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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.12.2024, RV/5100353/2017

Negative Kapitalkonten ohne Auffüllung durch scheidende Gesellschafter sind bei Überschuldung als Veräußerungsgewinn anzusetzen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs ) vom betreffend
Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2012 (Feststellungsbescheid 2012) sowie den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2012 (Wiederaufnahmebescheid),
Umsatzsteuer 2012 sowie den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2012, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am übertrugen die beiden Gesellschafter der Firma ***Bf1***, nämlich ***LH*** und ***RH***, ihre Mitunternehmeranteile von jeweils 18,75% im Schenkungswege an den bestehenden Gesellschafter ***KH***. Die Kapitalkonten der Gesellschafter ***LH*** und ***RH*** wiesen zu diesem Zeitpunkt ein negatives Kapital auf.

Im Zuge der Betriebsprüfung wurde von der steuerlichen Vertretung ein Ertragswertgutachten nachgereicht, und aufgrund dieses Gutachtens wurden höhere anteilige stille Reserven als der negative Kapitalanteil abgebildet. Die Betriebsprüfung zweifelte die Unternehmensbewertung aufgrund von (aus Sicht des Finanzamts) unrealistischen Zahlen, zu hoher Betriebsleistung usw. an. Aufgrund dieses Sachverhaltes kam die Betriebsprüfung zum Schluss, dass kein positiver Verkehrswert gegeben sei und ein Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 zu erfassen sei. Dies wurde im Bericht der Betriebsprüfung, ABNr. ***xxxx*** vom Tz 1, dargestellt. Im Bericht zur Betriebsprüfung vom wurde in der Tz 2 der Privatanteil von den Konten 7140 Grundsteuer, 7360 Müll/Kanal, 7331 Rauchfangkehrer, 7630 Rundfunk, 7680 Zeitungen und 7340 Versicherungen vom Gebäude im Schätzungswege in der Höhe von 1.000 Euro in Zusammenwirken mit dem Beschwerdeführer als auch der steuerlichen Vertretung ermittelt.

Daher wurden der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom und der Feststellungsbescheid 2012 vom im Rahmen der Betriebsprüfung wiederaufgenommen. Daraus resultierten die Wiederaufnahmebescheide und Sachbescheide vom .

Gegen die Wiederaufnahmebescheide und Sachbescheide erfolgte eine Beschwerde vom eingelangt am . In der Beschwerde wird angeführt, dass es sich aufgrund des Unternehmenswertes um keine reale Überschuldung der übertragenen Geschäftsanteile handelt und daher auch § 24 Abs. 2 EStG 1988 unanwendbar sei.

Am ergingen abweisende Beschwerdevorentscheidungen iZm den Sachbescheiden Umsatzsteuer 2012 und Feststellungsbescheid 2012. Darauf erfolgte der Vorlageantrag vom . Da gemeinsam oder auch vor den Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Sachbescheide vom 16.11.2916 keine Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Wiederaufnahmebescheide ergingen, wurden die Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Sachbescheide am gemäß § 299 BAO aufgehoben.

Im Anschluss daran wurden am abweisende Beschwerdevorentscheidungen über die Wiederaufnahme und die Sachbescheide erlassen. Am erfolgte der Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht, in dem keine Ergänzungen zur Beschwerde gemacht wurden.

Mit erfolgte die Vorlage der Beschwerde durch das Finanzamt an das Bundesfinanzgericht durch das Finanzamt gemeinsam mit dem Vorlagebericht, in welchem das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Ad Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2012 und Feststellungsbescheid 2012

In Tz 1 des Betriebsprüfungsberichts vom , ABNr. ***xxxx***, wird hingewiesen, erst im Rahmen der Betriebsprüfung ist erstmals für das Finanzamt erkennbar als Tatsache neu hervorgekommen, dass nach Überprüfung vorgelegter Gutachten und Berechnungen des Finanzamts die negativen Kapitalkonten der Geschenkgeber bei unentgeltlicher Übertragung deren Gesellschaftsanteile an den Gesellschafter ***KH*** mangels positivem Unternehmenswert als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 zu versteuern sind.

In Tz 2 des Betriebsprüfungsberichts vom , ABNr. ***xxxx***, wird hingewiesen, erst im Rahmen der Betriebsprüfung ist erstmals für das Finanzamt erkennbar als Tatsache neu hervorgekommen, dass nach Überprüfung der Betriebsausgaben festgestellt worden ist, dass wegen privater Nutzung bestimmter Gebäudeteile ein Privatanteil anzusetzen bzw. bei den Betriebsausgaben zu kürzen ist. Diese Privatanteile wurden den Vorjahren entsprechend pauschal mit 1.000,00 Euro gewinnerhöhend festgesetzt sowie der Umsatzsteuer unterworfen.

Ad Umsatzsteuerbescheid 2012 und Feststellungsbescheid 2012

Für den zweiten Streitpunkt (Tz 2 BP Bericht - Privatanteile) liegen nicht betriebliche Aufwendungen bzw. privat veranlasste Aufwendungen vor. Die Begründung liegt darin, dass das Gebäude nur zu 83,34% betrieblich genutzt wird, aber die gesamten Ausgaben als Betriebsausgaben steuerlich erfasst wurden und das gewisse Ausgaben zu 100% privat veranlasst sind (z.B. Lebensversicherung, Grundsteuer, Müll- und Kanalgebühren, Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen). § 20 Abs. 1 EStG 1988 normiert das Abzugsverbot von privat veranlassten Aufwendungen und der § 4 Abs. 4 EStG 1988 definiert die abzugsfähigen Betriebsausgaben. Daher sind diese privat veranlassten Aufwendungen keine Betriebsausgaben bzw. stellen private Aufwendungen dar und wurden entsprechend durch das Finanzamt korrigiert. Die Höhe dieser nichtabzugsfähigen Aufwendungen wurde aufgrund der vorliegenden Belege vom Finanzamt pauschal mit Euro 1.000,00 pro Jahr im Schätzungswege festgestellt. Im Umsatzsteuerbescheid erfolgte die Versteuerung der Euro 1.000,00 geschätzten Privatanteile mit dem Normalsteuersatz.

Am übertrugen die beiden Gesellschafter ***LH*** und ***RH*** ihre Mitunternehmeranteile an der ***Bf1*** mit jeweils 18,75 % im Schenkungswege an den bestehenden Gesellschafter ***KH***. Die Kapitalkonten der ausscheidenden Gesellschafterwiesen zu diesem Zeitpunkt jeweils negatives Kapital auf.

Ein Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 wurde von den Abgabepflichtigen nicht erklärt.

Im Zuge der Betriebsprüfung wurde von der steuerlichen Vertretung ein Gutachten betreffend die Ermittlung des Unternehmenswertes vorgelegt. Aus diesem Gutachten ergibt sich rechnerisch ein Unternehmenswert idHv. 874.983 Euro im August 2012. In der Niederschrift zur Betriebsprüfung wird angeführt, dass der Prognosezeitraum unrealistische Zahlen iZm dem Unternehmen ausweist, dass die Betriebsleistung zu hoch angesetzt (Sonder-Betriebsvermögen) wurde, und dass das Unternehmen seit Bestehen einen Gesamtverlust erwirtschaftet hat. In der Beschwerde vom führt der Beschwerdeführer an, dass die vorgelegte Unternehmensbewertung sachlich richtig sei und die Prognosezahlen entsprechend angesetzt wurden.

Das Unternehmen wurde in zwei Teilbereichen geführt, der Produktion und dem Verkauf von Fenstern sowie als ein zweites Standbein die Bau- und Möbeltischlerei. Die Unternehmensentwicklung in steuerlicher Sicht zeigt für die Jahre 1993-2012 einen Gesamtverlust in Höhe von 266.826,49 Euro. Die in der Ertragswertberechnung angeführten Prognosezahlen wurden von Seiten des Finanzamtes Österreich nicht anerkannt. Auch in der Beschwerde wird aufgezeigt, dass mit der Fenstererzeugung "keine zufriedenstellenden Erträge mehr erwirtschaftet" werden konnten. Daher erfolgte "eine teilweise Umstellung auf die Bau- und Möbeltischlerei". Der Beschwerdeführer gibt an, dass "die Umsätze ausschließlich durch Stammkunden erzielt" werden. Weiters wird angegeben, dass die Mitarbeiter eine "langjährige Beschäftigung" im Betrieb haben.

Aus diesen drei Argumenten leitete das Finanzamt in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ab, dass es als gegeben anzunehmen ist, dass die Umsatz- u. Gewinnentwicklung in der Unternehmensbewertung jeglichem wirtschaftlichen Gedanken widerspricht, da eine Umstrukturierung von Fensterproduktion und -handel zur Erweiterung der Tischlerei, die auch vorwiegend mit Stammkunden ausgelastet ist, einen hohen Finanzierungsbedarf auslöst (Kundenrequirierung, Mitarbeiterausbildung, Mitarbeiteraufnahme usw.). Dies untermauern auch schon die Ausführungen in der Beschwerde, wo angeführt wird, dass "es nicht so leicht ist, in der Bau- und Möbeltischlerei Aufträge zu lukrieren." Ebenso wird vom Beschwerdeführer angeführt, dass im Prognosezeitraum 2012-2014 eine jährliche Umsatzsteigerung in Höhe von 6% angenommen wurde. Dies wurde aus den Jahren 2009 und 2010 vom Beschwerdeführer abgeleitet. Der Umsatzrückgang im Jahr 2011 wurde vom Beschwerdeführer als Umsatzrückgang größerer Umsatzträger beschrieben und daher in den zukünftigen Prognosen nicht berücksichtigt. Für das Normaljahr in der Prognose 2015 wurde noch eine Umsatzsteigerung in Höhe von 3% berücksichtigt. Der Beschwerdeführer zeigt zwar auf, wie er zu seinen angenommenen Umsatzsteigerungen gekommen ist, es werden aber in der Ertragswertberechnung in keinster Weise die miteinhergehenden Umstellungsaufwendungen eingerechnet bzw. in Zahlen berücksichtigt. Der Beschwerdeführer musste sich "auf ein anderes Segment konzentrieren. Dies erforderte aber einen völlig anderen Arbeitsablauf und Maschineneinsatz. Dazu musste eine nicht unwesentliche Umorganisation im Produktionsprozess vorgenommen werden."

Auch diese Ausführungen zeigen, dass eine Umstrukturierung mit Kosten verbunden ist und nach Ansicht des Finanzamtes ein nicht unerhebliches Umstrukturierungsrisiko beinhaltet das ebenso bei der Prognoserechnung des Beschwerdeführers nicht erfasst wurde. Der Beschwerdeführer spricht hier nur davon, dass "die Umsetzung des neuen Unternehmenskonzeptes einige Zeit in Anspruch nimmt." Der Beschwerdeführer nimmt in der Beschwerde zum Gesamtverlust des Unternehmens Stellung und führt aus, dass in den "letzten zehn Jahren der ***Bf1***...ein Gesamtverlust von € 71.871" vorliegt. Weiters zeigt der Beschwerdeführer auf: "die Verlustsituation in den letzten Jahren hängt in einem hohen Ausmaß von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in dieser Branche ab." Damit begründet der Beschwerdeführer den Ausstieg/Rückzug aus der Fenstererzeugung: "Dies war der Hauptgrund, dass auf ein anderes Unternehmenskonzept umgestellt werden musste.""...nur mehr im eingeschränkten Ausmaß Kunstofffenster...schrittweise Umstellung auf die traditionelle Erzeugung von Tischlereiprodukten in der Bau- und Möbeltischlerei." Durch diese Ausführungen des Beschwerdeführers ist erkennbar, dass die Umstellung hin zur Tischlerei bereits zum Teil erfolgte. Daher können auch die angenommenen Umsatzzahlen als auch die bisherigen Aufwendungen keine Grundlage für ein Unternehmen darstellen, das ein anderes Unternehmenskonzept verfolgt. Eine Ertragswertberechnung aufgrund von Daten einer Kostenrechnung der letzten Jahre aus dem Segment Tischlerei mit einem geringen Einfluss der Fenstererzeugung wäre wirtschaftlich der einzig neutrale Zugang gewesen, denn die Hochrechnung von Umsätzen aus einem zum Teil aufgegebenen Segment kann in diesem Fall keinen relevanten Ertragswert darstellen.

Auch die Zahlen aus der Konjunkturbeobachtung im Gewerbe und Handwerk und Statistik Austria iZm dem Tischlereigewerbe zeigen andere Zahlen als jene die der Beschwerdeführer in der Ertragswertberechnung angenommen hat. Diese stellen für die Tischlerbranche folgendes dar, im Branchendurchschnitt sind die Auftragseingänge im 1. - 3. Quartal 2012 gegenüber dem 1. - 3. Quartal 2011 wertmäßig um 0,9 % gesunken. Auch die nominelle Umsatzentwicklung spiegelt hier einen Wert von nur 1,7% und eine preisbereinigte Umsatzentwicklung von nur 0,2%. Die Investitionen zeigen in der Tischlerbranche einen Schnitt von 4.200,- Euro pro Mitarbeiter. Diese Branchendaten zeigen schon, dass die vom Beschwerdeführer angenommen Daten nicht dem Stand August 2012 entsprechen können. Denn auch negative relevante Punkte für den einzelnen Betrieb wurden in keinster Weise berücksichtigt. So wurden keine Kosten für die Betriebsumstrukturierung, Markterschließung usw. angenommen. Ebenso wurden auch die regionalen Besonderheiten nicht berücksichtigt (Tischlerreibetriebe in der nahen Umgebung) oder die globalen Entwicklungen (hin zum Megaseller z.B. ***NN*** usw.) verifiziert. Schon aus diesen o.a. Punkten zeigt die vorgelegte Ertragswertberechnung kein die Wirklichkeit wiedergebendes Bild und hätte unter Berücksichtigung dieser kein positives Kapitalkonto von ***RH*** und ***LH*** erkennen lassen. Auch das vorgelegte Anlagenverzeichnis mit den älteren Maschinen, lässt einen fremden Dritten erkennen, dass ein noch höherer Finanzierungsbedarf und Investitionsbedarf vorhanden ist als jener den die KMU Forschung Austria ermittelt hat.

Sonderbetriebsvermögen:
Laut Gesellschaftsvertrag vom erhält ***KH*** für die Zurverfügungstellung der Betriebsliegenschaft eine Vergütung von 130.000,- ATS monatlich. Mit Gesellschafterbeschluss 2001 erfolgte eine Senkung auf 40.000,- ATS (aufgrund der schlechten Ertragslage). "Um die Gesellschaft zu entlasten wird eine weitere Senkung....auf monatlich € 2.000,- beginnend mit ....um eine ...Verbesserung der finanziellen Lage des Betriebes zu erreichen." Auch diese Gesellschafterbeschlüsse bilden die finanzielle Situation über einen längeren Zeitraum ab. Somit wurden in den letzten Jahren 24.000,- Euro für das Sonderbetriebsvermögen an ***KH*** bezahlt. Wobei anzumerken ist, dass die ***Bf1*** aus dieser Betriebsliegenschaft Mieteinnahmen für die Vermietung an fremde Dritte in der Höhe von knapp Euro 40.000,- (Fa. ***M***ges.m.b.H., ***C*** GmbH, ***T*** GmbH, ua) erzielt und die gesamten Betriebsgebäude (Büros, Verkaufsflächen, Produktionshallen der KG, 4.000 m2) der ***Bf1*** zusätzlich noch genutzt werden. Wie der Beschwerdeführer anführt, sind sämtliche Aufwendungen dieser Liegenschaft in der ***Bf1*** berücksichtigt. Dies verfälscht die Ertragswertberechnung in einem wesentlichen Ausmaß. Denn die Im Sonderbetriebsvermögen von ***KH*** berücksichtigte AfA in einer nicht unwesentlichen Höhe, muss bei einer tauglichen Ertragswertberechnung berücksichtigt werden oder die Ertragswertberechnung um die gesamten Einnahmen und Ausgaben des Sonderbetriebsvermögens bereinigt werden. Bei einer Ertragswertberechnung ist von Werten auszugehen die ein unabhängiger fremder Dritter aufwenden würde.

Aus der unten angeführten Tabelle sind jeweils der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die jeweiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Jahre 2013-2022 ersichtlich. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ergibt sich ein negativer Gesamtsaldo für die Jahre 2013-2022 und auch die Entwicklung der Umsätze spiegelt nicht die Zuwächse der vom Beschwerdeführer vorgelegten Prognose in dessen Gutachten wider.

2. Beweiswürdigung

Im Sinne des § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Das Beweisverfahren wird vor allem u.a. beherrscht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz/Koran, BAO-Kommentar, Tz. 2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167).

Im vorliegenden Fall wird daher in freier Beweiswürdigung festgestellt, dass dem Gutachten bzw. der Einschätzung des Finanzamts bezüglich real überschuldeten Kapitalkonten gegenüber dem Gutachten des Beschwerdeführers der Vorzug zu geben ist. Dies deshalb, da die Unternehmenswerte der Jahre 2013 - 2022 erheblich von der Prognose des Beschwerdeführers abweichen und in diesen Jahren ein kumulierter Verlust der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von Euro -474.224,48 angefallen ist. Ebenso gab es nicht die prognostizierten Umsatzsteigerungen in den Jahren 2013-2022.

Weiters weist der 3-jährige Prognosezeitraum des Beschwerdeführers unrealistische künftige Zahlen aus, da seit Bestehen des Unternehmens bei weitem keine Ergebnisse in dieser Höhe lukriert wurden, das Unternehmenskonzept keiner Änderung unterworfen wurde, bzw. die Umsatzlage über die Jahre seit Bestehen des Unternehmens rückläufig ist. Dabei wurden die Betriebsleistungen wurden zu hoch angesetzt, da darin Erlöse aus Fremdvermietung- und Verpachtung enthalten sind, welche dem Sonder-Betriebsvermögen von ***KH*** zuzurechnen sind. Seit Bestehen der Kommanditgesellschaft ist diese gesamtverlustig gewesen. Abgesehen davon wurde im Gutachten des Beschwerdeführers kein kalkulatorischer Unternehmerlohn angesetzt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Ad Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2012 und Feststellungsbescheid 2012

§ 303 Abs. 1 BAO bestimmt:
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht als Begründung für eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch aus, wenn im Wiederaufnahmebescheid auf andere Dokumente (etwa auf die Begründung eines anderen Bescheides oder auf Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfbericht) verwiesen wird, sofern dem Bescheidadressaten des Wiederaufnahmebescheides der Inhalt des/der verwiesenen Dokumente(s) bekannt ist, und daraus die Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich hervorgehen (; , 2006/13/0172; vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 93, Rz 15).

Die gegenständlich bekämpften Wiederaufnahmebescheide verweisen in der Begründung auf die Niederschrift bzw. den Bericht zur Betriebsprüfung.

In Tz 1 des Betriebsprüfungsberichts vom , ABNr. ***xxxx***, wird hingewiesen, erst im Rahmen der Betriebsprüfung ist erstmals für das Finanzamt erkennbar als Tatsache neu hervorgekommen, dass nach Überprüfung vorgelegter Gutachten und Berechnungen des Finanzamts die negativen Kapitalkonten der Geschenkgeber bei unentgeltlicher Übertragung deren Gesellschaftsanteile an den Gesellschafter ***KH*** mangels positivem Unternehmenswert als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 zu versteuern sind.

In Tz 2 des Betriebsprüfungsberichts vom , ABNr. ***xxxx***, wird hingewiesen, erst im Rahmen der Betriebsprüfung ist erstmals für das Finanzamt erkennbar als Tatsache neu hervorgekommen, dass nach Überprüfung der Betriebsausgaben festgestellt worden ist, dass wegen privater Nutzung bestimmter Gebäudeteile ein Privatanteil anzusetzen bzw. bei den Betriebsausgaben zu kürzen ist. Diese Privatanteile wurden den Vorjahren entsprechend pauschal mit 1.000,00 Euro gewinnerhöhend festgesetzt sowie der Umsatzsteuer unterworfen.

Da die Kenntnis der neu hervorgekommenen Tatsachen und neu hervorgekommenen Beweismittel im Spruch anderslautende Bescheide (hier Feststellungsbescheid 2012 vom und Umsatzsteuerbescheid 2012 vom ) herbeigeführt hätte, sind die vom Finanzamt mit Wiederaufnahmebescheiden vom für den Umsatzsteuerbescheid 2012 und für den Feststellungsbescheid 2012 verfügten Wiederaufnahmen zu Recht erfolgt und die Beschwerden waren daher spruchgemäß abzuweisen.

Ad Umsatzsteuerbescheid 2012 und Feststellungsbescheid 2012

Die oben im festgestellten Sachverhalt dargestellten Privatanteile wurden, da diese nicht betrieblich bedingte Ausgaben betroffen haben, im Sinne des § 4 UStG 1994 zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen, um einen zu Unrecht erfolgten anteiligen Vorsteuerabzug einer Korrektur zuzuführen. Daher war die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2012 als unbegründet abzuweisen.

Scheidet ein Mitunternehmer mit negativem Kapitalkonto aus einer Mitunternehmerschaft aus, ist gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.

Unter Ausscheiden ist jede Form der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zu verstehen, die den Tatbestand des § 24 EStG 1988 erfüllt. Nicht als entgeltliche Übertragung und damit nicht als Veräußerung zu qualifizieren ist die Schenkung. In den Fällen einer unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils sind allerdings die Buchwerte fortzuführen, ohne dass es beim übertragenden Gesellschafter zu einer Besteuerung kommt. Das Vorliegen einer Schenkung setzt voraus, dass der Rechtsnachfolger durch die Übertragung des Gesellschaftsanteiles tatsächlich bereichert wird, also der reale Wert des Gesellschaftsanteiles positiv ist. Ob eine Unternehmensübertragung gegen Entgelt oder ohne Gegenleistung stattgefunden hat, ist im Einzelfall zu untersuchen. Nach Lehre und Rechtsprechung tritt die für eine Schenkung erforderliche Bereicherung des Übernehmers dann ein, wenn ein Gesellschafter ohne Zahlungen aus einer Mitunternehmerschaft ausscheidet und die auf seinen Mitunternehmeranteil entfallenden stillen Reserven samt Firmenwert das bloß buchmäßig überschuldete negative Kapitalkonto übersteigen.

Ergibt sich nun im Fall der Zuwendung eines Betriebes oder eines Anteiles daran ein negativer Wert, so ist zunächst festzustellen, ob überhaupt eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers vorliegt. Bei der Beurteilung, ob im Vermögen des Bedachten eine Bereicherung eingetreten ist, ist auf den Verkehrswert abzustellen.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um negative Kapitalkonten. Das Gutachten und die Ergänzungen des Beschwerdeführers vermochten nicht das Vorliegen eines positiven realen Wertes der negativen Kapitalkonten zu belegen. Daher ist von Seiten des Bundesfinanzgerichts von einer realen Überschuldung der Kommanditisten auszugehen. Eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos hat nicht stattgefunden und es bestand auch keine Verpflichtung dazu.

Daher normiert der § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988: "Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, ist als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss." Infolge der steuerlichen Nichtanerkennung des positiven Wertes der Kommanditanteile im Zeitpunkt ihres Ausscheidens und der unentgeltlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile sowie der Verpflichtung zur Auffüllung ihres negativen Kapitalkontos andererseits, treten die in § 24 Abs. 2 EStG 1988 normierten Folgen ein. Die negativen Kapitalkonten sind als Veräußerungsgewinn zu erfassen und die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 24 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100353.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at