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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2024, RV/5100693/2024

Familienbeihilfe Abendgymnasium Matura

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 10.2023-05.2024, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Rückforderungsbetrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend den Zeitraum Oktober 2023 bis April 2024 beträgt:

Familienbeihilfe (FB): 1.296,84 €

Kinderabsetzbetrag (KG): 458,85 €

Summe: 1.755,69 €

Hinsichtlich des Monates Mai 2024 erfolgt keine Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Tochter des Beschwerdeführers (Bf) besuchte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum das BG/BRG und WRG für Berufstätige in ***1***.

Mit Rückforderungsbescheid vom forderte das Finanzamt die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2023 bis Mai 2024 in Höhe von insgesamt 2.006,50 € vom Bf zurück, da das geforderte Mindestausmaß von 20 Wochenstunden beim Schulbesuch nicht vorliege.

Dagegen brachte der Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass seine Tochter im Gymnasium die 8. Klasse nur im Fach Deutsch nicht positiv abgeschlossen habe. Sie habe sich daher für das Abendgymnasium entschieden um die 8. Klasse ausschließlich in Deutsch zu wiederholen. Dabei habe sie jedoch weit mehr als 4 Wochenstunden an Zeit investiert. Sie habe außerdem heuer die Matura in allen Fächern positiv absolviert und sei auch sonst zu jeder Prüfung angetreten.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und darin ausgeführt, dass bei einem tatsächlich absolvierten Ausmaß von 4 Wochenstunden je Semester nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen werde. Daran könne auch die zusätzlich erforderliche Vorbereitungs- und Lernzeit nichts ändern. Die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) habe sie erst im Herbst 2024 abgegeben und nicht wie vorgesehen am Ende des zweiten Semesters der letzten Schulstufe.

Daraufhin brachte der Bf mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein. Zur Begründung führte er aus, dass seine Tochter im Wintersemester und im Sommersemester für die Maturafächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Chemie und Psychologie gelernt habe, um dann die Matura im Mai 2024 positiv abschließen zu können. Die Ablegung der Matura habe die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen. Weiters habe sie nebenbei für die Vorbereitung der VWA viele Stunden aufgewendet. Die VWA sei erst im Herbst 2024 abgegeben worden, da beim ersten Abgabetermin im Mai 2024 kein Lehrkörper für die Durchsicht zur Verfügung gestanden sei.

In der Folge legte das Finanzamt am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Tochter des Bf ist am ***2*** geboren und daher im beschwerdegegenständlichen Zeitraum volljährig.

Im Schlujahr 2022/2023 besuchte sie die 8. Klasse (12. Schulstufe) des Gymnasiums. Sie schloss die 8. Klasse im Unterrichtsfach Deutsch mit "Nichtgenügend" ab. Alle anderen Fächer wurden positiv beurteilt. Im Herbst 2024 trat sie zur Wiederholungsprüfung in Deutsch an, welche sie jedoch nicht bestand.

Daraufhin meldete sie sich vom Gymnasium ab und wechselte mit WS 2023/2024 zum Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium für Berufstätige ("Abendgymnasium") in ***1*** und besuchte diese Schule wie folgt:

  • Klasse 7A von bis : Deutsch, 4 Wochenstunden.

  • Klasse 8AS von bis : Deutsch, 4 Wochenstunden.

Sie holte am Abendgymnasium die 8. Klasse ausschließlich in Deutsch nach, da alle weiteren Unterrichtsfächer in der 8. Klasse Gymnasium bereits positiv beurteilt wurden. Diese Vorgangsweise (Wechsel zum Abendgymnasium) wurde gewählt, um nicht die gesamte 8. Klasse wiederholen zu müssen.

Sie schloss das Fach Deutsch schließlich mit der Schulnote "Genügend" ab, was sie zum Antritt zur Matura berechtigte.

Im Mai 2024 absolvierte sie sodann die Matura in folgenden Gegenständen:

Schriftlich:

  • Deutsch: Befriedigend

  • Englisch: Genügend

  • Mathematik: Genügend

Mündlich:

  • Englisch: Genügend

  • Chemie: Genügend

  • Psychologie und Philosophie: Genügend

Die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) reichte sie im Oktober 2024 ein. Das Reifeprüfungszeugnis wurde daher am ***3*** ausgestellt. Sie erhielt auf die VWA die Schulnote "Gut".

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Der Abschluss der Matura in den angegebenen Fächern ergibt sich aus dem vorgelegten Maturazeugnis vom ***3***. Die Wochenstundenanzahlt ergibt sich aus den Semesterzeugnissen des Abendgymnasiums.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Gemäß § 26 Abs 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Zur Berufsausbildung gehört grundsätzlich die allgemein bildende Schulausbildung ().

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist nach der Rsp des VwGH darüber hinaus einerseits das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (; ).
Andererseits wird vorausgesetzt, dass der erforderliche zeitliche Einsatz in die Berufsausbildung die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch nimmt. Mit anderen Worten weist eine anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf. Sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang sind demnach zu prüfen (; ).

In der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes wird die Ansicht vertreten, dass bei Schulen für Berufstätige ein wöchentlicher Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben, also insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden erforderlich ist, um von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG sprechen zu können (vgl Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 40, mit Hinweisen auf die BFG Rechtsprechung).

Aus dem Semesterzeugnissen des Gymnasiums für Berufstätige ist ersichtlich, dass die Tochter des Bf pro Semester jeweils 4 Wochenstunden das Fach Deutsch besucht hat. Sie hat in der Folge die 8. Klasse (12. Schulstufe) in Deutsch erfolgreich abgeschlossen.

Beim Besuch eines Abendgymnasiums kann nach allgemeiner Lebenserfahrung pro Woche für Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung sowie Prüfungsvorbereitungen rund 50% der in Präsenz absolvierten Unterrichtsstunden angesetzt werden (vgl zB , , RV/5101043/2018, ).

Diese Erfahrungswerte können auch im gegenständlichen Fall herangezogen werden, da es keinen Hinweis auf besondere Lernschwierigkeiten bzw Lernschwächen der Tochter gibt.

Inklusive dem zusätzlichen Ansatz von Lernphasen im Ausmaß von 50% der dafür angesetzten Wochenstunden, also 2 Wochenstunden, lag der für die Schulausbildung investierte Zeitaufwand von insgesamt 6 Wochenstunden pro Semester nicht bei dem für die Anerkennung als Berufsausbildung gemäß § 2 Abs 2 lit b FLAG geforderten Zeitaufwand von mindestens 30 Wochenstunden. Ein absolutes, auf die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht Bedacht nehmendes Mindestmaß an Wochenstunden ist der Rsp des VwGH grundsätzlich zwar nicht zu entnehmen, da dies dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widerspräche (so auch , RV/5101043/2018). Im Erkenntnis vom , 2006/15/0178, hat der VwGH aber bspw das Vorliegen einer Berufsausbildung verneint, wenn nur Lehrveranstaltungen an einer Universität im Umfang von zwei Wochenstunden besucht wird, um die Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung zu erreichen.

Dazu wird auch angemerkt, dass AHS-Schüler in der 8. Klasse ca 35 Wochenstunden Unterricht haben und zusätzlich zu Hause, neben den aufgetragenen Hausübungen, auch den Unterrichtsstoff lernen müssen.

Im vorliegenden Fall holte die Tochter des Bf jedoch die 8. Klasse lediglich in Deutsch nach, da sie die anderen Fächer im Gymnasium bereits positiv absolviert hat.

Im Zeitraum Oktober 2023 bis April 2024 wurde daher durch die Ausbildung nicht die volle Zeit der Tochter des Bf in Anspruch genommen, weshalb für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht.

Im Mai 2024 hat die Tochter zusätzlich die Matura abgelegt. Für die Vorbereitung auf die schriftliche und mündliche Matura wird bei AHS-Schülern - nachdem die 8. Klasse abgeschlossen wurde - eine Vorbereitungszeit von ca einem Monat (unterrichtsfreie Zeit) gewährt. Dies erscheint auch im gegenständlichen Fall sachgerecht. Für die Vorbereitung auf die Matura wird daher analog zur AHS ein Monat als Vorbereitungszeit mit vollem zeitlichen Lernaufwand angesetzt. Im Monat Mai 2024 besteht daher Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

Der Zeitraum nach Mai 2024 ist nicht mehr beschwerdegegenständlich. Da die VWA erst im Oktober 2024 abgegeben wurde, kann muss auf die Vorbereitungszeit hierfür an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht vorliegen, weil lediglich der freien Beweiswürdigung unterliegende Sachverhalte (Vorbereitungszeit für die Matura) zu beurteilen waren, war auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100693.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at