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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2025, RV/3100060/2024

Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung, Steuernummer ***123***,
zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) die Befugnis zur Selbstberechnung zu Steuernummer ***123*** gemäß § 11 Abs 2 GrEStG 1987 unbefristet aberkannt.
Begründet wurde die Aberkennung vor allem mit wiederholten Fristversäumnissen und Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht der Unterlagen.
Die Bf. habe immer wieder telefonisch auf die Fälligkeit ihrer Grunderwerbsteuer-Selbstberechnungen aufmerksam gemacht werden müssen. Während dieser telefonischen Beratungen seien auch nicht angemeldete Geschäftsfälle unter Anleitung wegen Fristversäumnis in Abgabenerklärungen umgewandelt und angezeigt worden.
Die Bf. habe die gesetzlichen Bestimmungen für die Selbstberechnung bereits mehrmals nachweislich zur Kenntnis genommen: mit Informations-Schreiben vom und in der schriftlichen Androhung der Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung vom . Darüber hinaus habe es immer wieder telefonische Beratungen durch das Finanzamt gegeben und sei die Bf. mit Schreiben vom , über die korrekte Form der Entrichtung der selbstberechneten Abgaben informiert worden.
Trotzdem sei die Entrichtung der selbstberechneten GrESt und gerichtlichen Eintragungsgebühr zumeist in mehreren vollkommen willkürlichen und nicht nachvollziehbaren Betragen erfolgt.
Bei einer Prüfung in der Kanzlei der Bf. seien grobe Mängel bei der Aufbewahrung der Unterlagen festgestellt worden.

2. In der Beschwerde vom gegen den Aberkennungsbescheid führte die Bf. aus, dass sämtliche Anmeldungen der Grunderwerbsteuerselbstberechnungen fristgerecht und alle Entrichtungen der selbstberechneten Abgaben innerhalb der Toleranzfrist erfolgt seien. Die Prüferin der belangten Behörde sei nur wenige Minuten in der Kanzlei gewesen und es sei für die Bf. nicht nachvollziehbar, welche groben Mängel bei der Aufbewahrung der Unterlagen vorliegen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Entrichtung der selbstberechneten Abgaben sei in 168 von 193 Geschäftsfällen verspätet, aber innerhalb der Toleranzfrist erfolgt. Die Entrichtung zu 16 Geschäftsfällen sei außerhalb der Toleranzfrist des § 211 Abs 2 BAO erfolgt.
Für die Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung sei auch Zustand des Aktenarchivs ausschlaggebend gewesen.
Die Prüferin habe bei ihrem Besuch in der Rechtsanwaltskanzlei sofort bei Betreten der Räumlichkeiten einen starken Uringeruch wahrgenommen, die Kanzlei erschien sehr verschmutzt und unaufgeräumt.
In den offenen Aktenschränken, auf dem Boden/Teppich, wie auch auf den weiteren Einrichtungsgegenständen habe die Prüferin überall Tierkot, offensichtlich von Mäusen, vorgefunden. Auch der Tisch, welcher als Arbeitsplatz für die Prüfung vorbereitet wurde, sei übersäht mit Mäusekot gewesen.
An den Akten, die den GrESt-Selbstberechnungen zugrunde liegen, seien deutliche bis zu 2 cm vom Rand nach innen reichende Knabberspuren auszumachen. Zwischen den Aktenteilen sei ebenfalls Mäusekot gelegen, die Schriftstücke hätten Spuren von Urin aufgewiesen.
Die Durchführung einer Prüfung sei der Prüferin mit diesen Akten nicht zumutbar gewesen und wurde der Prüferin vom Dienststellenleiter auch zum Schutz ihrer Gesundheit untersagt.
Damit sei das Finanzamt an der Wahrnehmung der Befugnis gem. § 15 Abs. 2 GrEStG zur Prüfung sämtlicher in den Anmeldungen der GrESt-SB der Parteienvertreterin enthaltenen Angaben gehindert.
Die Akten würden sich derzeit noch in verschlossenen Behältnissen in einem abgeschlossenen Raum der Dienststelle befinden. Sie werden unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen fotografisch dokumentiert und danach der Bf zurückgegeben.
Für die Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung der GrESt sei die Vertrauenswürdigkeit für die korrekte Anmeldung und Entrichtung der Selbstberechnung und die Verlässlichkeit für eine reibungslose Abwicklung ausschlaggebend. Das Verhalten der Bf. widerspreche dieser Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit.

4. Am beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend brachte die Bf. vor, dass die Meldungen rechtzeitig erfolgt seien. Auf den Zeitpunkt der Buchung am Abgabenkonto habe sie keinen Einfluss. Zum Vorwurf der verspäteten Entrichtungen merkte sie an, dass es sich nicht um verspätete Entrichtungen handle, sondern die Verbuchung, auf die sie keinen Einfluss nehmen kann, verspätet erfolgt sei.
Zu den 16 Geschäftsfällen, in denen die Entrichtung außerhalb der Toleranzfrist erfolgt sei, habe die Bf keine Möglichkeit der Stellungnahme gehabt. Wären Vorhalte zu den einzelnen Sachverhalten erfolgt, hätte sie darauf eingehen können.
Die Diffamierung der Bf. sei ehrenrührig und entbehre jeder Grundlage. Die Bf. habe das Prüfungsorgan darauf hingewiesen, sie habe festgestellt, dass die untersten Akten von einer Maus angeknabbert wurden. Es werde beantragt den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

5. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung.

6. Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die Bf. binnen zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses zu folgenden Punkten im Vorbringen der belangten Behörde Stellung zu nehmen:

  1. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***2*** sei am entstanden. Die mit 04/2019 erfasste Selbstberechnung sei jedoch erst am mit dem Zeitraum 07/2020 angemeldet und mit entrichtet worden.

  2. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***3*** sei am entstanden. Die Selbstberechnung sei jedoch erst mit dem Zeitraum 11/2021 angemeldet und entrichtet worden.

  3. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***4*** sei am entstanden. Die Selbstberechnung sei jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2022 angemeldet und entrichtet worden.

  4. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***5*** sei am entstanden. Die Selbstberechnung sei jedoch erst am erfolgt und mit dem Zeitraum 01/2023 angemeldet und entrichtet worden.

  5. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***6*** sei am entstanden. Die Selbstberechnung sei jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2023 angemeldet und entrichtet worden.

  6. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***7*** sei am entstanden. Die Selbstberechnung sei jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2023 angemeldet und entrichtet worden.

  7. Die selbstberechnete Abgabe des Zeitraums 02/2023, Fälligkeitstag , wurde am , also mit einmonatiger Verspätung entrichtet.

  8. Dieser Beschluss wurde der Bf. nachweislich zugestellt aber nicht beantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist als Rechtsanwältin eine Parteienvertreterin, die zur Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer gemäß § 11 GrEStG 1987 befugt war.

Die Bf. wurde -aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei ihren Selbstberechnungen- am erstmalig schriftlich vom Finanzamt über die gesetzlichen Bestimmungen zur Grunderwerbsteuer-Selbstberechnung informiert. Gleichzeitig wurden ihr Tipps zur ordnungsgemäßen Entrichtung übermittelt.

Diese Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen für die GrESt-Selbstberechnung sowie die Tipps zur Entrichtung wurden der Bf. am nochmals, mit der Bitte um Retournierung einer unterschriebenen Ausfertigung übermittelt. Diese von der Bf. unterfertigte Ausfertigung langte am beim Finanzamt ein.

Nachdem es zu weiteren Unregelmäßigkeiten kam, wurde diese Information über die gesetzlichen Fristen der Bf. nochmals am gesendet.

Aufgrund weiterer Versäumnisse wurde der Bf. am schriftlich die Aberkennung der Befugnis zur Grunderwerbsteuer-Selbstberechnung gem. § 11 Abs. 2 GrEStG schriftlich angedroht. In diesem Androhungsschreiben, nachweislich zugestellt am , wurden nochmals alle gesetzlichen Bestimmungen für die Grunderwerbsteuer-Selbstberechnung wiederholt und die konkreten Probleme bei Anmeldung und Entrichtung angeführt.

Obwohl die Bf. mehrmals schriftlich Informationen zur ordnungsgemäßen Entrichtung gesendet wurden, hat die Bf. auch weiterhin nicht mit korrekten Verrechnungsweisungen und nicht im angemeldeten Betrag entrichtet. Es wurden bei der Entrichtung falsche Anmeldungszeiträume bekanntgegeben und weniger oder mehr als die angemeldete selbstberechnete Abgabe entrichtet.

Nachdem es auch nach der Androhung der Aberkennung vom , immer wieder zu Fristversäumnissen bei den Anmeldungen und den Entrichtungen kam und es darüber hinaus zu Ungenauigkeiten bei der Entrichtung kam, wurde mehrfach versucht die Bf. telefonisch zu beraten.
Im Akt der belangten Behörde sind drei erfolglose Versuche telefonisch Kontakt aufzunehmen, sowie ein tatsächlich erfolgter telefonischer Kontakt dokumentiert.

Nachdem am durch eine die Anmeldung übersteigende Entrichtung ein Guthaben auf dem Abgabenkonto aufschien, wurde der Bf. eine schriftliche Anfrage samt erneutem Anschluss der Tipps zur korrekten Entrichtung zugesandt (zugestellt mittels RSb am ). Trotzdem erfolgte die Entrichtung der selbstberechneten GrESt und gerichtlichen Eintragungsgebühr weiterhin zumeist in mehreren für das Finanzamt nicht nachvollziehbaren Beträgen.

Die Bf. musste vom Finanzamt immer wieder telefonisch auf die Fälligkeit ihrer Grunderwerbsteuer-Selbstberechnungen aufmerksam gemacht werden. Während dieser telefonischen Beratungen wurden wegen Fristversäumnis nicht angemeldete Geschäftsfälle unter Anleitung in Abgabenerklärungen umgewandelt und angezeigt.

Bei folgenden Geschäftsfällen wurden -von der Bf. unwidersprochen- Fristversäumnisse festgestellt:

  1. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***2*** ist am entstanden. Die mit 04/2019 erfasste Selbstberechnung wurde jedoch erst am mit dem Zeitraum 07/2020 angemeldet und die Steuerschuld mit entrichtet.

  2. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***3*** ist am entstanden. Die Selbstberechnung wurde jedoch erst mit dem Zeitraum 11/2021 angemeldet und die Steuerschuld entrichtet.

  3. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***4*** ist am entstanden. Die Selbstberechnung wurde jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2022 angemeldet und die Steuerschuld entrichtet.

  4. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***5*** ist am entstanden. Die Selbstberechnung ist jedoch erst am erfolgt und wurde mit dem Zeitraum 01/2023 angemeldet und die Steuerschuld entrichtet.

  5. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***6*** ist am entstanden. Die Selbstberechnung wurde jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2023 angemeldet und die Steuerschuld entrichtet.

  6. Die Steuerschuld aufgrund des Vertrages mit der Erfassungsnummer ***7*** ist am entstanden. Die Selbstberechnung wurde jedoch erst mit dem Zeitraum 04/2023 angemeldet und die Steuerschuld entrichtet.

  7. Die selbstberechnete Abgabe des Zeitraums 02/2023, Fälligkeitstag , wurde am , also mit einmonatiger Verspätung entrichtet.

Am wurde durch den Betrugsbekämpfungskoordinator der Dienststelle Sonderzuständigkeiten eine Kanzleiprüfung bei der Bf. angeordnet. Bei der daraufhin am begonnenen Prüfung in der Kanzlei der Bf., kam es zu nachstehenden Feststellungen durch die Prüferin:
"Als das Prüforgan die Kanzlei betritt wurde ein starker Geruch nach Urin und eine sehr stickige Luft wahrgenommen. Die Kanzleiräumlichkeiten waren sehr verdreckt und unaufgeräumt. In den offenen Aktenschränken, auf dem Boden/Teppich, wie auch auf den weiteren Einrichtungsgegenständen fand das Prüforgan überall Mäusekot vor. Auch der Tisch, welcher als Arbeitsplatz für die Prüfung vorbereitet wurde, war übersäht mit Mäusekot. Das Prüforgan hat nach Aushändigung und Unterfertigung des Prüfauftrages die Räumlichkeiten verlassen und den TL über die Zustände in der Kanzlei informiert. Dieser hat beordert die Prüfung in den ID zu verlegen und die Handakten kurzerhand in die Büroräumlichkeiten (Anmerkung: des FAÖ) mitzunehmen. In den Büroräumlichkeiten wurde dann festgestellt, dass die Akten großteils von Mäusen angefressen waren und auch dort die Hinterlassenschaften von Nagetieren aufzufinden waren. Das Prüforgan hat daraufhin die DSL (Anmerkung: Dienststellenleitung) wie auch den BBKO (Anmerkung: Betrugsbekämpfungskoordinator) darüber in Kenntnis gesetzt. Die DSL hat verfügt die kontaminierten Akten in verschließbare Plastik-Boxen zu geben und an einen nicht frequentierten Ort (Dachboden/Archiv) zu stellen. Die Handhabung der Akten sollte tunlichst vermieden werden und wenn nur mit Handschuhen und Maske erfolgen."

Am ließ der erkennende Richter sich von der Prüferin die genannten Akten im Archiv zeigen, das waren 5 Kisten mit ca. 100 Akten. Beim Öffnen von zwei Kisten war ein starker Uringeruch wahrzunehmen. Der Richter stellte fest, dass circa ein Drittel der Akten von den Rändern her angeknabbert waren und teils starke Spuren von Urin und Mäusekot aufwiesen. Einzelne Akten waren sehr stark beschädigt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegen Aktenteile und den Augenschein des Richters bezüglich der beschädigten Akten. Die der Bf. vom Bundesfinanzgericht vorgehaltenen Unregelmäßigkeiten bei oben angeführten Geschäftsfällen blieben von der Bf. unbestritten und werden deshalb als erwiesen angenommen.

3. Rechtslage und Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtslage

§ 11 GrEStG 1987 in der bis gültigen Fassung BGBl. I, Nr. 110/2023, lautet:
"(1) Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) sind nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung (§ 10) erfolgt. Diese Frist ist nicht erstreckbar. Die Anwendung des § 17 ist von der Selbstberechnung ausgenommen.

(2) Das Finanzamt Österreich kann die Befugnisse gemäß Abs. 1 mit Bescheid aberkennen, wenn der Parteienvertreter vorsätzlich oder wiederholt grob fahrlässig die Bestimmungen der §§ 13 und 15 verletzt. Die Aberkennung kann für mindestens drei Jahre oder unbefristet erfolgen. Von der Aberkennung sowie von deren Aufhebung sind die vier Präsidenten der Oberlandesgerichte sowie die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer oder Notariatskammer zu verständigen. Bei unbefristeter Aberkennung kann frühestens fünf Jahre nach Aberkennung auf Antrag des Parteienvertreters der Aberkennungsbescheid aufgehoben werden, wenn glaubhaft ist, dass der Parteienvertreter in Hinkunft seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachkommen wird.

(3) Der Steuerschuldner hat dem selbstberechnenden Parteienvertreter die Grundlagen für die Selbstberechnung anzugeben und deren Richtigkeit und Vollständigkeit schriftlich zu bestätigen. Entsprechen die der Selbstberechnung zugrundeliegenden Angaben nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, haben die in § 9 genannten Personen die Verpflichtungen des § 10 zu erfüllen; § 10 Abs. 1 letzter Satz ist nicht anzuwenden."

§ 13 GrEStG 1987 lautet:
"(1) Parteienvertreter haben für Erwerbsvorgänge, für die sie eine Selbstberechnung vornehmen, spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Anmeldungszeitraum), in dem die Selbstberechnung erfolgt, zweitfolgenden Kalendermonats eine Anmeldung über die selbst berechneten Erwerbsvorgänge beim Finanzamt Österreich vorzulegen; die Anmeldung hat die Sozialversicherungsnummer oder Steuernummer der am Erwerbsvorgang Beteiligten zu enthalten. Die Selbstberechnung und Anmeldung hat elektronisch zu erfolgen. Ist über einen der in der elektronischen Anmeldung enthaltenen Erwerbsvorgänge eine Urkunde errichtet worden, die in ein durch Bundesgesetz vorgesehenes Urkundenarchiv aufgenommen wurde, so ist der Abgabenbehörde der Zugriffscode zu dieser Urkunde bekannt zu geben. Die Abgabenbehörden sind berechtigt, auf diese Urkunde lesend zuzugreifen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die elektronische Selbstberechnung und Anmeldung durch Verordnung näher zu regeln, soweit sich die Regelungen auf die gerichtlichen Eintragungsgebühren und die elektronische Übermittlung der Daten an die Justiz beziehen, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz. Aus der Anmeldung muss sich ergeben, für welchen Steuerschuldner in welchem Ausmaß die Steuer und - nach Maßgabe der Bestimmungen im GGG - die Eintragungsgebühren nach dem GGG selbst berechnet und entrichtet wurden. Im Zweifel ist bei den betreffenden Steuerschuldnern eine verhältnismäßige Entrichtung anzunehmen. Die Anmeldung gilt als Abgabenerklärung.

(2) Ist über den Erwerbsvorgang eine Schrift errichtet worden, so ist darauf der Umstand der Selbstberechnung und der im automationsunterstützten Verfahren vergebene Ordnungsbegriff (Erfassungsnummer) zu vermerken. Ist die Anbringung des Vermerkes auf einer elektronischen Urkunde selbst nicht möglich, muss abweichend davon die erfolgte Selbstberechnung, die Steuernummer des Parteienvertreters, der im automationsunterstützten Verfahren vergebene Ordnungsbegriff (Erfassungsnummer) und die Höhe der selbst berechneten Steuer in einer Beilage zur elektronischen Urkunde dokumentiert sein.

(3) Ein gemäß § 201 BAO festgesetzter Steuerbetrag hat den im Abs. 1 genannten Fälligkeitstag. Die selbstzuberechnende Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

(4) Die Parteienvertreter haften für die Entrichtung der selbstberechneten Steuer."

§ 15 GrEStG 1987 lautet:
"(1) Der Parteienvertreter hat die Bestätigung gemäß § 11 Abs. 3 (Kopien), Abschriften (Kopien) der Erklärungen (§ 12) und die Abschriften (Kopien, Gleichschriften) der über den Erwerbsvorgang ausgefertigten Schriften sieben Jahre aufzubewahren. Die Verpflichtung zur Aufbewahrung dieser Unterlagen beim Parteienvertreter entfällt, wenn sie in den Urkundensammlungen des Grundbuchs und des Firmenbuchs (§ 91b GOG) oder Urkundenarchiven von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 91c GOG) abrufbar sind. § 132 BAO ist anzuwenden.

(2) Das Finanzamt Österreich ist befugt, Prüfungen hinsichtlich sämtlicher in der Anmeldung enthaltenen Angaben durchzuführen."

3.1.2. Rechtliche Beurteilung

Gem. § 11 Abs. 2 GrEStG 1987 kann die Behörde eine Aberkennung der Befugnis zur Grunderwerbsteuer-Selbstberechnung mit Bescheid aussprechen, wenn der Parteienvertreter die Bestimmungen der §§ 13 und 15 GrEStG vorsätzlich oder wiederholt grob fahrlässig verletzt hat.

Unter "wiederholt" ist zumindest eine zweimalige Verfehlung zu verstehen (Arnold in Arnold/Bodis GrEStG14, § 11 GrEStG Rz 24).

Grob fahrlässig handelt, wer einen Fehler macht, der einem ordentlichen Menschen keinesfalls unterläuft. Grobe Fahrlässigkeit ist eine über die Menge der Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens hinausgehende, auffallende und ungewöhnliche Sorglosigkeit, welche einen Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar macht. Grobe Fahrlässigkeit kann auch durch Nichtanwendung von Fachkenntnissen begründet werden (zB ; ; ; ; vgl. auch Fellner, Grunderwerbsteuer, § 11 GrEStG 1987 Rz 17).

Dem Parteienvertreter, der immer wieder die angefallenen Abgaben nicht zur Fälligkeit entrichtet, obgleich er auf die Möglichkeit der Aberkennung der Befugnisse nach § 11 Abs. 2 GrEStG 1987 aufmerksam gemacht worden war, ist zumindest grobe Fahrlässigkeit anzulasten (vgl. , , , ).

Die Frage, ob die gesetzlich näher umschriebene Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 15 GrEStG erfolgt, ist als Vorfrage zu beantworten. Bei der Feststellung der Aberkennungsvoraussetzungen steht der Behörde kein Ermessen zu. Erst wenn sie diese Frage in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren bejaht hat, dann kommt der Ermessensspielraum zum Tragen, ob die Aberkennung auch tatsächlich mit Bescheid ausgesprochen wird (Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG14, § 11 GrEStG Rz 24a; Fellner, Grunderwerbsteuer, § 11 GrEStG Rz 20).

Die Aberkennungsvoraussetzungen liegen nach dem festgestellten Sachverhalt vor. Der Bf. ist aufgrund der wiederholten Fristverletzungen wiederholt grobe Fahrlässigkeit anzulasten.

Die nach Feststellung der Aberkennungsvoraussetzungen zu treffende Ermessensentscheidung hat nach Maßgabe des § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller dafür in Betracht kommenden Umstände zu erfolgen.
Dabei ist die Billigkeit als Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei (, , 0103, ) und Zweckmäßigkeit als Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse zu verstehen (, , ).

Im Rahmen der Ermessensübung ist zentral auf den Gesetzeszweck des § 13 GrEStG, Bedacht zu nehmen. Entscheidend ist in diesem Kontext (Zweckmäßigkeit) vor allem die Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit des Parteienvertreters für die korrekte und reibungslose Abwicklung der GrESt-Selbstberechnung.
Im gegenständlichen Fall besteht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ein öffentliches Interesse an der Aberkennung der Befugnis, welches die Parteiinteressen nicht zuletzt auch deshalb überwiegt, als das Verhalten der Bf. in Zusammenhang mit der Selbstberechnung und Entrichtung der GrEst über mehrere Jahre als grob fahrlässig anzusehen ist.
Im Verhalten der Bf. als Parteienvertreter kann nicht erkannt werden, dass bei ihr die Vertrauenswürdigkeit für die korrekte Abwicklung der Selbstberechnung und die Verlässlichkeit für eine reibungslose Abwicklung gewährleistet sind.

Obwohl der Bf. die gesetzlichen Bestimmungen nachweislich mehrmals zur Kenntnis gebracht wurden, hat sie nicht die nötige Sorgfalt walten lassen, um den gesetzlichen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Der Bf. waren sowohl die gesetzlichen Fristen als auch die Folgen einer Verletzung dieser Vorschriften bekannt.
Die Bf. hat als rechtskundige Parteienvertreterin trotz mehrmaliger Kenntnisnahme der einschlägigen Bestimmungen und Androhung der Aberkennung der Befugnis zur Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer weiterhin die Bestimmungen zur Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer verletzt.

Bei der Ermessensentscheidung sind auch Grund, Häufigkeit und Schwere der Verletzung der Bestimmungen zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf die vergleichsweise hohe Zahl jener Geschäftsfälle, bei welchen es zu gravierenden Pflichtverletzungen gekommen ist, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine unbefristete Aberkennung ausspricht.

Die Bf. kann frühestens fünf Jahre nach Aberkennung die Aufhebung des Aberkennungsbescheides (Bescheid vom ) beantragen, wenn glaubhaft ist, dass sie in Hinkunft ihren abgabenrechtlichen Pflichten nachkommen wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Fall die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist und das Erkenntnis auf die angeführte Rechtsprechung des VwGH Bedacht genommen hat, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100060.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at