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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.11.2024, RV/5100697/2024

Urlaubsbedingte Abwesenheit rechtfertigt keine Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde ein Säumniszuschlag iHv 134,22 € festgesetzt, weil die mit Bescheid vom vorgeschriebene Einkommensteuer 2023 iHv 6.711,00 € nicht bis entrichtet worden war.

In der Eingabe vom wurde ausgeführt, es möge gemäß § 217 Abs. 7 BAO von der Festsetzung eines Säumniszuschlages abgesehen werden, weil die Beschwerdeführerin an der Säumnis kein grobes Verschulden treffen würde.
Aufgrund ihres Alter (geb. 1936) würden die Finanzamtsangelegenheiten von ihrem Sohn Dr. ***VN*** ***NNBf1*** erledigt werden. Die Zahlungsfrist für die Einkommensteuer 2023 hätte am geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei der Sohn der Beschwerdeführerin mit seiner Familie auf Urlaub gewesen und habe die fällige Zahlung schlicht übersehen. Aufgrund der zwischenzeitigen Mahnung vom sei der geschuldete Betrag in offener Nachfrist () überwiesen worden. Das aktuelle Versehen sei eine absolute Ausnahme. Alle bisher erforderlichen Zahlungen seien anstandslos vorgenommen worden.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt darauf hin, dass es in der Verantwortung des Abgabepflichtigen liegen würde, wen er mit seiner Vertretung oder der Besorgung von Angelegenheiten in Zusammenhang mit der Abgabenbehörde beauftragen würde. Ein Verschulden des Vertreters wirke daher in seinen Rechtsfolgen stets auf den/die Vertretene(n).
Die Begründung, wonach es in der Folge der urlaubsbedingten Abwesenheit des Sohnes am groben Verschulden des Säumnis fehle, könne nicht nachvollzogen werden. Der Fälligkeitstermin der Einkommensteuer 2023 sei bereits mit Bescheid vom bekanntgegeben worden. Es habe ausreichend Gelegenheit bestanden, für eine zeitgerechte Entrichtung der Abgabe zum Fälligkeitstag Vorsorge zu treffen. Vor allem seien Urlaubsreisen auch kein spontanes Ereignis, sondern würden üblicherweise im Voraus geplant. Zudem hafte die dem Säumniszuschlag zugrundeliegende Abgabe trotz Mahnung vom per nach wie vor unberichtigt am Abgabenkonto aus, was nicht dafür sprechen würde, dass tatsächlich das Bestreben bestanden habe, der Zahlungsverpflichtung möglichst pünktlich nachzukommen. Die in der Beschwerde angesprochene, als "offene Nachfrist" bezeichnete Mahnfrist beziehe sich keinesfalls auf die Säumnisfolgen, da der Säumniszuschlag bereits verwirkt sei, sobald eine Abgabe nicht zum Fälligkeitstag entrichtet würde. Diese Mahnfrist werde lediglich angegeben, um durch deren Einhaltung zumindest zwangsweise Einbringungsmaßnahmen hintanzuhalten.
Der Säumniszuschlag sei eine objektive Säumnisfolge. Die Abgabenbehörde sei bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages verpflichtet. Fehlendes grobes Verschulden könne im gegenständlichen Fall nach Aktenlage nicht angenommen werden, weswegen von der Festsetzung eines Säumniszuschlages nicht Abstand zu nehmen wäre.

Im Vorlageantrag vom wurde ausgeführt, dass der Sohn von 06.06. bis zunächst mit seiner Frau und dann auch mit dem Sohn und den Enkelkindern (geb. 2017 und 2021) auf Rhodos gewesen sei. Natürlich sei diese Reise im Voraus geplant gewesen. Der Urlaub mit kleinen Kindern würde allerdings auch eine erhebliche, gerade in der letzten Zeit vor der Reise intensive Vorbereitung erfordern. Hinzu komme, dass sich die für den Abend des 1. Juli geplante Rückreise des Sohnes mit Frau und Enkelkindern aufgrund einer siebenstündigen Flugverspätung überaus mühsam gestaltet habe. Diese Anstrengung habe über die Abgabe der Kinder im Kindergarten am 2. Juli hinaus etwas fortgewirkt.
Unter diesen Umständen habe der Sohn der Beschwerdeführerin die zeitgerechte Entrichtung der Abgabe durchaus entschuldbar einfach übersehen. Die Beschwerdeführerin kenne ihren Sohn als äußerst verlässlich. Es seien alle bisherigen Steuerzahlungen anstandslos vorgenommen worden, worauf in der Vorentscheidung nicht eingegangen werde.
Die gegenständliche Zahlung sei am aus FinanzOnline veranlasst und vom Pensionskonto der Beschwerdeführerin abgebucht worden. Worin grobes Verschulden konkret liegen solle, würde die Behörde nicht sagen.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Ergänzend verwies das Finanzamt auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7105504/2015, wonach die verspätete Entrichtung einer Abgabe infolge eines längeren Auslandsaufenthaltes als grobes Verschulden zu qualifizieren sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2023 wurde am elektronisch eingereicht. Der Einkommensteuerbescheid 2023 wurde am verbucht.

Die Einkommensteuer 2023 iHv 6.711,00 € war am fällig. Mit Mahnung vom wurde darauf hingewiesen, dass die Einkommensteuer 2023 noch nicht bezahlt wurde. Am wurde die Abgabe entrichtet.

Die Einkommensteuer 2023 wurde nicht fristgerecht entrichtet, weil der Sohn der Beschwerdeführerin, der sich um die steuerrechtlichen Belange seiner Mutter kümmert, von bis zunächst mit seiner Frau, dann mit dem Sohn und zwei Enkelkindern auf Urlaub war.
Die Rückkehr am war aufgrund einer siebenstündigen Flugverspätung sehr mühsam.

Soweit im Abgabeninformationssystem ersichtlich wurden die Abgaben von der Beschwerdeführerin immer pünktlich entrichtet.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie auf Datenbankabfragen (Abgabenkonto, Grunddatenverwaltung).

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die gegenständlich relevanten Bestimmungen des § 217 BAO lauten:
(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.
(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Unbestritten ist, dass die dem angefochtenen Säumniszuschlagsbescheid vom zugrunde liegende Abgabenverbindlichkeit (Einkommensteuer 2023 in Höhe von 6.711,00 €) nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 217 Abs. 5 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nur dann und insoweit nicht entsteht, als die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt.

Gegenständlich dauerte die Säumnis jedenfalls mehr als fünf Tage.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung des gegenständlichen Säumniszuschlages lagen daher unbestritten vor.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. ()

Fragen des Vorliegens eines groben Verschuldens der Partei sind der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zuzuordnen (), wobei es sich bei der Frage, ob grobes Verschulden vorliegt (oder nicht), nicht um eine Frage handelt, die zu beweisen wäre; es handelt sich vielmehr um eine Rechtsfrage ().

Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Festzuhalten ist, dass das (grobe) Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH tritt bei Begünstigungstatbeständen, dazu gehört auch die Antragsmöglichkeit nach § 217 Abs. 7 BAO, die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ).

Im Beschwerdeverfahren wird dargelegt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin urlaubsbedingt die Frist übersehen habe. Der Urlaub hat von bis gedauert. Da im zweiten Teil des Urlaubs die Enkelkinder dabei waren, wäre die Vorbereitung intensiv gewesen. Eine siebenstündige Flugverspätung bei der Rückreise hat dazu geführt, dass die Anstrengung bis bis zur Abgabe der Kinder im Kindergarten weitergewirkt hat.

Die Einkommensteuererklärung 2023 wurde am elektronisch eingereicht. Ab diesem Zeitpunkt wusste die Beschwerdeführerin, dass sie mit einer Nachzahlung rechnen musste. Der Bescheid wurde am verbucht. Vom Zeitpunkt der Verbuchung bis zur Abreise des Sohnes war noch eineinhalb Wochen Gelegenheit, die Einkommensteuer 2023 einzuzahlen. Auch nach der Rückkehr war unter Ausschöpfung der Toleranzbestimmung des § 217 Abs. 5 BAO, in welche der Samstag und Sonntag nicht einzuberechnen sind, noch bis Gelegenheit, die Einkommensteuer 2023 zu entrichten, ohne Säumnisfolgen auszulösen. Bis zur Fälligkeit am war also ausreichend Zeit, um für eine fristgerechte Bezahlung zu sorgen. Die Beschwerdeführerin legte nicht dar, welche genauen Umstände vor und nach dem Urlaub des Sohnes daran gehindert haben, die Einzahlung vorzunehmen.

Es wurde von der Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt, welcher Instrumentarien sie bzw. ihr Sohn sich grundsätzlich bedient, um die Fristen gegenüber dem Finanzamt einzutragen (Vormerk im Kalender, elektronische Erinnerung etc).

Auf einen bloßen Irrtum, Vergesslichkeit oder Nachlässigkeit zurückzuführendes Versehen kann ohne das Hinzutreten besonderer hierfür ausschlaggebender Umstände nicht als bloß minderer Grad des Verschuldens qualifiziert werden. Würden ein bloßer Irrtum oder schlichte Nachlässigkeit allein schon als Grund für die Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen anerkannt, liefe dies im Ergebnis auf die Bedeutungslosigkeit gesetzlicher Entrichtungsfristen und der Verpflichtung zu ihrer Wahrung hinaus. Welcher unvorhergesehene oder außergewöhnliche Umstand dazu führte, dass die Einkommensteuer 2023 nicht fristgerecht entrichtet wurde, obwohl ja bekannt gewesen sein musste, dass sie am fällig ist, wurde nicht dargelegt.

Der vom Gesetzgeber vorgesehene Idealfall wäre, dass die Einkommensteuervorauszahlungen die Einkommensteuer für ein Kalenderjahr völlig abdecken. Davon kann gegenständlich keine Rede sein. Gerade in so einer Ausnahmesituation wäre es an der Beschwerdeführerin gelegen ganz im Besonderen darauf zu achten, dass der noch zu entrichtende Betrag rechtzeitig überwiesen wird.

Das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin ihre Abgaben bislang pünktlich entrichtet hat, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil es auf ein Wohlverhalten bezüglich der Entrichtung bzw. Abfuhr anderer Abgaben - wie im Übrigen auch auf die sofortige Nachholung der Zahlung - nicht ankommt. (; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I³, § 217, Rz 21)

Insgesamt wurde im Beschwerdeverfahren nicht überzeugend dargetan, dass die Beschwerdeführerin an der verspäteten Entrichtung der dem angefochtenen Säumniszuschlag zugrundeliegenden Einkommensteuer 2023 kein grobes Verschulden traf, weshalb § 217 Abs. 7 BAO nicht zur Anwendung gelangen kann.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie Fragen der Beweiswürdigung ab. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100697.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at