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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2025, RV/7400099/2023

Haftung Kommunalsteuer - Kein Gläubigergleichbehandlungsnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***MA*** (MA 6/ARL - 1849433) vom zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom (MA 6/ARL -1849433-2022) wurde der Beschwerdeführer für Kommunalsteuer samt Nebengebühren iHv EUR 8.841,68 zur Haftung herangezogen. Im Wesentlichen begründet die belangte Behörde den Bescheid damit, dass die Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Insbesondere führt die Behörde zusammengefasst im Bescheid an, dass der Erhebungs- und Vollstreckungsdienst der Stadt Wien an der Firmenadresse niemanden angetroffen hat. Laut Erhebungen vor Ort (Befragung Hausbewohner) und aufgrund des äußeren Erscheinungsbild sei das Mietobjekt an der Geschäftsadresse unbewohnt. Außerdem stünden laut Bilanz vom den Aktiva iHv EUR 4.410,63 Verbindlichkeiten iHv EUR 20.556,56 gegenüber.

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer fristgerecht, das Rechtsmittel der Beschwerde. Er bringt hierbei folgende Argument vor:

"

1. Ich bestreite die Haftung dem Grunde und der Höhe nach.

2. Ein Haftungsfall liegt nicht vor.

3. Die Höhe der Forderungen von gesamt 8.841,68 samt Nebenansprüchen betreffend den Zeitraum Jänner 2016 bis Dezember 2018 wird bestritten. Die Gesellschaft schuldet diese Beträge nicht.

4. Wenn das Magistrat auf einen Bemessungsbescheid verweist, so ist mir dieser nicht bekannt. Es sind mir wesentliche Beweismittel daher vorenthalten worden. Womit sich ein erheblicher Verfahrensmangel darstellt. Ich lade die Behörde ein, mir diesen Bemessungsbescheid für eine Stellungnahme in Kopie auszufolgen.

5. Wenn die Behörde ausführt, dass ein Grundlagenbescheid gegen die Gesellschaft für den strittigen Haftungsbetrag vorliegen soll, so wird das von mir bestritten. Es liegt in der Beweispflicht der Behörde, dies gehörig nachzuweisen. Die Behörde hat insbesondere eine Bescheidabschrift über die strittigen vorgeschriebenen Kommunalsteuern in Kopie zu übermitteln.

6. Der Grundlagenbescheid selbst wird von mir bestritten.

7. Ein Haftungsfall liegt nicht vor, die Uneinbringlichkeit oder die erschwerte Einbringbarkeit gegen die Gesellschaft ist nicht belegt. Ein gesetzlicher Haftungstatbestand ist gegeben, wenn die Gesellschaft bei Liquiditätsproblemen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung verletzt. Die gesetzliche Haftung tritt nicht bei bloß geschuldeten oder nicht bezahlten Steuern ein. Die Haftung ist nur dann gegeben, wenn der Geschäftsführer schuldhaft das Gläubigergleichbehandlungsprinzip verletzt. Diese Gleichbehandlungsvorgabe verlangt es, dass die Gesellschaft vorhandene Geldmittel an ihre Gläubiger aliquot ausschüttet oder entsprechend verwendet. Dieses Gleichhbehandlungsprinzip wurde nicht verletzt.

8. Ich beantrage mir eine vollständige Aktenkopie zu übermitteln.

9. Ich beantrage die Aussetzung der Einhebung für EUR 8.841,68, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde. Die Beschwerde ist nicht aussichtslos, gesetzliche Hinderungsgründe liegen nicht vor.

10. Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

11. Die Haftung ist auch unbillig, weil ich einerseits kein nennenswertes Vermögen habe, derzeit monatliche Einkünfte von EUR 1.500.

12. Die Beschwerde ist fristgerecht eingebracht, Haftungsbescheid wurde am elektronisch zugestellt sodass die Beschwerdefrist von 1 Monat gewahrt ist."

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde eingeladen, eine monatliche Aufschlüsselung der Abgabenbeträge an Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner 2016 bis Dezember 2018 und Jänner 2023, sowie eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für denselben Zeitraum vorzulegen. Für den Fall, dass vom Beschwerdeführer keine Aufgliederung der fälligen Abgaben beigebracht wird, wurde dem Beschwerdeführer alternativ eine Schätzung der Aufteilung der fälligen Abgabenbeträge übermittelt. Dabei wurden im wesentliche die fälligen Abgabenbeträge gleichmäßig im Schätzungswege über die Monate verteilt.

In Bezug auf die geforderte Liquiditätsaufstellung wurde dem Beschwerdeführer im Schreiben vom eine detaillierte Beschreibung der geforderten Aufstellung samt Musterbeispiel übermittelt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der konkreten Begründung wird auf die Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag. Im Vorlageantrag wurde im Wesentlichen auf die Argumente in der Beschwerde verwiesen.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom wurde dem Beschwerdeführer nochmals die Gelegenheit gegeben, eine der Rechtsprechung des VwGH entsprechende Liquiditätsaufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung an das Bundesfinanzgericht zu übermitteln. Außerdem wurde er aufgefordert aktuelle Buchhaltungsunterlagen vorzulegen, um die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft beurteilen zu können.

Am fand schlussendlich die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist seit dem Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin***.

Der Geschäftsführer wurde für folgende Abgaben iHv EUR 8.841,67 zur Haftung herangezogen:


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Abgaben und Nebengebühren
Zeitraum
EUR
Kommunalsteuer
01/2016
115,71
Säumniszuschlag
01/2016
2,31
Kommunalsteuer
02/2016
115,71
Säumniszuschlag
02/2016
2,31
Kommunalsteuer
03/2016
115,71
Säumniszuschlag
03/2016
2,31
Kommunalsteuer
04/2016
115,71
Säumniszuschlag
04/2016
2,31
Kommunalsteuer
05/2016
115,71
Säumniszuschlag
05/2016
2,31
Kommunalsteuer
06/2016
115,71
Säumniszuschlag
06/2016
2,31
Kommunalsteuer
07/2016
115,71
Säumniszuschlag
07/2016
2,31
Kommunalsteuer
08/2016
115,71
Säumniszuschlag
08/2016
2,31
Kommunalsteuer
09/2016
115,71
Säumniszuschlag
09/2016
2,31
Kommunalsteuer
10/2016
115,71
Säumniszuschlag
10/2016
2,31
Kommunalsteuer
11/2016
115,71
Säumniszuschlag
11/2016
2,31
Kommunalsteuer
12/2016
115,71
Säumniszuschlag
12/2016
2,31
Verspätungszuschlag
04/2017
138,85
1.555,09
Abgaben und Nebengebühren
Zeitraum
EUR
Kommunalsteuer
01/2017
503,44
Säumniszuschlag
01/2017
10,07
Kommunalsteuer
02/2017
503,44
Säumniszuschlag
02/2017
10,07
Kommunalsteuer
03/2017
503,44
Säumniszuschlag
03/2017
10,07
Kommunalsteuer
04/2017
503,44
Säumniszuschlag
04/2017
10,07
Kommunalsteuer
05/2017
503,44
Säumniszuschlag
05/2017
10,07
Kommunalsteuer
06/2017
503,44
Säumniszuschlag
06/2017
10,07
Kommunalsteuer
07/2017
503,44
Säumniszuschlag
07/2017
10,07
Kommunalsteuer
08/2017
503,44
Säumniszuschlag
08/2017
10,07
Kommunalsteuer
09/2017
503,44
Säumniszuschlag
09/2017
10,07
Kommunalsteuer
10/2017
503,44
Säumniszuschlag
10/2017
10,07
Kommunalsteuer
11/2017
503,44
Säumniszuschlag
11/2017
10,07
Kommunalsteuer
12/2017
503,43
Säumniszuschlag
12/2017
10,06
Verspätungszuschlag
04/2018
604,13
6.766,23


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Abgaben und Nebengebühren
Zeitraum
EUR
Kommunalsteuer
01/2018
27,05
Säumniszuschlag
01/2018
0,54
Kommunalsteuer
02/2018
27,05
Säumniszuschlag
02/2018
0,54
Kommunalsteuer
03/2018
27,05
Säumniszuschlag
03/2018
0,54
Kommunalsteuer
04/2018
27,05
Säumniszuschlag
04/2018
0,54
Kommunalsteuer
05/2018
27,05
Säumniszuschlag
05/2018
0,54
Kommunalsteuer
06/2018
27,05
Säumniszuschlag
06/2018
0,54
Kommunalsteuer
07/2018
27,05
Säumniszuschlag
07/2018
0,54
Kommunalsteuer
08/2018
27,05
Säumniszuschlag
08/2018
0,54
Kommunalsteuer
09/2018
27,05
Säumniszuschlag
09/2018
0,54
Kommunalsteuer
10/2018
27,05
Säumniszuschlag
10/2018
0,54
Kommunalsteuer
11/2018
27,05
Säumniszuschlag
11/2018
0,54
Kommunalsteuer
12/2018
27,05
Säumniszuschlag
12/2018
0,54
Verspätungszuschlag
04/2019
32,46
363,54
Pfändungsgebühren
Jän.23
156,81

Der Beschwerdeführer hat keine der Rechtsprechung des VwGH entsprechende Liquiditätsaufstellung vorgelegt. Somit wurde weder eine tatsächliche Gläubigergleichbehandlung noch eine haftungsreduzierende Gläubigergleichbehandlungsquote nachgewiesen. Es wurden auch keine anderen Unterlagen vorgelegt, mit denen der Beschwerdeführer nachweisen hätte können, dass er seine abgabenrechtlichen oder sonstigen Verpflichtungen nicht schuldhaft verletzt hat.

Die Abgaben können im konkreten Fall nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden.

2. Beweiswürdigung

Add Feststellung Geschäftsführerstellung:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht unzweifelhaft aus dem aktuellen Firmenbuchauszug der Gesellschaft.

Add Feststellung Fällige Abgaben

Die fälligen Abgabenbeträge ergeben sich für das Bundesfinanzgericht unzweifelhaft aus dem Bescheid vom in dem sowohl die Kommunalsteuer als auch die Säumnis- und Verspätungszuschläge gegenüber der Primärschuldnerin festgesetzt wurden. Dieser Bescheid wurde laut elektronischem Zustellnachweis vom Beschwerdeführer als Bevollmächtigter der Gesellschaft am übernommen. Das der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, wurde von der belangten Behörde mit Schreiben vom bestätigt. Dem Bf wurde in der mündlichen Verhandlung dieses Schreiben vorgehalten. Er konnte keine gegenteiligen Beweise betreffend die Rechtskraft des Grundlagenbescheids vorlegen.

Da vom Beschwerdeführer keine Aufschlüsselung der fälligen Kommunalsteuerbeträge übermittelt wurde, wurde der Vorgehensweise der belangten Behörde folgend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, , Ra 2020/13/0082) die Abgabenschuld im Wege der Schätzung gem § 184 Abs 1 BAO monatsweise aufgeteilt.

Add Feststellung Gläubigergleichbehandlungsnachweis

Bereits mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgefordert die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Liquiditätsaufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen. Laut Feststellungen in der Beschwerdevorentscheidung vom wurde im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahren kein solcher Nachweis vorgelegt.

Auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde - trotz expliziter Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung - keine entsprechende Liquiditätsaufstellung vorgelegt.

Add Feststellung, dass Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 7 WAO (), die die Vorbildbestimmung für die im vorliegenden Fall einschlägige Norm des § 6a KommStG ist, dem Begriff "nicht ohne Schwierigkeiten" in verfassungskonformer Interpretation des ein eingeschränktes Verständnis beigemessen.

Konkret hat der Verfassungsgerichtshof dazu ausgesprochen:

"Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, daß nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Konkurseröffnung ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist. Dieses - auch von der belangten Behörde vertretene - Verständnis ergibt sich schon aus der allgemeinen Interpretationsregel, daß dann, wenn ein generell formuliertes Tatbestandselement durch eine demonstrative Aufzählung erläutert wird, die Beispiele die Interpretation der generellen Formulierung zu bestimmen haben (vgl. VfSlg. 9720/1983, 10463/1985).

Eine solche Interpretation ist verfassungsrechtlich aber auch geboten. Würde man der Vorschrift einen Sinn unterstellen, daß schon bei geringen Schwierigkeiten, etwa - wie die Beschwerde erwägt - bei subjektiver Zahlungsunwilligkeit, die Tatbestandsvoraussetzung für die Heranziehung zur Haftung gegeben ist, so käme eine solche Interpretation nach dem vom Verfassungsgerichtshof in derartigen Fällen angelegten Maßstab (vgl. Pkt. II. 3. a), insb. VfSlg. 12008/1989) in Widerspruch zu dem dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot."

Dieser Rechtsprechung folgend wären daher die bloße Zahlungsunwilligkeit der Primärschuldnerin oder etwaige gescheiterte Einbringungsversuche alleine noch nicht ausreichend, dass davon ausgegangen werden könnte, dass eine Abgabe nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann.

Vielmehr müssen noch zusätzliche erhebliche Schwierigkeiten hinzutreten, die in Ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderung im Falle eines Insolvenzverfahrens ergeben.

Wie in der Folge dargestellt wird, liegen im vorliegenden Fall solche Schwierigkeiten vor. So zeigt die Bilanz zum ein negatives Eigenkapital iHv rund TEUR -16. Den Aktiva von EUR 4.280,90 stehen Verbindlichkeiten von EUR 20.426,83 gegenüber. Recherchen des Bundesfinanzgerichts haben aber gezeigt, dass diese Bilanz nicht richtig sein dürfte. So weist beispielsweise das Abgabenkonto der Primärschuldnerin beim Finanzamt per alleine Abgabenverbindlichkeiten von EUR 76.385,09 aus. Diese Verbindlichkeit wurde in der Bilanz nicht oder zumindest nicht zur Gänze berücksichtigt. Würde alleine diese Verbindlichkeit in Bilanz zum berücksichtigt, würde sich ein noch schlechteres Bilanzbild mit einem erheblich höheren negativen Eigenkapital ergeben. Aus dem Akt ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Gesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die zu einer maßgeblichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation führen könnte.

Mit Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesfinanzgericht aufgrund dieser Tatsachen davon ausgeht, dass Schwierigkeiten hinsichtlich der Abgabenerhebung vorliegen würden, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderung im Falle eines Insolvenzverfahrens ergeben. In diesem Zusammenhang wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, anhand aktueller Buchhaltungsdaten nachzuweisen, dass hinsichtlich der Gesellschaft keine mit einer Insolvenz vergleichbare Situation vorliegt.

Weder vor oder in der mündlichen Verhandlung wurden vom Beschwerdeführer schlüssige Buchhaltungsunterlagen vorgelegt, die auf eine bessere wirtschaftliche Situation der Gesellschaften schließen hätten lassen können.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz bestimmt wie folgt:

"Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß."

Damit eine Person nach dieser Bestimmung zur Haftung für eine fremde Abgabenschuld herangezogen werden kann, müssen daher die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:

1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

2. Bestehen einer Abgabenschuld

3. Einbringung der Abgabe beim Abgabenschuldner nicht ohne Schwierigkeiten möglich

4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

Der Beschwerdeführer war in den haftungsgegenständlichen Zeiträumen Geschäftsführer der Primärschuldnerin und kann daher grundsätzlich zur Haftung herangezogen werden.

Bestehen einer Abgabenschuld

Wie im Sachverhaltsteil festgestellt ergibt sich das Bestehen der Abgabenschuld aus dem Bescheid Abgabenbescheid vom , der gegenüber der Primärschuldnerin erlassen wurde und rechtskräftig ist.

Einbringung der Abgabe beim Abgabenschuldner nicht ohne Schwierigkeiten möglich

Wie im Sachverhaltsteil festgestellt ist die Abgabe nicht ohne Schwierigkeiten einbringbar. Das Tatbestandsmerkmal ist daher erfüllt. In diesem Zusammenhang wird auf die detaillierte Begründung in der Beweiswürdigung verwiesen.

Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

Allgemeine Rechtslage/erhöhte Mitwirkungspflicht des Vertreters

Gem § 80 Abs 1 BAO haben die Vertreter von juristischen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). In diesem Zusammenhang muss der Vertreter allerdings keinen negativen Beweis dafür vorbringen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, sondern lediglich eine konkrete, schlüssige Darstellung der Gründe, die einer rechtzeitigen Abgabenentrichtung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben entgegengestanden sind (vgl zB , 89/13/0212; , 2005/17/0259).

Die Haftung kann in diesem Zusammenhang insbesondere dann begrenzt werden, wenn der Haftungspflichtige nachweist, dass ihm im Haftungszeitraum nicht ausreichend liquide Mittel zur Verfügung gestanden sind und er den Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt hat (sogenannter Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung).

Nachweis der Gläubigergleichbehandlung

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die fehlende Benachteiligung des Abgabengläubigers nur dann nachgewiesen werden, wenn die liquiden Mittel im Haftungszeitraum zu keiner Zeit ausreichten, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu tilgen. Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der vollständigen Mittelausschüttung. Der Vertreter handelt schuldhaft, wenn die Primärschuldnerin über Mittel verfügt hätte, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu bedienen und die Abgaben dennoch nicht vollständig bezahlt wurden. Reichen diese Mittel nicht aus, kann allerdings ein Gleichbehandlungsnachweis angetreten werden (vgl eine übersichtliche Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 682ff).

Erbringt der Vertreter den Nachweis, dass der Abgabengläubiger ebenso viel an vorhandenen Mitteln erhalten hat, wie andere Gläubiger, dann haftet er überhaupt nicht (vgl ). Dabei ist nachzuweisen, dass kein einziger Gläubiger dem Abgabengläubiger vorgezogen wurde (vgl ; ; 2002/13/0196; , 98/14/0082). Es ist daher nicht darzustellen, dass der Abgabengläubiger nicht weniger als der Durchschnitt der Gläubiger bekommen hat, sondern dass kein anderer Gläubiger mehr als der Abgabengläubiger erhalten hat. Wird also ein einziger Gläubiger (z.B. ausstehende Löhne, Lieferanten, Bankverbindlichkeiten, Zug-um-Zug-Geschäfte etc) voll bezahlt, liegt eine Schlechterstellung des Abgabegläubigers iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl ; , 2001/14/0126; , 2003/13/0111; , 2008/15/0085; ,89/14/0132; , 93/17/0051). In diesem Zusammenhang ist es nicht relevant, dass solche Zahlungen betriebsnotwendig waren (). Tilgt der Vertreter andere Verbindlichkeiten voll oder in einem höheren Ausmaß, dann ist der Abgabengläubiger im gleichen Ausmaß zu befriedigen.

Wie im Sachverhaltsteil festgestellt wurde ein solcher Nachweis nicht erbracht.

Nachweis einer fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote

Gelingt dem zur Haftung herangezogenen Vertreter der Nachweis nicht, dass er sämtliche Gläubiger im Zeitpunkt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuld tatsächlich gleichbehandelt hat (alle Gläubiger haben dieselbe Quote erhalten), besteht in einem zweiten Schritt die Möglichkeit, eine fiktive Quote nachzuweisen, die der Abgabengläubiger erhalten hätte, wenn sämtliche Gläubiger aus den vorhandenen Mitteln gleich befriedigt worden wären. Im Rahmen der Haftung des § 6a KommStG haftet der Vertreter nämlich nicht für die volle Abgabenschuld der Primärschuldnerin, sondern nur in jenem Ausmaß in dem der Abgabengläubiger ungleich behandelt wurde (vgl zB ).

Bei der Berechnung der Quote obliegt dem Vertreter eine qualifizierte Mitwirkungspflicht. Er hat die fiktive Gleichbehandlungsquote zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu berechnen und diese entsprechend nachzuweisen.

Beim Nachweis der fiktiven Quote spielen die Zahlungen an andere Gläubiger keine Rolle. Die fiktive Gleichbehandlungsquote betrachtet nur, wie viel an Abgabenschulden getilgt worden wären, wenn der Vertreter die vorhandenen Mittel gleichmäßig auf alle Verbindlichkeiten verteilt hätte. Diese Quote ist dann der Quote der tatsächlich bezahlten Abgabenschulden gegenüberzustellen. Für den Differenzbetrag haftet der Vertreter (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).

Bei der Berechnung der Quote hat der Vertreter für den Gleichbehandlungsnachweis, zum jeweiligen Fälligkeitstag der Abgaben die fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln gegenüberzustellen (vgl zB ). Mit anderen Worten ist daher der Betrag die liquiden Mittel durch den Betrag der fälligen Verbindlichkeiten zu dividieren. Bei dieser Betrachtung wären gegebenenfalls auch später eingehende liquide Mittel zu berücksichtigen (vgl ), wobei die Quote, die sich aus den liquiden Mitteln zum jeweiligen Fälligkeitstag ergibt, die Untergrenze für die Haftung darstellt. Später eingehende liquide Mittel können den Haftungsbetrag nur erhöhen.

Gelingt dem Vertreter der Nachweis einer entsprechenden Quote, haftet er lediglich im Ausmaß der Quote. Wird keine Quote nachgewiesen haftet der Vertreter für die vollen Abgabenrückstände (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).

Wie im Sachverhaltsteil festgestellt wurde ein solcher Nachweis nicht vorgelegt.

Entsprechend der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, hat das Bundesfinanzgericht daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Abgaben schuldhaft nicht entrichtet hat.

Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus.

Wie im Vorpunkt dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht auf Basis der Aktenlagen und mangels anderer Vorbringen des Beschwerdeführers davon aus, dass er seine abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft verletzt hat. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB , 2012/16/0001; , 2013/16/0016; , Ra 2020/13/0027). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgabe aus.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass alle Tatbestandsmerkmale der anwendbaren Haftungsbestimmung im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung beruht auf der zitierten, ständigen, höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7400099.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at