Der Beschwerdeführerin gegenüber war bereits die frühere - nämlich die elektronische - Zustellung als wirksam anzusehen, sodass die so betrachtet neuerliche postalische Zustellung des Bescheides auch nicht mehr den Lauf einer Rechtsmittelfrist auslösen konnte.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 09.2016 den Beschluss:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird gemäß § 274 Abs. 3 in Verbindung mit § 272 Abs. 5 BAO ungeachtet eines Parteiantrages abgesehen.
III. Gegen diesen Beschluss ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) (§ 25a VwGG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Bescheid vom wurde von der Beschwerdeführerin der am beim Finanzamt eingegangene Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung betreffend deren Kind als unbegründet abgewiesen (die Nachreichung der Befunde erfolgte am ). Begründend wurde ausgeführt, dass der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt werde. Da für das Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.
Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Beim Kind sei das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
In der dagegen am erhobenen, am beim Finanzamt eingebrachten (und eingelangten) Beschwerde wurden von der Beschwerdeführerin bereits umfangreiche Gründe für die ihrer Ansicht nach rechtzeitige Einbringung der Beschwerde ins Treffen geführt. (Die Argumente inhaltlicher Natur werden, da sie nicht zur Formalsache gehören, nicht wiedergegeben):
So sei die postalische und schriftliche Zustellung des Abweisungsbescheides, datiert mit , schließlich am erfolgt. Auf telefonische Rückfrage beim Finanzamt habe sich ergeben, dass jener Bescheid offenbar bereits mit dem Bescheiddatum vom elektronisch über FinanzOnline zugestellt wurde. Diese Zustellung habe jedoch von ihr aus mehreren Gründen nicht eingesehen und geprüft werden können. Einerseits sei anzumerken, dass der Zugang zu FinanzOnline erst kürzlich und nicht von ihr selbst, sondern aufgrund mangelnder EDV-Kenntnisse durch Fremdhilfe eingerichtet worden sei. Einer Onlinezustellung sei von ihrer Seite nie zugestimmt worden. Davon abgesehen seien bisher sämtliche Bescheide und auch Buchungsinformationen des Finanzamtes postalisch zugestellt worden. Aufgrund dessen sei von ihrer Seite nicht zu erahnen gewesen, dass sich dies nun geändert haben könnte.
Darüber hinaus habe sie sich von - im Bezirkskrankenhaus ***Ort*** in stationärer Behandlung befunden und sei es ihr auch danach zuhause aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht möglich gewesen, auf den offenbar elektronisch zugestellten Bescheid, von dem sie keine Kenntnis gehabt habe, zu reagieren. Aufgrund der genannten Umstände habe sie mit dem Finanzamt Kontakt aufgenommen. Dort sei ihr nach Schilderung der Situation geraten worden, diese schriftliche Erklärung abzugeben und eine Beschwerde einzureichen.
Da die postalische Zustellung des für sie bestimmten Abweisungsbescheides vom erst per erfolgt sei, sei auch nicht abschließend geklärt, wann die Beschwerdefrist für jenen Antrag ende.
Fehlende Unterschriften zur Beschwerde wurden per Schreiben vom nachgereicht; auf diesen Umstand wurde seitens der Beschwerdeführerin auch in Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages vom hingewiesen. Dem Mängelbehebungsauftrag wurde jedenfalls durch Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes um die Unterschrift der Beschwerdeführerin entsprochen.
Am erging die Beschwerdevorentscheidung betreffend die "Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Abweisungsbescheid vom ". Die Beschwerde vom wurde als unbegründet abgewiesen.
Im dagegen gestellten Vorlageantrag vom nahm die Beschwerdeführerin eingangs darauf Bezug, dass mit der zuletzt erfolgten Beschwerdevorentscheidung vom (ihr zugestellt am ) ihre Beschwerde offenkundig zugelassen und anerkannt, jedoch "als unbegründet abgewiesen" worden sei. Es folgen ausschließlich inhaltliche Ausführungen in Auseinandersetzung mit den Gutachten, welche zur Abweisung des Begehrens geführt hatten.
Im Stadium des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden
am "in Ergänzung des Vorlageantrages" eine Stellungnahme zur Beschwerdevorlage (Vorlagebericht), welche beim Bundesfinanzgericht zweimal, nämlich am sowie am einlangte, sowie
am eine dringliche Anfrage zum Verfahrensstand zum Vorlageantrag unter ergänzender Vorlage von Befunden
eingebracht.
Das Bundesfinanzgericht beauftragte daraufhin mittels verfahrensleitenden Beschlusses vom das Finanzamt Österreich mit ergänzenden Ermittlungen zu folgendem Thema:
"Frage der Rechtzeitigkeit der Einbringung der Bescheidbeschwerde vom , Briefkasteneinwurf Finanzamt am , unter Ermittlung des Zeitpunktes der gültigen Zustellung des Bescheides vom .",
und das Bundesfinanzgericht binnen drei Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses vom Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.
Vor dem Hintergrund der im Anschluss vom Bundesfinanzgericht zu beurteilenden Rechtsfrage, ob bereits die elektronische Zustellung des Dokuments - sofern bereits diese im Sinne des § 98 Abs. 2 BAO als bewirkt gelten kann - oder aber erst die postalische Zustellung (rechts-)wirksam geworden ist, sodass § 6 ZustG nicht anwendbar ist, werde dabei insbesondere zu ermitteln sein,
"ob die Beschwerdeführerin an FinanzOnline teilnimmt, ob ihr als Empfängerin die für den Zugriff erforderlichen Zugangsdaten grundsätzlich zur Verfügung stehen sowie - jeweils bejahendenfalls - Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens."
Dies habe unter Heranziehung der hierfür zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und -dienste sowie Auskunftssysteme durch die Abgabenbehörde zu geschehen.
Die Ermittlungen seien von der Dienststelle Wien 3/6/7/11/15 ***DS2*** (FA03) des Finanzamtes Österreich oder der allenfalls an ihre Stelle getretenen Dienststelle durchzuführen. Auch sei darzulegen, weshalb eine postalische Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte.
Aufgrund dieses Beschlusses erfolgte am die elektronische Übermittlung folgender Anlagen:
Antrag FON, lautend auf ***Bf1*** vom ;
eine historische Ansicht der Subjektdaten, woraus sich jeweils Tag und Zeit der An- und Abmeldungen zu FON in für die Beschwerdeführerin folgender und in Bezug auf den in Rede stehenden Zustellungsvorgang relevanter Weise ergeben: von FON-Teilnehmer: NEIN auf FON-Teilnehmer: JA am 9:30 sowie von Zustellung Eigene: NEIN auf Zustellung Eigene: JA am 09:30; von Zustellung Eigene: JA auf Zustellung Eigene: NEIN am 21:00;
die gelb unterlegte Datums-/Zeitangabe des Versandes des Abweisungsbescheides vom als elektronisches Dokument; lautend auf 2022-01-26T04:05:39+01:00 sowie
den elektronischen Zustellnachweis des genannten Bescheides mit Versanddatum .
Dazu wurde seitens des Finanzamtes am selben Tag folgende Stellungnahme abgegeben:
"Die Beschwerdeführerin Frau ***NN*** ***VN*** hat am einen Antrag auf Zusendung von Zugangsdaten für Finanz Online (FON) gestellt. Erledigt wurde dieser Antrag mit (siehe dazu Anlage "AntragFON_NAME.pdf").
In der Grundeinstellung von FON (bei privaten Teilnehmern) ist die Zustellung von Bescheiden an die eigene Person bzw. an den Vertreter mit "NEIN" gekennzeichnet.
Mit wurde die "Zustellung Eigene" und die "Zustellung Vertreter" von "NEIN" zu "JA" geändert (siehe dazu Anlage "GDV_Subjektdaten_NAME_markiert.pdf").
Zum Zeitpunkt der Versendung des Abweisungsbescheides vom war die Zustellung von Bescheiden in die Databox/FON daher aktiviert.
Anhand der Signatur des Abweisungsbescheides vom erfolgte die Versendung (..am..) um 04:05:39 Uhr (siehe dazu Anlage "Abweisungsbescheid25012022_markiert.pdf") und somit auch die Zustellung in die Databox (siehe Anlage "Zustellung FON.pdf).
Am wurde die Zustellung ("Zustellung Eigene" und "Zustellung Vertreter") sowie der Verzicht auf Zahlungsanweisungen von "JA" über FON auf "NEIN" geändert (siehe nochmals Anlage "GDV_ Subjektdaten_NAME_markiert.pdf").
Weshalb eine postalische Zustellung im April 2022 erfolgte, ist nicht mehr nachvollziehbar. Im Bearbeitungsprogramm ist dazu weder ein Hinweis auf einen Anruf noch ein Hinweis auf die daraufhin erfolgte postalische Zusendung der Abweisung zu finden. Die Beschwerdeführerin schreibt in ihrer Beschwerde vom , Seite 1, 3. Absatz, dass sich "auf telefonische Rückfrage beim Finanzamt ergab", dass jener Bescheid (...) elektronisch über FinanzOnline zugestellt wurde. Daraus erfolgte die Angabe in der Sachverhaltsdarstellung im Vorlagebericht, dass der Bescheid nach telefonischer Rückfrage der Beschwerdeführerin zugestellt wurde. Aus dem Bearbeitungsprogramm kann das nicht belegt werden.
Nach Ansicht des Finanzamtes erfolgte die rechtmäßige Zustellung des Abweisungsbescheides bereits mit Zustellung in die Databox am , da an dem Tag der Bescheid in den elektronischen Verfügungsbereich der Empfängerin gelangt ist."
Der Beschluss über den Ermittlungsauftrag und dessen Ergebnis in Gestalt der übermittelten, vom Finanzamt erhobenen Daten sowie der Stellungnahme der belangten Behörde hierzu wurden der Beschwerdeführerin am zu Gehör gebracht.
Im diesbezüglichen Schreiben wurde der Beschwerdeführerin in der Folge auch mitgeteilt, dass es leider nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Frage nach der Zulässigkeit (Rechtzeitigkeit) ihrer Beschwerde, welche am beim Finanzamt Österreich, Dienststelle ***DS***, eingelangt ist, abschlägig zu beantworten sein wird. Insbesondere auf Grund dieses Umstandes werde ihr die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Ermittlungsergebnis innerhalb von vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.
Diese Stellungnahme erstattete die Beschwerdeführerin am innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist. Darin bringt sie - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - vor, dass alle weiteren Dokumente des Finanzamtes oder dieses Verfahren betreffende Schreiben im Datumszeitraum der Beschwerdevorentscheidung per Post zugestellt wurden, sie selbst nie einer ausschließlich elektronischen Zustellung zugestimmt habe und eine solche auch keineswegs für sie ersichtlich gewesen sei. Die Einrichtung von FinanzOnline sei durch ihren Sohn und an dessen Computer erfolgt, sie selbst besitze gar keinen Computer und entsprechend keinen elektronischen Verfügungsbereich und habe im Zeitraum des etwaigen Fristlaufes und darüber hinaus eine schwere gesundheitliche Krise erlitten, im Krankenhaus behandelt werden müssen und wäre im Zustand von Krankheit und wochenlanger Bettlägerigkeit ohnehin nicht in der Lage gewesen, eine Beschwerdeschrift vorzubringen.
Festzustellen ist, dass die Beschwerdeführerin Zugang zum Speicherbereich hatte, der auf Antrag vom 08. Jänner für sie eingerichtet worden war. Der Zeitpunkt der elektronischen Zustellung jenes Dokuments, welches den angefochtenen Bescheid beinhaltete,nämlich der , fiel in jenen Zeitraum zwischen dem und dem , in dem für die Beschwerdeführerin als Teilnehmerin an FinanzOnline die Funktion der elektronischen Zustellung behördlicher Dokumente über FON aktiviert war.
Die auf der letzten Seite des angefochtenen Bescheides aufscheinende "Prüfinformation" trägt als Datum/Zeit: 2022-01-26T04:05:39+01:00. Er wurde nachweislich am über FON versendet.
Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin erst am eingebracht.
II. Rechtliche Beurteilung:
§ 6 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, lautet wie folgt:
"Mehrmalige Zustellung
§ 6. Ist ein Dokument zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus."
Die hier relevante Bestimmung des § 260 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2013 lautet wie folgt:
"7. Zurückweisung der Beschwerde
§ 260. (1)Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
(…)
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
(…)."
Gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.
Zu § 6 ZustG ist vorauszuschicken ist, dass die Schwierigkeit dieser Formulierung darin liegt, dass sie derart verstanden werden könnte, dass die neuerliche Zustellung zustellrechtlich wirksam sein muss, damit ihre verfahrensrechtliche Wirksamkeit überhaupt ausgeschlossen werden kann. Die Lösung ergibt sich aber auch aus der Unterscheidung von zustellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Wirksamkeit der Zustellung (Rz 4) (so Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 6 ZustG (Stand , rdb.at) Rz 2). Kommt es i. d. S. zu mehreren Zustellungen, so sollen aus der (allenfalls jeder) späteren Zustellung, die ja nur eine Wiederholung der bereits erfolgten Zustellung darstellt, keine Rechtswirkungen mehr entstehen, weil der Zustellzweck bereits erreicht wurde. So wäre es nicht vertretbar, wenn ein Fristenlauf (insb. für Rechtsmittel) von neuem beginnen könnte. § 6 ZustG ordnet daher inhaltlich (früher ausdrücklich) an, dass nur die erste (wirksame [gültige]) Zustellung maßgebend sein soll. Das bedeutet gleichzeitig, dass spätere (für sich gesehen ebenfalls wirksame) Zustellungen des gleichen Dokuments (Schriftstücks) keine Zustellwirkungen mehr hervorrufen (ebd., Rz 4).
Es ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, dass sie selbst es war, die im Rahmen ihrer Beschwerde mögliche Unsicherheiten rund um die Zustellung bzw. eine möglicherweise gegebene mehrmalige Zustellung dadurch, dass ihr am neuerlich das gleiche Schriftstück (postalisch) zugestellt worden war, ins Treffen geführt hat. Demgegenüber ging die Behörde im Spruch ihrer Beschwerdevorentscheidung zwar nicht auf die Umstände der Zustellung der Beschwerde ein, nahm diese jedoch in sachliche Behandlung, obgleich formelle Gründe dagegengesprochen hätten.
In Ihrem Vorlageantrag ging die Beschwerdeführerin - aus ihrer Sicht konsequenterweise - davon aus, dass sich die Behörde (bereits) in die Sachfrage eingelassen habe und erstattete in der Folge ein diesbezügliches Vorbringen. Erst im Vorlagebericht führte die Abgabenbehörde aus, das Rechtsmittel sei verspätet gewesen, zumal die Zustellung des Abweisungsbescheides bereits am erfolgt sei und die neuerliche Zustellung gemäß § 6 ZustellG keine Rechtswirkung auslöse. Die mit datierte Beschwerde sei daher verspätet.
Angesichts dieses Fehlerkalküls wäre es - allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches der BAO - das adäquate Mittel, im Rahmen der Änderungsbefugnis gemäß § 279 BAO die behördliche Sachentscheidung - mit Erkenntnis - dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde (deren Anträge) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen wird (werden); die Zurückweisung somit zum Inhalt der eigenen meritorischen Erledigung durch Erkenntnis zu machen (vgl. dazu grundlegend VfSlg 19.882/201; die grundlegende Entscheidung des VwGH zur Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen formuliert dies folgendermaßen: "Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa Ro 2015/03/0032) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa 94/20/0785; vgl G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)).)." Der VwGH erstattete diese Ausführungen auf das Prozesshindernis der entschiedenen Sache bezogen, welches sich unter dem hier interessierenden Aspekt der Beachtung der eingetretenen (formellen) Rechtskraft allerdings mit dem hier gegebenen Fall, in dem die sachliche Erledigung letztlich aus dem Grund der funktionellen Unzuständigkeit nicht zugelassen ist, vergleichen lässt.
Im Anwendungsbereich der BAO (somit hier) ist hingegen die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht - mit Beschluss - zurückzuweisen, zumal die Beschwerdevorentscheidung "ipso iure aus dem Rechtsbestand" tritt (Zorn, Aktuelles zur Beschwerdevorentscheidung, RdW 2022/479RdW 2022, 593 Heft 9 v. ). Prinzipiell ist also der Eintritt der Rechtskraft des Ausgangsbescheides zu beachten.
In einem dem vorliegenden nicht unähnlichen Rechtsfall brachte die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, welche Sorgfalt eine nicht anwaltlich vertretene Verfahrenspartei im Umgang mit dem elektronischen Rechtsverkehr an den Tag zu legen habe. Aufgrund der Besonderheiten einer elektronischen Zustellung könne die Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung bei Unkenntnis einer postalischen Zustellung nicht unmittelbar auf die elektronische Zustellung umgelegt werden. Bei Zustellungen in ein virtuelles Postfach liege ein elektronisches Dokument bereit, ein nach außen erkennbarer "physischer" Vorgang liege nicht vor ().
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu im zitierten Erkenntnis ausgeführt, dass elektronisch zugestellte Dokumente gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Die Erläuterungen zu § 98 Abs. 2 BAO enthielten den Satz, der Zeitpunkt, in dem die Daten "in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt" seien, sei "bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox" (270 BlgNR 23. GP 13). Die Auffassung, "die Databox" im Sinne dieses Satzes könne nur eine solche sein, zu der der Empfänger Zugang habe, fände Deckung im Gesetz, weil sich ein Speicherbereich, zu dem der Empfänger keinen Zugang hat, nicht als sein "elektronischer Verfügungsbereich" verstehen lasse (vgl. ). Die Nichtangabe einer E-Mailadresse (bzw. die nicht erteilte Zustimmung) zur Verständigung über die Zustellung per E-Mail hindere nach § 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) die Wirksamkeit der Zustellung nicht ( unter Hinweis auf die Vorjudikatur).
Gemäß § 1 Abs. 2 FOnV - welche sowohl von der Abgabenbehörde als auch vom Gericht anzuwenden ist -, ist die automationsunterstützte Datenübertragung auch nur zulässig für Funktionen, die "dem jeweiligen Teilnehmer" in FinanzOnline "zur Verfügung stehen". Das setzt - für die Zustellung von Erledigungen in die "Databox" - voraus, dass dem Empfänger die für den Zugriff darauf erforderlichen Zugangsdaten "zur Verfügung stehen" (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 98 BAO (Stand , rdb.at) Anm 4; Hervorhebungen durch dieses Gericht).
In Bezug auf die Frage, wann Letzteres so zutrifft, dass die Zustellung in die "Databox" zulässig und die Einbringung der Daten in diesen Speicherbereich mit der in § 98 Abs. 2 Satz 1 normierten Rechtsfolge verbunden ist, bedarf es aber einer Abgrenzung gegenüber Abruf- und Empfangsproblemen, die sich aus der Verwahrung und dem Gebrauch der dem Empfänger zur Verfügung gestellten Zugangsdaten ergeben (vgl. Sorgfaltspflichten i. S. d. § 1 Abs. 3 FOnV). Die "Schlüssel" zu diesem elektronischen Postkasten sind also die Zugangscodes (Fischerlehner, Abgabenverfahren, § 98, Anm 4, m. w. N.).
Die Wirksamkeit der Zustellung wird darin - nach dem Muster des § 17 Abs. 3 ZustG - an eine negative Bedingung geknüpft, die vom Verhalten des Empfängers abhängt und deren Nichterfüllung meist erst nachträglich hervorkommt. Das Gesetz beschränkt die damit - in der Form nicht bloß einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit, sondern der vorläufigen Unwirksamkeit der Zustellung - verbundene Berücksichtigung der nicht rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang ausdrücklich auf den Fall der Abwesenheit von der Abgabestelle (vgl. ). Schützenswert sind nach allgemeinem Verständnis etwa Urlaubszeiten des Empfängers, die auch nicht mit täglichem Prüfen möglicher Zustellungen aus der Ferne belastet sein sollen.
Eine gewisse Verzögerungder Zustellwirkung und den mit der Feststellung ihrer Voraussetzungen verbundenen Verfahrensaufwand nimmt das Gesetz in solchen Fällen in Kauf (ebd., Anm 5). Dem Verwaltungsgerichtshof zufolge dient die Regelung erkennbar dazu, die geordnete Empfangnahme und Bearbeitung der Sendung - bei Bedarf etwa auch durch Herstellung von Ausdrucken - mit Hilfe der vom Empfänger für solche Zwecke regelmäßig verwendeten und nach seinen Vorstellungen gesicherten Einrichtungen zu ermöglichen. Er geht davon aus, dass dem eine Abwesenheit von der dafür verwendeten Abgabestelle gemäß (jetzt) § 2 Z 4 ZustG in der Regel entgegensteht ().
Mit seiner Regelung wollte der Gesetzgeber also Abwesenheiten regeln, während deren typischerweise das Risiko besteht, dass den Vorstellungen der Inhaberinnen und Inhaber eines "FON-Zuganges" von einer geordneten und gesicherten Empfangnahme - und in diesem Sinn ihrer Verfügungsmacht - nicht entsprochen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass von vornherein Situationen von der Zustellungswirkung ausgenommen werden sollten, in denen die FON-Zustellung tatsächlich nicht regelmäßig, sondern vielleicht nur selten genutzt oder mehr oder weniger "delegiert" wird, dies allerdings von der Empfängerin oder Empfänger so gewollt ist. § 1 Abs. 4 FOnV, wonach ein unter bestimmten Zugangsdaten gestelltes Anbringen unabhängig davon, wer die Übermittlung tatsächlich durchführt, als Anbringen desjenigen (..gilt..), auf den diese Zugangsdaten ausgestellt worden sind, es sei denn, der Teilnehmer macht glaubhaft, dass das Anbringen trotz Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten (Abs. 3) unter missbräuchlicher Verwendung seiner Zugangsdaten durch einen Dritten gestellt wurde, sieht vielmehr eine ausdrückliche Regelung für genau diese Fälle vor, um die Zurechenbarkeit sicherzustellen.
Wenn sich nunmehr die Beschwerdeführerin des Empfangsgerätes ihres Sohnes und dessen Handhabung durch ihren Sohn bediente, so wird damit nicht aufgezeigt, weshalb diese offenbar auf interner Vereinbarung beruhende Handhabung durch einen nahen Angehörigen nicht diejenige sein kann (und sollte), durch welche das Empfangsgerät eben verwendet wird; auch ist eine solche Art der Widmung eines Empfangsgerätes erfahrungsgemäß in vielen Fällen gegeben. Zudem ergibt sich aus den über Ergänzungsersuchen vom Finanzamt übermittelten Unterlagen, dass Zugangscodes namentlich an die Beschwerdeführerin über ihren Antrag versendet wurden und ein Status als FON-Teilnehmerin auf die Beschwerdeführerin lautete. In einer Gesamtschau wird daher nicht davon ausgegangen, dass die Empfängerin keinen Zugang zu jenem Speicherbereich hatte, der in ihrem Namen und für sie eingerichtet worden war.
Aktenkundig ist, dass sich die Beschwerdeführerin vom bis zum im Bezirkskrankenhaus ***Ort*** aufgehalten hat. Der Aufenthalt im Herz-Kreislauf-Zentrum hat nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen vom bis zum stattgefunden. Die elektronische Versendung - und damit im Rechtssinne zugleich auch Einbringung - des elektronischen Dokuments, welches den Abweisungsbescheid beinhaltete, erfolgte allerdings nachweislich bereits am .
Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin allerdings Teilnehmerin an FON und war die Zustellungsfunktion elektronischer Dokumente - so auch für jenes, welches den angefochtenen Bescheid vom beinhaltete, aktiviert. Die diesbezüglichen Einwände der Beschwerdeführerin, darunter jener, sie habe nie einer ausschließlich elektronischen Zustellung zugestimmt und sei eine solche auch keineswegs für sie ersichtlich gewesen, wie auch jener, sie habe alle weiteren Dokumente des Finanzamtes oder dieses Verfahren betreffende Schreiben im Datumszeitraum der Beschwerdevorentscheidung per Post zugestellt erhalten, erscheinen zwar als solche glaubhaft und sind für das Gericht über weite Strecken nachvollziehbar.
Durchschlagende Argumente gegen eine Anwendung der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) im Allgemeinen wie im Besonderen stellen sie allerdings nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht dar. So sind diese Ausführungen weder geeignet, konkret jenen Geschehnisablauf in Frage zu stellen, wie er aktenkundig und intersubjektiv nachvollziehbar ist und vom Gericht der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht wurde, noch geeignet, Bedenken in der Richtung, dass nicht schon die - freiwillige - Teilnahme an FON (nunmehr) die Einlassung auch in dessen Modus der elektronischen Zustellung bedeuten könnte, in einem Maß hervorzurufen, welches einer Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der FOnV entgegenstünde (siehe nur § 5b, welche Bestimmung grundsätzlich vorsieht, dass Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen sind, sowie ganz allgemein das System von FinanzOnline, welches zentral vom Begriff der "Teilnahme" in einem durchaus umfassenden Sinn beherrscht ist). Im Übrigen werden Überlegungen, die auf einen allfälligen Irrtum über Rechtsvorschriften, deren Unkenntnis oder ähnliches hinauslaufen, nicht schon auf der Ebene der Beurteilung des Vorliegens einer wirksamen Zustellung des elektronischen Dokuments, welches den Abweisungsbescheid enthielt, relevant.
Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten ist, dass durch eine standardmäßige Aktivierung nicht "nur mehr die elektronische Zustellung als rechtswirksam" gelten sollte, sind doch die Regelungen der FOnV 2006 als insbesondere mit § 6 ZustG im Einklang stehend anzusehen, mit welcher Bestimmung die verfahrensrechtliche Wirkung dem zeitlich ersten von zwei zustellrechtlich wirksamen Zustellvorgängen zugeschrieben werden sollte (vgl. auch und die Folgejudikatur zu § 13 Abs. 2 iVm Abs. 5 AVG, welche Vorschrift unter Berücksichtigung der hierzu vom Gesetzgeber gegebenen Erläuterungen als darauf abzielend angesehen wird, den organisationsrechtlichen Beschränkungen auch die verfahrensrechtliche Wirkung (im Sinn der Festlegung, wann ein Anbringen als eingebracht gilt und damit eine Frist gewahrt ist) zuzumessen).
Auch sollten die Regelungen der FOnV die Möglichkeit eine postalische Zustellung nicht absolut und in insbesondere nicht in rechtlicher Hinsicht beschränken; zuzugestehen ist allerdings, dass in tatsächlicher Hinsicht bei prinzipiell freier Wahl der Mittel - die Teilnahmeentscheidung löste auch die elektronische Zustellung aus - ihre Wirksamkeit als nun nicht mehr schnellste Form in vielen Fällen auf die rein zustellrechtliche eingeschränkt anzusehen sein wird.
Damit trifft aber die der Partei gegenüber im Rahmen des Parteiengehörs über die Ergebnisse der mit Beschluss vom beauftragten ergänzenden Ermittlungen "rund um die Zustellung des angefochtenen Bescheides" vorläufig geäußerte Rechtsansicht zu. Der Beschwerdeführerin gegenüber muss bereits die frühere - nämlich die elektronische - Zustellung als wirksam angesehen werden, sodass die so betrachtet neuerliche Zustellung des Bescheides am auch nicht mehr den Lauf einer Rechtsmittelfrist auslösen konnte.
§ 274 Abs. 3 BAO zufolge kann der Senat (bzw. der Einzelrichter nach § 272 Abs. 5 BAO) trotz rechtzeitigen Antrags eine mündliche Verhandlung unterlassen, wenn eine Formalentscheidung über die Beschwerde (wie hier Zurückweisung) zu erfolgen hat. Die Abwägung, welche der Richter diesbezüglich vorzunehmen hatte, ist in Richtung des Interesses der Verwaltungs-, insbesondere der Verfahrensökonomie, ausgefallen. Dabei wurde insbesondere berücksichtigt, dass die bereits erfolgte negative Sachentscheidung über die Beschwerde dem Rechtsbestand nicht mehr angehört und die Beschwerdeführerin auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter keine andere, für sie günstigere Entscheidung erreichen hätte können als jene, die schon im Akteninhalt aufgrund der evidenten Prozesshindernisse angelegt war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Ergänzender Hinweis: Da die Beschwerdeführerin nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten ist, sollen noch einige allgemeine Hinweise in jenem Umfang gegeben werden, der hinreicht, über die verfahrensrechtliche Möglichkeit informiert zu sein, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Diese Möglichkeit besteht nach Ansicht des erkennenden Gerichts bis zum Ablauf von drei Monaten ab Kenntnis dieser Entscheidung. Damit kann und soll der Entscheidung der hierfür zuständigen Behörde jedoch in keiner Weise vorgegriffen werden.
Im Fall eines rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrags stünde der Beschwerdeführerin die Ausführung des Rechtsmittels gegen den Abweisungsbescheid erneut offen; im Fall einer Bewilligung der Wiedereinsetzung, also eines mit Erfolg gestellten Antrags, würde das Verfahren in die Lage zurücktreten, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 310 Abs. 3 BAO), die Beschwerde also in sachliche Behandlung genommen.
Hätte die nachträgliche krankheitsbedingte Abwesenheit die Zustellung - und damit schon die rechtliche Existenz - des mit datierten Dokuments verhindert, wäre ein Antrag Wiedereinsetzung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von vornherein ausgeschlossen. Das ist nicht der Fall.
III. Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall fehlte es nicht an einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Von dieser wurde schließlich nicht abgewichen; vielmehr konnten sich stellende Rechtsfragen anhand der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung gelöst werden. Aus diesem Grund kam diesen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 § 5b FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100175.2023 |
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