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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2024, RV/7102775/2024

§§ 2,5,26 FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung Familienbeihilfe 01.2023-12.2023 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte über Finanzonline einen Antrag auf Familienbeihilfe (FB) ab 09/2022 für ihre Tochter J., die im September die Polizeigrundausbildung begann (siehe dazu Antrag vom ). Die FB wurde vorerst für 20 Monate für 09/2022 bis 04/2024 zuerkannt (siehe dazu Mitteilung über den Bezug der FB vom ).

Im Zuge eines Anspruchsüberprüfungsverfahrens (Anspruchsüberprüfungsschreiben der Behörde vom ) wurde vom Finanzamt ex Post eine Einkommensprüfung durchgeführt und festgestellt, dass die maßgebliche Einkommensgrenze sowie die Einschleifgrenze für das Jahr 2023 überschritten wurden (siehe dazu Einkommensteuerbescheid der Tochter der Bf vom , zu versteuerndes Einkommen
€ 17.331,12).

Mit Bescheid wurde die FB und der Kinderabsetzbetrag (KG) für den Zeitraum 01/2023 bis 12/2023 in Höhe von € 2.838,00 zurückgefordert (siehe dazu Rückforderungsbescheid vom ).

Die gegen den Rückforderungsbescheid eingelegte Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung abgewiesen, dass die Polizeigrundausbildung die Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs 1 lit b FLAG nicht erfüllt.

Am beantragte die Bf, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen (siehe dazu Vorlageantrag vom ).

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

III. Rechtsausführungen

§ 2 Abs 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

§ 5 Abs 1 FLAG 1967 idgF lautet:

Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) eines Kindes führt bis zu einem Betrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 15.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs 2 einschließlich § 8 Abs 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

…. .

§ 10 FLAG 1967 idgF lautet:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt;…

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) ...

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) …

§ 26 FLAG 1967 idgF lautet:

(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung; ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

IV. Erwägungen

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das, für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. zB , ). Laut stellt die Absolvierung einer Polizeigrundausbildung dem Grunde nach eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar.

Im Erkenntnis , hat der Gerichtshof bestätigt, dass die ersten drei Ausbildungsblöcke der Polizeigrundausbildung (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 anzusehen sind. Bei dem letzten, nach der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierenden, 4. Teil der Polizeigrundausbildung, dem viermonatigen Berufspraktikum II handelt es sich hingegen um eine Einschulung des Polizisten an seinem Arbeitsplatz (Einführung in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle). Damit ist dieses Berufspraktikum II nicht mehr als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 +anzusehen.

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass sich die Tochter der Bf, J., im Jahr 2023 in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 befand.

Nach der Judikatur des VwGH entspricht die Polizeigrundausbildung keinem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967. Diese in , vertretene Rechtsansicht wurde durch , vollinhaltlich bestätigt. Der VwGH führt darin aus, wie den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes deutlich entnehmbar sei, "führt der Entfall des Wortes "gesetzlich" nicht dazu, dass nunmehr sämtliche durch generelle Normen geregelten Ausbildungsverhältnisse als "anerkannte Lehrverhältnisse" iSd § 5 Abs. 1 lit b. FLAG anzusehen sind, sondern nur solche, die einer Ausbildung in gesetzlich geregelten Lehrberufen - insbesondere jenen im BAG - vergleichbar sind. Darunter fallen somit nur durch generelle Normen - zu denen insbesondere auch Kollektivverträge gehören (vgl. nochmals ) - als Ausbildung in einem Lehrberuf anerkannte Lehrverhältnisse (vgl. dazu auch , mwN). Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangt, die Polizeigrundausbildung - die zwar durch generelle Normen, und zwar durch die Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt ist - sei, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt der Auszubildenden, mit einer Lehre - in einem Lehrberuf - nicht vergleichbar. Dieser Beurteilung - gegen die sich die Revision nicht wendet, sondern dazu lediglich vorbringt, bei der Polizeigrundausbildung handle es sich nicht um eine Berufsausübung - ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten."

Diese Rechtsansicht wird in , explizit und eindeutig bestätigt, wenn der Gerichtshof in Rz 15 ausführt:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0004, mit näherer Begründung ausgesprochen hat, handelt es sich bei der Polizeigrundausbildung nicht um ein "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG, …sodass die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs. 1 FLAG bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen sind und mit dem 10.000 € bzw. (ab 2020) 15.000 € übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe verringern."

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass die aus der Tätigkeit der Tochter der Bf (Polizeigrundausbildung) erzielten Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind und mit dem EUR 15.000 übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe verringern, da gemäß § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 nur "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" außer Betracht bleiben. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von EUR 15.000 in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von EUR 15.000, so verringert sich die Familienbeihilfe für dieses Kalenderjahr um den EUR 15.000 übersteigenden Betrag, wobei § 10 Abs 2 FLAG 1967 nicht anzuwenden ist.

Für die Antwort auf die Frage, ob die Einkommensgrenze des § 5 Abs 1 FLAG 1967 überschritten wurde, ist zufolge der gesetzlichen Anordnung, dass § 10 Abs 2 FLAG 1967 dabei nicht anzuwenden ist, hier eine Ex-post-Betrachtung zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres anzustellen. Dabei sind alle in dieses Kalenderjahr fallenden Zeiten zu berücksichtigen, für die Anspruch auf Familienbeihilfe (etwa nach § 2 Abs 1 lit b) besteht. Maßgeblich ist daher das zu versteuernde Einkommen, das in Zeiträumen erzielt wird, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. 2020, § 5, I. Allgemeines).

Erst wenn der Grenzbetrag von € 15.000 überschritten wird, verringert sich die Familienbeihilfe, die für ein Kind zu bezahlen ist, im betreffenden Kalenderjahr um den Grenzbetrag übersteigenden Betrag.

Laut Einkommensteuerbescheid 2023 bezog die Tochter der Bf im streitgegenständlichen Zeitraum bis ein Einkommen in Höhe von € 17.331,12.

Die maßgebliche Grenze für das Jahr 2023 von 15.000 Euro (§ 5 Abs 1 FLAG 1967) sowie auch die Einschleifgrenze von 17.096,40 Euro wurden damit überschritten. Die Familienbeihilfe für 2023 ist auf Null zu kürzen und zurückzufordern.

Was das Vorbringen der Bf betrifft, dass es sich beim Ausbildungsentgelt der Tochter um "Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis" handelt, ist auf die obige höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, der zufolge dies nicht (mehr) der Fall ist. Die von der Bf behauptete Verwaltungspraxis, wonach Eltern sämtlicher Mitaspiranten der Tochter die Familienbeihilfe bekämen, widerspricht der angeführten Judikatur. Es obliegt den jeweiligen Abgabenbehörden allfällige Verfahrensschritte zu setzen, um einen rechtmäßigen Rechtszustand herbeizuführen. Von einer Ungleichbehandlung kann daher keine Rede sein.

Die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom ist abzuweisen.

V. Zulässigkeit der Revision

Eine Revision ist nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der zit. Rechtsprechung des VwGH folgt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102775.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at