Geltendmachung von Zeugengebühren bei internationalen Amtshilfeersuchen; zweiwöchige Fallfrist
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RV/7100933/2021-RS1 | Die zweiwöchige Fallfrist zur Geltendmachung von Zeugengebühren gem. § 176 Abs. 2 BAO beginnt mit der Übermittlung von Informationen an die Behörde aufgrund eines internationalen Amtshilfeersuchens auch dann zu laufen, wenn im Auskunftsverlagen kein Hinweis gem. § 91 Abs. 2 letzter Satz BAO erfolgt ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom betreffend E-Rechnung Nr. 39 (Kostenersatz ADG) vom ; Leistungszeitraum , zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Auskunftsverlangen vom forderte die belangte Behörde gem. § 2 Abs. 3 iVm § 3 Abs. 1 ADG von der beschwerdeführenden Gesellschaft Informationen aufgrund eines *** Amtshilfeersuchens.
Mit E-Rechnung vom beanspruchte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Kostenersatz iHv 549,- Euro für die Übermittlung von fünf Belegen mit insgesamt 183 Seiten à 3 Euro.
Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Kostenersatz als verspätet zurück. Zur Begründung führte dieser u.a. aus, dass der Kostenersatz binnen zwei Wochen ab vollständiger Übermittlung der Unterlagen zu stellen gewesen wäre, was im konkreten Fall der gewesen wäre.
Mit Schreiben vom erhob die beschwerdeführende Gesellschaft dagegen Beschwerde und führte aus, dass die belangte Behörde den § 176 Abs. 2 BAO in unrichtiger Weise auf den gegenständlichen Fall angewendet habe.
In der von der Behörde zitierten Entscheidung des VwGH sei es um die Frage gegangen, ob Zeugen in Finanzstrafverfahren über Reise-, Aufenthaltskosten und Entschädigung für Zeitversäumnis hinaus überhaupt ein Kostenersatz (wie in der BAO) gebühre. Die Frage sei dem Umstand geschuldet, dass bei der Gesetzesnovelle offensichtlich auf diese Kosten vergessen worden sei. Diese Gesetzeslücke sei laut VwGH mittels Analogie zu schließen. Der Analogieschluss auf den Absatz 1 der Bestimmung sei sohin nötig gewesen, um den Anspruch auf Kostenersatz dem Grunde nach zu ermöglichen. Absatz 2 sei vom Analogieschluss nicht umfasst gewesen. Die Geltendmachung des Anspruchs habe somit nach allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Das bedeute, die Geltendmachung habe dann zu erfolgen, wenn keine weiteren Leistungen mehr erwartet werden dürften (gleichzeitig auch der Beginn der Verjährung). Bei komplexen und internationalen Finanzstrafverfahren komme es oft vor, dass es nach der ersten Auskunft durch das Kreditinstitut noch ergänzende Anforderungen bzw. Fragen der Behörde(n) gebe und es dadurch zu ergänzenden Unterlagenübermittlungen durch das Kreditinstitut komme. Aus diesem Grund sei es angemessen und im Sinne der Effizienz geboten, hier mit der Honorarnote etwas zuzuwarten um nicht mehrfach Rechnungen, Bescheide, Verfahrens- und Verwaltungsaufwand etc. zu produzieren. Da es sich hier um eine grenzüberschreitende Finanzstrafsache handle und mit zu bedenken war, dass die Unterlagen an die ausländische Ermittlungsbehörde weitergeleitet werden und dort höchstwahrscheinlich auch noch übersetzt werden mussten und eben erst dann die Rückfragen auftauchen würden, sei eine Frist (ein Zuwarten) von ca. 6 Monaten jedenfalls angemessen.
Dass § 108 FinStrG und § 176 BAO, welche eben die Regelungen für Zeugen festlegen, ohnehin nicht wortgemäß auf den Fall einer Auskunft durch ein Kreditinstitut anzuwenden seien, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 99 Abs 1 FinStrG. Dort heiße es nämlich, dass § 108 FinStrG (nur) "sinngemäß" auf diese Form der Auskunft anzuwenden seien. Diese Regelung sei in dieser Form auch sachgerecht, weil eine Zeugeneinvernahme nicht gleichzusetzen sei mit einer aufwändigen Auskunft durch ein Kreditinstitut. Ein Zeuge (und auch eine Auskunftsperson) wisse im Normalfall bereits im Zeitpunkt der Vernehmung, welche Kosten entstanden seien. Hierbei handele es sich in den überwiegenden Fällen nur um Reisekosten. Rückfragen oder weitere Unterlagenübermittlungen seien bei Zeugen nicht zu erwarten. Hier sei es sachgerecht, eine zeitnahe Geltendmachung zu fordern. Meist erfolge die Geltendmachung unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung. Anders sei das wie bereits unter 1. beschrieben bei Auskünften von Kreditinstituten. Hier komme es sehr wohl zu Rückfragen. Im Sinne des Grundsatzes gleiches gleich und ungleiches ungleich zu behandeln, sei es sachgemäß, Kreditinstituten mehr Zeit für die Geltendmachung zuzugestehen. Das Gesetz räume diesen Spielraum jedenfalls ein.
Eine wortgetreue Anwendung sei ohnehin auch aus dem Grund nicht möglich, weil es die Geltendmachung binnen 2 Wochen ab dem Zeitpunkt der Vernehmung fordere. Auch das zeige, dass die Bestimmung nur sinngemäß gelten könne. Mangels einer Vernehmung führe diese Frist ins Leere. Wenn man an der Frist von 2 Wochen festhalten wolle, könne diese nur in dem oben bereits beschriebenen Zeitpunkt beginnen, nämlich erst dann wenn keine weiteren Leistungen mehr zu erwarten seien. Sechs Monate seien da jedenfalls gerechtfertigt.
§ 108 FinStrG sehe zudem vor, dass die Behörde den Zeugen zu belehren hat, dass die Geltendmachung der Kosten bei sonstigem Verlust binnen 2 Wochen zu erfolgen habe. Wenn die Behörde also der Meinung gewesen sei, ein Kreditinstitut müsse ihre Kosten binnen zwei Wochen ab welchem Zeitpunkt auch immer geltend machen, dann hätte sie die beschwerdeführende Gesellschaft darüber belehren müssen. Diese Belehrung sei jedoch unterblieben. Als Beweis werde das an die beschwerdeführende Gesellschaft gerichtete Auskunftsverlangen vom vorgelegt. Dieses weise keinerlei derartige Belehrung auf. Entweder die Behörde sei selbst nicht davon ausgegangen, dass diese Frist hier greife oder sie habe, was sehr unwahrscheinlich sei, darauf vergessen. Mangels Belehrung habe sohin auch nicht der Fristenlauf beginnen. Auch aus diesem Grund sei der gegenständliche Bescheid unrechtmäßig.
Die beschwerdeführende Gesellschaft mache jährlich über 30 solcher Auskunftserteilungen gegenüber verschiedensten Gerichten und Behörden. Die Rechnungslegung erfolge überwiegend wie hier halbjährlich. Noch nie habe es ein Problem in dieser Hinsicht gegeben. Dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass hier die Behörde das Gesetz unrichtig angewendet habe.
Zusammenfassend könne festhalten werden, dass keine gesetzliche Grundlage für den ablehnenden Bescheid der Behörde vorgelegen habe.
Mit BVE wies das Amt für Betrugsbekämpfung die Beschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung führte diese aus, dass sich die Zuständigkeit des Amtes für Betrugsbekämpfung aus § 323b (4) Z 3 BAO ergebe. Im gegenständlichen Fall sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Auskunft gem. § 2 Abs. 3 iVm § 3 Abs. 11 Amtshilfedurchführungsgesetz (ADG) verlangt worden. Wie das Finanzstrafgesetz (FinStrG) habe auch das Amtshilfedurchführungsgesetz (ADG) die offensichtliche Lücke, dass ein Kostenersatz grundsätzlich nicht vorgesehen sei. Aufgrund einer Entscheidung des und 0224 sei diese Lücke nach der Rechtsansicht der belangten Behörde analog auch für das ADG geschlossen.
Die Analogie zu den Zeugengebühren könne sich aufgrund des nicht-finanzstrafrechtlichen Verfahrens nur über die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) ergeben, in diesem Fall also die Analogie mit der im FinStrG geregelten Vernehmung.
Es gebe jedoch keinen sachlichen Grund, ein Finanzinstitut besser zu stellen als jede andere Person, deren Verfahren nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung geführt werde. Deshalb müsse auch der § 176 Abs. 2 BAO entsprechend analog gelten.
Mit Schreiben vom beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft die Vorlage der Beschwerde an das BFG und verwies auf die Ausführungen in der Beschwerde. Außerdem wies diese darauf hin, dass die BVE kein Datum enthalte und nicht klar sei, welche Behörde hier entschieden habe. Der ursprüngliche Bescheid sei im Namen des Bundesministers erlassen worden, die nunmehrige BVE ergehe für den Vorstand.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Auskunftsverlangen vom forderte die belangte Behörde gem. § 2 Abs. 3 iVm § 3 Abs. 1 ADG von der beschwerdeführenden Gesellschaft Informationen aufgrund eines *** Amtshilfeersuchens. In diesem Schreiben unterblieb ein Hinweis auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Zeugengebühren gem. § 176 BAO.
Mit Datum vom übermittelte die beschwerdeführende Gesellschaft die angeforderten Unterlagen.
Mit E-Rechnung vom beanspruchte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Kostenersatz iHv 549,- Euro für die Übermittlung von fünf Belegen mit insgesamt 183 Seiten à 3 Euro.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich eindeutig aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem. § 323b Abs. 4 Z 2 BAO werden die am beim Bundesminister für Finanzen anhängigen Verfahren von der jeweils am zuständigen Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt. Seit obliegt dem Amt für Betrugsbekämpfung gem. § 3 Z 4 lit a ABBG im Geschäftsbereich Zentrale Internationale Zusammenarbeit "als Central Liaison Office die Durchführung der internationalen Amts- und Rechtshilfe in Abgabensachen".
§ 2 Abs. 1 letzter Satz ADG sieht vor, dass im Rahmen der anzuwendenden Vorschriften die in Erfüllung eines ausländischen Amtshilfeersuchens erforderlichen Erhebungsmaßnahmen in gleicher Weise vorzunehmen sind, als ob es sich bei den ausländischen Abgaben um inländische handelte. Die Erhebungsmaßnahmen gelten als abgabenbehördliche Maßnahmen zur Durchführung der Abgabenvorschriften im Sinn des § 1 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961. Damit handelt es sich bei den im ADG geregelten Erhebungsmaßnahmen um eine besonders geregelte Form der abgabenbehördlichen Maßnahmen iSd § 1 Abs. 3 BAO.
Gem. § 143 Abs. 4 BAO gelten die Bestimmungen über Zeugengebühren (§ 176) auch für Auskunftspersonen, die nicht in einer ihre persönliche Abgabepflicht betreffenden Angelegenheit herangezogen werden. Gem. § 176 Abs. 2 BAO ist der Anspruch bei sonstigem Verlust binnen zwei Wochen nach der Vernehmung bei der Abgabenbehörde geltend zu machen. Gem. § 91 Abs. 2 letzter Satz BAO ist in der Vorladung von Zeugen auf die gesetzlichen Bestimmungen über Zeugengebühren (§ 176) hinzuweisen; dies gilt sinngemäß für die Vorladung von Auskunftspersonen, die gemäß § 143 Abs. 4 Anspruch auf Zeugengebühren haben.
Gemäß den Feststellungen übermittelte die beschwerdeführende Gesellschaft die nach § 2 Abs. 3 iVm § 3 Abs. 1 ADG angeforderten Unterlagen an die belangte Behörde am . Mit E-Rechnung vom stellte sie dafür angefallene Kosten iHv 549,- Euro in Rechnung.
Bei der zweiwöchigen Frist zur Geltendmachung von Zeugengebühren handelt es sich um eine nicht verlängerbare gesetzliche Frist, die mit dem Ende der Vernehmung (hier sinngemäß der Übermittlung der angeforderten Unterlagen) zu laufen beginnt (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) § 176 Rz 7.
§ 110 Abs. 1 BAO sieht vor, dass gesetzlich festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt ist, nicht geändert werden können. Im Gegensatz zur Rechtsmittelbelehrung in § 93 Abs. 4 BAO sieht die BAO bei der Geltendmachung von Zeugengebühren keinen Aufschub des Beginns des Fristenlaufs vor, falls der Hinweis darauf durch die Behörde unterbleibt. Die zweiwöchige Fallfrist beginnt daher auch dann zu laufen, wenn wie im vorliegenden Beschwerdefall die belangte Behörde im Auskunftsersuchen keinen Hinweis gem. § 91 Abs. 2 letzter Satz BAO vornimmt. Dies erscheint auch nicht unsachlich, da es sich bei der Beanspruchung von Zeugengebühren um die Geltendmachung eines reinen Kostenersatzes handelt und nicht um eine Rechtsmittelfrist.
Da die beschwerdeführende Gesellschaft ihren Anspruch auf Geltendmachung von Zeugengebühren erst 6 Monate nach Übermittlung der Unterlagen, und daher somit verspätet vorgebracht hat, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Daran ändert auch die Argumentation, dass noch Rückfragen zu erwarten gewesen sind, nichts. Eine Rückfrage wäre als erneutes Auskunftsersuchen zu werten gewesen, dessen Beantwortung erneut eine zweiwöchige Frist zur Geltendmachung von Zeugengebühren in Gang gesetzt hätte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Rechtsfrage, ob die zweiwöchige Fallfrist zur Geltendmachung von Zeugengebühren gem. § 176 BAO auch dann zu laufen beginnt, wenn im Auskunftsersuchen kein Hinweis gem. § 91 Abs. 2 letzter Satz BAO erfolgt, liegt noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 176 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 143 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 91 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 ADG, Amtshilfe-Durchführungsgesetz, BGBl. I Nr. 102/2009 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100933.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at