§ 17 GrEStG -Dissolutionsvertrag wegen Scheiterns der Kaufpreisaufbringung durch eine Privatperson und gleichzeitig Abschluss eines neuen Kaufvertrages mit einer Einpersonen-GmbH, deren einzige Gesellschafterin wiederum die gleiche Privatperson ist, unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101296/2024-RS1 | Wenn die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgen, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück anderweitig frei zu verfügen bzw. das Grundstück auch an einen Dritten zu verkaufen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***40***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 17 GrEStG auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, ***3***, nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung am , in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
Die Beschwerdefüherin (Bf), Frau ***36*** unterfertigte am ***20*** einen Kaufvertrag mit der "***5*** über den Kauf von ***6***-Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung ***7*** sowie ***8***-Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum an KFZ-Stellplatz ***18***, je inne liegend der Liegenschaft ***9***, um den einvernehmlich vereinbarten Gesamtkaufpreis von 799.000,00 Euro, sowie eines zusätzlichen Pönales in Höhe von 3.500,00 Euro (lt. Punkt II des Vertrages). Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt hiefür die Grunderwerbsteuer mit 3,5% sowohl vom Kaufpreis als auch vom Pönale mit insgesamt 28.087,50 Euro fest.
Am unterfertigte Frau ***14*** eine Erklärung über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Einpersonen-GmbH). Die Firma der Gesellschaft lautet "***15***" und hat als Unternehmenszweck unter anderem den Kauf und Verkauf von Immobilien.
Mit Dissolutionsvertrag vom ***19*** wurde der Kaufvertrag vom ***20*** einvernehmlich aufgehoben. In Punkt V. des Dissolutionsvertrages beantragen die Vertragsparteien gemäß § 17 GrEStG eine Grunderwerbsteuer zur ***11*** nicht vorzuschreiben. Ebenfalls am ***19*** unterfertigte die Verkäuferin einen neuen Kaufvertrag, diesmal mit der "***12***. Die Steuer wurde unter ***13*** selbstberechnet.
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt den im Dissolutionsvertrag gestellten Antrag gemäß § 17 GrEStG auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom abgewiesen. Das Finanzamt begründete, eine Rückgängigmachung iSd § 17 GrEStG setze voraus, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlange, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt habe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn die Rückgängigmachung zwecks Ermöglichung des Verkaufes an einen im Voraus bestimmten neuen Käufer erfolge.
Die vom Notar und Urkundenerrichter im Namen der Beschwerdeführerin (Bf.) dagegen eingebrachte Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Dieser hat mit Schriftsatz vom im Namen der Bf. Vorlageantrag eingebracht.
Am wurde von der Kanzleileitung der Rechtsanwaltskanzlei ***16*** unter Berufung auf die erteilte Vollmacht Akteneinsicht in den Akt ***17***, genommen. Am wurde von Frau ***16*** eine Stellungnahme nachgereicht, Beweisanträge erbracht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Kaufvertrag vom ***20*** erwarb Frau ***4*** von der "***5***" ***6***-Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung ***7*** sowie ***8***-Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an KFZ-Stellplatz ***18***, je inne liegend der Liegenschaft ***9***, um den einvernehmlich vereinbarten Gesamtkaufpreis von 799.000,00 Euro. Aufgrund einiger Verzögerungen verpflichtete sich die Käuferin, zusätzlich ein Pönale in Höhe von 3.500,00 Euro an den Verkäufer zu bezahlen (Punkt II des Vertrages). Laut Punkt III. des Vertrages verpflichtet sich die Käuferin einen Kaufpreisteil in Höhe von 10.000,00 Euro zuzüglich des Pönales von 3.500,00 Euro bis längstens und den Restkaufpreis in Höhe von 789.000,00 Euro bis längstens auf das Anderkonto des Urkundenverfassers zu überweisen.
Mit Bescheid vom wurde die Grunderwerbsteuer mit 3,5% sowohl vom Kaufpreis als auch vom Pönale - d.s. 802.500,00 Euro - mit insgesamt € 28.087,50 festgesetzt.
Mit Dissolutionsvertrag vom ***19*** wurde der Kaufvertrag vom ***20*** einvernehmlich aufgehoben. Der Vertrag lautet auszugsweise:
"I.
Mit Kaufvertrag vom ***20*** hat die ***21***, ***6***-Anteile (B-LNR 96), verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung ***7*** sowie ***8***-Anteile (B-LNR 97), verbunden mit Wohnungseigentum an KFZ-Stellplatz ***18***, je der Liegenschaft ***22***, um den Kaufpreis von € 799.000,00 (Euro siebenhundertneunundneunzigtausend) an Frau ***4*** verkauft.
Weiters wurde eine Pönale in Höhe von € 3.500,00 vereinbart, welche bereits an die Verkäuferin ausbezahlt wurde und bei dieser verbleibt, obwohl der Kaufvertrag nunmehr aufgehoben wird.
II.
Die Vertragsteile kommen nunmehr überein, den Kaufvertrag vom ***20*** einvernehmlich aufzuheben. Die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen und vertraglichem Schadenersatz bleibt ungeachtet der Aufhebung des Kaufvertrages vom ***20*** weiterhin - bis zur vollständigen Erfüllung des neu abzuschließenden Kaufvertrages durch die ***23*** - aufrecht.
III.
Frau ***4*** wird die in Punkt I. näher beschriebenen Anteile durch ihre Gesellschaft ***24*** um den Kaufpreis von € 799.000,00 von der Verkäuferin wieder erwerben. Dazu wird ein neuer Kaufvertrag abgeschlossen. Die Käuferin hat bereits einen Betrag von € 10.000,00 an die Verkäuferin bezahlt. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass dieser Betrag im neuen Kaufvertrag als Teilkaufpreis angerechnet wird.
IV.
Sämtliche mit der Errichtung dieses Vertrages verbundenen Kosten, Steuern und Gebühren sind von der Käuferin Frau ***25*** zu tragen.
Weiters verpflichtet sich Frau ***26*** zum Ersatz von Verzugszinsen ab bis zum Tag des Einlangens des gesamten Kaufpreises durch die ***24*** auf dem notariellen Treuhandkonto, sowie zum Ersatz der Buchhaltungskosten, der Bereitstellugskosten für Überziehungsrahmen und der Betriebskosten sowie Verbrauchskosten ab September (je begonnenem Monat) sowie zur Zahlung der Kosten des Einschreitens von Rechtsanwältin Frau ***27*** für den Verkäufer im Betrag von pauschalierte 1.080,00 inklusive USt.
[...]
Die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen und vertraglichem Schadenersatz bleibt also ungeachtet der Aufhebung des Kaufvertrages vom ***20*** weiterhin aufrecht.
V.
Der Kaufvertrag vom ***20*** wurde am zu ***28*** beim Finanzamt angezeigt. Die Steuervorschreibung ist bis jetzt noch nicht erfolgt. Die Vertragsparteien beantragen gemäß § 17 GrEStG (Paragraf siebzehn Grunderwerbsteuergesetz), das Verfahren zu dem am zu ***28*** angezeigten Kaufvertrag zu stoppen und eine Grunderwerbsteuer nicht vorzuschreiben. ….
…" (Anm.: Hervorhebungen durch das BFG).
Am erfolgte die Errichtung einer GmbH durch ***14***, deren Unternehmensgegenstand u.a. der Kauf und Verkauf von Immobilien ist.
Der neue Kaufvertrag wurde am ***19*** zwischen der "***29***" als Verkäuferin und der "***24***" als Käuferin abgeschlossen und unter ***13*** selbstberechnet. Laut Punkt III. des Kaufvertrages hat die Käuferin bereits vor Vertragsunterfertigung einen Kaufpreisteil in Höhe von 10.000,00 Euro an die Verkäuferin überwiesen (vgl. Punkt III. des aufgelösten Kaufvertrages). Der Restkaufpreis in Höhe von 689.000,00 Euro war binnen 4 Wochen ab Vertragsunterfertigung durch die Käuferin an den Urkundenverfasser zu überweisen.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag gemäß § 17 GrEStG vom auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom abgewiesen. Das Finanzamt begründete, eine Rückgängigmachung iSd § 17 GrEStG setze voraus, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlange, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt habe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn die Rückgängigmachung zwecks Ermöglichung des Verkaufes an einen im Voraus bestimmten neuen Käufer erfolge.
Gegen diesen Bescheid wurde von Frau ***14*** vertreten durch Notar ***31*** mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben und beantragt, dem Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG zu entsprechen.
Laut Kaufvertrag sei die Verkäuferin berechtigt, bei Zahlungsverzug unter Setzung einer 14 tägigen Nachfrist vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Käuferin sei es nicht möglich gewesen, eine Bankfinanzierung für diesen Kauf zu erhalten. Die Verhandlungen bei den Banken hätten sich wochenlang in die Länge gezogen, seien aber letztendlich ergebnislos abgebrochen worden. Ab dem hätte die Verkäuferin daher jederzeit die Möglichkeit gehabt, vom Kaufvertrag zurück zu treten und sei wieder frei über den Kaufgegenstand verfügungsberechtigt gewesen. Es sei dann aber doch eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden worden, allerdings nicht für ***39*** als Privatperson, sondern nur, wenn sie in Form einer GmbH kaufe. Laut finanzierender Bank, seien die Kriterien für eine Kreditvergabe bei Firmenkunden weniger streng, als bei Privatpersonen. Nachdem eine schriftliche Finanzierungszusage vorgelegen sei, habe sich die Verkäuferin bereit erklärt, einen neuen Kaufvertrag abzuschließen, wobei die neu gegründete GmbH von Frau ***39*** als Käuferin auftrete. Dies sei über eigene Entscheidung und ohne jeden Zwang oder rechtliche Verpflichtung erfolgt.
Im Dissolutionsvertrag sei erwähnt worden, dass ein neuer Kaufvertrag mit der "***24***" abgeschlossen werden solle, es aber seitens der Verkäuferin keine Verpflichtung dazu gegeben habe. Der Dissulutionsvertrag hätte Frau ***39*** keine rechtliche Möglichkeit gegeben, auf Erfüllung des ursprünglichen Kaufvertrages oder auf Abschluss eines neuen Kaufvertrages mit der GmbH zu bestehen. Eine entsprechende Klage sei ihr nicht möglich gewesen, da der Abschluss des neuen Kaufvertrages freiwillig erfolgt sei. Der Dissolutionsvertrag und auch der neue Kaufvertrag seien von der ursprünglichen Käuferin ***25*** am unterschrieben worden, vom Verkäufer jedoch erst einige Wochen später. Am ***19*** seien dann der Dissolutionsvertrag und der neue Kaufvertrag auch vom Verkäufer unterfertigt worden, wobei zwar Liegenschaft und Kaufpreis gleich seien, jedoch inhaltlich einige Unterschiede bestünden, nicht nur was die kaufende Partei betreffe, sondern auch hinsichtlich Ausstattung des Kaufgegenstandes, Zahlungsbedingungen, etc..
Der neuerliche Verkauf an die "***24***" sei auf Grund einer freien Entscheidung des Verkäufers erfolgt und habe nichts mit dem ursprünglichen Kaufvertrag zu tun. Die beiden Kaufverträge seien voneinander unabhängig zu betrachten. Der erste Kaufvertrag sei aufgehoben und am ***19*** ein neuer, inhaltlich auch teilweise abweichender, Kaufvertrag abgeschlossen worden. Dieser sei zur ***32*** selbstberechnet und die entsprechende Grunderwerbsteuer (und Eintragungsgebühr) bereits ans Finanzamt überwiesen worden. Es wäre völlig unverständlich, wenn für EINEN Erwerbsvorgang, wo auch nur einmal ein Kaufpreis bezahlt worden sei, zweimal Grunderwerbsteuer anfalle. Eine solche Regelung wäre im Übrigen willkürlich und widerspräche dem verfassungsrechtlich gebotenen Sachlichkeitsgebot. § 17 GrEStG sei in dieser Hinsicht verfassungskonform auszulegen.
Als Zeugen für den geschilderten Sachverhalt wurden ***14***, ***33*** (Geschäftsführer der "***29***") und Rechtsanwältin ***34*** (Anwältin des Verkäufers), benannt.
Die dagegen eingebrachte Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Mit Schriftsatz vom wurde Vorlageantrag eingebracht. Am wurde von der Kanzleileitung der Rechtsanwaltskanzlei ***41*** unter Berufung auf die erteilte Vollmacht Akteneinsicht in den Akt ***17***, genommen.
Am wurde durch ***41*** eine Stellungnahme nachgereicht, Beweisanträge erbracht, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Am fand die mündliche Verhandlung statt, welche folgendes Ergebnis gebracht hat:
Frau ***39*** führt aus, dass sie ursprünglich aus Oberösterreich zugezogen sei und mit ihren beiden Kindern eine Mietwohnung in der ***42*** bezogen habe. Schließlich sei aufgrund der unzureichenden Größe der Wohnung mit 2 Kindern ein Umzug notwendig geworden. Ihr Vater habe die streitgegenständliche Wohnung auf Willhaben gefunden, sie sei von einem Makler angeboten worden. Die Wohnung sei ursprünglich in einem schlechten Zustand gewesen. Die Verkäuferin sei die "***29***" gewesen, ihr Geschäftsführer Herr ***33***. Die Vertretung von Herrn ***43*** sei Frau Rechtsanwältin ***44*** gewesen, da sich Herr ***43*** meist im Ausland befinde. Herr ***45*** habe sie die ganze Zeit über beraten, betreut und vertreten. Sie kenne ihn seit vielen Jahren und vertraue ihm und er habe die ganze Vertragsabwicklung gestaltet. Die Bf. habe dann ein unbedingtes Kaufanbot abgegeben, damit kein weiterer Käufer inzwischen zu einem günstigeren Preis kaufe.
Die Finanzierung der Bank sollte nach Aussage der ***46*** kein Problem darstellen und sollte durch eine Immobilie in Oberösterreich abgesichert sein. Dies sei jedoch nicht ausreichend gewesen. Die Steuerberaterin der Bf. habe dann den Kontakt zu einem Bankberater, Herrn ***47***, hergestellt, welcher Angebote eingeholt habe und der Bf. schließlich geraten habe, eine GmbH zu gründen. Mit der Verkäuferin sei ausgemacht gewesen, dass sie zwar mit dem Preis nicht hinuntergehe, dafür aber Mängel behebe, was aber nur teilweise passiert sei.
Die Rechtsvertreterin der Verkäuferin habe die Bf. im Prinzip durch weitere, horrende Pönalzahlungen wegen Vertragsbruchs erpresst. Auf Vorschlag von ***45*** sei der Dissolutionsvertrag und am gleichen Tag auch der neue Kaufvertrag mit der GmbH abgeschlossen worden. Die Unterfertigung sei deshalb am gleichen Tag erfolgt, weil Herr ***43*** sonst immer im Ausland gewesen sei. Hinsichtlich der Teilzahlungen könne die Bf. keine genauen Angaben machen, da es sich um zu viele Zahlungen gehandelt habe und dies im Nachhinein zu unübersichtlich sei.
Das FA verweist auf das bisher Vorgebrachte und auf das Erkenntnis .
Frau ***48*** führt aus, dass Frau ***49*** trotz Zusage die eidesstattliche Erklärung nicht übersendet habe. Sie habe jedoch versichert, sie hätte jederzeit an einen anderen Käufer verkauft und zu jeder Zeit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Wohnung innegehabt.
Für den Vertreter des FA stellt sich der Sachverhalt so dar, dass die Verkäuferin kein Interesse daran gehabt habe vom Kaufvertrag zurückzutreten, sofern nicht ein neuer Käufer festgestanden wäre.
Die Vertreterin verweist nochmals auf die Zusicherung der eidesstattlichen Erklärung durch Frau ***49***, sowie auf die Korrespondenz zwischen Frau ***49*** und ihr selbst. Weiters verweist sie darauf, dass der zweite Kaufvertrag mit dem ersten Kaufvertrag nicht ident sei.
Die Parteien stellen keine weiteren Fragen und Beweisanträge. Schluss des Beweisverfahrens.
Der Behördenvertreter beantragt die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Die Vertreterin der Bf. verweist auf die bisherigen Ausführungen und beantragt die Stattgabe der Beschwerde.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege übermittelten Bemessungsakten des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, die vom Bundesfinanzgericht eingesehenen Urkunden, die nachgereichte Stellungnahme vom , sowie das Ergebnis der mündlichen Verhandlung.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den aktenkundigen Unterlagen sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und können somit gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden. Die aktenkundigen Unterlagen sind der Bf. nach Akteneinsicht umfänglich bekannt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Vorweg ist zu sagen, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO ausschließlich in der, in der Bundesabgabenordnung vorgesehenen Form, beantragt werden kann.
Gemäß § 274 (1) BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden,
1. wenn es beantragt wird
a) in der Beschwerde,
b) im Vorlageantrag (§ 264),
c) in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) oder
d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des späteren Bescheides, oder
2. Wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.
Ein (durch § 274 Abs 3 allerdings relativierter) Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung setzt einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers (bzw des der Bescheidbeschwerde Beigetretenen) voraus. Dies ergibt sich aus § 274 Abs 1 Z 1 BAO. Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (zB ; , 2006/13/0069; , 2008/13/0098, 0188; , 2008/13/0148). Dies auch dann nicht, wenn diese Ergänzung noch innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt ().
Hält der Einzelrichter oder der Berichterstatter eine mündliche Verhandlung für erforderlich, so hat sie stattzufinden (nach § 274 Abs 1 Z 2). "Amtswegige" mündliche Verhandlungen (§ 274 Abs 1 Z 2 und Abs 2)
Das bedeutet für vorliegenden Fall, dass die mündliche Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu stellen gewesen wäre. Der Antrag im Schriftsatz vom kann daher keinen Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründen.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit und des Parteiengehörs wurde jedoch eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchgeführt.
Gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen.
Die Grunderwerbsteuer erfasst den Erwerb von inländischen Grundstücken oder von grundstücksgleichen Rechten. Die Grunderwerbsteuer ist nach ihrem Wesen als Verkehrsteuer ausgestaltet, die grundsätzlich an jeden Übergang eines inländischen Grundstückes anknüpft (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuer, Band II, § 1 GrEStG 1987 Rz 8, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Die Rückgängigmachung des Geschäftes, das eine Steuerschuld ausgelöst hat, führt in der Regel nicht zur Rückgängigmachung der Steuerschuld (vgl zB ). Die Rückgängigmachung des Geschäfts kann unter Umständen nochmals eine Steuerschuld auslösen (gl Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II7, Tz 157; Stoll, Steuerschuldverhältnis, 34).
Eine gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Ausnahme stellt § 17 GrEStG 1987 dar. Bei den Ansprüchen aus § 17 GrEStG 1987 auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Abänderung der Steuerfestsetzung handelt es sich um selbständige Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lassen. Zweck der Bestimmung ist es, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der im Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden.
Der Anwendungsbereich des § 17 GrEStG 1987 ist auf die gesetzlich vorgesehenen Fälle beschränkt.
§ 17 (Nichtfestsetzung und Abänderung der Steuer) GrEStG 1987 lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt,
1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,
2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,
3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,
4. wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.
(2) Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs. 1 Z 1, 2 und 4 sinngemäß…."
Das Gesetz lässt die Festsetzung oder Abänderung der Steuer nur in den, in den Absätzen 1 bis 3 des § 17 GrEStG 1987 ausdrücklich umschriebenen Fällen zu (vgl. Slg 3427/F; , 98/16/0115, 0116; , 2011/16/0001). § 17 GrEStG ist daher als Begünstigungsbestimmung einer ausdehnenden Interpretation nicht zugänglich. Zwar handelt es sich bei § 17 GrEStG um eine Begünstigungsbestimmung (vgl. Slg 3092/F; , Slg 3825/F; , 90/16/0087; , 2007/16/0230), jedoch nicht um eine Begünstigung iSd § 294 Abs. 1 BAO (vgl. 88/16/0187 in ).
Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann ( 88/16/0187; , 90/16/0087; , 90/16/0150; , 91/16/0103, 0111, , 96/13/0110; , 97/16/0024; , 99/16/0050; ,2002/16/0258; , 2005/16/0261; , 2008/16/0183; vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuer, Band II, § 17 GrEStG 1987 Rz 6 in ).
§ 17 GrEStG 1987 setzt ein Rückgängigmachen voraus. Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist also nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innehatte, wiedererlangt hat (, , 2005/16/0261, mwN).
Erfolgt die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgen, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück anderweitig frei zu verfügen bzw. das Grundstück auch an einen Dritten zu verkaufen (vgl. 94/16/0097, 0098, 0099; , 97/16/0390,0391; , 2001/16/0184, 0190; , 2001/16/0489; , 2002/16/0258; , 2007/16/0066; , 2008/16/0141; ).
Das Rückgängigmachen eines Erwerbsvorganges erfordert auch die Rückstellung allenfalls bereits erbrachter Gegenleistungen (Fellner, Grunderwerbsteuer, Rz 14a zu § 17 GrEStG 1987).
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ergibt sich für den konkreten Fall Folgendes:
In gegenständlichem Fall wurde von der Bf. mit der Verkäuferin, "***29***", am ***20*** über den Vertragsgegenstand ***35***, ein Kaufvertrag abgeschlossen. Hie für hat die Käuferin bereits vor Vertragsunterfertigung einen Kaufpreisteil von 10.000,00 Euro geleistet. Der Restkaufpreis konnte nicht aufgebracht werden, weshalb die Bf. am eine GmbH gegründet hat, da für diese eine Finanzierung leichter zu bekommen war (siehe Vorbringen in der Beschwerde vom sowie Niederschrift zur mündl. Verh.). In der Folge wurden am ***19*** sowohl ein Dissolutionsvertrag zwischen der Verkäuferin und Frau ***36*** als auch ein neuer Kaufvertrag zwischen derselben Verkäuferin und der "***24***" abgeschlossen. Der Kaufpreis wurde in exakt der gleichen Höhe bestimmt.
Der bereits für den ersten Kaufvertrag geleistete Kaufpreisanteil von 10.000,00 Euro wurde - wie den Urkunden zu entnehmen ist - angerechnet (siehe Vertragspunkt III. alter und neuer KV). Ein schlüssiger Gegenbeweis konnte nicht erbracht werden. Auch die Pönalzahlung aus dem ersten Kaufvertrag, welche bereits an die Verkäuferin ausbezahlt wurde, verblieb trotz Aufhebung bei der Verkäuferin (Pukt I. des Dissolutionsvertrages). Die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen und vertraglichem Schadenersatz blieb ebenso ungeachtet der Aufhebung des Kaufvertrages vom ***20*** weiterhin - "bis zur vollständigen Erfüllung des neu abzuschließenden Kaufvertrages durch die ***23***" - aufrecht (Pukt II. des Dissolutionsvertrages). Von einer echten Vertragsaufhebung mit Rückstellung der beiderseitigen Leistungen kann daher nicht gesprochen werden.
Das bedeutet, gegenständlich ist ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Verträgen gegeben. Keine der Vertragsparteien wollte ernsthaft vom Kauf zurücktreten. Die Verkäuferin wäre hierzu aufgrund des Zahlungsverzuges unter Setzung einer 14-tägigen Nachfrist berechtigt gewesen wäre (vgl. Beschwerde v. ). Es musste eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden. Da der Kaufpreis für das Objekt von der Bf. als Privatperson nicht aufgebracht werden konnte, wurde zum Zweck des Erwerbes der Wohnung eine Ein-Personen-GmbH gegründet und gleichzeitig ein neuer Kaufvertrag abgeschlossen, mit welchem nunmehr die GmbH von der Verkäuferin erwirbt. Wie aus dem Schriftverkehr hervorgeht hatte sich die Verkäuferin bereit erklärt, eine Auflösungsvereinbarung und einen vereinfachten Kaufvertrag mit einer GmbH zu unterfertigen.
Die angesprochenen Abänderungen des Kaufvertrages betreffen lediglich die Auszahlung des Kaufpreises, den Verrechnungsstichtag, den Übergabestichtag sowie den Entfall des Punkt V., worin sich die Verkäuferin verpflichtet hat, Arbeiten auf eigene Kosten durchzuführen, wie Austausch von Bodenfliesen, Ausmalen, Ausbesserung von Fliesenfugen, Schleifen der Parkettböden, Schließung offener Stellen bei Fassade und Außenwand. Im Übrigen blieb der Vertrag gleich.
In Anbetracht dieser Umstände kann der, von der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerung nicht entgegengetreten werden, dass nicht ernsthaft von der Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht durch die Verkäuferin, "***29***", gesprochen werden kann, zumal der Dissolutionsvertrag und der Kaufvertrag mit der GmbH am selben Tag abgeschlossen worden sind, eine Rückabwicklung der Anzahlung nicht erfolgt ist und aus dem laufenden Schriftverkehr zweifelsfrei hervorgeht, dass die Verkäuferin der Bf. sozusagen im Wort geblieben ist, bis diese eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden hatte, welche am Ende in Absprache mit der Verkäuferin in der Gründung einer Ein-Personen-GmbH zum Ankauf der Wohnung mündete, deren einzige Gesellschafterin wiederum die Bf. ist.
Die Bf begehrt die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom ***37***. Die Begünstigungsbestimmung des § 17 GrEStG setzt eine Wiederherstellung des früheren Zustandes voraus (siehe die oben zitierte Rechtsprechung). Eine Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht durch die Aufhebungsvereinbarung vom ***19*** liegt jedoch im gegenständlichen Fall eindeutig nicht vor, da Vertragsauflösung und Neuabschluss in unmittelbarem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang miteinander stehen.
Hinsichtlich der beantragten Zeugeneinvernahmen ist zu sagen, dass von Parteien beantragte Beweise gemäß § 183 Abs. 3 BAO aufzunehmen sind, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist ua. abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind (vgl. ). Dies trifft in gegenständlichem Fall auf die gestellten Beweisanträge zu.
Dass die Bf. als Privatperson die notwendige Finanzierung nicht erlangen konnte, weil sie die diesbezüglichen Voraussetzungen persönlich nicht erfüllte, wird nicht bezweifelt (Beweisantrag: Einvernahme ***50***). Der Annahme, die Verkäuferin habe die völlige freie Verfügungsmacht über die Wohnung wiedererlangt, steht die dargestellte wirtschaftliche Verknüpfung, welche sowohl dem Urkundeninhalt als auch dem diesbezüglichen Schriftverkehr zu entnehmen ist, entgegen (Beweisantrag: Einvernahme ***33***, ***44***, ***45***).
Eine diesbezügliche eidesstättige Erklärung konnte von Frau ***44*** nicht erwirkt werden. Herr Notar ***45*** hat seine Darstellung des Sachverhaltes in Beschwerde und Vorlageantrag bereits ausführlich dargelegt.
Die Beschwerde war daher nach dem oben Gesagten als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu gegenständlicher Rechtsfrage liegt bereits umfangreiche Judikatur vor. Die getroffene Entscheidung entspricht sowohl der Judikatur des VwGH als auch der Rechtsprechung des BFG. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101296.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101296.2024
Fundstelle(n):
FAAAF-43192