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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.11.2024, RV/1300002/2024

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird - in Abänderung des angefochtenen Bescheides - als unzulässig zurückgewiesen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1300002/2024-RS1
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der keine Angaben enthält, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit notwendig sind, ist auch nach § 167 FinStrG als unzulässig zurückzuweisen. Hat die Vorinstanz den Antrag stattdessen als unbegründet abgewiesen, hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass sein Spruch auf Zurückweisung zu lauten hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes - FinStrG sowie der Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs. 1 lit. g des Finanzstrafgesetzes - FinStrG über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde gemäß § 167 des Finanzstrafgesetzes - FinStrG vom , Geschäftszahl *GZ*, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom wird - in Abänderung des angefochtenen Bescheides - als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl *GZ*, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am die am selben Tag beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde eingelangte Beschwerde.

Diese wurde, bezogen auf das hier Relevante, damit begründet, dass "wie bereits zuvor mitgeteilt, wir auf die erste Mitteilung des Bescheids eine Stellungnahme verfasst" haben, "welche ich ebenfalls beifüge. Zusätzlich erhielten wir einen erneuten RSa-Brief, der leider an unsere alte Adresse gesendet wurde. Wir konnten den gelben Zettel, der im Büro für den RSaBrief angekommen ist, ebenso nicht abholen, da der Auszubildende es versäumt hat, ihn uns zu übermitteln."

Diese Beschwerde hat das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde am vorgelegt.

Am wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen der Ermittlung der prozessualen Voraussetzungen ersucht, nachstehende Fragen zu beantworten:

1.Haben Sie sich ab dem noch regelmäßig bei der *G* aufgehalten? Ist dies heute noch der Fall? Kann Sie ein Zustelldienst dort immer noch regelmäßig antreffen?

2.Sie sind laut Firmenbuch mit sowohl als (selbständig vertretungsbefugte) unternehmensrechtliche Geschäftsführerin als auch als Alleingesellschafterin ausgeschieden. Üb(t)en Sie nach diesem Zeitpunkt und/oder heute noch eine Funktion im Unternehmen aus, sind Sie dort nach wie vor beschäftigt, arbeiten Sie mit dem Unternehmen zusammen oder gehen Sie dort sonst einer Tätigkeit nach, die es erforderlich macht(e), dass Sie sich noch regelmäßig am Ort der Geschäftsanschrift aufhalten?

3.Sie erwähnen in Ihrer Beschwerde vom u. a., der Auszubildende habe es versäumt, "ihn uns zu übermitteln." (gemeint: den sogenannten "gelben Zettel"). Zuvor habe ein Mitarbeiter ausgesagt, dass kein einziger Brief unter ihrem Namen angekommen sei. Sind diese Aussagen so zu verstehen, dass Sie - gewissermaßen als "Externe" - (nur) hin und wieder in das Unternehmen kommen, um nachzufragen, ob noch Post für Sie eingelangt ist? Oder sind Sie vielmehr noch voll integriert und handelt es sich daher um "innerbetriebliche" Routinen oder Organisationsabläufe?

4.Wie haben Sie tatsächlich von den an Sie gerichteten Dokumenten und von deren Inhalt erfahren? Wurden Ihnen diese Dokumente im Original oder als Kopien übergeben oder handelte es sich dabei um Ausdrucke? Wurden Sie auf eine andere Art und Weise vom Inhalt in Kenntnis gesetzt? Sie sprechen beispielsweise in Ihrer Beschwerde vom von einer "Mitteilung des Bescheids".

In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die nunmehr zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde vom offensichtlich noch in einem Kuvert der *G* versendet wurde.

Dieses Ergänzungsersuchen wurde innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht beantwortet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin war seit mit Hauptwohnsitz ***Bf1-Adr*** gemeldet.

Sie schied am sowohl als (selbständig vertretungsbefugte) unternehmensrechtliche Geschäftsführerin als auch als Alleingesellschafterin aus dem Unternehmen aus.

Am versendete das Amt für Betrugsbekämpfung, Bereich Finanzstrafsachen Team *TN*, ein über die auf dem Kuvert angeführte Geschäftszahl als Strafverfügung nach § 143 FinStrG identifizierbares Dokument mittels "RSa-Briefes" an die Antragstellerin; als Empfängerin wurde ***Bf1***, *Bf1-Adr alt*, angeführt. Dieses Dokument wurde vom Zustelldienst am mit dem Vermerk "unbekannt" an das Amt für Betrugsbekämpfung rückgesendet und langte dort am ein. Das Amt für Betrugsbekämpfung versendete das Dokument daraufhin mittels RSa-Briefes an ***Bf1***, p. A. *G*, *G Adr*. Am erfolgte ein Zustellversuch und wurde die Verständigung über die Hinterlegung an den Arbeitsplatz als Abgabestelle zurückgelassen. Als Beginn der Abholfrist wurde der *TN*. Jänner 2024 vermerkt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass ein als gegenständliche Strafverfügung identifizierbares, an die Empfängerin p. A. *G*, *G Adr*, gerichtetes Dokument mit dem Vermerk "Retour, nicht behoben." an den Absender rückgesendet worden wäre.

Am wurde von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Dieser langte am beim Finanzamt Österreich ein. Der Antrag wurde damit begründet, dass sie die Briefe wegen ihres Umzuges nicht erhalten habe. In der Anlage habe sie die Meldezettel beigefügt, damit das Datum des Umzuges nachvollzogen werden könne. Bezüglich der Briefe, die an *G Adr* geschickt wurden, sei ihr aufgefallen, dass laut Aussage des Mitarbeiters kein einziger Brief unter ihrem Namen angekommen sei. Offensichtlich sei hier etwas schiefgelaufen und der Brief irgendwie verloren gegangen. Angehängt war ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister in Kopie mit Abfragedatum .

Der Antrag enthält keine Angabe darüber, wann das Hindernis (zu bestehen) aufgehört hat.

Beweiswürdigung:

Der angenommene Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich für das Verwaltungsgericht nachvollziehbar aus den von der Finanzstrafbehörde vorgelegten Akten. Vom Verwaltungsgericht wurde Einsicht in Firmenbuch und Zentrales Melderegister durch Abfragen genommen. Die zum Sachverhalt erhobenen Feststellungen wurden auf Basis des Inhalts der Verwaltungsakten getroffen; die für Beginn und oder Lauf der gesetzlichen Fristen maßgeblichen Sachverhaltsannahmen gehen aus den vorliegenden Rückscheinen hervor.

Rechtliche Beurteilung:

1. Rechtslage und hg. Rechtsprechung

A) Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

B) Wie der Verwaltungsgerichtshof - zur rechtsähnlichen Vorschrift des § 46 Abs. 3 VwGG - in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, muss der Wiedereinsetzungswerber schon im Antrag jene Angaben machen, aus denen sich der Beginn des Laufes der Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages ergibt. Einer Eingabe, die keine Angaben über ihre Rechtzeitigkeit enthält, fehlt der Charakter eines dem Gesetz entsprechenden Wiedereinsetzungsantrages im Sinne des § 46 VwGG (vgl. u. a. Beschlüsse vom , 82/10/0066, 0067; , 84/11/0082, 0083; , 84/14/0190). In seinem Erkenntnis vom , 82/17/0117, hat der VwGH diese Rechtsprechung auch für den Bereich des § 71 AVG 1950 (= § 167 FinStrG) anwendbar erkannt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gesteckt ist (, unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 81/11/0027, 81/11/0028, und vom , Zl. 83/11/0143, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Der innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgebrachte Wiedereinsetzungsgrund darf später nicht mehr gegen einen anderen ausgetauscht oder sonst verändert werden (; , 83/02/0391). Dies muss auch für das Inhaltserfordernis konkreter Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages gelten ().

Die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages ist bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist ab Kenntnis der Verspätung des eingebrachten Rechtsmittels zu berechnen (). Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat nämlich den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. hierzu die Beschlüsse vom , 1265/48, vom , 1345/55, vom , 84/13/0019, 0020 und vom , 86/16/0245, 0246). Ein Fehlen dieser für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages maßgeblichen Angaben ist einem Auftrag zur Behebung des Gebrechens nicht zugänglich, weil es sich nicht um ein Formgebrechen handelt; er führt zur Zurückweisung des Antrages, da nicht von dessen Rechtzeitigkeit ausgegangen werden kann (Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Finanzstrafgesetz Band 25 (2021) § 167 FinStrG E 59; vgl. den Beschluss , 88/17/0051, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Im Ergebnis ist ein Wiedereinsetzungsantrag, der keine Angaben darüber enthält, wann das Hindernis für die Einhaltung der Frist aufgehört hat, und der aus diesem Grund die Überprüfung der Rechtzeitigkeit seiner Einbringung nicht ermöglicht, als unzulässig zurückzuweisen (so z. B. Tannert, FinStrG8, § 167 Anm. 9). Die genannten Judikate, welche genau diese Konsequenz belegen sollen, erscheinen diesbezüglich freilich nicht eindeutig. So ist bereits auf Ebene der Zurückweisung "strenger" und fordert nicht nur ein Vorhandensein, sondern eine bestimmte Qualität der Angaben über die Rechtzeitigkeit in dem Sinn, dass die Angaben darüber Aufschluss geben, wann die Beschwerdeführerin - tatsächlich - von diesen Vorgängen oder von der Fristversäumung Kenntnis erlangt hat - somit, dass die Rechtzeitigkeit hieraus erkennbar ist; und nach , ist im Wiedereinsetzungsantrag darzustellen, wann das Hindernis, das die Partei an der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Prozesshandlung hinderte, weggefallen ( unter Hinweis auf die bei Ritz, BAO-Kommentar2 unter Rz 7 zu § 309a BAO referierte hg. Judikatur bzw. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 unter E 4 und 5 zu § 71 Abs. 2 AVG angeführte hg. Judikatur).

Dem entsprechend heißt es im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes: "Die Beschwerdeschrift legt nämlich auch nicht näher dar, auf welche "andere geeignete Weise" vorgebracht und bescheinigt worden wäre, wann das Hindernis für die Erhebung der Berufung weggefallen wäre, woran auch der Hinweis in der Beschwerde, das Einschreiten des Vollstreckungsbeamten wäre amtsbekannt, nichts zu ändern vermag. Es fehlt somit an einer ausreichend konkreten Grundlage, um die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages überhaupt beurteilen zu können." (Hervorhebung durch dieses Gericht). Danach scheint also erforderlich, dass die Angabe zu plausibilisieren ist. Eine "vermittelnde" Stellung nimmt , ein, wonach eine offenkundig unrichtige und damit offenkundig auf einem Versehen beruhende Angabe im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG dem Fehlen jeglicher Angabe nicht gleichzusetzen ist, die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diesen Umstand vielmehr vorhalten oder von sich aus das richtige Datum ermitteln müsste (vgl. ; dieser Weg würde unmittelbar in die Sachentscheidung oder aber zur Zurückweisung des Antrags wegen Verspätung führen).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 96/17/0096, eine - wenngleich in Auseinandersetzung mit den Bestimmungen über die Wiedereinsetzung im AVG - zu dieser Thematik insgesamt richtungweisende Entscheidung getroffen. Danach sei ein Grundgedanke der Regelung des § 71 AVG - wie etwa auch des § 46 VwGG oder der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den § 146 ff ZPO, dass über die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung unverzüglich entschieden werden können soll. Daher habe etwa die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen, dass der Wiedereinsetzungswerber alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen hat und eine Auswechslung des Grundes im Berufungsverfahren unzulässig ist (, unter Hinweis auf die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 681, unter 2 und 7 zitierte Rechtsprechung). Insbesondere führt der Verwaltungsgerichtshof dazu aus:

"Demzufolge hat der Wiedereinsetzungswerber grundsätzlich alle zur Beurteilung der Zulässigkeit der Wiedereinsetzung notwendigen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag zu erstatten. Dazu zählt gemäß § 71 Abs. 2 AVG auch die genaue Angabe des Zeitpunktes des Wegfalls des Hindernisses. Dabei ist - wie der Verwaltungsgerichtshof dies bereits ausgedrückt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom *TN*. Mai 1994, Zl. 94/03/0096) - die Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung nach dem Zeitpunkt des Wegfalles des der Einhaltung der versäumten Frist entgegenstehenden Hindernisses und nicht nach dem Zeitpunkt des Ablaufes der Frist zur Vornahme der versäumten Prozeßhandlung zu berechnen" (; vgl. dezidiert bzgl. der Nachholung der Prozesshandlung Rzeszut in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 167 (Stand , rdb.at) Rz 44 unter Hinweis auf ; Fellner, Kommentar zum FinStrG6 § 167 Rz 22b).

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert damit letztlich die Wiedereinsetzungsgründe "in Einheit" und hält dabei insbesondere auch alle zur Beurteilung der Zulässigkeit der Wiedereinsetzung notwendigen Angaben - wozu er die genaue Angabe des Zeitpunktes des Wegfalls des Hindernisses zählt - im Hinblick auf das Erfordernis ihrer kumulativen Erstattung den Wiedereinsetzungsgründen gleich. Dabei versteht er einerseits unter "Zulässigkeit" (auch) die inhaltliche Berechtigung, indem er die Zulässigkeit auf die Wiedereinsetzung selbst bezieht. Andererseits bejaht der Gerichtshof implizit eine Art vorgezogene, wenngleich freilich nur gedanklich zu trennende sachliche Prüfung, indem er ausführt, dass es "(Z)zur Beurteilung, ob überhaupt eine Frist versäumt wurde und ob daher der gestellte Wiedereinsetzungsantrag zulässig ist, (..) aber einer genauen Angabe des Zeitpunktes des Wegfalls des Hindernisses im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG" bedarf. Es erscheint allerdings nicht ganz klar, worauf sich in diesem Zusammenhang die angesprochene Fristversäumung bezieht; die Wortwahl der Fragestellung kann jedenfalls auch so verstanden werden, dass damit "bereits" gemeint sein sollte, ob sie in einem für die (Begründetheit der) Wiedereinsetzung relevanten Sinn (also restituierbar) versäumt wurde.

C) Dem Verfassungsgerichtshof zufolge hat das Verwaltungsgericht (auch) für den Fall, dass der Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde eine sonstige Prozessvoraussetzung fehlte, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen (vgl. dazu grundlegend VfSlg 19.882/201). Dies hat der VfGH für den Ausgangsfall aus Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 VwGVG abgeleitet. Die Kompetenz zur Sachentscheidung ergebe sich unmittelbar aus der - mit Art 130 Abs. 4 B-VG übereinstimmenden - Bestimmung des § 28 VwGVG, der bezüglich des Inhalts der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Sachentscheidung keine Einschränkungen macht. Inhalt einer solchen Sachentscheidung könne es daher auch sein, dass der verfahrenseinleitende Antrag wegen entschiedener Sache oder wegen Fehlens einer sonstigen Prozessvoraussetzung zurückgewiesen wird.

Im Ausgangsfall stellte sich freilich zudem die für das Verfahren nach dem VwGVG besondere Frage, ob § 17 VwGVG, welche Bestimmung Vorkehrungen für die vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden Verfahrensregeln trifft, als Einschränkung der den Verwaltungsgerichten durch Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 VwGVG eingeräumten Befugnis und Pflicht, grundsätzlich eine reformatorische Entscheidung zu erlassen, zu verstehen ist (und zwar aus dem Grund, dass § 17 VwGVG einen bestimmten Teil des AVG - worin sich u. a. § 68 AVG als "Verfahrenstitel" dafür findet, einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen - für im Rahmen des VwGVG nicht anwendbar erklärt).

Demgegenüber wurde - vereinfachend gesprochen - für das Bundesfinanzgericht das bereits vorhandene Behördengesetz rezipiert (ob eine Anwendung der Bundesabgabenordnung als Verfahrensgesetz für das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen auf Basis des Art. 136 Abs. 3 B-VG zwingend gewesen wäre, kann hier dahingestellt bleiben; allerdings wurde umgekehrt aus Art. 136 Abs. 2 B-VG - auch aus bundesstaatlichen Erfordernissen - ein Kodifikationsgebot abgeleitet, welches u. a. erst die "Vorkehrungen" des § 17 VwGVG erforderlich machte und erklärt; arg.: "besonderes Bundesgesetz"). So tritt im Rahmen der BAO an die Stelle sinngemäßer Anwendung (bzw. expliziten Ausschlusses) von Bestimmungen des AVG die Verhältnisbestimmung von § 278 zu § 279 (arg.: "Außer in den Fällen des § 278") auf Grund formal gleicher Position beider Bestimmungen.

Wie die §§ 17 und 28 VwGVG sind aber auch die Bestimmungen der BAO nicht dahin zu verstehen, dass sie einer meritorischen und (grundsätzlich auch) reformatorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes entgegenstünden, wenn die Abgabenbehörde trotz des Fehlens einer Prozessvoraussetzung eine Sachentscheidung getroffen hat, sondern gerade dahin, dass sie auch in diesem Fall die Sachentscheidung priorisieren.

Demnach wird, eben in diesem Verhältnis, ein Grundsatz der reformatorischen Entscheidung weitgehend anerkannt (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) § 279 Rz 1, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang erfasst die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes nach § 279 Abs. 1 BAO (insoweit ergab sich keine Änderung gegenüber der Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach § 289 Abs. 2 BAO i. d. F. vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform - FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) zweifelsfrei auch die Befugnis, eine meritorische Entscheidung der Abgabenbehörde über einen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes unzulässigen Antrag dahingehend abzuändern, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird (vgl. , und ). Ob es sich dabei um einen unzulässigen Antrag (wie etwa einen bei der Abgabenbehörde gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) handelt, über den die Abgabenbehörde meritorisch entschieden hat, oder um eine bei zweistufigem Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden vorgesehene Berufung, über welche die Abgabenbehörde zweiter Instanz meritorisch entschieden hat, ist nicht ausschlaggebend ().

In , hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass es im Zuge des Beschwerdeverfahrens über eine meritorische Erledigung Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Ist das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass der Antrag auf Aufhebung - entgegen dem bei ihm angefochtenen Bescheid des Finanzamts - berechtigt ist, so ist der Bescheid des Finanzamts abzuändern und auszusprechen, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird. Das Verwaltungsgericht muss (und kann) jedoch darüber hinaus auch dann in der Sache selbst - also über die Beschwerde meritorisch - entscheiden, wenn der gegenständliche verfahrenseinleitende Antrag selbst nicht meritorisch zu behandeln sein wird (siehe oben insbesondere die Judikatur des VfGH).

2. Rechtliche Würdigung

Aus dem Ablauf des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens kann geschlossen werden, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG gegen die Versäumung einer Frist, nämlich jener zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom ("Strafverfügung"), gerichtet war. Insofern erweist sich der Antrag als -gerade noch - bestimmt genug.

Vorliegend kann der Position des Amtes für Betrugsbekämpfung nicht wirksam entgegengetreten werden, dass unter der Prämisse, die Antragstellerin habe keine unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisse glaubhaft machen können, in der Sache negativ zu entscheiden wäre, wiewohl nach Ansicht des erkennenden Gerichts das maßgebliche Vorbringen im Antrag gerade noch erkennen lässt, wodurch die Beschwerdeführerin ihrer Ansicht nach an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels tatsächlich gehindert war - nämlich dadurch, dass ihr (die) Bescheide nicht (wirksam) zugestellt worden seien. Ihre unter Berufung auf "ihren Mitarbeiter" getätigten Aussagen sind für das Gericht insofern glaubhaft, als sie mit jedenfalls auch als (Allein-)Geschäftsführerin aus dem Unternehmen ausgeschieden war. Vom Erhalt von Briefen vor diesem Ereignis kann deshalb nicht ohne Weiteres auf deren Erhalt nach diesem Ereignis geschlossen werden.

Darauf, dass die Beschwerdeführerin gleichwohl ihrer Bescheinigungslast nicht nachgekommen ist, zumal sich die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen streng genommen nicht aus ihrer Beweisführung, sondern aus der Kenntnis (und Würdigung) eines äußeren Faktors durch das Gericht ergibt, war in Anbetracht des rechtlichen Standpunktes des Gerichtes von diesem nicht mehr einzugehen. Ebensowenig war auf den Umstand einzugehen, dass der Beschwerdeführerin unter Umständen Bescheide gar nicht mehr wirksam hätten zugestellt werden können (und der Antrag wie die mit diesem intendierte Beschwerde aus diesem Grund als unzulässig gewertet hätte werden müssen; hatte doch die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Antragstellerin objektiv keinen Grund für eine Nachholung; vgl. zu einer ähnlichen Konstellation z. B. ).

Dessen ungeachtet lässt nämlich das Schreiben der Beschwerdeführerin konkrete Ausführungen ihrerseits darüber vermissen, wann das der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde behauptetermaßen entgegenstehende Hindernis weggefallen sei (damit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall noch im Sinn des § 167 Abs. 2 FinStrG als rechtzeitig gelten könnte, dürfte dies im Übrigen frühestens am 5. Februar gewesen sein).

Schon aus diesem Grunde wäre der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen gewesen, wobei durch die meritorische Erledigung des Antrages die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt wurde (, im Ausgangsfall unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5346/A, sowie die Erkenntnisse vom , Zl. 829/63, und vom , Zl. 82/11/0080; in seinem Erkenntnis vom , 84/17/0136, konzentrierte sich der VwGH selbst auf den schon in erster Instanz durchschlagenden Abweisungsgrund und bestätigte - wohl auch vor dem Hintergrund, dass eine Verletzung der Beschwerdeführerin in Rechten nicht anzunehmen war - die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages, wiewohl er zugleich ausführt, dass der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag "(S)schon aus diesem Grunde (..)" zurückzuweisen gewesen wäre).

Behörde wie Gericht stehen nunmehr allerdings vor der Schwierigkeit, eine Situation rechtlich einzuordnen, in der ein unvorhergesehenes (unabwendbares) Ereignis glaubhaft gemacht werden sollte, dessen Wegfall in Form der Kenntnisnahme allerdings nicht bescheinigt wurde - und in der nicht auszuschließen ist, dass letzterer Umstand die Glaubhaftigkeit der ganzen Aussage erschüttert. Zwar bleibt zwischen für die Wiedereinsetzung sprechenden Gründen und den Bedingungen der Möglichkeit, die Wiedereinsetzung zu beantragen, prinzipiell zu unterscheiden, doch zeigt sich auch, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Erfolg der Wiedereinsetzung und Zulässigkeit des Antrages insofern besteht, als für den Erfolg glaubhaft zu machen ist, dass das Hindernis - überhaupt - bestanden hat, während für die Zulässigkeit dessen Dauer anzugeben ist. Mit anderen Worten könnte die Prozessvoraussetzung in diesem sehr speziellen Fall auch nur vor dem Hintergrund der Erfolgsaussichten des Antrages auf Plausibilität beurteilt werden; sie wäre also von seiner sachlich erst zu prüfenden Begründetheit abhängig.

Deshalb muss sich die Angabe, wann das Hindernis zu bestehen aufgehört hat, zunächst in einer Behauptung erschöpfen, und dafür sein Bestehen im engen Rahmen vorläufig angenommen werden (andernfalls würde dann, wenn der Beweis dessen nicht gelingt, die Abweisung des Antrages tatsächlich auch seine Zurückweisung "in sich begreifen". Umgekehrt wäre von der fehlenden Angabe sogleich auf ein Fehlen des Wiedereinsetzungsgrundes zu schließen).

Aus einer Gesamtschau der unter "Rechtsprechung" genannten hg. Erkenntnisse ergibt sich für das erkennende Gericht, dass (nur) für den Fall völligen Fehlens von Angaben zur Rechtzeitigkeit der Antrag weiterhin zurückzuweisen sein wird. Denn die Judikatur scheint ansonsten eine "Eventualmaxime" zu vertreten. Danach müssen die Parteien in einem bestimmten Verfahrensabschnitt alle Prozesshandlungen, die dem Prozesszweck dienen können, bei sonstigem Ausschluss vornehmen (Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts - Erkenntnisverfahren4, Rz 288; Hervorhebungen durch das Gericht). Angesichts dessen wäre nach Ansicht des Gerichts zu prüfen, ob nicht die Annahme eines Verlustes des Sachanspruches in Art der Präklusion für Fälle, die im dargelegten Sinn letztlich ein Vorbringen von für die Wiedereinsetzung sprechenden Gründen vermissen lassen, und deshalb die Abweisung des jeweiligen Antrags als unbegründet treffender wäre.

Für diese Ansicht spräche schließlich, dass die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind - § 309a der Bundesabgabenordnung wird zumindest sinngemäß heranzuziehen sein - auch bei der bewilligten Wiedereinsetzung benötigt würden.

Es ist nämlich darauf abzustellen, wann die Antragstellerin von der Fristversäumung Kenntnis erlangte, deren bisherige Unkenntnis darauf beruht, dass ihr Existenz und Inhalt von für sie bestimmten Bescheiden behauptetermaßen bislang unbekannt geblieben sind. Auch unter dieser Rücksicht - wenn die Antragstellerin also restituiert wird - wird das "Aufhören des Hindernisses" festzumachen sein; somit auch für die zur Ausführung der Prozesshandlung gesetzlich vorgesehene Frist selbst, welche mit Entfall des den Grund für die Wiedereinsetzung gebildet habenden Ereignisses beginnt.

In der Wiedereinsetzung soll der Antragstellerin neuerlich die Zeit zur Ausführung ihrer Beschwerde gegeben werden, welche ihr von vornherein zur Verfügung gestanden wäre, hätte sie eine Notwendigkeit zur Erhebung der Beschwerde erkennen können (dieses Verständnis kann , beigemessen werden). Dies setzt allerdings voraus, dass die zeitliche Eingrenzung der entsprechenden Möglichkeit von der Antragstellerin auch vorgenommen wurde.

Allerdings haben im vorliegenden Fall die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages notwendigen Angaben in einer Weise gefehlt, welche auch nach der genannten Rechtsprechung und im Kontext des § 167 FinStrG ("Aufhören des Hindernisses" in § 167 Abs. 2 leg. cit.) die Nichterfüllung einer prozessualen Voraussetzung indiziert, weshalb der Antrag unzulässig war und von der Vorinstanz zurückzuweisen gewesen wäre. Deren meritorische Entscheidung über den Antrag war dahingehend abzuändern, dass der Antrag, der als unzulässig erkannt wird, zurückgewiesen wird.

Im Übrigen wäre mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung zu verbinden bzw. nachzuholen gewesen (vgl. § 167 Abs. 3 FinStrG). Wurde z. B. die Beschwerdefrist versäumt, hat der Beschuldigte oder Nebenbeteiligte gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das versäumte Rechtsmittel einzubringen. Ein Wiedereinsetzungsantrag, der die Nachholung der versäumten Handlung nicht enthält, ist grundsätzlich ohne weitere Erhebung abzuweisen (Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Finanzstrafgesetz Band 25 (2021) § 167 FinStrG Rz 10).

Ein Rechtsmittel betreffend die Strafverfügung wurde demgegenüber bis heute nicht eingelegt. Auch wurde in der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde nur ausgeführt, dass wie bereits zuvor mitgeteilt, auf die erste Mitteilung des Bescheids eine Stellungnahme verfasst worden sei. Soweit diese Stellungnahme der Beschwerde auch beigefügt wurde, genügt der Hinweis, dass es sich bei der "ersten Mitteilung des Bescheids" um die mitgeteilte Prüfung von Verdachtsgründen gehandelt hatte.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 309a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1300002.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at