Schadenersatzzahlungen und Rechtsanwaltskosten im Rahmen einer Kronzeugenregelung nach § 209a StPO können Werbungskosten iSd § 16 EStG 1988 darstellen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri 1***, den Richter ***RI 2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LRi 1*** und ***LRi 2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch APP Steuerberatung GmbH, Schenkenstraße 4, 6. Stock, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2012 und vom betreffend Einkommensteuer 2013, beide Bescheide ergangen zu Steuernummer ***Bf-StNr*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Einkommensteuer 2012 wird mit € -40.648,- und die Einkommensteuer 2013 mit € -104.985,- festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit elektronischer eingebrachter Einkommensteuererklärung vom für das Veranlagungsjahr 2012 beantragte der Beschwerdeführer ua die Veranlagung von Rechtsanwaltskosten in der Höhe von € 228.000,- als Werbungskosten. Mit elektronisch eingebrachter Einkommensteuererklärung vom für das Veranlagungsjahr 2013 beantragte der Beschwerdeführer ua die Veranlagung von Schadenersatzzahlungen in der Höhe von € 300.000,- als Werbungskosten. Am erging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 samt einer gesonderten Begründung. Am erging ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012. Mit diesen beiden Bescheiden wurden die Werbungskosten für das Jahr 2012 (Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 228.000,-) und für das Jahr 2013 (Schadenersatzzahlung in der Höhe von € 300.000,-) durch das Finanzamt nicht anerkannt. Am wurde fristgerecht durch die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers eine Beschwerde betreffend die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 eingebracht und gem § 262 Abs 2 lit a BAO beantragt, die Erlassung eine Beschwerdevorentscheidung zu unterlassen. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht antragsgemäß ohne die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb der Frist des § 262 Abs 2 lit b BAO zur Entscheidung vorgelegt.
Am fand die mündliche Verhandlung in dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren im ersten Rechtsgang statt. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Der VwGH hob mit Erkenntnis vom , Ra 2023/15/0036 das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und trug dem Bundesfinanzgericht für das fortgesetzte Verfahren auf, Feststellungen dahingehend zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Zuge der von der Staatsanwaltschaft geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären.
Mit Schreiben vom erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang an die Verfahrensparteien. Am fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt. Der steuerliche Vertreter beantragte eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eine Vertagung der Verhandlung, weil der Beschwerdeführer seine an Krebs erkrankte Frau pflegen und seine Kinder beaufsichtigen müsse. Dieser telefonisch vorgebrachten Vertagungsbitte wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes unter Hinweis auf die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer war somit für die mündliche Verhandlung entschuldigt und nahm an dieser auch nicht teil.
In der mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter ergänzend vor, dass hinsichtlich der Schadenersatzzahlung sowohl ein mittelbarer, als auch ein unmittelbarer Zusammenhang mit der nichtselbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers bestehe. Erläuternd verwies der steuerliche Vertreter auf die Klagsschrift der ***AG 1***, aus welcher hervorgehe, dass für die Ausübung des Stock Options Programm vorgesehen gewesen sei, dass ein Lohnsteuerabzug zu Lasten des Begünstigten vorzunehmen sei. Das Stock Options Programm sei im Jahr 2004 schlagend geworden.
Über Befragen des vorsitzenden Richters, woraus die im Einkommensteuerbescheid 2004 unter der Bezeichnung "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" ersichtlichen € 50.000,- resultieren, gab der steuerliche Vertreter an, dass er diese Frage ohne Vorbereitung nicht beantworten könne.
Über Befragen des vorsitzenden Richters, ob die in der Vorhaltsbeantwortung vom im Schreiben der ***RA Rechtsanwälte*** erwähnte Selbstanzeige des Beschwerdeführers an das Finanzamt Wien 8/16/17 vom (vgl BFG-Akt OZ 8, Seite 9 des Voraktes) mit einem der Anklagefakten der Staatsanwaltschaft Wien, die sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart vom (BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes) erschließen, in Zusammenhang stehe, gab der steuerliche Vertreter an, dass er sich bei einem Verfahren, das einen Sachverhalt beinhalte, der mehr als 20 Jahre zurückliege, vom erkennenden Gericht erwartet hätte, dass ihm vor der Durchführung der mündlichen Verhandlung die zu stellenden Fragen schriftlich übermittelt werden würden. Damit hätte der steuerliche Vertreter aus seiner Sicht die Möglichkeit einer Vorbereitung gehabt.
Über Befragen des vorsitzenden Richters betreffend die Honorarnote 12/56 vom der ***RA Rechtsanwälte*** über die Gesamtsumme von € 228.000,- (vgl BFG-Akt OZ 5, Beilage 4 des Voraktes), gab der steuerliche Vertreter an, dass diese verrechneten Leistungen ausschließlich die mit der Vertretung des Beschwerdeführers zur Erlangung des Kronzeugenstatus bzw zur Vertretung des Beschwerdeführers betreffend die strafrechtlichen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wien und des Schadenersatzes betreffen würden.
Über Befragen des Laienbeisitzers ***LRi 2***, gibt der steuerliche Vertreter sinngemäß an, dass sich die Schadenersatzzahlungen von € 300.000,- auf die Anklagefakten, die sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart erschließen würden, beziehe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war lt Firmenbuch vom bis Vorstand der ***AG 2*** (***FN-Nummer 2*** - per umbenannt in ***AG 2***) sowie vom bis Prokurist der ***AG 1*** (***FN-Nummer 1***) und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Staatsanwaltschaft Wien legte dem Beschwerdeführer für den Zeitraum 2002 bis 2009 mehrere strafbare Delikte (schwerer Betrug nach den §§ 146 und 147 StGB, Untreue nach § 153 StGB; teilweise als Mittäter iSd § 12 StGB) zur Last. Seit dem Jahr 2011 agierte der Beschwerdeführer als Kronzeuge iSd § 209a StPO in mehreren Strafverfahren. Mit Schriftsatz der Staatsanwaltschaft Wien vom an den Verein Neustart (BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes) teilte diese mit, dass gegen den Beschwerdeführer beabsichtigt sei ein Strafverfahren durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft Wien würde aber auf Grund der Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit der Staatsanwaltschaft gem § 209a Abs 1 Z 1 und Abs 2 StPO von der Verfolgung zurücktreten, wenn der Beschwerdeführer gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden leiste, binnen sechs Monaten einen Teil des entstandenen Schadens im Ausmaß von € 300.000,- an die ***AG 1*** wiedergutmache und einen Beitrag zu den Pauschalkosten in Höhe von € 250,- an die Staatsanwaltschaft Wien leiste.
Konkret wurden lt Staatsanwaltschaft Wien dem Beschwerdeführer die folgenden 13 Fakten zur Last gelegt (vgl Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart vom - BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes):
- Faktenkomplex "***1***" betreffend Zahlungen an ***P 1*** zuzurechnende Unternehmen ohne Gegenleistung mit einem Schaden im Gesamtausmaß betreffend Zahlungen an die ***A AG*** in der Höhe von € 9.058.800,- (Zeitraum - ) und Zahlungen an die ***A GmbH*** in der Höhe von € 2.763.120,- (Zeitraum 2002-2007).
- Faktum "stock options" betreffend Kursmanipulation der ***AG 1*** Aktien der zu einem Schaden der ***AG 1*** in der Höhe von € 10.630.114,73 führte (Zeitpunkt zwischen 23. und , sowie und Ende August 2008).
- Faktum "***2***" betreffend Zahlungen ***AG 1*** für ***3*** und ein damit verbundener Schaden für die ***AG 1*** in der Höhe von € 960.000,- (Zeitpunkt ).
- Faktum "***4***" betreffend die Bezahlung einer Rechnung der ***B GmbH*** durch die ***AG 2*** in der Höhe von € 585.600,- die ohne eine erfolgte Gegenleistung der ***B GmbH*** gezahlt wurde und als rechtsgrundlose "Abfertigung" für ***P 2*** gedient haben soll (Zeitpunkt ).
- Faktum "***5***" betreffend Abschluss eines Vertrages zwischen ***A Ltd*** mit der ***B AG*** (vormals ***A AG***) mit einer Schadenshöhe für ***A Ltd*** von etwa € 1.000.000,- (Zeitpunkt im Jahr 2009).
- Faktum "***6***" betreffend Zahlungen der ***AG 2*** an die ***A kft*** im Gesamtausmaß von € 1.100.000,- ohne eine entsprechende Gegenleistung (Zeitraum Juli 2008-Jänner 2009).
- Faktum "***7***" betreffend die Zahlungen der ***AG 1*** bzw der ***AG 2*** an die ***C GmbH***, die ***D GmbH*** und die ***E GmbH*** ohne entsprechende adäquate Gegenleistungen mit einem jedenfalls € 50.000,- übersteigenden Gesamtschaden (Zeitraum 2002-2009).
- Faktum "***8***" betreffend Zahlungen der ***AG 1*** in der Höhe von € 1.200.000,- an die ***F GmbH*** ohne eine tatsächlich erbrachte Gegenleistung (Zeitpunkte in den Jahren 2007 und 2008).
- Faktenkomplex "***9***" betreffend Begleichung von sechs Rechnungen der ***G GmbH*** in der Gesamthöhe von € 921.000,- und einer Rechnung der ***A Anstalt*** in der Höhe von € 750.000,- durch die ***AG 1*** bzw die ***AG 2***, obwohl keine wirtschaftlich werthaften Gegenleistungen erfolgten (Zeitraum Dezember 2006 bis Oktober 2008).
- Faktum "***10***" betreffend den über zwei Jahre laufenden Beratervertrag von ***P 3***, welcher zu Zahlungen von € 474.459,- durch die ***C AG*** führte, obwohl diesen Zahlungen keine fremdüblichen Leistungen gegenüberstanden (Zeitpunkt ).
- Faktum "***11***" betreffend die Anmietung des ***11*** für die ***AG 2*** mittels Untermietvertag in der Höhe von € 1.400.000,- obwohl die ***AG 2*** das ***11*** direkt um nur € 1.000.000,- von der ***H GmbH*** mieten hätte können (Zeitpunkt ).
- Faktum "***12***" betreffend Scheingeschäft der ***AG 1*** mit der ***I GmbH*** (Geschäftsführer ***P 4***) im Zuge dessen die ***AG 1*** € 600.000,- an die ***I GmbH*** ohne werthaltige Gegenleistung überweisen sollte (Zeitpunkt ).
- Finanzstrafverfahren betreffend die € 100.000,- übersteigende Abgabenhinterziehung der ***AG 1*** (Zeitraum 2004-2009).
Letztlich stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gem § 209a Abs 3 StPO nach Erbringung der gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden und Leistung einer teilweisen Schadensgutmachung in der Höhe von € 300.000,- an die ***AG 1*** ein. Konkret führte die Staatsanwaltschaft Wien in der Mitteilung vom (BFG-Akt OZ 8 Beilage ./1 des Voraktes) aus:
"Bezugnehmend auf das Diversionsanbot vom ergeht die Mitteilung, dass die Staatsanwaltschaft Wien die dort genannten Ermittlungsverfahren gegen ***Bf*** gemäß § 209a Abs 3 StPO unter Vorbehalt der späteren Verfolgung eingestellt hat.
Auf § 209a Abs 4 StPO wird hingewiesen."
Die Schadensgutmachung in der Höhe von € 300.000,- wurde durch den Beschwerdeführer im Jahr 2011 auf das Anderkonto seines Rechtsbeistandes eingezahlt und im Jahr 2013 durch seinen Rechtsbeistand (Wertstellungsdatum lt Kontoauszug Anderkonto - BFG-Akt OZ 5, Beilage 2 des Voraktes) an die ***AG 1*** weitergeleitet. Diese Zahlung beantragte der Beschwerdeführer in seiner elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung vom für das Veranlagungsjahr 2013 als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Weiters beantragte der Beschwerdeführer mit elektronischer eingebrachter Einkommensteuererklärung vom für das Veranlagungsjahr 2012 die Veranlagung von Rechtsanwaltskosten in der Höhe von € 228.000,- als Werbungskosten. Die Rechtsanwaltskosten von € 228.000,- (Honorarnote Nr 12/56 der ***RA Rechtsanwälte*** - BFG-Akt OZ 5, Beilage 4 des Voraktes) betrafen den Leistungszeitraum Juli bis Dezember 2011. Diese wurden am durch die Kanzlei der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit diesem abgerechnet. Bei dieser Honorarnote handelt es sich um die Kosten der Gesamtvertretung, welche sowohl für die Vertretung zur Erlangung der Kronzeugenregelung, als auch für den damit verbundenen Schadenersatz in der Höhe von € 300.000,- an die ***AG 1*** geleistet worden sind.
Der Beschwerdeführer bediente sich sowohl für die Bezahlung der Schadensgutmachung im Jahr 2013 als auch für die Begleichung der Rechtsanwaltskosten im Jahr 2012 eines Darlehens seines Arbeitgebers der ***D AG***, bei welcher der Beschwerdeführer seit 2010 Finanzvorstand war.
Am brachte die ***AG 1*** gegen den Beschwerdeführer eine Schadenersatzklage ein. Diese Klage beruhte auf den strafrechtlichen Tatbeständen, die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen wurden. Das zivilrechtliche Verfahren wurde mit Vergleich vom beendet und der Beschwerdeführer verpflichtete sich darin zur Zahlung eines Betrages in der Höhe von € 1.050.000,- (abzüglich der bereits geleisteten Schadensgutmachung in der Höhe von € 300.000,-).
Die Zahlung von € 300.000,- als Schadensgutmachung und die Zahlung von € 228.000,- an Rechtsanwaltskosten wurden im bisherigen Verfahren seitens des Finanzamtes in den jeweiligen Veranlagungsjahren nicht als Werbungskosten anerkannt.
2. Beweiswürdigung
Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart vom (vgl BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes) erschließt sich, dass das Anklagefaktum "stock options" betreffend die Kursmanipulationen des Aktienkurses der ***AG 1***, Teil des Faktenkomplexes ist, welcher dem Beschwerdeführer vor der Erlangung des Kronzeugenstatus zur Last gelegt wurde.
In der Klagsschrift der ***AG 1*** vom , mit welcher der Beschwerdeführer auf Zahlung eines Schadenersatzes zivilrechtlich verklagt wurde (vgl BFG-Akt OZ 8, Seite 12 - 19 des Voraktes) wird Folgendes ausgeführt:
"[…]
1. Vorbemerkung
Die beklagte Partei war - nach eigenen Aussagen - In zahlreiche Sachverhalte, die derzeit von den Strafgerichten aufgearbeitet werden, aktiv und vorsätzlich beteiligt. Wir beschränken die Klagserzählung auf einen dieser Sachverhalte, da über diesen bereits die Protokolle der Hauptverhandlung vorliegen. Wir stellen den Ablauf möglichst gedrängt dar und behalten uns für den Bestreitungsfall eingehenderes Verbringen vor.
[…]
2. Employee Stock Option Programm 2000-2004
a) […]
b) Entsprechend dem ESOP wurden den Berechtigten - in Abhängigkeit der Menge der von Ihnen anlässlich des Börseganges erworbenen Aktien, die über eine gewisse Laufzeit nicht veräußert werden durften (`Eigeninvestment´) - eine bestimmte Anzahl von Call-Optionen zum Erwerb von Aktien der ***AG 1*** zum Ausgabekurs des Börseganges eingeräumt; dieser Kurs betrug ***Euro*** pro Aktie. Nach der Regelung über Wartefristen konnten die Optionen zuletzt am ausgeübt werden, sofern der Kurs der ***AG 1***-Aktien an den fünf dem jeweiligen Ausübungstag vorangegangenen Handelstagen Im Durchschnitt um mindestens 30 % über dem Ausgabekurs liegt.
c) Hinsichtlich Abgaben war ua vorgesehen, dass Einkommenssteuern, die mit Gewährung oder Ausübung der Aktienoptionen verbunden sind, zu Lasten des jeweiligen Berechtigten gehen und Gleiches für die damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge, ausgenommen Dienstgeberbelträge, gilt; die ***AG 1*** bzw, das jeweils betroffene Unternehmen war freilich Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften berechtigt, die Ertragssteuern und Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten und an Fiskus bzw. Gebietskrankenkassen abzuführen.
[…]"
Aus dieser Klagsschrift ist zu entnehmen, dass für die Gewährung bzw Ausübung der Aktienoption die Einkommensteuer, also auch die Lohnsteuer als Erhebungsform der Einkommensteuer, zu Lasten des Begünstigten geht.
Aus dem Einkommensteuerbescheid 2004 (BFG-Akt OZ 32) erschließt sich, dass der Beschwerdeführer neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit bei der ***AG 1*** in der Höhe von € 320.915,97 noch Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug in der Höhe von € 50.000,- versteuert hat. Auch wenn weder der steuerliche Vertreter noch das Finanzamt zu diesen Einkünften in der Höhe von € 50.000,- eine Erklärung abgeben konnten, so geht der erkennenden Senat in Ausübung der freien Beweiswürdigung davon aus, dass der Beschwerdeführer aus der Gewährung des Employee Stock Option Programm (ESOP), welches im Jahr 2004 schlagend geworden ist, Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in der Höhe von € 50.000,- erzielt hat. Somit war festzustellen, dass dem Beschwerdeführer aus dem Anklagefaktum der Kursmanipulation der ***AG 1*** Aktie, die ihm neben weiteren Anklagefakten von der Staatsanwaltschaft Wien zur Last gelegt wurde, Einnahmen zugeflossen sind, die auch als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst wurden.
Auf Grund eines Vorhaltsverfahrens durch das Finanzamt im Jahr 2014, übermittelte der Beschwerdeführer am ein Schreiben seines steuerlichen Vertreters, welchem ein Schreiben der ***RA Rechtsanwälte*** vom angeschlossen war (vgl BFG-Akt OZ 8 des Voraktes). In diesem Schreiben der ***RA Rechtsanwälte*** vom wurde Folgendes ausgeführt:
"Mit Selbstanzeige an das Finanzamt Wien 8/16/17 vom hat ***Bf*** offengelegt, [dass] er gemeinsam mit ***P 5*** als Vertreter der damaligen Arbeitgeberin, ***AG 1***, zwei Prämienzahlungen an ***P 6*** als Vertreter der ***E AG*** in bar übergeben hat und über Aufforderung von ***P 6*** Teile des Bargeldes von ***Bf*** und ***P 5*** als `Belohnung´ angenommen wurden. Hierbei handelte sich jeweils um einen Betrag von EUR 15.000 bis EUR 20.000 pro Person. Diese Belohnung wurde damals nicht rückübergeben und ist der Lohnsteuerabzug unterblieben."
Aus den Darstellungen der Staatsanwaltschaft Wien in dem Schreiben an den Verein Neustart vom (vgl BFG-Akt OZ 5 des Voraktes) erschließt sich, dass diese "Prämienzahlungen" in Verbindung mit der Aktienkursmanipulation der ***AG 1*** Aktie und dem Anklagefaktum "stock options" stehen. Nach der Darstellung der Staatsanwaltschaft Wien war die ***E AG***, vertreten durch ***P 6***, beauftragt derart viele Aktien der ***AG 1*** anzukaufen, dass der Kurs im Beobachtungszeitraum vom 20. bis den Wert von ***Euro*** erreiche, was Voraussetzung dafür war, dass ua der Beschwerdeführer daraus wirtschaftliche Vorteile erlangte. Dies führte in weiterer Folge zu einer Kauforder der ***E AG*** über insgesamt 1.200.000 Stück Aktien der ***AG 1*** und zu einem Aktienkurs von ***Euro***.
Für den erkennenden Senat war somit nachgewiesen, dass dem Beschwerdeführer aus dem Anklagefaktum "stock options" nicht nur der wirtschaftliche Vorteil der Option auf Aktien, sondern auch weitere Einnahmen von zumindest € 15.000,- zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären.
Entsprechend dem Judikat des war die Feststellung zu treffen, dass dem Beschwerdeführer im Zuge der von der Staatsanwaltschaft Wien geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären bzw erfasst wurden.
Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart vom (BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes) erschließt sich, dass gegen den Beschwerdeführer wegen insgesamt 13 Anklagefakten ermittelt und ein Strafverfahren durchgeführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Wien verweist in diesem Schreiben zunächst auf die Ermittlungsverfahren wegen §§ 12, dritter Fall; 146; 147 Abs 3; 153 Abs 1 und 2, zweiter Fall StGB und § 255 AktG und stellt in weiterer Folge die einzelnen Faktenkomplexe ausführlich dar. Die Staatsanwaltschaft führte jedoch weiter aus, dass die Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen dessen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gemäß § 209a Abs 1 und 2 StPO unterbliebe, wenn der Beschwerdeführer ua einen Teil des entstandenen Schadens im Ausmaß von € 300.000,- durch Zahlung an die ***AG 1*** leiste. Der Schadenersatz von € 300.000,- welcher in diesem Zusammenhang zur Erlangung des Kronzeugenstatus an seinen geschädigten ehemaligen Arbeitgeber vom Beschwerdeführer gezahlt wurde, bezieht sich dementsprechend auf alle diese strafrechtlichen Faktenkomplexe und kann nicht isoliert auf einen einzelnen Faktenkomplex gesehen werden.
Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten in der Höhe von € 228.000,- folgt der Senat den Ausführungen des Beschwerdeführer bzw dessen steuerlichen Vertreters, wenn dieser sinngemäß ausführt, dass die verrechneten Leistungen ausschließlich mit der Vertretung des Beschwerdeführers zur Erlangung des Kronzeugenstatus bzw zur Vertretung des Beschwerdeführers betreffend die strafrechtlichen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wien und des Schadenersatzes resultieren. Die einzelnen, in der Leistungsaufzeichnung der Honorarnote 12/56 vom (vgl BFG-Akt OZ 5, Beilage 4 des Voraktes), aufgezählten Leistungen lassen keinen anderen Schluss zu, als den, dass die abgerechneten Leistungen nur diesen einen verfahrensgegenständlichen Sachverhalt, nämlich die rechtsfreundliche Vertretung in Zusammenhang mit der Erlangung des Kronzeugenstatus und des Schadenersatzes von € 300.000,-, betreffen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Die im gegenständlichen Verfahren zu klärende Rechtsfragen sind, ob die im Rahmen der "Kronzeugenregelung" iSd § 209a StPO geleistete Schadensgutmachung in der Höhe von € 300.000,- sowie die Rechtsanwaltskosten in der Höhe von € 228.000,- als Werbungskosten von den nichtselbständigen Einkünften des Beschwerdeführers abzugsfähig sind.
Nach § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Im Erkenntnis des , mit welchem das gegenständliche Vorerkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, führte der VwGH unter der Rn 22 aus:
"Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesfinanzgericht sich daher damit auseinanderzusetzen haben ob die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst war, und insbesondere Feststellungen zu treffen haben, ob dem Revisionswerber im Zuge der von der Staatsanwaltschaft geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären (vgl. erneut 2008/15/0259; , 90/13/0285). Es kommt nicht darauf an, ob die T AG einen Vorteil erzielt hat, sondern, ob ein Zusammenhang mit steuerlichen Einkünften des Revisionswerbers besteht, die auch aus diesem Fehlverhalten resultieren können (vgl. Ra 2019/15/0063). So ergibt sich aus den im Erkenntnis wiedergegebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung etwa, dass 70 Führungskräfte und somit möglicherweise auch der Revisionswerber von den Kursmanipulationen profitiert hatten, wodurch potentiell steuerpflichtige Einnahmen generiert wurden."
Vermögensvorteile, die ein Dienstnehmer im Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis erzielt, führen nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH auch dann zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie auf rechtswidrige Handlungen zurückzuführen sind (vgl ; ).
Die gegenständliche Schadenersatzzahlung führt nach den allgemeinen Grundsätzen des § 16 Abs 1 EStG 1988 zu Werbungskosten, wenn die berufliche Veranlassung gegeben ist (vgl ). Hat das rechtswidrige Verhalten des Beschwerdeführers zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt, so ist auch die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst und ist damit auch als Werbungskosten abzugsfähig.
Der Beschwerdeführer hat das grundsätzlich strafbare Verhalten, auf Grund dessen die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hat, und welches im Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien an den Verein Neustart vom (BFG-Akt OZ 5, Beilage 1 des Voraktes) aufgelistet wurde, im Rahmen seiner beruflichen Sphäre gesetzt. Die Funktion des Beschwerdeführers im Unternehmen seines Arbeitgebers als Vorstand der ***AG 2*** bzw als Prokurist der ***AG 1*** gab dem Beschwerdeführer erst die grundsätzliche Möglichkeit dazu, sich an den ihm von der Staatsanwaltschaft Wien vorgeworfenen Malversationen zu beteiligen. Es war dementsprechend festzustellen, dass der strafrechtliche Vorwurf ausschließlich und unmittelbar beruflich veranlasst war.
Da die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst war, weil dem Beschwerdeführer im Zuge der von der Staatsanwaltschaft Wien geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären bzw erfasst wurden, sind die € 300.000,- aus dem Titel der Schadenersatzzahlung als Werbungskosten im Veranlagungsjahr 2013 zu berücksichtigen.
Die Rechtsanwaltskosten in der Höhe von € 228.000,- sind nach der Rechtsprechung absetzbar, wenn der Beschwerdeführer das strafbare Verhalten im Rahmen der beruflichen Sphäre gesetzt hat. Der strafrechtliche Vorwurf muss dementsprechend ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Sphäre erklärbar und damit beruflich veranlasst sein (vgl ; ;; ). Dies gilt auch unabhängig von der Art der Beendigung des Strafverfahrens.
Da der strafrechtliche Vorwurf der Staatsanwaltschaft Wien ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Sphäre erklärbar war, sind die Kosten der diesbezüglichen rechtsfreundlichen Vertretung in der Höhe von € 228.000,- als Werbungskosten abzugsfähig.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis stützt sich in seiner rechtlichen Begründung auf die zitierte einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung und insbesondere auf das Erkenntnis des , mit welchem das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes aus dem ersten Rechtsgang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 209a StPO, Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100404.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at