Kein Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen; Bindungswirkung Strafurteil - Fortgesetztes Verfahren zu Ra 2024/13/0008
Revision eingebracht (Amtsrevision).
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Festsetzung Umsatzsteuer Juli bis November 2011 zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist nunmehr lediglich die Frage des Rechts auf Vorsteuerabzug für den Zeitraum 07-11/2011. Zusammenfassend kann auf die jüngste, im gegenständlichen Fall ergangene, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden (vgl. ).
Auf das Wesentliche zusammengefasst ergibt sich folgender Verfahrensgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens:
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der vorliegende Fall der vorherigen zuständigen Gerichtsabteilung aufgrund Pensionierung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.
Mit Mitteilung nach § 281a BAO vom setzte das Bundesfinanzgericht die Parteien davon in Kenntnis, dass nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts ein Vorlageantrag gegen die nach der Beschwerdevorlage erlassenen Gegenstandsloserklärungen der Beschwerden in Form von Beschwerdevorentscheidungen nicht eingebracht wurde.
Dagegen wurde ein Fristsetzungsantrag beim VwGH und Beschwerde beim VfGH eingebracht. Die Behandlung der Beschwerde wurde durch den abgelehnt und dem VwGH abgetreten.
Mit verfahrensleitender Anordnung, die dem Bundesfinanzgericht am zugestellt wurde, wurde dem Bundesfinanzgericht aufgetragen, binnen sechs Wochen eine Entscheidung zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung an die Partei, für die die Volkanwaltschaft eingeschritten ist, dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen.
Am wurde anschließend gegen die vom VfGH abgetretene Beschwerde (betreffend § 281a BAO) Revision gegen die Mitteilung nach § 281a BAO an den VwGH erhoben (Ergebnis vgl. ).
Gegen das inhaltliche Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom , RV/5100588/2013, wurde wiederum Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Diese Beschwerde wurde mit Beschluss vom abgelehnt und zur Entscheidung an den VwGH abgetreten.
Die dagegen eingebrachte Parteienrevision wurde nunmehr durch den Verwaltungsgerichtshof entschieden (vgl. ).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die als Umsatzsteuerbescheid 2011 intendierte Erledigung ist nicht rechtswirksam zugestellt worden.
Die beschwerdeführende Partei (in der Folge Bf.) ist im Streitzeitraum im Bereich des Treibstoffvertriebes tätig.
Geschäftsführerin der Bf. ist ***SS***. Einziger Gesellschafter ist ***HS***. Im Streitzeitraum ist ***HS*** der faktische Geschäftsführer der Bf. ***HS*** ist seit für die Bf. generalhandlungsbevollmächtigt.
Der Bf. wurden Vorsteuern aus Rechnungen folgender Unternehmen und Zeiträume versagt:
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Rechnungsaussteller | Zeitraum | Vorsteuern |
***A*** Kft. | 07/2011 | 162.622,95 Euro |
08/2011 | 227.786,58 Euro | |
09/2011 | 317.825,22 Euro | |
***A*** Kft., ***P*** HandelsgmbH | 10/2011 | 322.290,79 Euro |
***P*** HandelsgmbH | 11/2011 | 381.427,40 Euro |
Die ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH führten die auf den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab.
Die Rechnungen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH sind Scheinrechnungen. Tatsächliche Lieferungen zwischen diesen beiden Gesellschaften und der Bf. fanden nicht statt.
2. Beweiswürdigung
Dass die als Umsatzsteuerbescheid 2011 intendierte Erledigung nicht rechtswirksam zugestellt wurde, ergibt sich daraus, dass die Erledigung mittels RSb an die vormalige steuerliche Vertretung der Bf., die ***vorherigeStV***, am zugestellt wurde. Die ***vorherigeStV*** legte ihre Zustellvollmacht gegenüber der Abgabenbehörde am zurück. Dies ergibt sich aus dem aktenkundigen Grunddatenauszug der Bf., der im Rahmen des Beschlusses vom übermittelt wurde. Die im Anschluss an diesen Beschluss beigebrachten Stellungnahmen der Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 mangels rechtswirksamer Zustellung nicht im Rechtsbestand ist (vgl. ON III, 1038a sowie 1038b und 1038c).
Die Tätigkeit der Bf. im Streitzeitraum ist aktenkundig.
Dass ***SS*** die unternehmensrechtliche Geschäftsführerin der Bf. ist, ergibt sich aus einem aktenkundigen Firmenbuchauszug. Dass ***HS*** faktischer Geschäftsführer der Bf. ist, ergibt sich aus den rechtskräftigen Feststellungen des LG Salzburg ***GZLG***, Seite 68. Dass ***HS*** seit generalhandlungsbevollmächtigt ist, ergibt sich aus der aktenkundigen und von der Bf. beigebrachten Vollmacht (ON II, 668).
Die Versagung des Vorsteuerabzuges aus den Rechnungen ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH sowie die Höhe der Vorsteuern und die entsprechenden Zeiträume ergeben sich aus dem aktenkundigen Betriebsprüfungsbericht vom (ON I, Seiten 45ff). Zur Höhe der Versagung des Vorsteuerabzuges (vgl. Zahlen aus ON I, 60-68):
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Rechnungsaussteller | Vorsteuern vor BP | Vorsteuern nach BP | Aberkennung | |
Juli | ***A*** Kft. | 164.171,98 | 1.549,03 | 162.622,95 |
August | ***A*** Kft. | 240.400,64 | 12.614,06 | 227.786,58 |
September | ***A*** Kft. | 318.825,38 | 1.000,16 | 317.825,22 |
Oktober | ***A*** Kft., ***P*** HandelsgmbH | 329.232,21 | 6.941,42 | 322.290,79 |
November | ***P*** HandelsgmbH | 382.910,54 | 1.483,14 | 381.427,40 |
Zur Nichtabfuhr der Umsatzsteuer
Dass ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abführten, ergibt sich aus dem aktenkundigen Beibringen des Betriebsprüfers vom (ON II, 675 ff), wonach
die ***A*** Kft. zwar Umsätze erklärte, aber die erklärten Umsätze bei weitem nicht die tatsächlichen Umsätze mit der Bf. wiederspiegeln;
die ***P*** HandelsgmbH keine Erklärungen abgab und keine Umsatzsteuer entrichtete.
Zum fehlenden Leistungsaustausch / Vorliegen von Scheinrechnungen
Dass die Rechnungen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH an die Bf. Scheinrechnungen sind und dass keine Lieferungen zwischen diesen Gesellschaften und der Bf. stattfanden, ergibt sich aus den rechtskräftigen Feststellungen des LG Salzburg ***GZLG***. Hinsichtlich dieser Feststellungen besteht im Lichte der VwGH-Rechtsprechung für das Bundesfinanzgericht Bindungswirkung (vgl. hierzu dezidiert , Rn 35).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für bestimmte Zeiträume in vollem Umfang anfechtbar. Solche Bescheide haben aber insofern einen zeitlich begrenzten Wirkungsbereich, als sie durch Erlassung von diese Zeiträume umfassenden Umsatzsteuerjahresbescheiden außer Kraft gesetzt werden. Durch die Erlassung eines Umsatzsteuerjahresbescheides scheiden Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen aus dem Rechtsbestand aus (vgl. , mwN).
Fest steht, dass der Jahresumsatzsteuerbescheid 2011 nicht rechtswirksam zugestellt wurde und damit nicht im Rechtsbestand ist. Das Bundesfinanzgericht hat daher - insbesondere im Lichte des das gegenständliche Beschwerdeverfahren betreffende VwGH-Erkenntnis , Ra 2024/13/0008 - nur noch über die Festsetzungsbescheide Umsatzsteuer Juli bis November 2011 zu entscheiden.
Mit rechtskräftigem Strafurteil des LG Salzburg ***GZLG***, wurde ua ***HS*** als faktischer Geschäftsführer der Bf. im Zeitraum bis rechtskräftig des Abgabenbetrugs nach §§ 33, 39 Abs 1 lit. a und b. und Abs 3 lit. c FinStrG verurteilt. ***HS*** hat unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch, dass anlässlich von 254 Liefervorgängen hinsichtlich einer Menge von 7.465.465 Liter Dieselkraftstoff, der als unversteuertes Schmieröl (Rust Cleaner) aus Polen nach Österreich gelangt war und welches die Bf. zur Verschleierung der Herkunft formal unter Benutzung von inhaltlich falschen Rechnungen und Lieferscheinen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH erwarb, sohin unter Benutzung falscher Beweismittel und unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), durch Unterlassen der ordnungsgemäßen Anzeige nach § 12 Abs 1 und 5 MinStG bzw. der Abfuhr der selbst zu berechnenden Mineralölsteuer eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Fest steht, dass die Rechnungen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH an die Bf. Scheinrechnungen ohne dahinterliegende umsatzsteuerliche Lieferungen sind. Dies basiert - wie ebenso festgestellt - auf den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils gegen ***HS***, das auch Bindungswirkung gegenüber der Bf. entfaltet. Der VwGH führt hierzu dezidiert zur gegenständlichen Beschwerdesache aus (vgl. , Rn 34f):
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl. , mwN). Diese Bindung besteht (grundsätzlich) nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. - samt Erwägungen zur Frage von Haftungsbeteiligten iSd § 28 Abs. 1 FinStrG idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 2005 - ).
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 161, wurde die Bestimmung des § 28 Abs. 1 FinStrG aufgehoben; es wurden Regelungen über die Verantwortlichkeit von Verbänden eingefügt (§ 28a FinStrG). Diese Bestimmung regelt die finanzstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden in weitgehender Übereinstimmung mit dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1187 BlgNR 22. GP 26). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (gerade auch zum vorliegenden Fall, ), bewirkt die materielle Rechtskraft des Schuldspruchs, dass sich der Verurteilte - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - gegenüber niemandem darauf berufen kann, dass er die Tat, deretwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, tatsächlich nicht begangen hätte. Kamen dem belangten Verband - wie im vorliegenden Fall - im Verfahren gegen die natürliche Person (***HS***) die Rechte des Beschuldigten zu, stand ihm daher bereits bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit offen, zu den Vorwürfen, für die er verantwortlich erklärt werden könnte, Stellung zu nehmen und er den Schuldspruch seines Entscheidungsträgers auf gleiche Weise wie dieser bekämpfen konnte, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf den Verband (vgl. auch RIS Justiz RS0112232).
Das Argument der steuerlichen Vertretung, wonach die Bindungswirkung von rechtskräftigen Strafurteilen mit der unionsrechtlichen Determinierung der Umsatzsteuer durch die Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem kollidiere und daher keinen Platz finde (vgl. Eingabe vom ; ON III, 945), ist für das Bundesfinanzgericht insofern nicht überzeugend, als die Bindungswirkung sich auf die Feststellungen bezieht, auf denen der Schuldspruch beruht. Die unionsrechtliche Determinierung der Umsatzsteuer hat aber auf den zugrundeliegenden Sachverhalt keine Auswirkung, auch weil weder die Richtlinie 2006/112/EG noch sonstiges iZm der Umsatzsteuer anwendbares EU-Recht - für den vorliegenden Fall relevante - verfahrensrechtliche Instrumente vorsehen, die einer diesbezüglichen Bindungswirkung entgegenstehen würden. Die umsatzsteuerliche Einordnung des Sachverhalts, für den im Lichte der VwGH-Rechtsprechung Bindungswirkung besteht, richtet sich sodann ohnehin nach der unionsrechtlich determinierten Umsetzung des UStG 1994.
Artikel 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem normiert:
"Artikel 168
Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;"
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in der anwendbaren Fassung normiert:
"§ 12 (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;
[...]"
Eine der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ist, dass eine Lieferung oder Dienstleistung von einem anderen Steuerpflichtigen erbracht wurde. Wurden die verrechneten Leistungen nicht bewirkt, besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. , mwN; nochmals , Rn 31). Da keine Lieferungen zwischen der ***A*** Kft. bzw. der ***P*** HandelsgmbH und der Bf. stattfanden, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug aus den diesbezüglichen Rechnungen.
Selbst wenn man - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts und mit der Bf. - davon ausgehen würde, dass tatsächlich Lieferungen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH stattgefunden hätten, und damit die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges vorlägen, stünde der Bf. ein Vorsteuerabzug nicht zu. Ein Vorsteuerabzug ist auch bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen zu verweigern, wenn dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. ; vgl. weiters z.B. Ferimet, C-281/20, Rn. 45; , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie [Mehrwertsteuer - Fiktiver Erwerb], C-114/22, Rn. 41 ff; , Global Ink Trade, C-537/22, Rn. 35 ff). Wusste der Steuerpflichtige, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war oder hätte er dies wissen müssen, ist der Vorsteuerabzug zu versagen (vgl. insgesamt , Rn 32). Lägen die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vor, hätte die Bf. vom Umsatzsteuerbetrug der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH wissen müssen (vgl. hier insbesondere die Feststellungen samt Beweiswürdigung des betreffend das Vorverfahren der Bf., sowie die diesbezüglichen Ausführungen des , Rn 44 iVm Rn 39: Für das Wissen-Müssen um Umsatzsteuerbetrug sprechen gegenständlich insb: das Erkennen einer unüblich hohen Gewinnmarge, das schnelle Wechseln der Lieferanten bei gleicher Ansprechperson, oder die Übernahme von Rückständen von Vorlieferanten durch spätere Lieferanten, sowie das Umschreiben von Rechnungen auf ein anderes Unternehmen nach Begrenzung der UID-Nummer).
Zusammengefasst liegen daher für den Vorsteuerabzug bereits die materiellen Voraussetzungen nicht vor. Selbst wenn man annehmen würde, dass die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt wären, entfiele das Recht auf Vorsteuerabzug wegen Wissen-Müssen um Umsatzsteuerbetrug.
Eine Abänderung der Bescheide, analog zum Vorverfahren , wonach es zur erstmaligen Festsetzung von ig Erwerben kam, aus denen ein Vorsteuerabzug versagt wurde, kann jedoch unterbleiben: Blendet man die fingierten Lieferungen der ***A*** Kft. und ***P*** HandelsgmbH an die Bf. aus, wären - unter Berücksichtigung des unstrittigen Zeitpunkts der Übertragung der Verfügungsmacht in den Feststellungen des - Reihengeschäfte verwirklicht, woraus die Bf. ig Erwerbe im Inland zu versteuern hätte (vgl. hierzu auch dezidiert , Rn 45). Aus diesen ig Erwerben stünde der Bf. aber - entgegen der Vormeinung des - ein Vorsteuerabzug zu: Für den VwGH steht - zusammengefasst - der Umsatzsteuerausfall der fiktiven Lieferkette nicht im Zusammenhang mit der tatsächlichen Lieferkette, die sich nach Ausblendung der fiktiven Leistungen ergibt (vgl. hierzu , Rn 45 letzter Satz sowie die Begründung in den Rn 46f). Aus den ig Erwerben der Bf. muss damit ein Vorsteuerabzug zustehen. Zwar gibt es zu dieser Frage - soweit dem Bundesfinanzgericht ersichtlich - keine abschließende Klärung des EuGH (vgl. jedoch zu anderen, aber doch ähnlichen bzw. wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten , Finanzamt M; , Rs C-712/17, EN.SA, Rn 36). Es genügt aber an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht keine Verpflichtung zur Einleitung von Vorabentscheidungsersuchen trifft. Damit kommt es insgesamt aber zu keinen materiellen umsatzsteuerlichen Änderungen für die Bf., würde man die Bescheide abändern, weil den festzusetzenden ig Erwerben in gleicher Höhe auch ein Vorsteuerabzug gegenübersteht.
Im Ergebnis ist die Beschwerde daher abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt im Ergebnis der Rechtsprechung des VwGH (vgl. ). Die Revision ist damit unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 168 Buchstabe a RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100757.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at