§ 3 Abs. 2 EStG 1988 Umrechnung versus Kontrollvariante
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr2*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert entsprechend der Beschwerdevorentscheidung vom .
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Verfahren vor der belangten Behörde:
Dem Beschwerdeführer Hrn. ***Bf1*** (in der Folge als Bf bezeichnet) wurde im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung im Einkommensteuerbescheid 2020 vom eine Nachforderung von 1.096 € vorgeschrieben.
Darin wurde ein Pauschbetrag von 132 € für Werbungskosten von der belangten Behörde berücksichtigt.
Der Bescheid wurde wie folgt begründet:
Dagegen erhob der Bf am Beschwerde, einlangend bei der belangten Behörde am , und begründete diese damit, dass er Gemeindevorstand der Marktgemeinde ***1*** sei und für eine politische Tätigkeit einen monatlichen Bezug von 500 € erhalte.
Bei der Arbeitnehmerveranlagung 2020 wäre die ihm zustehende Werbungskostenpauschale (Berufsgruppe) nicht berücksichtigt worden und der Bf ersuchte, daher um Neuberechnung und Zusendung.
Desweiteren erhob er Einwendungen gegen den Vorauszahlungsbescheid 2022 ebenfalls wegen Nichtberücksichtigung der ihm zustehenden Werbungskostenpauschale als Gemeindevorstandsmitglied.
Darüberhinaus ersuchte er um Nachsicht und Vereinbarung von Raten.
Am erließ die belangte Behörde eine stattgebende Beschwerdevorentscheidung dahingehend, dass Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen hätte können, in Höhe von 920,34 € berücksichtigt worden wären.
Die Einkommensteuer für das Jahr 2020 wurde statt mit 1096 € mit 767 € festgesetzt und statt einer Abgabennachforderung von 1096 € ergab die folgendermaßen begründete Beschwerdevorentscheidung eine Abgabengutschrift von 329 €:
Am , einlangend bei der belangen Behörde am 28. Dezember, stellte der Bf dagegen Vorlageantrag und begründete diesen damit, dass der Gesamtbetrag seiner Einkünfte in der Beschwerdevorentscheidung mit 18.579,15 € festgesetzt worden sei, wobei die belangte Behörde übersehen hätte, dass der Bezug der Notstandshilfe als Ersatzleistungen gemäß § 3 EStG 1988, die er von Jänner bis inklusive Juli 2020 erhalten hätte, einkommensteuerfrei sei.
Der Bf ersuchte um nochmalige Neuberechnung des Einkommensteuerbescheides und Korrektur der schriftlich genehmigten Ratenvereinbarungen.
2. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:
Am legte die belangte Behörde den gegenständlichen Fall vor.
Im Vorlagebericht verwies sie auf die Begründungen im Bescheid und der Beschwerdevorentscheidung, wonach der Bf auf die beiden Berechnungsvarianten des § 3 Abs. 2 EStG 1988 hingewiesen worden wäre und ihm auch mitgeteilt worden sei, dass die Kontrollrechnung die für ihn günstigere Variante wäre und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde um Vorlage der beiden Berechnungsmethoden in Gegenüberstellung.
Dem kam die belangte Behörde zeitnah nach und legte beide Berechnungen mit deren Ergebnissen vor, anhand derer die Ausführungen der belangten Behörde, dass die Kontrollrechnung die für den Bf günstigere Variante ist, erkennbar ist.
Bei der 1. Berechnung ergab die festzusetzende Einkommensteuer 1.711 €, während bei der Kontrollrechnung die Einkommensteuer nur 767 € betrug.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf hat im gegenständlichen Jahr 2020 am 2. Dezember und von 1. August bis , das sind 154 Tage, lohnsteuerpflichtige Einkünfte i.H. von 18.579, 15 € bezogen.
Von der Marktgemeinde ***1*** hat der Bf das ganze Jahr durchgehend steuerpflichtige Bezüge erhalten.
Von 1. Jänner bis , von 12. Februar bis , von 16. März bis und von 18. Juli bis , insgesamt 210 Tagen, bezog er Notstandshilfe.
Beim bekämpften Einkommensteuerbescheid wurde die Werbungskostenpauschale nicht berücksichtigt, dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde.
In der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Folge gegeben und die Werbungskosten in Höhe von 920, 34 € berücksichtigt.
Die belangte Behörde wies ausdrücklich darauf hin, dass die Kontrollrechnung die für den Bf günstigere Variante sei und wandte sie gem. § 3 Abs.2 EStG 1988 an.
Im Vorlageantrag wandte sich der Bf gegen die Versteuerung seiner Bezüge der Notstandshilfe trotz Steuerfreiheit.
Die belangte Behörde legte am die vom Bundesfinanzgericht geforderte Gegenüberstellung von Umrechnungsvariante in Höhe von 1.711 € zur Kontrollrechnung in Höhe von 767 € vor.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist auf Grund des vorgelegten elektronischen Aktes durch die belangte Behörde als erwiesen anzusehen.
Der Verfahrensgang vor dem Finanzamt sowie dem Bundesfinanzgericht ist durch die Bescheide bzw. Beschwerdevorentscheidung und den Vorlageantrag sowie schließlich die Vorlage vor dem Bundesfinanzgericht evident.
Die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Gegenüberstellung der beiden im § 3 Abs. 2 EStG 1988 genannten Berechnungsmethoden wurde von der belangten Behörde vorgelegt und vom Bundesfinanzgericht gewürdigt.
Dadurch konnten die Ausführungen der belangten Behörde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung bestätigt werden.
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch weder von der belangten Behörde noch der Beschwerdeführerin widerlegten Ausführungen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)
3.1.1. Rechtsgrundlagen
§ 3 EStG 1988 idgF
(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
…
5. a) das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen
b) Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, der Familienzeitbonus nach dem FamZeitbG, BGBl I Nr. 53/2016, sowie das Pflegekarenzgeld
c) die Überbrückungshilfe für Bundesbedienstete nach den besonderen gesetzlichen Regelungen sowie gleichartige Bezüge, die auf Grund besonderer landesgesetzlicher Regelungen gewährt werden
d) Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994, Beihilfen nach dem Berufsausbildungsgesetz,
BGBl. Nr. 142/1969, sowie das Altersteilzeitgeld gemäß § 27 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 609/1977,
e) Leistungen nach dem Behinderteneinstellungsgesetz 1988.
…
(2)
Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Finanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen.
3.1.2. Rechtliche Würdigung
3.1.2.1. Gegenstand des Erkenntnisses
Vorab wird festgehalten, dass die Einwendungen des Bf gegen den Vorauszahlungsbescheid 2022 und sein Vorbringen betreffend Nachsicht bzw. Ratenzahlung im gegenständlichen Erkenntnis nicht behandelt wird, da beides von der belangten Behörde nicht vorgelegt wurde und daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind.
3.1.2.2. Anwendung der Kontrollrechnung als für den Bf günstigere Variante durch die belangte Behörde
Die Beschwerde vom bezog sich auf die Nichtberücksichtigung des Werbungskostenpauschales im Erstbescheid vom .
Die belangte Behörde ist diesem Beschwerdebegehren nachgekommen und hat das Werbungskostenpauschale in der Beschwerdevorentscheidung vom berücksichtigt.
Im Vorlageantrag ist davon nicht mehr die Rede, sondern der Bf merkt an, dass der Bezug der Notstandshilfe als Ersatzleistung von der Einkommensteuer befreit sei. Das ist per se richtig, allerdings ist § 3 Abs. 2 EStG 1988 einschlägig:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen (Umrechnung).
Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde (Kontrollrechnung).
Gemäß § 33 Abs. 10 EStG 1988 ist ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 277 BlgNR XVII. GP, 6 ff liegt der Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 darin, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergibt, wenn die steuerfreien Transferleistungen in einem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammentreffen. Dies könnte, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Veranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (55. Lfg 2013) zu § 3 EStG Tz 36; Doralt, EStG 11 , § 3 Tz 19/1).
Die Hochrechnung betrifft gemäß § 3 Abs.2 EStG 1988 leg.cit. ("für das restliche Kalenderjahr") nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der angeführten Transferleistungen bezogen wurden.
Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer Arbeitnehmerinnen-Veranlagung jener Zeitraum, während dem der/die Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, neutralisiert wird.
Demzufolge sind zum einen die nicht ganzjährig bezogenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen und zum anderen zusätzlich eine Kontrollrechnung durchzuführen, wie hoch die Steuerpflicht unter Einbeziehung des Arbeitslosengeldes ist.
Sollte diese Kontrollrechnung eine geringere Steuerbelastung ergeben, ist diese für den Steuerpflichtigen heranzuziehen.
Diese Konstellation ist im gegenständlichen Fall gegeben, wie die belangte Behörde richtig in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt hat und ist daher dementsprechend vorgegangen.
Durch die Vorlage der Gegenüberstellung der beiden Berechnungsvarianten ist klar ersichtlich, dass die Steuerschuld bei der Kontrollrechnung für den Bf die geringere ist. Bei der Umrechnungsvariante hätte die Steuerschuld des Bf 1.711 € betragen, während sie bei der Kontrollrechnung nur 767 € beträgt. Aus diesem Grund ist gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die Steuerschuld gemäß dem Ergebnis der Kontrollrechnung festzusetzen.
Da es sich bei der Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 um keine Ermessensbestimmung handelt, sondern die Abgabenbehörde verpflichtet ist, so vorzugehen - was sie im gegenständlichen Fall auch richtigerweise getan hat.
Demzufolge ist der Bescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuändern, was einer teilweisen Stattgabe entspricht und es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen umfangreichen, ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.
Demzufolge ist die Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102164.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at