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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.12.2024, RV/5100760/2024

Nichtbeantwortung eines Mängelbehebungsauftrages der Abgabenbehörde - zwingende Rechtsfolge aus § 85 Abs. 2 BAO iVm § 250 Abs.1 lit b BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemals ***FA***, nunmehr FAÖ DS ***1***, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Die Beschwerde gilt gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO iVm. § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Am reichte der Beschwerdeführer (Bf.) den Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2018 ein. Darin beantragte er Sonderausgaben iZm Personenversicherungen iHv € 1.171,18, Gewerkschaftsbeiträge iHv € 68,00 und pauschalierte Werbungskosten iZm Vertreter und Politiker.

Der Einkommensteuerbescheid 2018 wurde am erlassen und elektronisch in die Databox zugestellt. Darin wurden die Vertreterpauschalierung um erhaltene Kostenersätze gekürzt und die Topf-Sonderausgaben eingeschliffen.

Am brachte der Bf. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom ein, welche folgenden Inhalt aufweist:

"Beschwerde bzw. Einspruch gegen den Steuerbescheid 2018- Wie bereits tel. angekündigt möchte ich gegen den Steuerbescheid 2018 eine Beschwerde einbringen. Da meine Tochter noch in der Wohnung ***2*** wohnt und auch noch in die Schule geht, bitte ich nochmals um Überprüfung der Familienbeihilfe.

Weiters mussten wir für die Kurzzeitpflege meiner Eltern ,die jetzt fix im Altenheim ***3*** wohnen über 10.000,- Euro einbezahlen. Ich bitte daher um nochmalige Überprüfung und Korrektur des Jahresausgleiches 2018. "

Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes v.

Angesichts dieser Beschwerdeausführungen erließ das zuständige Finanzamt, ehemals ***FA***, mit verfahrensleitender Verfügung (§ 244 BAO) vom einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 85 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 250 Abs. 1 BAO. Der Bf. wurde darin aufgefordert zu erklären, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird. Ferner sollte eine Erklärung über die beantragten Änderungen sowie eine Begründung nachgereicht werden. Zusätzlich wurde die Vorlage einer Aufstellung sowie der Belege und Zahlungsnachweise für die in der Beschwerde beantragten übernommenen Pflegekosten der Eltern verlangt.

Da innerhalb der gesetzten Frist (bis und Androhung der Sanktion bei Versäumung der Frist-Zurücknahmefiktion) keine Antwort auf den Mängelbehebungsauftrag erfolgte, wurde die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 263 Abs. 1 lit. b BAO als zurückgenommen erklärt.

Am wurde dagegen ein Vorlageantrag (§ 264 BAO) eingebracht. Der Vorlageantrag weist folgenden Inhalt auf:

"Da mein 2 Einkommen nur bei € 900,- liegt und dieses auf keinen Fall meiner Entschädigung gleichkommt, bitte ich um weiterhin Verlängerung des Bescheides vom . Als Gemeinderat erhalte ich nur Sitzungsgeld und kein regelmäßiges Einkommen und daher ist der Bezug vom Politiker-Gehalt zu streichen! Ich habe zwar eine 2. Lohnsteuerkarte ,aber kein Einkommen! Weiters wurden meine Spesenausgaben und weitere Ausgaben nicht berücksichtigt! Bitte daher um weitere Prüfung da meine Tochter im Jahr 2018 noch zur Schule ging."

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes RV/5101463/2019, hob das Gericht den mit Beschwerde angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2018 vom ohne den Zusatz "ersatzlos" auf (Spruchpunkt l) auf. In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ausschließlich eine verfahrensrechtliche Frage (und daher ging das Gericht - themenbezogen- von einer verkürzten Sachverhaltsdarstellung aus) im Zusammenhang mit dem vom ehemaligen ***FA*** durchgeführten Mängelbehebungsverfahren zu klären sei. Dieser Mängelbehebungsauftrag erweise sich nach Auffassung des Gerichtes als nicht berechtigt, weil er zugleich einen Ermittlungsauftrag (Erhebungshandlung) hinsichtlich der beantragten Pflegekosten der Eltern der mitbeteiligten Partei beinhaltet habe. Die Verknüpfung eines Mängelbehebungsauftrages mit einem Erhebungsauftrag sei unzulässig. Nach Ansicht des BFG mache dieser Fehler - der Rechtsprechung des VwGH folgend - den gesamten Mängelbehebungsauftrag rechtswidrig, sodass auch der Zurücknahmebescheid vom rechtswidrig sei.

Hinsichtlich des Themas "ersatzlose oder nicht ersatzlose Aufhebung von Bescheiden" wird weiters noch auf den Artikel von Summersberger in , v. hingewiesen.

Der VwGH teilte die Rechtsansicht des BFG in seinem Erkenntnis VwGH Ra 2024/15/0055-7 v. , welches dem BFG am elektronisch übermittelt wurde, nicht.

In Bindungswirkung gemäß § 63 VwGG zum zitierten Erkenntnis des VwGH Ra 2024/15/0055-7 v. ,eingelangt beim BFG am , führt das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren wie folgt aus:

Gesetzliche Grundlagen:

§ 85 Abs. 2 BAO lautet wie folgt:

[…]

(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 250 Abs. 1 BAO lautet:

(1) Die Bescheidbeschwerde hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung. […]

§ 263 Abs. 1 BAO lautet wie folgt:

Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde

a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. […]

§ 278 Abs. 1 BAO lautet auszugsweise:

Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassenwerden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. […]

§ 279 Abs. 1 BAO lautet:

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine gesetzeskonforme Beschwerde hat sämtliche in § 250 Abs. 1 BAO genannten Merkmale kumulativ zu enthalten.

Zu den einzelnen Inhaltserfordernissen ist auszuführen (s. Ritz/Koran, BAO, 7.Auflage, zu § 250, II. Inhaltserfordernisse, Rz 11 bis 13 und die jeweils dort zitierte Judikatur):

"Der Antrag soll die Behörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Beschwerdeführer dem Bescheid anlastet (vgl 99/13/012025; , 2002/13/0005, 0006; , 2010/15/0213).

Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, muss somit einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben (; , 2004/14/0035; , 2004/14/0108; , 2008/15/0123), wobei sich die Bestimmtheit aus der Beschwerde ergeben muss (zB ; RV/0164-K/11; ).

Erforderlich ist daher bei teilweiser Anfechtung eines Bescheides die Erklärung, wie weit diese Anfechtung reicht (). […]

Bei Vorliegen einer Beschwerde, die nicht den in § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, ist nach § 85 Abs. 2 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt ( mwN).

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur (sofortigen) Zurückweisung. Inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Verstreichen einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Wird einem (rechtmäßigen) Mängelbehebungsauftrag überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen (vgl. ), so ist mit Bescheid (Zurücknahmebescheid) auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gilt ( siehe Ritz/Koran, BAO .7.Aufl., § 85 Tz 18).Die Zurücknahme der Beschwerde hat mit Beschwerdevorentscheidung gem § 263 Abs. 1 lit. b BAO bzw. durch Beschluss des Gerichtes gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO zu erfolgen.

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. ; , Ra 2020/15/0047; , Ra 2020/13/0099).

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (vgl. ). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (; , Ra 2020/13/0046).

Der Bf. hat dem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes v. gemäß § 250 Abs. 1 lit. b BAO ("die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird") nicht entsprochen.

Da dem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom Bf. nicht entsprochen wurde, war gemäß § 85 Abs. 2 BAO zwingend die Zurücknahme der Beschwerde zu erklären.

Der Ausspruch, dass die Beschwerde als zurückgenommen gilt, erfolgt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss.

Nichtzulassung einer ordentlichen Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus § 85 Abs. 2 BAO ergibt, liegt hier keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Rechtslage ist eindeutig. Es gibt es eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist. Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Mängelbehebungsauftrag durch Behörde
Nichtbeantwortung
Zurücknahmefiktion
Zurücknahmebescheid
Beschluss des BFG
Verweise




Summersberger in
Ritz/Koran, BAO .7.Aufl., § 85 Tz 18

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100760.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at