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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.11.2024, RV/5100725/2024

Familienbeihilfe für die Zeit nach Ende des Lehrverhältnisses - Nichtantritt zur Lehrabschlussprüfung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 04.2023-09.2023 Ordnungsbegriff ***123*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde erließ am einen Rückforderungsbescheid Anrechnung betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetag für den Sohn der Beschwerdeführerin betreffend den Zeitraum April 2023 bis September 2023 (Rückforderungsbetrag iHv 1.479,00 Euro - samt anteiliger Geschwisterstaffel). Begründend wurde ausgeführt:

"Zu ***Sohn***: Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zu. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967). Laut vorliegenden Unterlagen endete das Lehrverhältnis von ***Sohn*** mit . Die Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung erfolgte erst nach Beendigung des Lehrverhältnisses. Somit bestand ein Anspruch auf Familienbeihilfe bis einschließlich März 2023. Ab April 2023 konnten keine Anspruchsvoraussetzungen festgestellt werden."

2. In der gegen diesen Bescheid am eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:

"Ich bin aufgefordert worden das LAP Zeugnis zu schicken. Mein Sohn hat erst im April einen Termin zu LAP bekommen. Ich habe Ihnen den Termin geschickt. Natürlich habe ich ja nicht gewusst, dass ich keinen Anspruch auf die Familienbeihilfe habe, haben Sie mir es trotzdem weiter gewährt, mit der Annahme das das in Ordnung sei. Die erste LAP hat er nicht geschafft, wodurch er sich wieder zum zweit möglichen Termin angemeldet hat. Da wurde ich wieder von Ihnen aufgefordert eine Bestätigung zu bringen, die ich wiedergebracht habe. Und Sie haben mir wieder die Beihilfe weiter gewährt. Meines Erachtens habe ich keinen Fehler gemacht. Da Sie die Unterlagen zur Prüfung bekommen haben und sie die Freigabe erlassen haben."

3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"[…] ***Sohn*** war It. Sozialversicherungsauszug von bis Lehrling bei Fa. ***V*** in ***O***. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung (Schreiben der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom ) nach Lehrzeitende erfolgte. Tritt ein Kind nach Beendigung des Lehrverhältnisses zur Lehrabschlussprüfung an und hat es sich rechtzeitig, d. h. noch vor Beendigung des Lehrverhältnisses zur Lehrabschlussprüfung angemeldet, gebührt die Familienbeihilfe bis zur Absolvierung der Lehrabschlussprüfung. Bei Ihrem Kind trifft dies nicht zu! Für den Zeitraum April 2023 bis September 2023 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da sich ***Sohn*** nicht in Berufsausbildung befunden hat."

4. Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

5. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

An die Beschwerdeführerin wurde im streitgegenständlichen Zeitraum April 2023 bis September 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für ihren am ***tt***. Oktober 2003 geborenen volljährigen Sohn ausbezahlt.

Der Sohn der Beschwerdeführerin absolvierte in der Zeit von bis eine Lehre als Metalltechniker. Er hat die Lehrabschlussprüfung am (Anmeldedatum ) und am (Anmeldedatum ) entschuldigt nicht absolviert. Die Lehrabschlussprüfung am (Anmeldedatum ) hat er unentschuldigt nicht absolviert.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist."

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe "mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt."

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Allgemein fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl zB , mwN).

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist - außerhalb des im § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung iSd § 3 StudFG - nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl ; , 2003/13/0157, mwN). Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es nach der stRsp des VwGH (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch " in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen " (vgl ; , 2007/13/0125, mwN). In diesem Zusammenhang sind nach der Rsp des VwGH die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum, somit im jeweiligen Kalendermonat, maßgebend ().

Das österreichische duale Lehrlingsausbildungssystem sieht eine Kombination aus praktischer Ausbildung in einem Betrieb im Rahmen eines Lehrverhältnisses und aus schulischer Ausbildung an einer Berufsschule vor. Die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis stellt im Allgemeinen unstrittig eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dar (vgl Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 45, Stichwort "Lehrausbildung"). Demgemäß hat der VwGH etwa betreffend den Lehrberuf Veranstaltungstechnik ausgesprochen, dass sich die Berufsausbildung "jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches erstreckt" (vgl ). Betreffend eine allenfalls an diese Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung vertritt der VwGH die Ansicht, dass diese dann zur Berufsausbildung zu zählen sei, wenn der Prüfungswerber das in der Rechtsprechung geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen erkennen lässt. Dies sei der Fall, wenn er zeitgerecht (§ 23 Abs 2 BAG) die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantragt ().

Zum ersten Termin der Lehrabschlussprüfung am hat sich ***Sohn*** rechtzeitig - nämlich schon am - angemeldet. Jedoch ist er zu diesem Termin nicht angetreten. Zu weiteren zwei Lehrabschlussprüfungen war er angemeldet, jedoch hat er die Lehrabschlussprüfung am entschuldigt und die Lehrabschlussprüfung am unentschuldigt nicht absolviert. Die Lehrzeit endete mit . Ab April 2023 kann nicht mehr von einem ernstlichen, zielstrebigen und nach außen erkennbaren Bemühen um einen Ausbildungserfolg gesprochen werden. Ab April 2023 hat sich ***Sohn*** in keiner Berufsausbildung mehr befunden.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie nicht gewusst habe, dass sie keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe und sie daher keinen Fehler gemacht habe, sie des Weiteren immer alle angeforderten Unterlagen gebracht habe und das Finanzamt die Familienbeihilfe weiter gewährt habe und sie daher davon ausgegangen sei, dass das in Ordnung sei, ist wie folgt auszuführen:

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2 § 26 FLAG Rz 12). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 FLAG Rz 13). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ). Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 FLAG Rz 16).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ). Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100725.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at