TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.12.2024, RV/7102136/2023

Herabsetzung eines Säumniszuschlages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf-GmbH***, ***Adresse***, vertreten durch ***Steuerberatungskanzlei***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Aufhebung eines ersten Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs 7 BAO, zu Steuernummer ***BfStNr***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde für die ***Bf-GmbH*** (nachfolgend "Bf-GmbH") gemäß § 217 Abs 1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag für Umsatzsteuer 10-12/2022 in Höhe von € 2.653,22 festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, die Bf-GmbH habe die Umsatzsteuer für die Monate Oktober bis Dezember 2022 nicht fristgerecht bis zum entrichtet.

Am wurde mit nachfolgend angeführter Begründung ein Antrag auf Herabsetzung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs 7 BAO gestellt: Die Festsetzung des Säumniszuschlages für die Umsatzsteuer 10-12/2022 sei aufgrund der verspäteten Einbringung eines Stundungsansuchens erfolgt. Die Umsatzsteuer für 10-12/2022 sei am fällig gewesen; das Stundungsansuchen sei erst am eingereicht worden. Die verspätete Einbringung des Stundungsersuchens sei darauf zurückzuführen gewesen, dass die für Ratenansuchen zuständige Mitarbeiterin in der Steuerberatungskanzlei aus Krankheitsgründen länger ausgefallen war. Die ***Bf-GmbH*** begleiche ihre Abgabenschuldigkeiten stets pünktlich; der Auftrag, ein Stundungsersuchen einzureichen, sei von der Bf-GmbH auch zeitgerecht an die steuerliche Vertretung gesendet worden. Die Bf-GmbH treffe somit an der verspäteten Zahlung kein grobes Verschulden. Auch der steuerlichen Vertretung könne kein grobes Verschulden vorgeworfen werden, da die plötzliche Krankheit der zuständigen Mitarbeiterin nicht vorhersehbar gewesen sei. Es werde somit beantragt, den am festgesetzten Säumniszuschlag auf € 0,00 herabzusetzen.

Am wurde der Antrag gemäß § 217 Abs 7 BAO abgewiesen.

Am wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom erhoben und eine mündliche Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Es wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag gestellt.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Vorhalt vom wurde die Bf-GmbH vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, Fragen zum im konkreten Fall verwirklichten Sachverhalt zu beantworten.

Am erging die Ladung zu einer am stattfindenden mündlichen Senatsverhandlung.

Mit Eingabe vom zog die Bf-GmbH ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie ihren Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf-GmbH ist eine Gesellschaft mit Sitz in Wien und dem Geschäftszweig Erwerb, Entwicklung, Errichtung, Verwertung von und der Handel mit Immobilien. Die Umsatzsteuervoranmeldung für 10-12/2022 mit einer Zahllast von € 186.472,11 wurde elektronisch eingebracht. Die (am fällige) Umsatzsteuer für 10-12/2022 wurde mit dem am Abgabenkonto befindlichen Guthaben in Höhe von € 53.811,20 verrechnet. Für den am Fälligkeitstag unberichtigt aushaftenden Rest (€ 132.660,91) wurde der Bf-GmbH ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2% (€ 2.653,22) vorgeschrieben. Die Umsatzsteuervoranmeldungen und die betreffenden Überweisungen wurden von der Bf-GmbH damals selbst abgegeben bzw durchgeführt. Die Bf-GmbH hatte ihre steuerliche Vertretung im Vorfeld des Fälligkeitstermines darum ersucht, hinsichtlich eines Betrages von € 132.660,91 ein Stundungsersuchen einzubringen. Das Stundungsersuchen ist von der steuerlichen Vertretung erst am eingebracht worden.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes (insbesondere auf das nicht in Streit gezogene Parteienvorbringen) und auf Datenbankabfragen (Abgabenkonto, Firmenbuch).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 217 Abs 7 BAO regelt: "Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt."

Grobes Verschulden liegt vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren ist. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (). Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (). Das grobe Verschulden eines Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl , , ). Dies gilt auch für Parteienvertreter und für Organe juristischer Personen (). Parteienvertreter haben die Organisation ihres Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die (richtige) Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieses Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend, sodass nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens des Parteienvertreters gesprochen werden kann (). Ein (grobes) Verschulden von Angestellten der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich; entscheidend ist diesfalls, ob der Partei oder dem Parteienvertreter selbst grobes Verschulden, insbesondere Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl ).

Die Herabsetzung von Säumniszuschlägen ist ein antragsbedürftiger, begünstigender Verwaltungsakt. Ungeachtet der auch hierfür geltenden grundsätzlichen Pflicht der Abgabenbehörden, die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, erfährt dieser Grundsatz doch gerade bei der antragsbedürftigen Inanspruchnahme abgabenrechtlicher Begünstigungen eine am Kriterium der Zumutbarkeit orientierte, mehr oder weniger starke Einschränkung. Dem Antragsteller fällt die Behauptungslast und eine diesbezügliche Konkretisierungspflicht (erhöhte Mitwirkungspflicht) zu (vgl sowie mwN).

Aus dem Vorbringen der Bf-GmbH ist folgendes abzuleiten: Die Bf-GmbH, die ihre Abgabenschuldigkeiten sonst immer pünktlich beglich, hat ihre steuerliche Vertretung rechtzeitig damit beauftragt, ein Stundungsersuchen in Bezug auf den betreffenden Abgabenbetrag einzubringen (Grund: Es sei aufgrund einer unerwarteten Zahlungsverpflichtung zu einem kurzfristigen Liquiditätsengpass gekommen, sodass der ausstehende Betrag nicht termingerecht und auf einmal aufgebracht hätte werden können). Das Stundungsersuchen ist von der Steuerberatungskanzlei verspätet eingebracht worden, wobei als Grund dafür seitens des steuerlichen Vertreters angeführt wird, dass die für Zahlungserleichterungsersuchen zuständige Mitarbeiterin in der Steuerberatungskanzlei aus Krankheitsgründen zu diesem Zeitpunkt "länger ausgefallen" gewesen sei; die "plötzliche Krankheit" der zuständigen Mitarbeiterin sei für die steuerliche Vertretung nicht vorhersehbar gewesen. Aus welchen Gründen es im vorliegenden Fall nicht möglich war, die Bf-GmbH nach Auftragseingang davon zu informieren, dass die steuerliche Vertretung aufgrund der krankheitsbedingten Abwesenheit der dafür zuständigen Mitarbeiterin nicht in der Lage ist, rechtzeitig ein Zahlungserleichterungsersuchen zu stellen und die Säumnis nur durch zeitgerechte Entrichtung der betreffenden Abgabe vermeidbar ist bzw das Verwirken eines Säumniszuschlages lediglich durch eine eigenständige Einreichung des Stundungsersuchens verhindert werden kann, erschließt sich daraus nicht. Angaben, die die Annahme rechtfertigen, dass dies auf ein etwaiges - im Rahmen der Verschuldensprüfung gemäß § 217 Abs 7 BAO unschädliches - grobes Verschulden von Angestellten der steuerlichen Vertreterin zurückzuführen ist, und kein Auswahl- bzw Überwachungsverschulden vorliegt, wurden nicht gemacht. Dass kanzleiinterne Vorkehrungen (Überwachungsmechanismen, Vertretungsregeln) für den Fall der Erkrankung von für die termingerechte Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten verantwortlichen Mitarbeitern getroffen worden sind, wie diese konkret ausgestaltet waren und warum sie im konkreten Fall nicht funktioniert haben bzw nicht funktionieren konnten (zB wegen völliger Dispositionsunfähigkeit involvierter Personen aufgrund der Art der Erkrankung und aufgrund der fehlenden Übertragungsmöglichkeit von Aufgaben an andere Personen), wurde nicht dargelegt. Ebensowenig wurde das Vorliegen einer Sachverhaltskonstellation nachgewiesen, in der die Abgabenentrichtung als unmöglich (aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit) oder unzumutbar (weil etwa nur durch Vermögensverschleuderung zu bewirken) anzusehen wäre. Es liegt am Abgabepflichtigen, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Abgabenentrichtung zum Zeitpunkt der Fälligkeit, und dass gegebenenfalls auch keine Vorsorge für die Entrichtung erkennbar anfallender Abgabenschuldigkeiten getroffen werden konnte, deutlich durch entsprechende Vorbringen und Vorlage entsprechender Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen eingehend offen zu legen (vgl etwa , , ). Mit dem bloßen Hinweis, auf den kurzfristig aufgetretenen Liquiditätsengpass entsprach die Bf-GmbH der sie treffenden Konkretisierungspflicht nicht. Dass ein anderer andrängender Gläubiger prioritär befriedigt worden ist, wurde im aktenkundigen Stundungsersuchen von der Bf-GmbH selbst eingeräumt. Es ist im Vorlagebericht festgehalten worden, dass der Bf-GmbH nach Ansicht der belangten Behörde ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vorzuwerfen ist. Dem ist die Bf-GmbH nicht mit einer Ergänzung ihres Vorbringens entgegengetreten; am wurde die Bf-GmbH vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss dazu aufgefordert, konkret zu den Umständen, die dazu geführt haben, dass die betreffenden Abgaben nicht zum Fälligkeitstermin entrichtet worden sind bzw werden konnten, Stellung zu beziehen und das Beschwerdebegehren durch Beantwortung von Fragen zu den im konkreten Fall vorliegenden Gegebenheiten zu substantiieren. Der Vorhalt ist unbeantwortet geblieben. Am hat das Bundesfinanzgericht zu einer am stattfindenden mündlichen Verhandlung geladen; auch dort hätte die Bf-GmbH Sachverhaltselemente aufzeigen können, die die in der Beschwerdeentscheidung vorzunehmende Einstufung des Schuldverhaltens des Vertreters ermöglichen. Die mündliche Verhandlung ist aufgrund der von der Bf-GmbH am abgegebenen Verzichtserklärung abberaumt worden.

Entscheidungswesentlich ist, ob die Bf-GmbH bzw deren Vertreter ein grobes Verschulden an der Säumnis, dh an der verspäteten Tilgung, trifft; dies kann freilich nur auf Basis des konkreten Sachverhaltes beantwortet werden. Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der verspäteten Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgabenschulden kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zugrunde liegt, konnten nicht festgestellt werden. Um das Vorliegen oder Nichtvorliegen groben Verschuldens beurteilen zu können, hätte es einer eingehenden Darstellung der für die Säumnis ursächlichen Gegebenheiten und nicht nur eines unkonkret bleibenden Vorbringens bedurft.

Es war daher spruchgemäß zu befinden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen. Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102136.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102136.2023

Fundstelle(n):
JAAAF-43691