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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2024, RV/3100101/2024

Rückforderung der Familienbeihilfe - hat sich das Kind in Berufausbildung befunden?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Zangerl-Reiter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum März 2023 bis Juli 2023, Steuernummer xx-xxx/xxxx, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Monate März bis Juni 2023 gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Monates Juli 2023 gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die Rückforderung beträgt € 236,50 (d.s. € 174,70 Familienbeihilfe und € 61,80 Kinderabsetzbetrag).

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ihre Tochter für den Zeitraum März 2023 bis Juli 2023 mit der Begründung zurück, dass sie zu wenig Wochenstunden für die Ausbildung aufgewendet habe und somit die Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betreibe.

2. In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Tochter habe die Matura am abgeschlossen. Parallel dazu habe sie die Ausbildung zur geprüften Tierarzthelferin absolviert, diese habe 10 Wochenstunden á 13 Stunden und 20 Minuten plus 198 Stunden Praktikum umfasst.

Der Beschwerde legte sie das Reifeprüfungszeugnis der Tochter bei.

3. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus, die Tochter der Beschwerdeführerin habe die Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin besucht. Der Unterricht sei von bis jedes zweite Wochenende (10 Wochenenden) samstags und sonntags (13 Wochenstunden jede zweite Woche), somit gesamt 160 Unterrichtseinheiten Theorie und 160 Stunden Lehrpraxis gewesen. Der Aufwand für die Ausbildung (Theorie in der Schule) betrage weniger als 20 Wochenstunden und es liege somit keine Berufsausbildung iSd FLAG vor.

4. Am brachte der rechtliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein. Ergänzend zur Beschwerde führte er aus, die Tochter der Beschwerdeführerin habe parallel zur Ausbildung zur Tierarzthelferin eine weitere Ausbildung absolviert, sie habe im Oktober 2023 die Zentralmatura abgelegt. Die meisten Prüfungen habe sie bereits 2022 absolviert, jedoch sei die VWA negativ beurteilt worden, weshalb sie diese nachholen musste. Sowohl die allgemeinbildende Schulausbildung als auch die Ausbildung zur Tierarzthelferin würden das qualitative Element der Berufsausbildung erfüllen. Kumuliere man den Aufwand aus beiden Ausbildungen, betrage diese jedenfalls mehr als die geforderten 20 Wochenstunden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Tochter der Beschwerdeführerin ist im Februar 2004 geboren.

An die Beschwerdeführerin wurden im Zeitraum von März 2023 bis Juli 2023 für ihre Tochter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt (siehe Auszug aus der Datenbank FABIAN der Finanzverwaltung vom ).

2. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat am die Matura bestanden (siehe Reifeprüfungszeugnis vom ). Davor ist sie zum Haupttermin 2021/2022 zur Reifeprüfung angetreten und hat diese nicht positiv abgeschlossen. Sodann ist sie noch zu zwei weiteren Terminen (Oktober 2022 und Jänner 2023) der Reifeprüfung angetreten (siehe Bestätigungen des ***1*** vom ).

Die zum Jännertermin 2023 eingereichte Vorwissenschaftliche Arbeit wurde negativ bewertet (siehe Bestätigungen des ***1*** vom ). In der Zeit von Februar bis September 2023 hat die Tochter der Beschwerdeführerin jene Vorwissenschaftliche Arbeit verfasst, die beim Oktobertermin 2023 positiv beurteilt wurde (siehe Begleitprotokoll zur VWA vom ); dies hat ca. 5 Stunden pro Woche in Anspruch genommen.

3. Von bis hat die Tochter der Beschwerdeführerin an 10 Wochenenden die Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin absolviert (siehe Ausbildungsbestätigung des Tierärzteverlages) und diese am (Abschlussprüfung) erfolgreich absolviert (siehe Zertifikat der Vetakademie). Davor ist sie zum Prüfungstermin Anfang Juli 2023 angetreten (siehe Stellungnahme vom ).

Die Ausbildung hat an folgenden Kurseinheiten stattgefunden und hatte folgende Lerninhalte (siehe Ausbildungsbestätigung sowie Bestätigung der Lehrinhalte der Vetakademie und Skriptum):


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Module
Datum
Uhrzeit
Lerninhalte
1. Modul:
24.09.202225.09.2022
09:00 - 18:0008:30 - 13:20
Verhalten in der Ordination, Tiere sicher fixieren, Gefahren in der Tierarztpraxis , Hunde-, Katzen-, Pferderassen und deren Kommunikation
2. Modul:
15.10.202216.10.2022
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Ein Patient betritt die Ordination, Richtungsbezeichnungen und Körpereinteilungen, wichtige lateinische Vor- und Nachsilben, EU-Impfpass und seine Bestimmungen, Impfungen und Impfschemata, Immunsystem, Stoffwechsel
3. Modul:
12.11.202213.11.2022
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Physiologische Eckdaten der Haustiere, Hygiene in der Tierarztpraxis + Desinfektion, Respirationstrakt, Organe der Brust, Kreislaufsystem und seine Erkrankungen + Blutdruckmessung, Infusionen und Blutentnahme
4. Modul:
03.12.202204.12.2022
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Nervensystem und seine Erkrankungen, Ohr und Auge, Narkose und Narkoseüberwachung, Instrumentenkunde, Röntgensysteme und Aufnahmetechniken, Auszüge aus dem Strahlenschutzgesetz
5. Modul:
21.01.202322.01.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Erste-Hilfe-Kurs für Tiere, Führung der Tierärztlichen Hausapotheke , Medikamentenkunde, Tierschutz und Tierschutzgesetz
6. Modul:
18.02.202319.02.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Mikroskop, Labor: rotes und weißes Blutbild, Endoparasiten, Kreisläufe und Untersuchungsmethoden, Differenzierung von Wurmeiern, Hautpilze und Bakteriologische Untersuchungen, Labor: Harn und Harndiagnostik, Ektoparasiten
7. Modul:
04.03.202305.03.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Reisekrankheiten, Zoonosen und Zoonose-Gesetz, Verdauungsorgane und deren Erkrankungen, lymphatisches System und seine Erkrankungen, Zähne und deren Erkrankungen + Dentalbehandlungsgeräte, Urogenitalsystem und seine Erkrankungen
8. Modul:
25.03.202326.03.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Hormonsystem und seine Organe und deren Erkrankungen, Bewegungsapparat Aufbau und Erkrankungen, Haut und Hautanhangsorgane und deren Erkrankungen, Verbandstofflehre und Wundversorgung, Kaninchen und Nagetiere, Besonderheiten und Erkrankungen, Vögel, wichtige Vertreter, Anatomie und Erkrankungen
9. Modul:
29.04.202330.04.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Praktische Anwendung von Modul 6 (mikroskopische Übungen)
10. Modul:
17.06.202318.06.2023
09:00 - 18:00 08:30 - 13:20
Reptilien, wichtige Vertreter, Anatomie und Erkrankungen, Kommunikation, Reklamationsmanagement, Burnout-Prävention, Verhalten bei Euthanasie, Abfalltrennung, Rechnungslegung + Kaufvertrag, Bestellwesen, DSGVO, Zusammenfassung der laufenden administrativen Tätigkeiten

Am , , , und am hat sie an den Kursen nicht teilgenommen.

Bei den Theoriemodulen gibt es keine Anwesenheitspflicht. Grundsätzlich werden zwischen den Modulen immer wieder Hausaufgaben zum selbständigen Erarbeiten und auch Wiederholen des Stoffgebietes aufgegeben (siehe Folder 2. Kurs*: Ausbildung zur/zum akademisch geprüften Tierarzthelfer*in - 2022/2023 der Vetakademie Österreichischer Tierarztverlag, https://www.tieraerztekammer.at/fileadmin/webdoks/116821352/Infofolder_TierarzthelferInnen_2022-23_Kurs2.pdf, abgefragt am ). Tatsächlich wurden der Tochter der Beschwerdeführerin aber keine Hausaufgaben aufgegeben, sie musste lediglich einmal ein Kurzreferat halten und sich den Lernstoff im Selbststudium erarbeiten (siehe Stellungnahme vom ).

Zusätzlich zum theoretischen und praktischen Teil der Ausbildung dauert die Lehrpraxis in Tierarztpraxen 20 Arbeitstage oder mindestens 160 Fortbildungsstunden (siehe Folder 2. Kurs*: Ausbildung zur/zum akademisch geprüften Tierarzthelfer*in - 2022/2023 der Vetakademie Österreichischer Tierarztverlag, https://www.tieraerztekammer.at/fileadmin/webdoks/116821352/Infofolder_TierarzthelferInnen_2022-23_Kurs2.pdf, abgefragt am ).

Nach der Ausbildung kann die Absolventin als Ordinationshilfe bei Tierärztinnen arbeiten (siehe https://www.ausbildungskompass.at/ausbildungen/106949-ausbildung-zum-zur-akademisch-geprueften-tierarzthelferin/#berufe, abgefragt am ).

Die Tochter der Beschwerdeführerin hat neben den 160 Theoriestunden 198 Praktikumsstunden bei einem Tierarzt absolviert (siehe Zertifikat der Vetakademie und Praktikumscheckliste). Diese Praxisstunden hat sie in der Zeit vom 13. März bis gemacht, das sind im Schnitt 16,5 Stunden pro Woche. Hinzu kommen noch 15 Wochenstunden Selbstlernzeit.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

1. In der 7. Klasse des von der Tochter der Beschwerdeführerin besuchten Oberstufenrealgymnasiums mit Instrumentalunterricht fanden 38 Wochenstunden Unterricht statt; in der 8. Klasse waren es 31 Wochenstunden (siehe Reifeprüfungszeugnis vom ).

Gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 SchUG gehört zur Hauptprüfung der Reifeprüfung auch eine abschließende Arbeit (einschließlich deren Präsentation und Diskussion), die selbständig und außerhalb der Unterrichtszeit zu erstellen ist (in höheren Schulen auf vorwissenschaftlichem Niveau; mit Abschluss- oder Diplomcharakter).

Gemäß § 9 Abs. 1 der Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über die Reifeprüfung in den allgemein bildenden höheren Schulen (Prüfungsordnung AHS) in der hier anzuwendenden Fassung ist die schriftliche Arbeit (einschließlich allfälliger praktischer und/oder grafischer Arbeiten) als selbstständige Arbeit außerhalb der Unterrichtszeit zu bearbeiten und anzufertigen, wobei Ergebnisse des Unterrichts mit einbezogen werden dürfen. Die Erstellung der Arbeit ist in einem von der Prüfungskandidatin oder vom Prüfungskandidaten zu erstellenden Begleitprotokoll zu dokumentieren, welches jedenfalls den Arbeitsablauf sowie die verwendeten Hilfsmittel und Hilfestellungen anzuführen hat. Das Begleitprotokoll ist der schriftlichen Arbeit beizulegen.

Das Thema das Vorwissenschaftlichen Arbeit ist im Sommersemester der vorletzten Schulstufe (im April, spätestens aber Mai) festzulegen (§ 8 Abs. 2 Prüfungsordnung AHS).

Nach § 10 Prüfungsordnung AHS hat die erstmalige Abgabe der schriftlichen Arbeit bis zum Ende der ersten Woche des zweiten Semesters der letzten Schulstufe zu erfolgen. Die Zeiträume für die Abgabe der schriftlichen Arbeit im Falle der Wiederholung der vorwissenschaftlichen Arbeit sind die erste Unterrichtswoche, die ersten fünf Unterrichtstage im Dezember und die erste Woche des zweiten Semesters. In allen Fällen hat die Abgabe sowohl in digitaler Form (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) als auch in zweifach ausgedruckter Form (bei Einbeziehung praktischer und/oder grafischer Arbeitsformen auch unter physischer Beigabe der praktischen und/oder grafischen Arbeiten) zu erfolgen.

In der 8. Klasse fand Unterricht im Ausmaß von 31 Wochenstunden statt, hinzu kommt für die Schüler noch Zeit für Hausaufgaben und Lernen. Aus den eben zitierten Regelungen geht hervor, dass die abschließende Arbeit grundsätzlich bis zum Ende der ersten Woche des zweiten Semesters der letzten Schulstufe außerhalb der Unterrichtszeit zu erstellen ist. Ab dem Festlegen des Themas bis zum Abgabetermin der Vorwissenschaftlichen Arbeit haben die Schüler normalerweise die Sommerferien zwischen vorletzter und letzter Schulstufe und das Wintersemester der letzten Schulstufe Zeit die Arbeit zu verfassen. Somit haben Schüler der 8. Klasse für die abschließende Arbeit in der Regel nur sehr wenige Stunden pro Woche für deren Erstellung zur Verfügung.

Die schriftliche Arbeit hat einen Umfang von höchstens zirka 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen, Quellenbelegen im Text/in Fußnoten und Abstract; ausgenommen Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis) zu umfassen (§ 8 Abs. 4 Prüfungsordnung AHS).

Die Vorwissenschaftliche Arbeit der Tochter der Beschwerdeführerin umfasste 45.644 Zeichen (siehe Begleitprotokoll zur VWA vom ). Es dürfte daher durchaus realistisch sein, wenn die Beschwerdeführerin den durchschnittlichen Arbeitsaufwand zum Verfassen der Vorwissenschaftlichen Arbeit auf ca. 5 Stunden pro Woche schätzt. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat ihre Vorwissenschaftliche Arbeit von Februar bis September 2023 (Sommersemester und Sommerferien) verfasst, was in etwa auch dem zeitlichen Ausmaß entspricht, das die Prüfungsordnung AHS für alle Maturanten zur Verfassen der abschließenden Arbeit vorsieht.

2. Neben den 160 Theoriestunden umfasst die Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin mindestens 160 Praxisstunden. Die Beschwerdeführerin hat 198 von ihrer Tochter absolvierte Praxisstunden nachgewiesen. Über detaillierte Unterlagen, wann genau sie die Praxisstunden gemacht hat, verfügt weder die Beschwerdeführerin noch ihre Tochter. Nach ihren Angaben in der Stellungnahme vom hat sie die 198 Praxisstunden im Zeitraum von bis absolviert, also durchschnittlich 5,25 Stunden pro Woche (siehe Stellungnahme des rechtlichen Vertreters vom ).

Der Tierarzt, bei dem die Tochter der Beschwerdeführerin ihre Praxisstunden gemacht hat, gibt in seiner Bestätigung vom an, sie habe das Praktikum in der Zeit vom 13. März bis absolviert. Über detaillierte Unterlagen, wann genau die Tochter der Beschwerdeführerin die Praxisstunden gemacht hat, verfügt auch der Tierarzt nicht. Das Praktikum dauerte insgesamt 12 Wochen und ergeben sich daraus im Durchschnitt 16,5 Wochenstunden.

Während des Erörterungsgespräches gibt die Beschwerdeführerin an, dass die Angaben des Tierarztes stimmen. Dem Bundesfinanzgericht erscheinen die Angaben des Tierarztes als glaubwürdig. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Tierarzt entsprechende Aufzeichnungen zu führen hat und das Bundesfinanzgericht keine Veranlassung hat, an den Angaben des Tierarztes zu zweifeln.

3. Betreffend den Umfang der Selbstlernzeiten während der Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin gibt die Vetak (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ) an, diese umfassen 15 Stunden pro Woche für das Erlernen des Ausbildungsstoffes und das Erledigen der Arbeitsaufgaben. Die Beschwerdeführerin selbst gibt an, dass ihre Tochter neben dem Selbststudium einmal ein Kurzreferat halten musste, darüber hinaus wurden keine Hausaufgaben aufgegeben. Somit sind die von der Vetak angegebenen 15 Wochenstunden eher großzügig bemessen und daher als Obergrenze der aufzuwendenden Selbstlernzeiten anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe und Abweisung)

1. Gemäß § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 idF BGBl I Nr. 24/2019 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist."

Allgemein fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl zB , mwN). Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung (). Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Zur Berufsausbildung gehört (ihrem Inhalt nach) zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung ().

Wesentlich für eine Berufsausbildung iSd FLAG ist, dass durch den lehrgangsmaßigen Kurs die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt. Feststellungen über Art, Inhalt und Umfang des Lehrganges sind hiezu ebenso unerlässlich wie solche zum Umstand, ob und gegebenenfalls welche Prüfungen/Hausaufgaben abzulegen sind und auf welche Art und Weise die Vorbereitung hiefür zu gestalten ist ().

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung iSd § 3 StudFG nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl ; , mwN).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um einen Ausbildungserfolg an, sondern die Berufsausbildung muss auch "in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen" (vgl ; , mwN). Betreffend das quantitative Erfordernis kann in Übereinstimmung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht ein dem Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand generell nur dann vorliegen, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 Rz 40; vgl zB auch mwN).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ().

3. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in der dort angeführten Höhe für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

4. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist gleichfalls § 26 FLAG anzuwenden (§ 33 Abs 4 Z 3 lit. a EStG 1988).

5. Da zur Berufsausbildung zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung gehört, ist hinsichtlich des Verfassens der Vorwissenschaftlichen Arbeit - und somit der Vorbereitung auf die Matura - jedenfalls das qualitative Element erfüllt.

Auch bei der Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin handelt es sich in qualitativer Hinsicht um eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967. Eine Absolventin kann danach als Ordinationshilfe bei einem Tierarzt arbeiten. Die Tochter der Beschwerdeführerin ist zur vorgesehenen Prüfung im Juli 2023 angetreten, hat diese nicht zur Gänze bestanden und sodann im September 2023 erfolgreich abgelegt. Somit lag im streitgegenständlichen Fall auch die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen vor.

Zu prüfen ist aber, ob im Beschwerdefall die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen hat (siehe hierzu wieder Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG² § 2 Rz 40f; ).

6. Das Verfassen der Vorwissenschaftlichen Arbeit hat die Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin durchschnittlich 5 Stunden pro Woche in Anspruch genommen.

Von den zehn Theoriemodulen zur akademisch geprüften Tierarzthelferin haben im Streitzeitraum zwei im März, jeweils eines im April und Juni und keines im Mai und Juli 2023 stattgefunden. Daraus ergeben sich für den gesamten März 32 Theoriestunden, für April und Juni je 16 und keine für Mai und Juli. Auch wenn die Tochter der Beschwerdeführerin im März, April und Juni Theoriemodule versäumt hat, sind diese dennoch in die Berechnung der Wochenstunden einzubeziehen, da sie den in diesen Modulen durchgearbeiteten Stoff nachlernen musste. Somit hat die Tochter der Beschwerdeführerin im März etwas mehr als 7, im April und Juni jeweils knapp 4 und im Mai und Juli keine Theoriestunden für ihre Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin pro Woche aufgewendet.

Rechnet man zu diesen Wochenstunden noch die Selbstlernzeiten (15 Stunden pro Woche) und jene des Praktikums (16,5 Wochenstunden März bis Juni), so hat die Tochter der Beschwerdeführerin für die Ausbildung zur akademisch geprüften Tierarzthelferin für März 38,5, für April 35,5, für Mai 30,5, für Juni 35,5 und für Juli 15 Wochenstunden.

Zuzüglich der Zeit, die die Tochter der Beschwerdeführerin für das Verfassen der Vorwissenschaftlichen Arbeit aufgewandt hat, ergibt sich, dass die Tochter der Beschwerdeführerin in den Monaten März bis Juni 2023 ihre volle Zeit ihrer Ausbildung gewidmet hatte. In diesen Monaten erfüllt die Tochter der Beschwerdeführerin aber auch dann das quantitative Element der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, wenn die Zeit des Verfassens der Vorwissenschaftlichen Arbeit keine Berücksichtigung findet. Somit steht der Beschwerdeführerin für diesen Zeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu. Die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages ist daher in diesen Monaten zu Unrecht erfolgt, weshalb der Bescheid für März bis Juni 2023 aufzuheben war.

Im Monat Juli 2023 hat sich die Tochter der Beschwerdeführerin jedoch nicht in Berufsausbildung befunden, da sie in diesem Monat das quantitative Element, das nach der Rechtsprechung bei einer Berufsausbildung vorliegen muss, nicht erfüllt hat. Somit steht der Beschwerdeführerin für den Monat Juli 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht zu, die Rückforderung erfolgt zu Recht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100101.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100101.2024

Fundstelle(n):
NAAAF-43253