehörden. Hiebei gelten, soweit das FinStrG nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß. Die Gewährung von Zahlungserleichterungen für die Entrichtung von Geldstrafen und Verfahrenskosten nach dem FinStrG richtet sich daher grundsätzlich nach § 212 BAO (vgl. ).

Gem. § 212 Abs. 1 BAO kann auf Ansuchen des Abgabepflichtigen die Abgabenbehörde für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit ist nicht anzunehmen, wenn der Abgabepflichtige glaubhaft macht, dass er durch die Gewährung der Zahlungserleichterung in die Lage versetzt wird, die vom Zahlungserleichterungsansuchen umfassten Abgabenschuldigkeiten innerhalb einer angemessenen Frist entrichten zu können (…).

Zur Anwendung des § 212 Abs. 1 BAO auf Zahlungserleichterungen im Finanzstrafverfahren ist allerdings - wie in der Beschwerde zutreffend hingewiesen - zu berücksichtigen, dass die mögliche Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ohnehin unter der zusätzlichen Sanktion des Vollzuges der gerade für diesen Fall ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafe steht, sodass dem Aspekt der Gefährdung der Einbringlichkeit der Geldstrafe, im Unterschied zu anderen, ebenfalls auf ein Finanzstrafverfahren zurückgehenden Abgaben (wie zB Verfahrenskosten oder Nebengebühren iSd § 3 Abs. 2 lit. d BAO), keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. ; ).

Während die sich aus einer sofortigen vollen Entrichtung für den Zahlungsverpflichteten ergebende erhebliche Härte bei Abgaben iSd § 3 BAO regelmäßig bei einer (nicht verschuldeten) wirtschaftlichen Notlage oder bei einer entsprechenden finanziellen Bedrängnis des zur Zahlung Verpflichteten gegeben sein wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 212 Rz 7 mwN), ist bei einer nach dem FinStrG auferlegten Geldstrafe eine erhebliche Härte nur insoweit gegeben, als die mit der sofortigen Entrichtung verbundene Härte über die mit jeder Bestrafung zwangsläufig verbundene und gewollte Härte hinausgeht (). Maßgeblich für die Entscheidung über Zahlungserleichterungen zur Entrichtung einer Geldstrafe ist somit die sachgerechte Verwirklichung des Strafzweckes. Aber auch im Ruin der wirtschaftlichen Existenz eines Bestraften kann keine sinnvolle Erreichung des mit der Bestrafung verfolgten Zwecks erblickt werden (vgl. ). Die Möglichkeit anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen zu erbringen, welche das Spannungsfeld zwischen dem Gebot zur Leistung ausreichend hoher Geldstrafraten und der dadurch gegebenen Belastung der wirtschaftlichen Existenz des Bestraften wesentlich entschärft, scheidet gegenständlich aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers aus, ändert aber nichts an der Beurteilung, dass es allein auf die sachgerechte Verwirklichung des Strafzweckes ankommt.

Würde die sofortige Entrichtung der Geldstrafe eine über den Strafzweck hinausgehende erhebliche Härte darstellen oder sogar die wirtschaftliche Existenz des Bestraften gefährden, können Zahlungserleichterungen gewährt werden, solange dadurch das über den Finanzstraftäter verhängte Sanktionsübel nicht wesentlich abgeschwächt wird. Würde die Gewährung von Zahlungserleichterungen hinsichtlich einer Geldstrafe in einer vom Bestraften leistbaren Höhe jedoch nicht mit der für Strafzwecke erforderlichen Raschheit zur Entrichtung derselben führen, ist - bezogen auf den Strafzweck - bereits eine tatsächliche Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu konstatieren und das Sanktionsübel in Form der Ersatzfreiheitsstrafe bzw. in Form der Erbringung gemeinnütziger Leistungen zu vollziehen.

Die Bewilligung einer Zahlungserleichterung stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Der Begünstigungswerber hat daher die Voraussetzungen einer Zahlungserleichterung aus eigenem Antrieb überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen.

Dem festgestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers zwar angespannt ist, er aber immerhin über ein monatliches Nettoeinkommen von € 1.600,00 verfügt. Die vom Beschwerdeführer beantragte Ratenzahlung in der Form, dass eine Anzahlung von € 5.000,00 und monatliche Raten iHv € 250,00 geleistet werden, bedeutet aber bei einem ausstehenden Betrag von € 73.300,00, dass eine vollständige Tilgung ohne Berücksichtigung von noch anfallenden Zinsen erst in ca. 22 Jahren - der Beschwerdeführer wäre dann 104 Jahre alt - erfolgen würde.

Allein schon aufgrund dieses Umstandes kann eine monatliche Ratenzahlung iHv € 250,00 im Rahmen dieser nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffenden Ermessensentscheidung als nicht ausreichend angesehen werden, um eine Abstattung der noch aushaftenden Geldstrafe in angemessener Zeit sicherzustellen und die sachgerechte Verwirklichung des Strafzweckes zu erfüllen. Vielmehr würde dies den Pönalcharakter der Strafe unterlaufen, zumal die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers zwar sehr angespannt ist, er aber im Haus seiner Ehegattin wohnt und der Unrechtsgehalt der Finanzvergehen nicht unbeträchtlich war, hat der Beschwerdeführer doch eine Verkürzung von Einkommensteuer iHv fast € 700.000,00 bewirkt und den Schaden bis heute nicht gutgemacht.

Der Zweck der rechtskräftig erfolgten Bestrafung besteht nämlich zu wesentlichen Teilen in einem dem Bestraften bewusst und gewollt zugefügten, spürbaren, durchaus auch mit einer entsprechenden Härte verbundenen, finanziellen Übel, das ihn (und allenfalls auch Dritte) künftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen nach dem FinStrG abhalten soll. Dies wäre insbesondere dann nicht mehr (ausreichend) erfüllt, wenn dem Bestraften eine "bequeme" Ratenzahlung einer Geldstrafe - gleichsam in Art der Kaufpreisabstattung für einen Bedarfsgegenstand - bewilligt (vgl. mwN) oder - wie gegenständlich der Fall - eine überlange, sogar angesichts der Zeitdauer unrealistisch anmutende Zahlungsfrist (vgl. ) gewährt werden würde, da dann die gewährte Zahlungserleichterung letztlich auf eine nachträgliche Korrektur des ohnehin regelmäßig auch unter entsprechender Berücksichtigung der jeweils aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. § 23 Abs. 3 FinStrG) bemessenen Strafausspruches und damit auf eine Reduzierung des gewollten Strafübels hinauslaufen würde (vgl. ). Das auch Personen in höherem Alter und/oder in Pension befindlich Finanzvergehen begehen können, hat der Beschwerdeführer selbst unter Beweis gestellt.

Gem. § 160 Abs. 2 FinStrG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sich die Beschwerde nicht gegen ein Erkenntnis richtet und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.

Bezüglich des Ersuchens der belangten Behörde über den Antrag betreffend aufschiebender Wirkung abzusprechen, wird darauf hingewiesen, dass diesbezüglich aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes in § 152 Abs. 2 zweiter Satz FinStrG jene Behörde darüber zu entscheiden hat, welche den angefochtene Bescheid erlassen hat. Eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes ist daher nicht gegeben.

Zu Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab und hat die Beurteilung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Zahlungserleichterung im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 212 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 172 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7300075.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at