Geschäftsführerhaftung nach § 6a KommStG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistratsabteilung 6, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , GZ MA 6/ARL - 2104324-2022, betreffend Inanspruchnahme zur Haftung für Rückstände an Kommunalsteuer in der Höhe von 4.752,65 Euro für den Zeitraum Februar bis Juni 2020, zu Recht erkannt:
I. I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von EUR 4.277,40 eingeschränkt:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Kommunalsteuer | 2/2020 | 855,48 |
Kommunalsteuer | 3/2020 | 855,48 |
Kommunalsteuer | 4/2020 | 855,48 |
Kommunalsteuer | 5/2020 | 855,48 |
Kommunalsteuer | 6/2020 | 855,48 |
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Haftungsbescheid zu Recht für die Rückstände der ***1*** GmbH an Kommunalsteuer im Zeitraum von Februar bis Juni 2020 zur Haftung herangezogen wurde.
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der genannten GmbH entgegengehalten, dass die genannten Rückstände laut Abgabenkonto bisher nicht entrichtet gewesen sein, wodurch die Voraussetzungen für seine Haft- und Zahlungspflicht gegeben seien. Er wurde daher zur Tilgung der offenen Abgabenforderung aufgefordert.
In einer Stellungnahme vom führte der Beschwerdeführer aus, er sei nur theoretisch Geschäftsführer der ***1*** GmbH gewesen, habe keinen Einfluss auf die Firmenleitung gehabt und sei nicht zur Kontrolle des Betriebes befugt gewesen. Des Weiteren weist der Beschwerdeführer auf eine laufende Untersuchung des Amtes für Betrugsbekämpfung hin und fügt einen diese Untersuchung betreffenden Fragebogen der Behörde an.
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz für den Rückstand an Kommunalsteuer der ***1*** GmbH in der Höhe von € 4.752,65 für den Zeitraum Februar bis Juni 2020 haftbar gemacht. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass die Konkurseröffnung vom TT. Juli 2020 bereits als typischer Fall der erschwerten Einbringung gelte. Der Beschwerdeführer sei bis TT. März 2021 im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen gewesen und zähle somit zu den in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertretern. Angemerkt wird weiters, dass für das notwendige Verschulden, ob die Vertreterfunktion tatsächlich ausgeübt wurde, entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer zum Vertreter der Primärschuldnerin bestellt gewesen sei und ihm daher diese Funktion auszufüllen oblegen wäre.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer um Auskunft gebeten, ab wann eine Hinderung an der ordnungsgemäßen Ausübung der Geschäftsführerfunktion vorlag und welche Schritte zur Beseitigung dieser Behinderung unternommen wurden.
Im Antwortschreiben vom führte der Beschwerdeführer aus, er sei ab dem bei der ***1*** GmbH angestellt gewesen, habe aber aufgrund der Covid-Reisebeschränkungen nicht nach Wien reisen können. Darüber hinaus habe er auch seine Kontaktpersonen nicht erreichen können und sei folglich davon ausgegangen, die Firma sei zwischenzeitlich "gekündigt" worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Haftung gem. § 6a KommStG vorliegen würden. Ferner habe der Beschwerdeführer nicht ausreichend belegen können, dass er alle Möglichkeiten zur Beseitigung der Ausübungsbehinderungen, allenfalls im Rechtsweg, unternommen hätte. Ein Nachweis der Unmöglichkeit der Pflichterfüllung sei nicht erbracht worden.
Am ersuchte der Beschwerdeführer um Vorlage der Beschwerdesache an das Bundesfinanzgericht.
Am fand vor dem Bundesfinanzgericht im Beisein des Beschwerdeführers und Vertretern der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführerer zu seinem Vorbringen befragt wurde. Er verwies dabei im Wesentlichen auf sein bisheriges schriftliches Vorbringen. Der Beschwerdeführer bestätigte, dass ihm bewusst war, dass er eine Geschäftsführerposition eingegangen war.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Mitteilung der Finanzbehörde vom wurde die ***1*** GmbH als Scheinunternehmen eingestuft. Über das Vermögen der ***1*** GmbH wurde schließlich mit Beschluss des HG Wien vom TT. Juli 2020 das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom TT. Januar 2021 mangels Kostendeckung wieder aufgehoben. Die Firma wurde gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit am TT.3.2021 gelöscht.
Der Beschwerdeführer war von bis Eröffnung des Konkurses und Auflösung der Gesellschaft infolge Konkurseröffnung am TT.7.2020 Geschäftsführer und Alleingesellschafter der ***1*** GmbH.
Im Zuge einer Gemeinsamen Prüfung von Lohnabgaben und Beiträge wurden Kommunalsteuer-Rückstände bei der ***1*** GmbH festgestellt. Da keinerlei Lohnunterlagen vorhanden waren und der Geschäftsführer nicht gemeldet war, wurde die Bemessungsgrundlage anhand der Löhne errechnet. Laut Prüfungsergebnis wurden keinerlei Forderungsanmeldungen betreffend Gehälter ausbezahlt, weshalb davon auszugehen ist, dass sämtliche Löhne bezahlt wurden.
Am erging an den Beschwerdeführer ein Haftungsvorhalt. Am wurden dem Beschwerdeführer offene Kommunalsteuerbeträge im Haftungswege vorgeschrieben, welche in der Beschwerdevorentscheidung vom wie folgt aufgeschlüsselt wurden:
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Rückstand | Zeitraum | Betrag in Euro |
Kommunalsteuer lt. GPLB (aliqu.) | 2/2020 | 950,53 |
Kommunalsteuer lt. GPLB (aliqu.) | 3/2020 | 950,53 |
Kommunalsteuer lt. GPLB (aliqu.) | 4/2020 | 950,53 |
Kommunalsteuer lt. GPLB (aliqu.) | 5/2020 | 950,53 |
Kommunalsteuer lt. GPLB (aliqu.) | 6/2020 | 950,53 |
Gesonderte Säumniszuschlagsbescheide wurden nicht erlassen. Die Beträge sind bei der ***1*** GmbH uneinbringlich.
Der Beschwerdeführer hat der Vorhaltsbeantwortung vom einen ausgefüllten Fragebogen des Amtes für Betrugsbekämpfung und einen Kontoauszug über die monatliche (ungarische) Pension beigefügt. Darüber hinaus wurden keine Unterlagen vorgelegt, die auf eine Beseitigung der Behinderung der Geschäftsführungsbefugnisse seitens des Beschwerdeführers hindeuten. Ebenso wenig hat der Beschwerdeführer Liquiditätsrechnungen oder Nachweise der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer ist Jahrgang 1954 und erhält eine ungarische Pension iHv rund 450 €.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich - soweit nicht im Folgenden ausgeführt - aus den genannten oder in Klammer angeführten Unterlagen und somit aus dem Verwaltungsakt.
Dass die Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Konkursverfahren und aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde. Darüber hinaus wurden weitere Urkunden aus dem Firmenbuch ausgehoben.Des Weiteren wurden die Unterlagen aus den Vorbringen des Beschwerdeführers bei der Feststellung berücksichtigt.
Dass der Beschwerdeführer keine Unterlagen in Bezug auf eine allfällige Beseitigung der Behinderung der Geschäftsführungsbefugnisse sowie zur Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat, ergibt sich aus den Schriftsätzen des Beschwerdeführers, die eine Untermauerung seiner Behauptungen gänzlich vermissen ließen. In der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer nichts Näheres dazu vorbringen. Seine Behauptung, er habe seine Geschäftsführertätigkeit "annullieren" lassen wollen, konnte er nicht weiter untermauern.
Die Feststellung zum Jahrgang des Beschwerdeführers ergibt sich aus den bestätigten Angaben im Akt; jene zur Höhe der Pension aus der glaubhaften Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG), BGBl. 819/1993 idF BGBl. I 111/2010, haften die in den § § 80 ff der Bundesabgabenordnung (BAO) bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Die Kommunalsteuer ist für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG). Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Kommunalsteuererklärung abzugeben.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
4.1.2.Rechtsprechung und rechtliche Beurteilung
Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung im vorliegenden Fall voraus, dass
I. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),
II. eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderung iSd §§ 6a KommStG 1993 besteht (erschwerte Einbringlichkeit),
III. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
IV. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).
4.1.2.1.Zur Vertreterstellung
Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO iVm §§ 6a KommStG.
Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , 2006/13/0121, , 2008/15/0085).
Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden unter anderem in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten.
4.1.2.2.Zur erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 6a KommStG 1993 ist wie jene nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB ). Sie erstreckt sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche wie Säumniszuschläge (vgl. zB ).
Im Beschwerdefall steht die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben fest, da diese aufgrund der Insolvenz mit anschließender Auflösung der Primärschuldnerin nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können.
4.1.2.3.Zum Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung (Verschulden)
Die Haftung nach § 6 KommStG 1993 ist wie jene zu § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden (; , 2009/16/0246). Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen die Kommunalsteuer zählt, ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen ebenso maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. ; , 2004/13/0146; , 2005/13/0095). Die Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. mwN).
Der Beschwerdeführer wendete in seinen Stellungsnahmen dagegen ein, dass er an der Ausübung seiner Geschäftsführungsbefugnis gehindert worden sei. Es ist jedoch nicht maßgebend, ob der Haftungspflichtige seine Funktion als Vertreter tatsächlich ausgebt hat, sondern es kommt vielmehr darauf an, ob er als Geschäftsführer zum Verterter der Primärschuldnerin bestellt war und ihm daher diese Funktion auszufüllen oblegen hätte ().
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtswegdie Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat (). Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (vgl. ).
Im Falle einer Behinderung seiner Geschäftsführertätigkeit hätte der Beschwerdeführer seine Befugnis umgehend zurücklegen müssen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Maßnahmen lassen nicht erkennen, dass der zur Verfügung stehende Rechtsweg bestritten bzw. ausgeschöpft wurde, um eine ungehinderte Ausübung seiner Funktion erreichen oder erzwingen zu können. Die Geschäftsführungsbefugnis wurde vom Beschwerdeführer auch nicht niedergelegt. In seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus, er sei davon ausgegangen, die GmbH existiere nicht mehr. Dazu ist zunächst auszuführen:
Die Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (der Generalversammlung oder allen Gesellschaftern - §16a GmbHG). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser Eintragung kommt nur deklarative Wirkung zu (). Daraus lässt sich schließen, dass der Beschwerdeführer nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um die Behinderung der Geschäftsführungsausübung abzustellen. Das Argument, auf Grund der Covid-Pandemie sei es ihm nicht möglich gewesen, nach Österreich zu reisen, kann in diesem Zusammenhang ebenso wenig gelten, war der Beschwerdeführer wie festgestellt nicht nur Geschäftsführer der ***1*** GmbH, sondern auch deren Alleingesellschafter. Dabei übersieht das Bundesfinanzgericht nicht, dass die Gesellschaftsanteile mit TT. März 2020 durch Notariatsakt übergeben und folglich auch ins Firmenbuch eingetragen wurden, sohin nur ein paar Tage vor Inkrafttreten des ersten "Covid-Lockdowns". Auf Grund des Lockdowns wäre der Beschwerdeführer aber nicht daran gehindert gewesen, die hier in Rede stehenden Kommunalsteuern zu entrichten; eine solche Entrichtung wäre auf dem Bankweg via online Überweisung leicht möglich gewesen. Die in diesem Zusammenhang behauptete Nicht-Zustellung der Bankdaten der ***1*** GmbH stellt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine reine Schutzbehauptung dar. Dem Beschwerdeführer ist daher ein Verschulden anzulasten.
Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (). Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().
Der Beschwerdeführer hat dahingehend keine Äußerung getätigt und weder eine Liquiditätsrechung der ***1*** GmbH noch einen sonstigen geeigneten Nachweis erbracht.
4.1.2.4.Kausalität
Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (vgl. mHa ).
Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen.
4.1.2.5.Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. ).
Der erste Haftungsvorhalt ist rund zwei Jahre nach Konkurseröffnung bei der Primärschuldnerin ergangen, der Haftungsbescheid wurde am erlassen, während die Abgabenschuld das Jahr 2020 betrifft. Aus diesem Grund sieht sich das Bundesfinanzgericht zu einer Ermessensübung im Sinne des Beschwerdeführers und einer Reduktion der Haftung um 10% veranlasst.
Dass der Beschwerdeführer eine ungarische Pension iHv umgerechnet 450 Euro bezieht steht einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen:
Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden stehen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (vgl. zB mwN).
Der Beschwerdeführer wird aber darauf hingewiesen, dass bei einer allfälligen Exekutionsführung auf das Existenzminimum Rücksicht zu nehmen sein wird und insoweit ein der Exekution entzogener unpfändbarer Freibetrag besteht (§ 53 AbgEO iVm § 291a EO).
Aus dem Titel der Haftung werden dem Beschwerdeführer daher bei gleichbleibenden Vermögensverhältnissen keine Kosten erwachsen können.
Weitere Gründe, die für eine weitere Reduzierung der Haftungsbeträge bzw. gegen eine Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden gemäß §§ 9 iVm 80 BAO sprechen, liegen nicht vor.
4.1.3.Ergebnis
Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 6a Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400003.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at