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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.12.2024, RV/2100517/2023

Keine Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens 2018 mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 303 (1) lit b BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom , eingebracht am , gegen den zur Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme (§ 303 BAO) des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 29.Jän 2020 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zu klären ist im anhängigen Verfahren die Zulässigkeit der Ablehnung einer beantragten Wiederaufnahme des an die Beschwerdeführerin (Bf) ergangenen Einkommensteuer (ESt)- Bescheides 2018 vom 29.Jän 2020.

Das Finanzamt Österreich (FA) geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 303 BAO für eine Wiederaufnahme des rechtskräftigen Veranlagungsbescheides mangels neu hervorgekommener Tatsachen nicht vorliegen.
Die Bf wiederholt - ohne auf diesen Einwand des FA einzugehen - im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Veranlagungsverfahren 2018.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I. Der gegenständlichen Entscheidung liegt als Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (Auswertung der unbedenklichen FA-Vorlageunterlagen und Recherchen in abgabenbehördlichen Datenbanken) der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Bf, eine pensionierte Volksschullehrerin, ist aufgrund des Bezuges von zwei Pensionen zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (ANV) verpflichtet.
Ihre ANV-Erklärung 2018 wurde dem FA im Dez 2019 vom Sohn via FAX-Anschluss der Universität Graz dreimal unvollständig übermittelt. Die Bf machte darin, soweit verfahrensrelevant, unter der Kz 731 (Begräbniskosten) eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von 10.000,- € geltend.
Im nachfolgenden Ermittlungsverfahren angeforderte Unterlagen (Niederschrift zur Verlassabhandlung, Einantwortungsurkunde, Rechnungen, Zahlungsbelege) wurden dem FA am Tag des Fristablaufes neuerlich vom FAX-Anschluss des Sohnes der Universität Graz übermittelt und waren wiederum teilweise unvollständig. Dadurch fehlten u.a. Informationen betreffend Erblasser, Erben und Nachlasshöhe.
Der - beim FA ebenfalls unvollständig eingelangten - Rechnung eines Steinmetzbetriebes vom 14.Sept 2018 an die Bf ist zu entnehmen, dass die Arbeiten eine "Grabstätte XY" betroffen hatten. Als Verstorbene sind in der Rechnung "Anna XY & Anneliese XY" genannt.

Im ESt-Bescheid 2018 vom 29.Jän.2020 begründete das FA die Abweisung des begehrten Abzuges von außergewöhnlichen Belastungen mit dem Hinweis "Trotz Aufforderung haben wir nicht alle Unterlagen erhalten. Daher konnten wir nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigen."

Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren wurden dem FA, neben der vollständigen Rechnung vom 14.Sept.2018 und einem zugehörigen Überweisungsauftrag v. , ein Beschluss des BG Z vom im Verlassenschaftsverfahren der am xx.Mai 2013 verstorbenen Anneliese Maria XY (Schwester der Bf) betreffend Überlassung an Zahlungsstatt an die Bf (§§ 154f AußStrG) übermittelt. Die Bf hatte in diesem Verfahren keine unbedingte Erbserklärung abgegeben.
Die bereits angeforderten Unterlagen zur Verlassenschaft der Mutter bzw. einer zweiten Schwester (lt. Beschwerdevorbringen verstorben 2011 bzw. 2013) blieb die Bf weiter schuldig bzw. bot sie eine Nachreichung bei Bedarf an.
Eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE), in welcher das FA den Abzug der geltend gemachten Begräbniskosten unter Verweis auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang der Renovierung/Erneuerung des Familiengrabes mit den Begräbnissen ablehnte, erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 24. Jän 2022 reichte die Bf eine Kopie ihrer (vollständigen) ANV-Erklärung 2018 vom Dez 2019 beim FA ein. Die Abweichung von der Ersteinbringung beschränkte sich auf einen handschriftlichen Vermerk in der (einzigen angeschlossenen) Beilage L1ab ("731: Das Grab wurde nach dem Begräbnis 2013 aus wirtschaftlichen Gründen erst 2018 wiederhergestellt").

Das FA behandelte die Eingabe der Bf als Antrag auf Wiederaufnahme des ESt-Bescheides 2018 vom 29.Jän 2020 nach § 303 Abs 1 BAO. Im anschließenden abgabenbehördlichen Verfahren wurden weder von der Bf das Sachverhaltsvorbringen ergänzt oder Beweismittel nachgereicht, noch sind Ermittlungen des FA dokumentiert.

Mit dem vom BFG im anhängigen Verfahren allein zu überprüfenden Bescheid vom 14.Sept 2022 wies das FA den Antrag der Bf vom 24.Jän 2022 auf Wiederaufnahme des ESt-Bescheides 2018 vom 29.Jän 2020 mangels Vorliegens eines der in § 303 Abs 1 BAO abschließend angeführten Wiederaufnahmegründe als unbegründet ab. Die geltend gemachten Aufwendungen seien bei Erlassung des Erstbescheides bereits bekannt gewesen und stellten daher keine neu hervorgekommenen Tatsachen dar.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde und dem Vorlageantrag beschränkte sich die Bf im Wesentlichen auf Wiederholungen des Vorbringens aus dem ANV-Verfahren 2018. Erst nachträglich bekannt gewordene Sachverhalte aus der Zeit vor dem bescheidmäßigen Abschluss des ANV-Verfahrens 2018 enthielten die Eingaben der Bf nicht. Neue Unterlagen/ Beweismittel wurden nicht übermittelt.

II. Nach § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das BFG hat bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen einen abgabenbehördlichen Bescheid, der über eine Wiederaufnahme nach § 303 BAO abspricht, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus dem im bekämpften Bescheid gebrauchten Grund wiederaufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen oder Verfahrenstiteln zulässig gewesen wäre. Bei der Wiederaufnahme auf Antrag bestimmt die betreffende Partei durch das konkrete Vorbringen im Antrag, welchen gesetzlichen Wiederaufnahmegrund sie als verwirklicht ansieht und legt damit fest, was die vom Bf zu überprüfende "Sache" des Wiederaufnahmeverfahrens ist.

Die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens dient nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung zu beseitigen. Vielmehr bietet das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen die Möglichkeit, bisher unbekannte, aber entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente zu berücksichtigen. Zweck der Wiederaufnahme nach dem sogenannten Neuerungstatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen.
Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem vom bekämpften Bescheid abweichenden Bescheidspruch geführt hätten. Die Tatsachen müssen neu hervorgekommen sein, das heißt es muss sich um Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, dem Antragsteller aber erst nach Abschluss dieses Verfahrens bekannt wurden. Eine neue rechtliche Würdigung eines bekannten Sachverhaltes vermittelt dagegen keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von Verfahren nach dem Neuerungstatbestand.
Die Behauptungs- und Beweispflicht liegt in einem solchen Verfahren beim Antragsteller (vgl. ; ; ; ; ; , je mwN).

III. Im anhängigen Verfahren kommt nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen von den in § 303 BAO abschließend genannten Wiederaufnahmegründen von vorne herein nur der sogenannte Neuerungstatbestand in Betracht (keine Hinweise auf eine strafbare Handlung/ Erschleichung des Bescheides; keine Vorfragenthematik).

Der vom FA im Abweisungsbescheid vom 14.Sept.2022 vertretene Rechtsstandpunkt entspricht aus Sicht des BFG der aus § 303 Abs 1 lit b BAO resultierenden Rechtslage.
Die vorgenommene Banküberweisung dokumentiert, dass der Bf die geltend gemachten Aufwendungen sowohl bei Ergehen des ESt-Bescheides 2018 vom 29.Jän 2020 als auch der BVE vom bekannt waren. Auch die zugehörigen Unterlagen für deren Nachweis waren ihr schon während des abgabenbehördlichen Veranlagungsverfahrens zugänglich.
Im anhängigen Wiederaufnahmeverfahren kamen weder Tatsachen noch Beweismittel aus der Zeit vor Abschluss des ANV-Verfahrens 2018 hervor, die zu einem im Spruch anderen ESt-Bescheid 2018 führen konnten und der Bf erst nach Ergehen des abschließenden Bescheides (BVE ) zur Kenntnis gelangten.

Soweit die Bf in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde auf ihre fristgerechte Beantwortung des abgabenbehördlichen Ergänzungsersuchens vom Dez 2019 verweist, ist anzumerken, dass die mit 28.Jän 2020 datierte Stellungnahme samt Beilagen vom FA ohnehin der BVE vom zugrunde gelegt und gewürdigt wurde.
Die im Beschwerdeschriftsatz vom in den Raum gestellte "Fehlauskunft" "vom zuständigen Team des FA X" deckt sich mit dem in dieser BVE vertretenen Standpunkt des FA. Der Bf wäre die Einbringung eines Vorlageantrages (§ 264 BAO) zu deren Überprüfung offen gestanden. Die als Teil der BVE vom ergangene Rechtsbelehrung enthielt einen entsprechenden Hinweis.
Vor diesem Hintergrund erübrigten sich nähere Ermittlungen zu Zeitpunkt und Inhalt der vorgebrachten Auskunft im anhängigen Verfahren.
Die Beschwerde der Bf vom war somit als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im anhängigen Verfahren lagen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, folgt die Entscheidung dem klaren Wortlaut der verwendeten gesetzlichen Bestimmungen und der angeführten VwGH Judikatur.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100517.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100517.2023

Fundstelle(n):
CAAAF-43689